Xaoc Devices Odessa und Hel

Mehrstimmiges Eurorack-Oszillator-Modul mit Additiver Synthese

Autor und Fotos: Peter Kaminski

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Die Anzahl der verfügbaren Eurorack-Oszillatoren ist riesig. Wenn man sich aber die einzelnen Synthesearten anschaut, dann ist die Additive Synthese nicht so sehr verbreitet und die verfügbaren Module unterscheiden sich stark in Ihren Möglichkeiten Einfluss auf die Synthese zu nehmen. Eines der interessantesten Oszillatoren mit Additiver Synthese ist der "Odessa" von Xaoc Devices aus Polen, der sich mit der Erweiterung "Hel" auch mehrstimmig betreiben lässt.

Additive Synthese

Bei der additiven Synthese werden neben einer Sinus-Grundschwingung im Oszillator (Fundamental) gezielt Sinus-förmige Oberwellen (Partials) generiert die sich vielfältig über Parameter ändern lassen, während bei der subtraktiven Synthese eine komplexere Wellenfom erzeugt wird und mit Filter der Oberwellenanteil verändert wird. Die mathematische Basis für die additive Synthese wurde bereits im 18. Jahrhundert von dem Franzosen Fourier entwickelt. Daher spricht man manchmal auch von Fourier-Synthese. Die Idee dahinter ist, dass sich aus mehreren Sinusschwingungen mit unterschiedlicher Frequenz und Amplitude jede beliebige andere komplexe Wellenform erzeugen lässt. Bei der additiven Synthese ist die klangliche Vielfalt größer als bei der subtraktiven Synthese.

In der Regel kommen harmonische Oberwellen zum Einsatz, das heißt neben der Grundschwingung kommen Sinusschwingungen mit dem Vielfachen der Frequenz der Grundschwingung zum Einsatz.  Man unterscheidet hier zwischen den geraden (Faktor 2, 4, 6, 8 ..., engl. "even") und den ungeraden Harmonischen (3, 5, 7, 9 ..., engl. "odd").  Die ungeraden machen ihrem Namen nicht alle Ehre denn sie klingen nicht so sehr harmonisch.

Konzept

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Der Aufbau des Odessa besteht aus zwei Platinen, eine hauptsächlich für die Bedienelemente und Klinkenbuchsen und eine für die weitere Elektronik. Auf der eine Platine befindet sich der Pfostenstecker für den Anschluss der Spannungsversorgung und auf der oberen der Anschluss für das Zusatzmodul Hel sowie eine Pfostenleiste um auch das Leibnitz Sub-System an zuschließen, auf das wir in diesem Test aber nicht weiter eingehen werden.

Auf der Hauptplatine gibt es noch einen Jumper mit dem sich einstellen lässt, ob der an der Buchse Fundamental ein Sinus (Werkseinstellung) oder ein Rechteck ausgegeben wird.

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Die Breite beträgt 24 TE und die Bautiefe 32 mm wobei diese mit Hel noch um einige Millimeter tiefer ist. Die maximale Stromaufnahme bei +12 Volt beträgt  140 mA und bei -12 Volt lediglich 84 mA. +5 Volt wird nicht benötigt.

Bedienung

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Odessa bietet eine ganze Reihe von Möglichkeiten die Oberwellen im generellen Vorhandensein, im Pegel und sogar in der Frequenz zu verändern und zudem bietet Odessa auch noch eine Art nachgeschalteter Kammfilter, der die klanglichen Möglichkeiten nochmals erweitert. Eines wird sicherlich schnell klar: Odessa ist ein funktionell sehr komplexes Eurorack-Modul.

Die Oszillator-Tonhöhe lässt sich mit den beiden Reglern COARSE und FINE einstellen. Bevor wir weiter auf die Parameter, bzw. Einstellmöglichkeiten eingehen, werfen wir zunächst einen Blick auf die Ein- und Ausgänge von Odessa.

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Es gibt mit dem PITCH CV V-OCT einen 1-V/Oktave-Steuerspannungseingang und eine Eingang für exponentielle und einen für lineare Frequenzmodulation. Beide Eingänge verfügen über Abschwächer. Besonders erwähnenswert ist, dass der lineare FM-Eingang auch Thru-Zero-Frequency-Modulation (TZFM) gestattet. Dabei wird bei negativer Steuerspannung die Phase des Oszillators gedreht. Für die DENSITY und WARP des Kammfilters gibt es ebenfalls Steuerspannungseingänge mit Abschwächer. Bemerkenswert ist, dass es für jeden regelbaren Parameter einen Steuerspannungseingang gibt.

Es gibt drei Ausgänge und zwar einen Ausgang für die Grundschwingung (FUNDAMENTAL) einen für ungerade (ODD APRTIALS) und einen für gerade (EVEN PARTIALS) Oberwellen. Diese beiden Ausgänge für ODD und EVEN sind dann interessant wenn der Regler BANK nicht auf Mitte steht denn dann unterschieden sich der ODD und EVEN Ausgang.

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Bei Mittelstellung von BANK werden auf beiden Ausgängen alle Harmonischen ausgegeben (s. Spektrum oben). Es gibt also keine Unterschiede.

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Wenn der Regler BANK auf -1 steht dann wird auf dem EVEN-Ausgang die ungerade und auf ODD die geraden Harmonischen ausgegeben (s. Abb. oben). Bei Stellung +1 genau umgekehrt. Bei Plus-Werten entspricht also die Beschriftung der Buchsen auch der Realität. Bei Stellungen im Minusbereich (links von der Mittelstellung) ist die Verteilung eben invertiert.     

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Bei Stellung -2 von BANK (s. Abb. oben), bzw. +2 erfolgt eine weitere Verschiebung um zwei Partielle.

Über den Parameter HARMONIC FACTOR lassen sich die Abstände der Partials, bei gleichbleibenden Grundton, multiplizieren (Reglerstellung rechts) oder dividieren (Reglerstellung links). Bei mittlerer Reglerstellung gibt es keine Veränderung (Faktor 1). 

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Mit dem großen Regler PARTIALS wird die Anzahl der Partiellen festgelegt. Wichtig ist zu wissen, dass es sich hier nicht um eine Blend-Funktion handelt sondern die Partiellen kommen hinzu oder werden dem Spektrum komplett entnommen. Es handelt sich also um einen Ein-/Ausschalt-Vorgang. Die LEDs um den Regler stellen eine vereinfachte visuelle Ausgabe der Partiellen dar - eine Art Spektroskop Light.

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Hier einmal ein Spektrum mit einer sehr geringen LED-Anzahl.

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Erhöht man die Reglerstellung von PARTIALS so kommen immer mehr Partielle hinzu. 

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Bei Maximalstellung gehen diese bis an die Grenze des Übertragungsbereich (s. Abb. oben).

In diesem Zusammenhang steht auch der Regler SPECTRAL TILT.

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Hiermit lässt sich einstellen wie die Abnahme der Pegel mit zunehmender Frequenz erfolgt. Töne und Geräusche in der Natur Fall in der Regel mit zunehmender Frequenz ab. Diese Abbildung (s. Spektrum oben) zeigt ein Spektrum mit SPECTRAL TILT auf Linksanschlag

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Bei Maximum von SPECTRAL TILT, also Rechtsanschlag des Reglers, sieht man auch in den oberen Frequenzbereichen Partials mit sehr hohem Pegel. Dabei sieht man aber, dass die Grundschwingung und die ersten Oberwellen in diesem Beispiel erhalten bleiben. Man könnte die Funktion des Parameters ähnlich der eines Tiefpassfilters beschreiben. Das ist aber nur zum Teil richtig.

Nun zu dem Parameter TENSION, der über den Regler links von dem großen Regler PARTIALS verändert werden kann. Normalerweise haben die Partials, wie zuvor beschrieben, eine vielfache Frequenz der Grundschwingung.

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Dies ist bei Mittelstellung des Reglers TENSION auch der Fall (s. Spektrum oben).

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Bei Reglerstellung nach links werden die Frequenzabstände aber geringer als ein Vielfaches und dadurch wird das gesamte Spektrum mehr oder weniger gestaucht (s. Spektrum oben bei Linksanschlag).

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Bei Reglerstellung über die Mitte nach rechts werden die Abstände zu den einzelnen Partials größer als ein Vielfaches (s. Spektrum oben bei Rechtsanschlag).

ODESSA ist ja in der Lage mehrere Stimmen parallel zu erzeugen und zwar eine, drei oder fünf. Welcher Modus aktiv ist, wird durch die Farbe der VOICES LED angezeigt (grün 1, orange 3 und rot 5). Die Umschaltung erfolgt mit dem Taster VOICES. Mit dem Regler SPREAD lässt sich der Abstand der einzelnen Voices einstellen (bei VOICES 3 oder 5). Bei Reglerstellung 0 ist die Frequenz aller Voices identisch und wenn der Regler langsam nach rechts gedreht wird beginnen die Frequenzunterschiede zwischen den Stimmen größer zu werden, wobei die Stimmen 3 und 5 zu höherer Frequenz und die Stimmen 2 und 4 zu tieferen driften.

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Mit dem Zusatzmodul "Hel" Polyphony Commander lassen sich die bis zu fünf Stimmen auch einzeln in ihrer Frequenz über Steuerspannungen (0 ... 5 V) kontrollieren (s. Abb. oben). Es handelt sich um 1 V/Okt. Eingänge, wobei eine Quantisierung der Tonhöhe auf Halbtonschritte erfolgt.

Praxis

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Der Odessa ist in der Tat ein komplexer Oszillator, bei dem ein gewisses Grundwissen und Verständnis der additiven Synthese hilfreich ist oder die Bereitschaft sich damit zu beschäftigen. Ohne diese Kenntnisse kann man das ganze Potential des Moduls nicht ausschöpfen. Das klangliche Potential ist aber extrem groß. Man sollte unbedingt die Spannungssteuereingänge nicht nur mit einem LFO modulieren sondern auch mal ein AR- oder ADSR-Hüllkurvensignal aufzuschalten, gegebenenfalls mit Abschwächer. Die Kammfilter-Sektion ist das i-Tüpfelchen bei den Modulationsmöglichkeiten. Die Einstellmöglichkeiten des Kammfilters bereichern die Klangvielfalt enorm. Eigentlich handelt es sich beim Odessa um ein Stereo-Oszillator. Daher sollte man auch ein Dual-VCA nachschaltet. Bestimmende Parameter für den Grad des Stereo-Effekts sind die Parameter BANK und HARMONIC FACTOR.

Ob man den Oszillator mit Polyphon ansteuert ist sicherlich eine individuelle Entscheidung. Ich würde erstmal raten, dass Modul unisono zu betreiben. Da bietet es schon genügend Spielraum für klangliche Experimente. Für die Modulation mit Hüllkurven eignet sich das Zadar von Xaoc perfekt, da es auch Hüllkurven-Signale mit aufgeprägten Modulationen bietet.

Klangliche Schwerpunkte hat Odessa nicht und er ist universell einsetzbar von fetten Sounds über metallische, perkussive oder Pads mit tiefen Modulationen und Stereoeffekten. Was man braucht ist sicherlich etwas Zeit, um sich mit der Komplexität von Odessa auseinander zu setzen.

Fazit

Odessa ist für etwas unter 500 Euro zu haben und das Zusatzmodul Hel für unter 90 Euro. ich muss noch einmal betonen, dass die klangliche Vielfalt enorm ist. Wer noch kein Modul mit additiver Synthese in seinem Rack hat, der sollte unbedingt über Odessa nachdenken um sein klangliches Spektrum in eine anderen Richtungen zu ergänzen.

http://xaocdevices.com