Xaoc Zadar
digitaler Vierfach-Hüllkurvengenerator im Eurorack-Format
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Der polnische Hersteller Xaoc bietet eine ganze Reihe von äußerst interessanten Modulen an. Auf der Superbooth 2018 stellte man den digitalen Vierfach-Hüllkurvengenerator Zadar mit einer Breite von 10 TE vor. Er bietet Möglichkeiten, die weit über die der analoge Hüllkurvengeneratoren hinausgehen und das mit einem interessanten Bedienkonzept.
Konzept
Der Zadar Ist mit einem sehr gut ablesbaren OLED-Dispaly ausgestattet. Die Bedienung erfolgt übersichtlich über vier Drehgeber für Auswahl Hüllkurvenform (Shape), Länge der Hüllkurve (Time) im Bereich von 0,85 Millisekunden bis zu 30 Minuten, Form der Hüllkurve über zwei Parameter (Warp/Response) sowie mit dem vierten Regler Sustain-Zeitpunkt und Hüllkurvengenerator-Ausgangspegel (Sustain/Level). Die Regler verfügen über eine Drucktastenfunktion mit der man bei den ersten beiden Reglern Funktionen aktivieren kann (Reverse Time und Retrigger-Verhalten), bzw. bei den beiden unteren Reglern zwischen den Regelfunktionen umschalten kann (als Warp/Response und Sustain Time/Level). Weiter gibt es ein Taster für die Anwahl des Kanals A bis D und einen für das Aufrufen der Menüs. Dazu später mehr.
Das Modul bietet vier unabhängige Hüllkurvengeneratoren. Für jeden Kanal gibt es einen Gate-Input (TRIG A ... D), einen Hüllkurvenausgang (OUT A ... D) sowie einen zuweisbaren VC-Steuereingang (ASGN A ... D).
Auf der Mitte der Leiterplattenrückseite befindet sich noch eine Pfostenleiste für den Anschluss eines Expander-Moduls, dem "Nin". Dieses Modul mit drei TE Breite wird seit Frühjahr 2019 als Option angeboten (s. Abb. unten). Das entsprechende Verbindungkabel zum Zadar liegt dem Nin-Modul natürlich bei.
Das Nin erweitert jeden Kanal um einen weiteren Steuerspannungseingang (ASGN2 A ... D) und bietet zudem vier Trigger-Tasten, um einen der vier Hüllkurvengeneratoren manuell auszulösen.
Hüllkurvenverläufe
In dem Main Screen wird immer der Hüllkurvenverlauf grafisch ausgegeben sowie der ausgewählte Kanal und die vier Parameter Hüllkurvendauer (Time in Prozent), Warp, Response und der Sustain-Pegel. Der Riesenvorteil des Zadar ist, dass man nicht auf einen klassischen ADSR-Hüllkurvenverlauf beschränkt ist, sondern das insgesamt 260 verschiedene Hüllkurvenverläufe anwählbar sind. Durch Druck auf den Auswahlregler für die Hüllkurvenform wird diese in der Zeitebene invertiert, das heißt also, sie läuft dann rückwärts ab (Revers).
Die Hüllkurvenverläufe sind in 26 Bänken (A ... Z) unterteilt und so nach Formen und Anwendungen und Komplexität geordnet. Oben haben wir einmal drei Beispiele abgebildet aber die Bandbreite der bereitgestellten Hüllkurvenformen ist noch deutlich größer. Es gibt häufig dabei Verläufe, die sowohl relativ einfach, als auch noch mit unterschiedlichen Modulationen in unterschiedlicher Komplexität angeboten werden.
Hüllkurveneinstellung
Die Frage ist natürlich, wie man so zum Teil komplexe Wellenform mit Parametern sinnvoll in Ihrer Form verändern kann. Hier muss man sich logischerweise von den klassischen ADSR-Parametern verabschieden. Für die Veränderung der Form stehen zwei Parameter zur Verfügung und zwar "Warp" und "Response".
Um deren Funktion zu verstehen hier einmal zwei Beispiele. Zunächst zum sogenannten Warp. Wir haben hier eine Hüllkurve in Form eines Dreiecks gewählt. Mit dem Warp-Parameter kann man die Spitze nun nach links oder rechts verschieben. Der Parameter wirkt also in der horizontalen Ebene (s. Abb. unten).
Der zweite Parameter Response verbiegt die Hüllkurvenform in der vertikalen Ebene in dem die Steigung sich von einem linearen Verlauf zu einem positiv oder negativ gebogenen Verlauf verformen lässt. Hierrüber kann man der Hüllkurve also einen mehr oder weniger exponentiellen Verlauf geben (s. Abb. unten).
Wie bei der klassischen ADSR-Hüllkurve bietet der Zadar auch ein Sustain. Der Zeitpunkt wo das Sustain wirken soll, lässt sich über den vierten Regler einstellen. Der Zeitpunkt wird dabei mit einem Strich in der Hüllkurvenform markiert (s. Abb. unten).
Wenn der Zeitpunkt ganz nach rechts verschoben wird schaltet sich die Sustain-Funktion aus (s. Abb. unten), wie man das beim klassischen Hüllkurvengenerator von der Umschaltung von ADSR- auf AD-Betriebsart her kennt. Die Hüllkurve wird dann lediglich getriggert und läuft ohne Tastaturkontrolle ab.
Es ist noch anzumerken, dass es zwei Retrigger-Betriebsarten beim Zadar gibt und zwar "Analog" (AN) und "Digital" (DG). Bei Digital startet die Hüllkurve immer am Anfang sobald ein Trigger-, bzw. Gate-Signal detektiert wird. Bei der Betriebsart Analog beginnt der Hüllkurvengenerator die Hüllkurve an dem aktuellen Pegel. Der Modus Digital ist also mit dem Retrigger-Verhalten eines klassischen ADSR-Hüllkurvengenerators gleichzusetzen.
Menüs
Über den Menütaster ruft man die Modulationsmenüs (mit angeschlossenem Nin zwei Menüs für Eingänge 1 und 2), ein Hüllkurvenverkettungsmenü sowie ein Preset-Menü auf. Es lassen sich insgesamt 18 Presets speichern und aufrufen. Durch längeres Drücken des Channel-Tasters geht auch aus dem Main-Menü ein Preset-Kopier-Menü auf, mit dem sich die aktuellen Einstellungen in einem der Presets ablegen lassen.
Bei dem Modulationsmenü (s. Abb. unten) lässt sich das Modulationsziel und die Modulationsstärke pro Kanal einstellen. Die vier Regler wirken in diesem Menü als Regler für je einen Kanal, so dass man hier keine Kanalanwahl über den Kanaltaster durchführen muss.
Ein interessante Funktion, speziell für lange Hüllkurven, die gesamte Sound-Verläufe steuern, lassen sich auch noch Ketten der vier Hüllkurven der Kanäle bilden, wobei sich auch die Phase und die Wiederholungsanzahl einstellen lässt (s. Abb. unten). Über den roten Hüllkurvenformregler, lassen sich in diesem Menü verschiedene Verkettungen vier Hüllkurven auswählen. Schon eine etwas speziellere Funktion, auf die wir hier nicht weiter eingehen möchten.
Als Modulationsziele im Modulationsmenü hat man die selektierte Hüllkurvenform, Länge, Warp- und Response-Parameter, sowie Level, Wiederholungsanzahl und Phase der Chain-Funktion, Reverse-Funktion, Sustain-Zeitpunkt und ein Freze-Schwelle. Mit der Freze-Funktion lässt sich der aktuelle Pegel der Hüllkurve halten.
Praxis
Der Zadar ist so flach, dass er sich auch in Desktop/Skiff Cases einbauen lässt. Die Stromaufnahme ist im Mittel bei 27 mA für +12 Volt, bzw. bei 7 mA bei -12 Volt. In den spitzen geht der Strom der +12 Volt auf maximal 32 mA hoch. Also relativ zurückhaltend. Die leicht gerasterten Regler vermitteln eine gute Haptik und das Display ist sehr gut ablesbar und auch noch Lebenszeit-Optimiert, denn es geht nach einer gewissen Zeit aus und muss dann durch Tastendruck reaktiviert werden.
Die Bedienung des Zadar ist sehr durchdacht und wenn man das Konzept verstanden hat total simpel. Auch solche Details wie das die Schrittweite sich je nach Geschwindigkeit mit der die Drehgeber bedient werden dynamisch anpassen, sind praxisgerecht umgesetzt. Wir hatten die Firmware 2.01 im Test verwendet. Die Firmware und den Bootlader updatet man bei Bedarf übrigens mit einem Audiofile, welches dem Trigger A Input zugeführt wird. Die Firmware hinterlässt allerdings einen sehr ausgereiften Eindruck, so dass nicht häufig mit Updates zu rechnen ist. Übrigens kann man den Firmware-Stand durch Einschalten mit gedrückter Menü-Taste aufrufen. Dann startet der Zadar mit dem Update-Menü wo eben auch die aktuelle Version ausgegeben wird..
Was mich persönlich etwas stört ist, dass man die Kanäle nicht direkt anwählen kann, sondern immer vier in Folge mit dem Channel-Taster durch-steppen muss. Aber nun gut, so oft muss man die Kanäle auch nicht wechseln. Insofern hinnehmbar. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Abspeicherung der Einstellungen in Presets.
Was nicht möglich ist, ist die Inversion der Hüllkurve in der Pegelebene. Wir haben beim Entwickler nachgefragt und man teilte uns mit, dass diese Funktion, auch wenn sie erst mal relativ einfach erscheint, sich nicht implementieren lässt. Das bedeutet aber lediglich, dass man ein externes Modul nutzen muss, was ein Signal in der Pegelebene invertieren kann, wie zum Beispiel den Atenuverter von Befaco, der ein Signal im Pegel und in der Phase verändern und auch ein Pegel-Offset einstellen kann. Hilfreich zur Kontrolle ist ggf. ein Oszilloskop-Modul, wie zum Beispiel das Mordax Data, um den resultierenden Spannungsverlauf kontrollieren zu können.
Das Nin Modul ist sehr interessant, nicht nur weil man nun zwei Parameter pro Kanal spannungssteuern kann, wie zum Beispiel Zeit und Warp oder Response geleichzeitig, sondern auch weil vier Triggertasten zur Verfügung stehen. Das Zadar eignet sich nicht nur als digitaler Ersatz für analoge ADSR-Hüllkurvengeneratoren in Verbindung mit einer Tastatur sondern auch zur Kontrolle von langen, komplexen Klangverläufen im Bereich von vielen Sekunden oder Minuten. Diese lassen sich mit den Trigger-Tasten am Nin Keyboard-unabhängig auslösen. Aber auch zum Testen einer Einstellung ist das ganz praktisch, wenn man mal einen Sequenzer als Gate-Quelle angeschlossen und gar keine Klaviatur verfügbar hat.
Am Anfang mag man diese vielen Hüllkurvenformen, besonders die komplexeren, vielleicht als für die Praxis eher als Spielerei ansehen, aber genau das Gegenteil ist der Fall, wenn man sich die Mühe macht, sich etwas ausgiebiger mit dem Zadar zu beschäftigen. Natürlich machen diese auch bei Ansteuerung eines VCAs oder auch eines VCFs Sinn. Besonders interessant finde ich aber die Kontrolle des Wellenform-Morphings bei einem Wavetable-fähigen Oszillator, wie zum Beispiel den Graphic VCO von Erica Synths oder die FM-Modulation mit komplexen Hüllkurven. Besonders interessant sind auch die Hüllkurvenformen mit Glitches oder sehr vielen Kämmen. Letztere verleihen dem Sound bei der Modulation von VCA oder auch Wellenformen raue Klangmuster.
Man ließt öfter die Frage in Foren ob der Zadar denn nun ein vollständiger analog ADSR-Hüllkurvengenerator-Ersatz darstellt. Diese Frage kann man absolut bejahen und zwar trotz der wenigen Regelelemente, dank des durchdachten Parameter-Konzeptes. Es bietet neben der Auswahl von komplexen Hüllkurvenformen sogar noch den Vorteil, die Länge des Hüllkurvensignals über den Time-Parameter als Ganzes zu verändern. Natürlich gibt es da auch bei den analogen Hüllkurvengeneratoren Ausnahmen, wie das Doepfer 140-2, welches bei entsprechender Jumper-Einstellung sich entsprechend spannungssteuern lässt, aber in der Regel muss man dann Attack-, Decay- und Release-Parameter einzeln anpassen, wenn man die Gesamtlänge verändern möchte. Man hat zwar den Nachteil, dass man das Einschwingverhalten, also genauer gesagt die Attack- und ggf. auch Decay-Zeit, nicht getrennt einstellen kann, aber die Parameter Warp und Response bieten ähnliche Möglichkeiten. Man muss hier nur etwas umdenken und meistens hilft es den Warp-Parameter ein wenig anzupassen um die Einschwingphase entsprechend den Vorstellungen zu verändern.
Fazit
Der Preis des Zadar von Xaoc Devices liegt bei ca. 210 Euro und für den Expander Nin bei unter 60 Euro, also zusammen für unter 270 Euro. Dafür bekommt man in der Regel gerade einmal zwei analoge Dual-ADSR-Generatoren. Insofern ist der Preis durchaus angemessen. Was die Verarbeitung des Moduls angeht sowieso.
Bei den meisten Händlern werden die Xaoc Module mit Aluminium-farbiger Frontplatte angeboten. Xaoc selbst bietet aber für die meisten Module auch schwarze Ersatzfrontplatten an, so auch eben für den Zadar und den Expander Nin. Auf Nachfrage bei den Händlern bekommt man ggf. auch direkt Module mit schwarzer Frontplatte. Die meisten Händler wissen gar nicht, dass es die Module auch in Schwarz gibt.
Der Xaoc Devices Zadar mit dem Nin Erweiterungsmodul ist ein extrem leistungstarkes Hüllkurvengeneratormodul, das ich nicht mehr missen möchte. Es ersetzt nicht nur klassische ADSR-Generatoren sondern geht weit über diese Funktionalität hinaus und eröffnet im Bereich der Hüllkurven ganz neue Möglichkeiten.