Neumann MA 1
Automatic Monitor Alignment Systems
Autor und Fotos: Raphael Tschernuth
Neumann bringt mit dem MA 1 ein digitales Monitor-Kalibrierungsystem auf den Markt. Der Berliner Hersteller spricht sogar vom „Beginn einer neuen Ära des Monitorings“ und das nicht ohne Grund. Im Zusammenspiel mit dem neuen Messmikrofon MA 1 und der Automatic Monitor Alignment Software können alle DSP gestützten Neumann Abhörlautsprecher in kürzester Zeit klanglich optimiert werden. Als Anwender benötigt man dafür keine besonderen Kenntnisse der Raumakustik. Der Prozess geht fast automatisch vonstatten, und belohnt am Ende mit der bestmöglichen Klangqualität, die man in Abhörraum bzw. der Tonregie erreichen kann. Wir haben dieses System einem Praxistest unterzogen.
Wie bereits angesprochen, benötigt das Neumann MA 1 für den korrekten Betrieb einen Neumann DSP Lautsprecher aus eigener Herstellung. DSP deshalb, da jegliche Berechnung der Optimierungsparameter in den Lautsprechern selbst stattfindet. Es wird also kein Plug-In, Treiber oder eine zusätzliche Software benötigt, die im Hintergrund oder zusammen mit einer DAW laufen muss. Einmal eingerichtet werden die Settings im Lautsprecher gespeichert das System läuft also autark und damit plattformunabhängig. Auch entstehen durch die interne Berechnung keinerlei zusätzliche Latenzen.
Vor wenigen Wochen hatten wir den Neumann KH 750 DSP Subwoofer im Test, mit dessen Hilfe auch viele rein analoge Neumann Abhörmonitore in den Genuss des Automatic Monitor Alignment Systems kommen. Durch die leistungsstarke interne DSP kann der Subwoofer kurzerhand die Berechnung für die beiden Satelliten übernehmen. Hier ein Überblick über die (Stand Dez. 2021) unterstützen Lautsprecher: KH 80 DSP, KH 750 DSP mit KH 120 (A u. D) KH 310 (A u. D) sowie KH 420 (+DIM1)
Weiter wird für den Kalibrierungsprozess ein Computer mit Windows 10 (64 Bit) oder Mac OSX ab 10.13 benötigt. Das Zusammenspiel mit dem MA 1-Messmikrofon erfordert zudem noch ein Audio-Interface mit einem symmetrischen Eingang und 48-Volt-Phantomspeisung sowie zwei symmetrischen, analogen Ausgängen. Der Subwoofer KH 750 DSP ist alternativ auch digital via AES3 ansteuerbar.
Für die Datenübertragung ist zudem eine Netzwerkverbindung erforderlich. Übernimmt der Subwoofer KH 750 DSP die gesamte Berechnung, reicht ein normales CAT-Kabel. Falls mehrere DSP-Monitore zusammen eingerichtet werden, ist ein handelsüblicher Netzwerk-Switch notwendig.
Die Automatic Monitor Alignment Software kann kostenlos von der Neumann-Webseite geladen werden, für den Betrieb ist allerdings auch das MA 1-Messmikrofon zwingende Voraussetzung. Erfreulicherweise ist dieses Messmikrofon das mit Abstand günstigste Mikrofon im Neumann-Produktportfolio. Anhand der Seriennummern am Mikrofon wird die Software freigeschaltet.
Da die MA 1-Messmikrofone vor der Auslieferung von Neumann individuell ausgemessen werden, erkennt die Software nach Eingabe der Seriennummer die jeweiligen Charakteristika und nimmt diese Informationen in die anstehenden Berechnungen mit auf. Laut Markus Wolff, seines Zeichens Portfolio Manager Studio Monitor Systems von Neumann, kennt man alle Daten der hauseigenen Monitore und des jeweils verwendeten Messmikrofons. Daher ist man im Besitz aller Details, die nötig sind, um den Raum bestmöglich zu vermessen und die Kalibrierungsparameter optimal einzustellen.
Das MA 1 Messmikrofon
Das MA 1 wird, von Schaumstoff sicher umhüllt, in einer Kartonschachtel geliefert. Zum Lieferumfang gehört eine Mikrofonklemme, die Seriennummer, die für die Aktivierung der Software notwendig ist, findet sich auf der Rückseite.
Im Mikrofon arbeitet ein Druckempfänger mit Kugelcharakteristik. Mit nur 37 Gramm liegt es sehr leicht in der Hand, die Verarbeitung ist hochwertig, wie man es von der Firma Neumann gewohnt ist. Lackierung und Druck wurden sauber ausgeführt, die XLR-Stifte am Schaft sind zudem vergoldet.
Für den Betrieb benötigt das Kondensatormikrofon eine 48-Volt-Phantomspeisung (± 4 Volt) bei einer Stromaufnahme von 3 mA. Der Übertragungsbereich liegt zwischen 20 Hz und 20 kHz, die vom Hersteller veröffentlichten Daten zeigen eine schnurgerade Linie in diesem Bereich und ein über alle Frequenzen vorbildliches Polardiagramm.
Da jedes MA 1 eine individuelle Frequenzkurve besitzt, bietet Neumann einen besonderen Service an, wenn man das MA 1-Mikrofon mit Messanwendungen von Drittanbietern verwenden möchte. Durch Eingabe der Seriennummern auf der Homepage hat man die Möglichkeit eine individuelle Kalibrierungskurve herunterzuladen. Diese kann daraufhin in Drittanbieter-Software importiert werden, um das letzte Quäntchen Präzision aus dem MA 1 herauszuholen.
Der Kalibrierungsprozess
Der Kalibrierungsprozess des Automatic Monitor Alignment Systems dauert im ersten Anlauf rund 20 Minuten. Hat man den Ablauf einmal verinnerlicht, ist es auch möglich einen Arbeitsplatz in weniger als zehn Minuten einzumessen. Die akustischen Eigenschaften des Raumes werden genauestens analysiert, woraufhin die Software eine Zielkurve berechnet, welche bei Bedarf vom Anwender individuell angepasst werden kann. Eine Besonderheit des MA 1 Systems ist, dass nicht nur der Amplitudenfrequenzgang optimiert wird, sondern auch die Phase. Das hat den Vorteil, dass Zwei- bzw. Dreiwege-Lautsprecher daher quasi als Punktschallquelle fungieren.
Schritt 1 – Software-Aktivierung und Hardware
Nach Eingabe zweier Seriennummern ist die MA 1-Software freigeschaltet und benötigt die Daten zur jeweiligen Hardware. Hier lassen sich diverse Setups und die spezifischen Neumann-Lautsprecher auswählen. Auch die Netzwerkverbindung zum Lautsprecher, bzw. den Lautsprechern wird getestet. Damit alle ausgewählten Lautsprecher korrekt eingestellt sind, liefert die Software eine bebilderte Anleitung bezüglich der richtigen Einstellungen.
Schritt 2 - Daten zum Aufbau
Im nächsten Schritt benötigt die Software-Angaben zum Aufbau der Monitore bzw. des Subwoofers im Raum. Gleichzeitig erhält der Anwender wertvolle Tipps, um Fehlerquellen zu vermeiden. Hier beispielsweise die Angaben zum gleichschenkligen Dreieck zwischen den beiden Satelliten und dem Kopf des Toningenieurs:
Schritt 3 - Pegeleinstellung
Nun bestimmt die Software die bestmöglichen Pegel für die akustischen Messungen. Bei Bedarf teilt sie dem Anwender mit, ob die Abhörlautstärke oder Mikrofonvorverstärkung angepasst werden muss.
Schritt 4 - Messungen
Wurde alles korrekt eingestellt und eingepegelt, können die Messungen anhand von Sinus-Sweeps beginnen. Sieben sind es an der Zahl: an der Abhörposition, links davon, rechts davon, davor, dahinter, darüber und darunter. Dadurch wird ein recht breiter Sweetspot ermöglicht. Die Software gibt hier sehr genaue Angaben wie etwa: “Positionieren sie das Mikrofon 26 Zentimeter links von der Abhörposition”. Die jeweiligen Distanzen hängen immer vom Setup und der Größe des dreischenkligen Dreiecks ab. Als Anwender tut man gut daran dafür einen Zollstock und ein wenig Tape für die Bodenmarkierungen parat zu haben. Ein durchdachtes Detail: vor jedem Durchlauf gibt es einen frei einstellbaren Countdown, der den Anwender auf die nächsten Sine-Sweeps vorbereitet.
Schritt 5 - Optimierung
Nachdem alle Messungen durchgeführt wurden, benötigt die Software nur wenige Sekunden, um den idealen Frequenzgang automatisch und raumcharakterabhängig zu berechnen. Das Update wird per Netzwerkverbindung an die Monitore gesendet.
Hier die optimierte Kurve (orange Linie = Ideallinie) ...
Der Anwender hat die Möglichkeit wahlweise auch die unkalibrierte Kurve zu sehen bzw. zu hören. Das war im Test ein Unterschied wie Tag und Nacht. Wer einmal seine Speaker vom MA 1-System hat optimieren lassen, für den wird es keinen Weg mehr zurückgeben. Neben der sehr offensichtlichen Bereinigung von Problemzonen ist es besonders die Angleichung der Phase, die ein völlig neues Klanguniversum entstehen lässt, in dem die Musik hochauflösender, breiter, tiefer und griffiger erscheint.
Hier die Messung ohne Optimierung zum Vergleich ...
Dank eines Zehnband-Equalizers hat der Anwender die Möglichkeit individuelle Anpassungen vorzunehmen. Im konkreten Fall gibt es in der optimierten Version einen Einbruch im Bereich von 36 Hz um 7 bis 8 dB. Dem lässt sich manuell gegensteuern. Hier sieht man die Auswirkungen dieses Eingriffs:
Nach erfolgreicher Korrektur wird das Setup im Monitor bzw. dem Subwoofer gespeichert, eine Ethernet-Verbindung ist nicht mehr notwendig.
Erstaunlich ist der enorme klangliche Mehrwert, den das Automatic Monitor Alignment System bietet. Plötzlich wirkt der Bass straff, plastisch und dabei schön vollmundig, ohne Überbetonungen oder Auslöschungen. In höheren Frequenzbereichen entsteht eine fantastische Stereobühne, in der es eine wahre Freude ist Instrumente zu positionieren. Die optimierten Neumann-Monitore erlauben sehr genaues Arbeiten mit präziser Ortung und hochauflösender Tiefenstaffelung. Der Sweetspot fällt sehr breit aus, was ein fokussiertes Arbeiten ermöglicht.
Getestet wurde das System mit zwei KH 80 DSP sowie einem KH 750 DSP mit analogen KH 120-Monitoren in einem Regieraum mit 40 Quadratmetern, sowie einem Heimstudio mit 20 Quadratmetern. Selbst ein recht kleines, etwa zehn Quadratmeter großes Arbeitszimmer, in dem sich keinerlei Absorber oder Diffusoren befinden, profitierte erheblich von den Anpassungen des MA 1-Systems. Man könnte selbst in diesem völlig unbehandelten Raum sofort zur Tat schreiten und viele relevante Mixing-Arbeiten erledigen.
Bleibt abzuwarten, ob Neumann auch DSP-Versionen der beliebten KH 120 bzw. KH 310 Monitore anbieten wird. Auch eine dezidierte DSP-Breakout-Box wäre aufgrund der enormen Aufwertung der analogen Monitore durchaus wünschenswert.
Fazit
Das Automatic Monitor Alignment System MA 1 überzeugt im Test auf ganzer Linie. Für einen Preis von nur 239 Euro erhält man neben einem Messmikrofon eine leistungsstarke Software, die fast im Alleingang alle notwendigen Messungen und Optimierungen durchführt, mit denen sich für Neumann-Monitore völlig neue Klangwelten eröffnen.
War ich bisher von meinen KH 120 bereits sehr angetan, so werden die Monitore durch die Optimierung des Amplitudenfrequenzgangs und besonders auch durch die Optimierung der Phase enorm aufgewertet. Es war für Anwender noch nie einfacher und kostengünstiger eine optimale Abhörsituation zu realisieren. Volle Empfehlung für diesen Meilenstein.