Neumann KH 750 DSP
Autor und Fotos: Raphael Tschernuth
Mit dem KH 750 DSP hat Neumann 2019 einen Subwoofer in geschlossener Bauweise mit integriertem DSP vorgestellt. Dieser ist besonders für kleinere und mittlere Abhörräume ausgelegt, um die Basswiedergabe von Monitoren wie etwa den KH 80 DSP, KH 120 oder KH 310 zu ergänzen. Das Digital Signal Processing hat vielfältige Aufgaben und ermöglicht es, den Subwoofer und die Hauptlautsprecher perfekt an die Besonderheiten, bzw. Eigenschaften des jeweiligen Aufnahmeraums anzupassen. Ein besonderes Highlight dieser DSP-Technik ist die Möglichkeit, angeschlossenen Monitore phasenlinear zu entzerren.
Ich selbst vertraue in meinem Heimstudio seit acht Jahren auf ein Paar Neumann KH 120. Meine anfängliche Begeisterung für diese Monitore hat im Laufe der Zeit nicht nachgelassen und gemessen an ihrer Größe bieten Sie eine beeindruckend konsistente Bassabbildung. Allerdings ist bei rund 50 Hz das Ende der Fahnenstange erreicht und für die sehr tiefen Frequenzbereiche benötigt man ggf. eben einen Subwoofer.
Vor meinem Umstieg zu den beiden Neumann KH 120-Lautsprechern, habe ich einige Jahre mit einem 2.1-System eines anderen Herstellers ohne DSP gearbeitet, war aber mit der Abbildung der sehr tiefen Frequenzen nie zufrieden. Auch den Übergang der Frequenzweiche empfand ich als problematisch. Zugegeben, im Vorfeld dieses Tests war ich daher äußerst skeptisch, ob ich mich wieder mit einem Subwoofer im klassischen 2.1-Setup anfreunden kann. Doch aufgrund seines DSP-Systems bietet der neue KH 750 sehr interessante Optimierungsmöglichkeiten: Zum einen kann man das Lautsprecher Setup manuell via der iPad-App Neumann.Control an die spezifischen räumlichen Gegebenheiten anpassen. Zum anderen gibt es mit dem Neumann MA-1 Automatic Monitor Allignment System auch eine Kalibrierungs-Software die im Zusammenspiel mit einem Neumann MA-1 Messmikrofon den Abhörraum analysiert und alle nötigen Einstellungen automatisch berechnet. In diesem Test werde ich mich zunächst auf den Subwoofer konzentrieren, in einem weiteren Testbericht werde ich das MA-1 System genauer unter die Lupe nehmen.
Die Tieftonerweiterung ist aber nur einer der Vorteile, die der KH 750 DSP mit sich bringt. Durch die Entlastung der beiden KH120-Monitore werden zudem sowohl Klirrfaktor und Intermodulationsverzerrungen reduziert. Auch der maximale Schalldruck des Systems wird durch die Hinzunahme eines Subwoofers erhöht. Bei einer optimalen Positionierung kann auch das Modalverhalten des Raums positiv beeinflusst werden. Aber nicht nur für klassische 2.1-Umgebungen ist der KH 750 DSP interessant, schließlich kann er auch für die Wiedergabe eines LFE-Kanals im Mehrkanalsystem eingesetzt werden.
Lieferumfang
Angeliefert wurde der Neumann KH 750 DSP auf einer eigenen Holzpalette. Kein Wunder bei einem Gewicht von knapp 20 Kilo - hier darf ruhig ein Kollege beim Auspacken mithelfen. Die Verarbeitung des 38 x 30 x 38 Zentimeter großen Subwoofers ist absolut hochwertig und macht einen sehr robusten und langlebigen Eindruck. Auch die Lackierung des Gehäuses ist sehr gut gelungen und strahlt eine hohe Wertigkeit aus. Wobei “strahlt” etwas wortmalerisch ist, denn mit seinem dezenten und matten grau fügt sich der Subwoofer sehr unscheinbar in jede Studioumgebung ein.
Um eventuellen Gefahren standzuhalten, die durch seine Positionierung am Boden auftreten können, ist der Lautsprecher durch ein stabiles schwarzes Metallgitter geschützt. Im Lieferumfang befinden sich neben einer Quickstart-Anleitung und zwei Stromkabeln mit EU- bzw. UK-Steckern auch vier dicke Gummifüße, die den KH 750 vom Boden schalltechnisch entkoppeln. Der Lautsprecher zeigt nach vorne in den Raum, alle Bedienelemente und Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite.
Bedienelemente und Anschlüsse
Zunächst ein grundlegender Hinweis für das Verständnis der Topologie: Der Subwoofer lässt sich von Einstellung “Local” auf “Network” umschalten. Wurde die Einstellung “Network” gewählt, werden alle Einstellungen, die mit einem Stern gekennzeichnet sind (siehe Bild) durch die Neumann.Control App bzw. die Automatic Monitor Alignment Software überschrieben. Im “Local” Modus werden hingegen die Einstellungen der Regler und Schalter am Subwoofer abgerufen.
Auf der Rückseite finden sich acht Schalter und zwei Potis, um die Arbeitsweise des KH 750 zu kontrollieren.
Folgende Optionen sind vom Benutzer auswählbar:
Bass Management: Aktiv / Inaktiv
Auto Standby: An / Aus
Control Modus: Lokal / Netzwerk
Subwoofer Phase Schalter 1: 0, -45, -90 und -135 Grad
Subwoofer Phase Schalter 2: 0 und -180 Grad
Kanal B Input Mode: Stereo, externes Bass Management, LFE Modus 1, LFE Modus 2
Subwoofer Gain: zwischen -12 dB und +2 dB regelbar
Output Level: 94, 100 108, 114 dB SPL bei 1 Meter/ 0 dBu
Low-Cut: bei 40 Hz, regelbar zwischen 0 und -12 dB
Mithilfe eines Ground-Lift Schalters kann man zudem eventuellen Einstreuungen entgegenwirken. Anschlussseitig verfügt der KH 750 DSP über einen Netzwerkanschluss sowie einen BNC-Ein- und Ausgang für das digitale AES3-Format. Für die analoge Verbindung stehen zwei XLR-Eingänge wie auch zwei XLR-Ausgänge zur Verfügung, an denen die Lautsprecher angeschlossen werden.
Hinweise zur Aufstellung
Da sich der Treiber auf der Vorderseite befindet und die Bauweise des Subwoofers geschlossen ist, hat man bei frühzeitiger Akustik-Planung die Möglichkeit den Subwoofer passgenau in einer Aussparung der Wand einzusetzen. Dadurch würde er bündig mit der Wand abschließen und keinen Platz im Regieraum beanspruchen. Wenn man den Subwoofer zu einem bestehenden System hinzufügen will und keine Wandaussparung planen kann, so sollte man ihn an der Vorderwand, idealerweise bei 1/4 bzw. 2/3 der Raumbreite positionieren. Dabei darf der Abstand der Vorderseite des Subwoofers zur Wand nicht mehr 80 Zentimeter betragen.
Kann der Subwoofer nicht im selben Abstand zur Hörposition wie die Lautsprecher positioniert werden, ergeben sich Laufzeitdifferenzen, die später durch die Kalibrierung der Phase angepasst werden können. Abstandsunterschiede von über zwei Metern sollten aber auf jeden Fall vermieden werden.
Bis zu vier Subwoofer können übrigens als “Plane Wave Bass Array” aufgestellt und verbunden werden. Hierfür werden die KH 750 entlang der Vorderwand aufgebaut, um eine einheitliche Basswiedergabe zu erzeugen. Dieses Verfahren reduziert stehende Wellen zwischen den Seitenwänden und kann Querresonanzen unterdrücken. Auch in eine Vielzahl an Mehrkanal Systemen lässt sich der KH 750 DSP integrieren.
Technische Daten
Im Inneren des KH 750 arbeitet ein 10-Zoll-Langhub-Chassis-Tieftöner mit einem Frequenzbereich von 18 Hz bis 750 Hz (± 3 dB). Die Trennfrequenz ist fest eingestellt und liegt bei 80 Hz, in der Frequenzweiche kommen dafür Filter vierter Ordnung zum Einsatz. Verwendet man den Subwoofer für einen LFE-Kanal, lässt er wahlweise auch externes Bassmanagement zu.
Den maximalen Schalldruck des 256 Watt starken Class-D Systems gibt Neumann mit 105 dB SPL an. Dank eines FIR-Filters des DSP Systems, kann der Phasengang analoger Neumann Lausprecher linearisiert werden. Inklusive Wandlung in beide Richtungen beträgt die Latenz für diese Filterung nur 3,15 Millisekunden.
Das integrierte Netzteil passt sich automatisch an Spannungen zwischen 100 bis 240 Volt an. Um Ein-/Ausschaltgeräusche zu vermeiden, verfügen alle Ausgänge über Schutzschaltungen die Störgeräusche unterdrücken.
Im Einsatz
Mit vier umschaltbaren Betriebsarten (Stereo, LFE Modus 1, LFE Modus 2 und externes Bassmanagement) eröffnet der Neumann KH 750 DSP in der Praxis viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Für diesen Testbericht betreibe ihn zusammen mit den angesprochenen analogen KH 120 Lautsprechern.
Auch wenn der kleine Würfel äußerlich recht unscheinbar aussieht, in ihm steckt geballte Energie. Das wird schon direkt nach den ersten klanglichen Gehversuchen deutlich.
Bis hinunter zu 18 Hz liefert er eine beeindruckende Tiefenabbildung. Die Entlastung der KH120 Monitore ist deutlich spürbar. Sie vollbringen ihre Arbeit unangestrengter, mit höheren Leistungsreserven. Das ganze System macht auf Anhieb einen sehr guten, ausbalancierten Eindruck
Zwar bietet die Rückseite des Subwoofers jede Menge Einstellmöglichkeiten, will man sich das “unter den Tisch kriechen” aber ersparen ist die kostenlose Neumann.Control App für das iPad notwendig. Mit dieser lassen sich die Einstellungen des Subwoofers bequem in der Hörposition vornehmen und es fließen dadurch deutlich mehr Parameter in die DSP Berechnung mit ein. Schade nur, dass die Software nicht für Android / Windows oder Mac erhältlich ist.
Mit der App wird der Subwoofer einerseits auf die vorhandenen Lautsprecher Formation abgestimmt.
Andererseits erhält der Nutzer viele praktische Tipps zur Aufstellung der Monitore.
Auch Informationen zu Wandkonstruktion, Raumvolumen und individuelle Abstände spielen für die DSP Berechnung eine wichtige Rolle.
Wie bereits gesagt werden mit Benutzung der App alle manuellen Einstellungen überschrieben. Man hat allerdings die Möglichkeit zwischen den lokalen Einstellungen am Subwoofer und den App-Einstellungen umzuschalten. Die durch die App gespeicherten Parameter gehen übrigens durch das Ausschalten des Subwoofers nicht verloren, der letzte Stand bleibt intern gespeichert.
Will man den Subwoofer deaktivieren und das ungefilterte Audiosignal zu den Lautsprechern durchschleifen, um eventuell Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen, oder um eine Art Zweitabhöre zu realisieren, so ist das ebenfalls möglich, indem man das Bass Management auf der Rückseite deaktiviert. Toll wäre es, wenn Neumann eine Desktop-Software anbieten würde die via Netzwerkverbindung direkten Zugriff auf die einzelnen Parameter ermöglichen würde.
Hat man den Subwoofer einmal mit der Monitor.Control App oder der MA-1 Software individuell angepasst, gibt es klanglich eigentlich keinen Weg zurück. Durch Phasenangleichung verhalten sich die angeschlossenen KH 120 nun fast wie eine Punktschallquelle, womit das Abhörsystem ungemeine an Präzision gewinnt. Der Einsatz der Hoch-/Tiefpassfilter der Frequenzweiche ist sehr gut gewählt und in der Praxis nicht hörbar oder störend. Im Gegenteil, nach der kurzen Setup Prozedere arbeiten die drei Lautsprecher sehr homogen zusammen. Durch den Subwoofer wurde der Klang der KH 120 deutlich aufgewertet und die transparente, vollmundige Abbildung des Bass-Bereichs ist sehr beeindruckend.
Beim Vergleich zwischen den analogen XLR-Anschlüssen und dem digitalen AES-3-Eingang, fallen mir im A/B-Vergleich übrigens keinerlei klangliche Einbußen auf. Für die Wandlung von AES XLR auf BNC, wie sie etwa nötig ist, um den Subwoofer von einem RME UFX digital anzusteuern, ist ein Impedanz- und Pegelwandler wie der Neutrik NADITBNC-F nötig.
Fazit
Der KH 750 DSP hinterlässt im Test einen überraschend guten Eindruck. Neben der hervorragenden Verarbeitung bietet er wahres Feuerwerk an Flexibilität - sowohl in klanglicher wie auch in praktischer Hinsicht. Er eignet sich sowohl für Musik-, Broadcast- und Postproduktions-Studios und lässt sich in problemlos in unterschiedliche Mehrkanalsystemen einbinden. Die üppigen Einstellmöglichkeiten auf der Rückseite werden von der Neumann.Control iPad App noch getoppt. Schade nur, dass diese nicht als eigenständige Software zur Verfügung steht und Nutzer zum Kauf eines iPads gezwungen sind, um in den Genuss der App zu kommen. In klanglicher Hinsicht wurde mein vorhandenes 2.0-Abhörsystem enorm aufgewertet, allein die Phasenbereinigung der KH 120 eröffnet völlig neue Klangwelten, die ein noch genaueres Abhören bzw. Mischen ermöglichen. Der Preis von 1.425 Euro erscheint dafür keinesfalls zu hoch.