BABY Audio Crystalline
Algorithmischer Hall für die moderne Musikproduktion
Autor: Peter Kaminski
Wir haben ja schon einige Plug-Ins von BABY Audio bei uns getestet und vorgestellt, wie den I Heart NY New York Style Parallel-Kompressor, Comeback Kid Delay, Parallel Aggressor Parallel-Kompressor und das Spaced Out Echo Plug-In. BABY Audio bietet immer Plug-Ins an, die klanglich gerade trendy sind und auch von der Bedienung her auch mal neue Wege gehen.
Mit dem Crystalline bietet BABY Audio nun auch seit April 2022 sein erstes Hall-Plug-Ins an, dass altbewährtes mit neuen klanglichen Ansätzen verbindet. Beim Crystalline handelt es sich um einen algorithmischen Hall.
Voraussetzungen und Installation
Das Plug-In lässt sich auf Rechner ab Window 7, bzw. unter macOS ab 10.7 installieren und ist auch nativ kompatibel mit dem M1-Prozessor. Die Installation erfolgt über einen Installer, der zunächst die Pfade für 32-Bit-Plug-Ins und VST2 64-Bit-Plug-Ins abfragt, bzw. vorschlägt.
Das Plug-In lässt sich als 32- und/oder 64-Bit-Plug-In Installieren und zwar in den Formaten VST2, VST3 uns AAX sowie auch als Standalone-Software-Version und unter macOS auch im AU-Format. Die Auswahl erfolgt über den Installer (s Abb. oben).
Der Kopierschutz ist über ein Freischaltungscode umgesetzt, den man beim Kauf bekommt. Wenn man ihn nach Aufrufen des installierten Plug-Ins oder der Stand-Alone-Software eingibt, ist die Trial-Version für die normale, dauerhafte Nutzung freigeschaltet. Eine sehr unkomplizierte Freischaltung also ohne Response Code und User Account.
Bedienung
Die Oberfläche lässt sich zwischen zwei Farb-Designs umschalten und zwar einer hellen (siehe Abbildung am Anfang des Tests) sowie einer dunklen Variante (s. Abb. oben). Durch Klicken auf eines der beiden BABY AUDIO Schriftzüge im Kopf lässt sich das Plug-In stummschalten, bzw. die Stummschaltung wieder deaktivieren.
In dem Plug-In kann der Anwender eine Hilfefunktion über ein Icon aktivieren (s. Abb. oben).
Wenn man dann mit der Maus-Cursor über einem Bedienelement fährt, dann wird in unten in der Mitte des Plug-Ins eine Kurzbeschreibung eingeblendet (s. Abb. oben mit Mouse-Over auf Parameter SIZE).
Oben in der Mitte befindet sich die Plug-In-Umschaltung, bzw. Verwaltung. Wenn man auf den Preset-Namen klickt, klappt die Preset-Verwaltung auf (s. Abb. oben). Man kann über die Pfeil-Icons auch durch das nächste, bzw. vorangegangene Presets in der Liste aufrufen. Die Presets sind nach Autoren geordnet.
Wenn die Preset-Verwaltung ausgeblendet ist sieht man dort eine Visualisierung des Reverb-Signals. Darunter befinden sich einige zentrale Bedienelemente. Übrigens lassen sich alle Parameter durch einen Doppelklick auf den jeweiligen Regler auf den Default-Wert zurückstellen. Möchte man alle Parameter eines Presets auf den Standardwert zurückstellen, dann kann man dazu auf ein Icon in der Kopfleiste klicken, was das Default-Preset aufruft.
Über die Regler START und END wird die Attack und Decay verändert, genauer gesagt die Pre-Delay- und die Decay-Zeit. Hier kommen wie schon zu der ersten Besonderheit, nämlich der Möglichkeit beide Zeiten auch mit dem DAW-Tempo zu synchronisieren. Bei SYNC-Betrieb lässt sich das Pre-Delay von 0 über 1/64 Note in verschiedenen Notenschritten bis einem Takt verzögern. Beim Decay geht der Regelbereich von 1/16 bis vier Takte. Durch Klicken auf die virtuellen Taster kann man von "SYNC" auf "MS" - was für Millisekunden steht - umschalten, um so absolute Zeitwerte einzustellen. Diese gehen beim Pre-Delay von 0 bis 1.000 Millisekunden und bei Decay von 0 bis 10.000 Millisekunden. Bei der Einstellung im Modus MS lässt sich in dem Feld mit der Zahl auch nach Doppelklick direkt ein Zahlenwert mit der Tastatur eingeben.
Mit dem Parameter DRY/WET lässt sich das Verhältnis zwischen Originalsignal und dem verhalltem Signal einstellen. Über einen kleinen Schalter unter dem Regler kann der Anwenderf die Funktion "Wet Lock" aktivieren, so dass der eingestellte Wert bei einem Wechsel zu einem anderen Preset beibehalten wird.
Mit dem Schalter FRZ (Freeze) lässt sich das Reverb einfrieren und es gibt kein Decay. Mit der Taste REV kann man einen Reverse-Effekt aktivieren. Auch ein Ducker lässt sich zuschalten, der dann bei einem Eingangssignal das verhallte Signal mindert. Hier kann man zwischen zwei Betriebsarten wählen und zwar Standard und "Gentle", bei dem die Regelung langsamer ist und natürlicher wirkt.
Kommen wir nun zu den vier Sektionen mit jeweils drei Parametern für die sonstigen Einstellungen.
Bei REFLECTIONS lässt sich über SIZE die virtuelle Raumgröße einstellen und zwar unabhängig von der Decay-Zeit. Das heißt, es ist auch möglich einen großen Raum mit kurzer Ausklangzeit und umgekehrt einzustellen. Über SPARKLE wird der Anteil der verhallten hohen Frequenzen bestimmt und mit WIDTH kann man den Stereoeffekt in seiner Intensität beeinflussen von Mono über Stereo hin zu extremer Stereobreite.
In der Sektion DEPTH lässt sich die Auflösung über RESOLUTION einstellen. Damit meint man die Genauigkeit wie der Algorithmus den Hall berechnet. Bei einer niedrigen Auflösungseinstellung sind Artefakte hörbar, wie man sie auch von Hallgeräten älterer Bauart her kennt. Mit MODULATION lässt sich eine Frequenzmodulation in dem Hallpfad aufprägen. Mit dem Parameter SHIMMER kann man einstellen, wie die hohen Frequenzen behandelt werden. Es lässt sich ein Decay-Multiplikator für die hohen Frequenzen (gleich, x 2, x 4, x 6) und ein Frequenzpunkt einstellen, an dem dieser wirksam wird. Der Begriff SHIMMER wird bei anderen Plug-Ins manchmal auch für die Frequenzmodulation des Reverb-Signals genutzt. Das nur mal so als Anmerkung.
In der Sektion CLEAN-UP gibt es Filter und ein Gate. Mit DAMPING lassen sich hohe oder tiefe Frequenzen vom Hall-Signal entfernen. SIDES ist ein Parameter mit dem sich einstellen lässt ab welcher Frequenz ein Stereoeffekt wirksam werden soll. GATE stellt der Anwender den Einsatzschwellwert (links) und die Release-Zeit (rechts) des Gates im Hallweg ein.
Und als letztes gibt es noch die Sektion SHAPE für Einstellungen zum klanglichen Charakter. Mit TONE lässt sich über einen Equalizer eine grundsätzliche Frequenz-Balance einstellen. Mit SMOOTHING kommt ein spezieller EQ-Filter zum Einsatz, um Frequenzbereiche zu kontrollieren, in denen Resonanzen oder ein scharf klingender Sound auftreten könnte. Mit dem Parameter TRANSIENTS teilt man dem Algorithmus mit ob mehr der Fokus auf die Transienten oder dem Decay liegen soll.
Praxis
Die Installation ist, wie bei allen Plug-Ins von BABY Audio sehr einfach. Crystalline ist für ein Reverb-Plug-In nicht sehr CPU-Resourcen-hungrig. Mit geladenem Nuendo 11 waren es bei unserer Xi-Machine X5 2017 DAW unter Windows 10 ohne dem Plug-In 6 % CPU-Belastung, mit geladenem Plug-In 8 % und mit Audiosignal dann bis zu 11 %.
Obwohl die Handhabung eigentlich einfach ist, sind viele der Parameter aber nicht direkt selbsterklärend und man sollte sich schon etwas mit den Parametern auseinandersetzen, um gegebenenfalls Presets den eigenen Bedürfnissen anzupassen zu können oder gar eigene Presets zu erstellen. Presets gibt es ab Werk übrigens reichlich und zwar über 330 Presets. Ich habe da für die verschiedensten Anwendungen sehr gute Presets finden können, die man nach Bedarf dann schnell anpassen kann. Aber auch das Erstellen von eigenen Presets ist schnell erledigt, wenn man sich, wie schon gesagt, mit den zum Teil doch etwas spezielleren Parametern einmal auseinandersetzt. Leider bietet die Preset-Handhabung nicht die Möglichkeit Presets nach bestimmten Kriterien oder Merkmalen zu suchen und man kann auch keine Favoriten festlegen. Hier kann man sich nur behelfen, in dem man die eigenen Favoriten in dem User-Verzeichnis ablegt.
Die möglichen Sounds die mit Crystalline zu erzielen sind gehen über die meisten algorithmischen Hall-Plug-Ins, die auf räumliche Natürlichkeit getrimmt sind, hinaus. Synthesizer und andere elektronischen Instrumente oder E-Gitarren und auch Vocals und Drums profitieren von den Möglichkeiten die Crystalline bietet. Insofern eine ideale Ergänzung zu klassischen, algorithmischen Halls, die Lexicon- oder EMT-Hallgeräte etc. emulieren oder Faltungshalls.
Man sollte beim Experimentieren ruhig einmal mutig sein und auch mal etwas probieren, was man bei anderen Hall-Plug-Ins nicht machen würde oder sich auch gar nicht einstellen ließe. Man wird dann durch einzigartige Reverb-Effekte belohnt. Überhaupt kann man ohne Bedenken und ohne das negativ auszudrücken, dem Crystalline das Prädikat "Hall-Effekt" verleihen. Mit der Stand-Alone-Software ist Crystalline dann gegebenenfalls auch Live-tauglich ohne eine VST-Host-Applikation.
Fazit
Der reguläre Preis für das Crystalline Plug-In beträgt 99 US$ und das ist es auf jeden Fall wert. Wer sich im Bereich der modernen Musikproduktion oder auch im Bereich Filmmusik bewegt, der sollte Crystalline auf jeden Fall mal ausprobieren und zum Test installieren, denn für diese Bereiche ist es prädestiniert. Die Handhabung ist relativ einfach.