Expressive E Osmose
Synthesizer und MPE MIDI Controller
Author und Fotos: Lars Deutsch
Osmose ist ein Synthesizer und MIDI-Controller mit 49 Tasten von Expressive E. Das interne Sound-Modul stammt von Haken Audio. Software, Sounds und Funktionen von Osmose entwickeln sich kontinuierlich weiter. Die Ausdrucksmöglichkeiten, die Augmented Keyboard Action (A.K.A.)-Tastatur und die Möglichkeiten von MPE dürften für die meisten noch neu sein. Deshalb ist dies ist eine Rezension in einem realen Musik-Ökosystem, mit Tools von Drittanbietern, MPE und konkreten Workflow-Herausforderungen.
MPE (MIDI Polyphonic Expression)
MPE verteilt zusätzliche MIDI-Informationen für jede Note einzeln über verschiedene MIDI-Kanäle. Es ist möglich einen Akkord zu spielen und das nur eine oder zwei Noten einen Pitch Bend haben, während die dritte Note nicht beeinflusst wird. Bei herkömmlichem MIDI-Einsatz würde der Pitch Bend alle MIDI-Noten gleich beeinflussen. MPE bietet viel Kontrolle, ist aber in einigen Workflows etwas umständlicher. Glücklicherweise gibt es einen Modus in dem Osmose als herkömmlicher MIDI-Controller funktioniert und auch ein paar Modi zwischen regulärem MIDI und MPE. Im alltäglichen Arbeitsablauf stellt sich oft die Wahl zwischen einfacherer Bearbeitung oder mehr individueller Kontrolle.
Ich wechsele mittlerweile zwischen MPE, Poly Aftertouch und klassischen MIDI-Keyboard-Nutzung je nach aktueller Anwendung. Genau wie Osmose ist MPE ein sich entwickelndes System. Synthesizer wie u-he’s Hive 2 und Diva unterstützen MPE erst seit Sommer 2024.
Erste Eindrücke
Osmose kam gut verpackt an, mit einem erste Schritte Büchlein in einem Umschlag mit Siegel. Die Verarbeitung ist sehr hochwertig und mit 8,5 kg fühlt es sich solider und langlebiger an als die meisten MIDI-Controller. Das Design hat Stil und wirkt zeitlos. Die Tasten und der Mechanismus fühlen sich solide und sehr durchdacht an. Osmose hat 49 Tasten und misst 898 x 316 x 88 mm.
Beim Starten von Osmose wird man aufgefordert, die Tastatur nicht zu berühren – es lohnt sich zuzuhören. Osmose kalibriert die Tasten und die Engine während des Boot-Vorgangs. Einmal wurde ich aufgefordert, erneut zu booten, wahrscheinlich um neu zu Kalibrieren. Das Display ist ebenfalls hochwertig und die Menüstruktur und Bedienung ist strukturiert. Es dauerte nicht lange bis ich mich fragte, warum die meisten Keyboards ein Modulationsrad haben, wenn man einen Mod-Slider haben kann. Ich finde den Mod-Slider von Osmose viel ergonomischer und benutzerfreundlicher.
Bei meinen ersten Tests wunderte ich mich über ein paar fehlende Features. Nach der Installation der neuesten Firmware tauchten eine Reihe neuer Funktionen, Sounds und Verbesserungen auf. Das Organisieren von Presets ist jetzt so einfach wie man es erwarten würden. Es sind bereits weitere Ergänzungen und Verbesserungen angekündigt.
Zwei MIDI-Ports
Schließt man Osmose an einen Mac an, werden automatisch zwei MIDI-Ports im System und in der DAW-Software angezeigt. Osmose MIDI-Port 1 ermöglicht die Verwendung als Controller für VSTs, bzw. virtuelle Instrumente. Osmose MIDI-Port 2 ist für die Steuerung des Synthesizers über MIDI. Die Integration in Logic ist einfach und mit perfekter Verzögerungskompensation.
Bounce in Place funktioniert tadellos und ist präzise. Alles ist fast so einfach wie die Verwendung eines virtuellen Synthesizers. Neben dem External Instrument-Plugin von Logic braucht es eine Audio-Verbindung von Osmose zum Computer. Es ist möglich, MIDI-Programmänderungen mit Logic an Osmose zu senden, um so Total Recall einen Schritt näher zu kommen.
Osmose als Controller
Eine wichtige Frage in der Nutzung ist, wie viele der Fähigkeiten von Osmose und MPE sich auf die tägliche Arbeit eines Komponisten, bzw. Musikproduzenten übertragen lassen. Der Sine Player von Orchestral Tools unterstützt MPE nicht aber mit der Poly-Aftertouch-Einstellung in Osmose kann man trotzdem eine Art Vibrato erzeugen, indem man die Taste von links nach rechts „vibriert“. Diese Bewegung in Kombination mit einer sehr feinen Einstellung (1/48 Note) führt zu sanften Pitch-Wheel-Bewegungen, die in der Praxis oft gut als Vibrato funktionieren.
Das Vibrato bei High-End-Samples ist oft schon Teil des Sounds und manchmal werden via Keyswitch oder MIDI-Befehl unterschiedlich Samples mit mehr oder weniger Vibrato angesteuert. Es hängt also vom Patch ab wie effektiv Key Vibratos sind. Bei den meisten Solo-Streicher Samples waren die Key-Vibratos überzeugend und ausdrucksstärker als ohne. Derselbe Ansatz und dieselbe Einstellung funktionierten gut für den Player von Spitfire Audio. Spitfire unterstützt MPE ebenfalls nicht aber die Abbey Road-Flöten reagierten auf die gleiche Weise auf das Key-Vibrato und es half auch bei Phrasierung und Ausdruck. Native Instruments bietet derzeit fünf Kontakt-Libraries an, die MPE unterstützen.
Echte Instrumente
Komponisten arbeiten täglich mit High-End-Samples traditioneller Instrumente. Der Nachteil hier ist, dass eine vollständige Kontrolle wie bei einem Synthesizer nicht möglich ist. Osmose holt aber mehr Ausdruck aus meinen virtuellen Orchester-Plugins heraus als ein normales Keyboard. Noch größer ist der Unterschied bei einem Synthesizer der MPE unterstützt. Der integrierte Synthesizer ist nicht nur noch ausdrucksstärker sondern auch das beste Beispiel für die Stärken des Controllers.
Die Bansuri- und Flure-Transverse-Presets haben einen warmen, satten und detaillierten Klang, aber vor allem zeigen sie, was mit diesem Controller möglich ist. Ein Soundset mit „echten Instrumenten“ für den Osmose-Synthesizer wäre interessant. Mein größter Wunsch wäre eine gesampelte klassische Instrumentenbibliothek oder VSTs, die in Zusammenarbeit mit Expressive E und Experten für das Sampling echter Instrumente erstellt wurden.
Ich bin sehr gespannt auf eine bevorstehende Kooperation zwischen Audio Modeling/SWAM und Expressive E. SWAM modelliert klassische Instrumente ohne Samples, was bedeutet, dass sie eine Steuerung entwickeln können, die noch direkter auf die Controller-Eingabe reagieren kann.
Virtuelle Synths
Bei virtuellen Synthesizern haben Hive 2, The Legend, Phase Plant und Expressive E’s eigenes Noisy 2 benutzerdefinierte Voreinstellungen speziell für den Osmose mit Expressive E erstellt.
Dawesome’s Myth ist ein MPE-Synth-Plugin (siehe Screenshot oben), das spezielle Osmose-Einstellungen hat und Pitch Bends pro Taste visualisiert. Von Dawesome gibt es noch weitere Synthresizer die MPE unterstützen.
Sound Particles’ SkyDust unterstützt MPE. Das gilt auch für Baby Audios Atoms. Mit beiden Synthesizern war es einfach, etwas mehr Nuance und Ausdruck zu erreichen. Newfangled Audio’s Generate ist ein Synthesizer mit viel Biss und interessanten Filtern. Mit Osmose und MPE kann man hier eine ganz neue Ebene des Chaos hinzugefügen.
Wie bereits erwähnt, unterstützen Hive 2 und Diva jetzt auch MPE. Bei beiden kann man MPE auf der Front aktivieren und in beiden Fällen gibt es Presets, die wirklich von MPE profitieren. Ein kurzer Test mit dem Synthesizer Mai Tai von Studio One brachte ebenfalls gute Resutate.
Oft gibt es spannende Ergebnisse, wenn man Performance mit Filterbewegungen in Presets synchronisiert. Ausdrucksstarke Soli mit strategisch platziertem Vibrato oder Glissando funktionierte auf allen Synthesizern gut.
Osmose als Synthesizer
Anfangs stand die eingebaute Synthesizer-Engine von Haken Audio nicht ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Wenn ich mit anderen Komponisten und Produzenten sprach, drehten sich ihre Fragen meist auch um den Controller und die Tasten, selten um den Synthesizer. Hardware ist in einer Welt des ständigen Total Recalls und unterwegs Arbeiten am Laptop fast zu einer Belastung geworden.
Die Tests mit der eingebauten Engine haben aber meine Perspektive verändert. Die Kombination aus benutzerdefinierter Engine und Controller zeigt, wie viel dynamische Steuerung und Ausdruck möglich ist. Diese Kontrolle setzt einen neuen Maßstab und motiviert dieses Niveau mit externen Tonquellen zu erreichen.
Die Eagan Matrix von Haken Audio bietet 24-stimmige Polyphonie, zahlreiche Syntheseoptionen und 500 Presets. Es gibt einen Editor für Mac und Windows und 128 leere Presets für den Benutzer. Es gibt eine Reihe von elektronischen Sounds, die mir gefallen haben. Der Preset „flute transverse“ bekommt mehr Atem, wenn man den Mod-Schieberegler verwendet. in Kombination mit einem sanften Fingervibrato ergibt dies einen wunderbar ausdrucksstarken Patch. Die Gesamtqualität der Engine ist sehr überzeugend, und mit der Integration von Osmose MIDI-Port 2 in Logic werde ich auf jeden Fall Osmose nicht nur als Controller, sondern auch als Synthesizer verwenden.
Wie oben erwähnt lassen sich zwar MIDI-Programmänderungen integrieren, aber ich würde trotzdem Bounce in Place nutzen und Tracks mit dem Osmose-Patch-Namen benennen, um unterwegs oder wenn Osmose nicht verfügbar ist, weiterarbeiten zu können. Ich bin nah genug an einem Total Recall für meinen Workflow. Im Notfall dauert es weniger als eine Minute, zur MIDI-Datei zurückzukehren, sie anzupassen und mit der richtigen Synth-Voreinstellung erneut zu bouncen.
Praxis
Für manche Benutzer kann es sinnvoll sein, parallel das alte MIDI-Keyboard und Osmose zu nutzen. Ich produziere manchmal stundenlang und spiele zwischendurch nur ein paar Sekunden lang einfache Akkorde. In diesen Fällen kann ein einfacherer, über den Bus mit Strom versorgter MIDI-Controller nützlich sein. Es ist auch ein zusätzlicher Schritt, regelmäßig von MPE zu Poly Aftertouch und klassischem Keyboard zu wechseln, aber es lohnt sich. Das Keyboard des Osmose lässt einen fast sofort Legato-Material mit mehr Ausdruck spielen und erschließt intuitive Nuancen ohne Lernkurve. Ich würde auf keinen Fall ein normales MIDI-Keyboard für ein Solo- oder Lead-Instrument verwenden, wenn der Osmose verfügbar ist.
Der Controller funktionierte während aller Tests einwandfrei und ohne Probleme. Das Haken-Sound-Modul war bei mir einmal stumm. Die Neuinstallation des Firmware-Updates hat dieses Problem behoben. Der einzige wirkliche Fehler scheint ein Warnbildschirm für eine Rückkopplungsschleife zu sein, wenn man den Synth mit Logic verwenden. Andere Osmose-/Logic-Benutzer scheinen die gleiche Warnung zu sehen. Wenn man die Warnung bestätigen funktioniert der Synth wie erwartet.
Fazit
Osmose ist ein Profi-Tool und um das Beste aus diesem Gerät herauszuholen, braucht es ein wenig Engagement. Alles ist sauber und einfach, aber man braucht eine ruhige Hand, um zu warten, bis der Synthesizer hochfährt, und um durch die Menüs zu navigieren. Man muss sich daran gewöhnen, vom Synthesizer zum Controller und innerhalb des Controllers zwischen den verschiedenen Einstellungen zu wechseln und zu prüfen, welches Plugin MPE empfangen kann und welches nicht und wie man es aktiviert.
Die zusätzliche Kontrolle und Ausdrucksvielfalt ist einfach spannend. Während unserer Weihnachtsfeier waren die Musiker und Komponisten unter den Gästen in meinem Studio und staunten über diesen Game Changer. In den Tagen danach erhielt ich weitere Besuche und Fragen zum Osmose. Es ist ein absolut inspirierendes Produkt und er hatte sofort einen Einfluss auf meine Filmmusik und andere Produktionen.
Osmose bringt mich einen Schritt näher an die Kontrolle, die ein Gitarrist oder Cellist über die Nuancen seiner Performance hat. Es kann elektronischer Musik Leben einhauchen und bietet einem Medienkomponisten eine direkte Möglichkeit auf ein Bild zu reagieren. Es macht einfach einen Unterschied, ob ich alle möglichen MIDI-Informationen mit einer Maus zeichnen muss oder ob ich einfach mit dem richtigen Gefühl mit Ausdruck spielen kann.
Osmose ist auf der Website von Expressive E für rund 1.800 Euro/USD erhältlich. Um einen Eindruck von einigen der von Osmose angebotenen Spieltechniken und meinen Tests zu bekommen, hier ein paar Videos von mir:
https://s.disco.ac/uzkmxaolewrc