Apogee Clearmountain's Domain Delay/Reverb-Plug-In
Autor: Georg Berger
Mit Clearmountain's Domain stellt Apogee einen virtuellen Raumsimulations-Effekt vor, der den Workflow des Namensgebers Bob Clearmountain in eine komfortabel editierbare Oberfläche einfasst. Wer die 80er- und frühen 90er-Jahre bewusst miterlebt hat, wird bei der Nennung dieses Namens ein anerkennendes Kopfnicken einlegen, denn zu dieser Zeit war Bob Clearmountain in aller Munde und als Toningenieur maßgeblich verantwortlich für den Sound von Songs und Alben wie unter anderem Bryan Adams' „Run to you“, David Bowies „Let's Dance“, „Tattoo you“ von den Rolling Stones oder Bruce Springsteen's „Born in the USA“. Daneben waren die Sampling-CDs „Bob Clearmountain's Drums“ seinerzeit ein heiß begehrtes Stück Soundware für jeden ambitionierten Tonschaffenden. Mit Clearmountain's Domain lässt uns der Meister jetzt an seiner Herangehensweise in Sachen Echo- und Raumeffekte teilhaben.
Das ist grundsätzlich nichts Neues, schaut man sich einmal die Signature-Serie von Waves an. Dort finden sich in Form von Bundles mehrere Einzel-Plug-Ins, unter deren Oberfläche zumeist die üblichen Studio-Effekte (Equalizer, Kompressor, Gate) nach Vorgaben der titelgebenden Toningenieure wie etwa Eddie Kramer oder Tony Maserati werkeln. Diese Effekte sollen ebenfalls im Idealfall den Signature-Sound des Namensgebers auf die eigenen Spuren zaubern. Hier wie dort stellt der Anwender somit keinen Effekt im herkömmlichen Sinne ein, sondern das Know-how eines gestandenen Profis.
Systemvoraussetzungen
Clearmountain's Domain liegt in den üblichen Plug-In-Formaten, also VST 2 und 3, AU und AAX ausschließlich in 64 Bit vor. Mindestvoraussetzung sind Windows 10 sowie MacOS 10.12.6, wobei ein Mindest-RAM von vier Gigabyte, empfohlen sind acht, genannt wird. In Bezug auf die CPU-Performance schweigt sich der Hersteller allerdings aus. Im Test mit einem schon betagten Windows-Rechner mit Vier-Kern-Intel-CPU bei 2,66 GHz pro Kern, zeigte sich das Clearmountain-Plug-In als recht sparsamer Zeitgenosse, eingedenk seiner vielen Prozesse, die gleichzeitig darin berechnet werden. Später dazu mehr. Der Kopierschutz erfolgt via iLok, wahlweise auf einen iLok2-Dongle, auf die Festplatte oder die Cloud.
Konzept
Clearmountain's Domain konzentriert sich ausschließlich auf Raumsimulationen und enthält als Haupt-Effekte Delay, Faltungs-Hall und Pitch-Shifter. Equalizer und De-Esser als zusätzliche Hilfen dienen zur weiteren Verfeinerung des Signals. Die Oberfläche des Plug-Ins zeigt in Permanentansicht auf der linken Seite den Signalfluss und die Verschaltung dieser Effekte. Jede Effekt-Abteilung ist dabei über Reiter wechselseitig aufrufbar.
Das Besondere an diesem Plug-In ist, dass die Teileffekte nicht nur schnöde seriell verschaltet sind. Eingespeiste Signale werden nämlich aufgesplittet und parallel auf gleich fünf verschiedene Kanäle geschickt, die mit einem eigenen Teileffekt versehen sind. In einem dezidierten Mix-Reiter lassen sich am Ende diese Kanäle schließlich nach allen Regeln der Kunst geschmackvoll ausbalancieren und zusammenführen, um Signalen das gewünschte Maß an Tiefe, Würze und Eindruck zu verschaffen.
Als Erstes wird das Eingangs-Signal in die beiden Hauptdomänen Hall und Echo aufgesplittet. Dem Echozweig zugeordnet ist auch der Pitch-Shift-Effekt. So gibt es schließlich einen reinen Delay-Kanal und einen Delay-Kanal plus Pitch-Shift. In der Hall-Abteilung wird das Signal auf insgesamt drei Faltungshall-Kanäle geschickt, wobei in zwei Kanälen die Impulsantworten fest vorgegeben sind, wohingegen der dritte Kanal mit sechs, eigens von Mr. Clearmountain produzierten, Impulsantworten gespeist werden kann.
Bedienung
Beim Aufruf blicken wir zuerst auf den Visualizer-Dialog, der als zentrales Instrument ein Phasen-/Goniometer zeigt. Auffällig sind unterschiedlich farbige Punkte im Koordinatensystem repräsentieren die jeweiligen Raumeffekte (Delay, Pitch-Shifter, Hall) sowie das Direktsignal. Eingerahmt wird dieser Dialog von einem Input- und Effektstärke-Fader, mit denen sich die Eingangslautstärke und der Effektanteil justieren lässt. Oberhalb davon lädt uns eine Menüleiste zum Auswählen der Presets ein, wir können eine A/B-Funktion zwecks raschen Vergleichs gemachter Einstellungen nutzen, ein Random-Button würfelt sämtliche Parameter zufällig durcheinander und es lässt sich das generelle Verhalten des Goniometers einstellen. Doch richtig zur Sache geht es erst durch Aufruf der vier Reiter mit seinen darin enthaltenen Teildialogen und Einstellmöglichkeiten.
Input-Reiter
Den Anfang macht der Input-Reiter, der (s. Abb. oben) das Eingangs-Signal einer ersten Bearbeitung unterzieht und auf die beiden Signalwege Hall und Delay schickt. Besonderheit: Noch bevor das Signal die eigentlichen Effektprozessoren erreicht, kann es mit Hilfe eines De-Essers und Equalizers von unerwünschten Zischlauten und/oder Resonanzfrequenzen befreit werden, um ein homogenes Effektsignal zu produzieren. Die Einstellmöglichkeiten für beide Signalkanäle sind überschaubar und identisch. Der De-Esser kommt mit Einsatzfrequenz und Effektstärke-Parameter und der Equalizer verfügt über zwei Passfilter und ein parametrisches Mittenband.
Delay-Reiter
Hier können wir präzise und umfangreich eine Vielzahl unterschiedlicher Echos einstellen, vom banalen Stereo-Echo über Ping-Pong-Varianten bis hin zu Pseudo-Räumen und LFO-artig gesteuerten Echo-Modulationen. In jedem Kanal steht die identische Zahl an Parametern zur Verfügung. In der Mitte des Dialogs lädt eine Spalte mit Buttons zum Aktivieren von Funktionen und Einstellung des Effekt-Verhaltens ein. Auffällig: Der "Spin" getaufte Fader ist nichts anderes als der gute alte Feedback-Parameter. Nächste Auffälligkeit: Ein Offset-Fader kann das Signal zusätzlich zum eingestellten Verzögerungswert wahlweise nach vorne oder nach hinten ziehen. Das ist nicht alltäglich für Delays und sorgt für eine entsprechende räumlich empfundene Tiefe, wenn etwa der linke Kanal 15 Millisekunden mehr hat und der rechte Kanal 15 Millisekunden weniger.
Nächste Auffälligkeit ist der Delay-Blur-Fader. Er sorgt, ähnlich wie in einem Tape-Echo, für ein Anrauen des Signals mit Verzerrungen, um dem Echo einen zusätzlich fetten Sound zu verleihen. Die Delay-Zeit ist hingegen mit dem horizontalen Fader einstellbar. Buttons darüber erlauben eine Einstellung nach Notenwerten, sofern das Plug-In mit der DAW synchronisiert ist. Der vom Input-Reiter bekannte Equalizer-Dialog - hier jetzt kanalweise auf die Delay-Signale vor dem Einspeisen in den Feedback-Kreislauf anwendbar - beschließt soweit die Einstellmöglichkeiten in den Kanälen. Die Buttons in der Mitte des Dialog schalten die Synchronisierung mit der DAW ein, es gibt eine Tap-Funktion zum manuellen Eintippen der Delay-Zeiten, der oben erwähnte Offset-Parameter sowie die beiden EQs und das Feedback (Spin) können verlinkt werden, so dass stets proportionale (Offset, Spin) und identische (EQ) Werte ohne viel Mühe realisierbar sind. Mit Hilfe der Crossfeed-Funktion speisen wir die Echo-Signale der einzelnen Kanäle über Kreuz in den jeweils anderen Kanal, Stichwort: Ping-Pong-Delay.
Ein besonderes Feature arbeitet hingegen automatisch im Hintergrund: die sogenannte „Spin Compensation“. Sie sorgt dafür, dass die Echosignale bei unterschiedlich eingestellten Delay-Werten in den Kanälen zur gleichen Zeit stoppen. Eine nicht alltägliche Funktion, die durchaus Schule machen sollte. Bleibt zu guter Letzt noch die PitchPreSpin-Funktion: Ist sie aktiv, wird der Pitch-Shifter in den Echo-Signalweg integriert und zwar kurz vor dem Effekt-Signal-Ausgang, bevor er wieder in den Prozessor zurückgeführt wird. Je nach Einstellung sind darüber die modulierten Echos möglich, die beispielsweise einen chromatischen Anstieg der Tonhöhe des eingespeisten Signals erzeugt. Das geschieht im Pitch/Reverb-Reiter.
Pitch/Reverb-Reiter
Der Pitch-Shifter wird über wenige Parameter in der linken Hälfte dieses Dialogs eingestellt. Die drei Hall-Kanäle auf der rechten Seite. Über separate Fader lässt sich die Tonhöhe der beiden Kanäle in einem Bereich von +/- 50 Cent feinjustieren. Semitone-Eingabefelder erlauben Einstellungen in einem Bereich von +/- zwölf Halbtönen. Ein Delay-Parameter verzögert das Pitch-Signal bei Bedarf noch einmal. Pfiffig ist, dass über den Random-Button der Pitch-Shift-Wert in einem Bereich von maximal 20 Cent, zufällig eingestellt wird. Sinn und Zweck ist hier mehr Lebendigkeit und fette Signale, die sich je nach Einstellung wie Signaldopplungen anhören.
Die einstellbaren Hallparameter auf der rechten Seite geben sich hauptsächlich als Send-Fader zu erkennen. Dezidierte Einstellmöglichkeiten zum Verfeinern der Hall-Parameter - Hall-Zeit, Early Reflection, oder ähnliches - sind nicht vorhanden, was wir trotz aller Übersichtlichkeit und Bedienfreundlichkeit schon vermissen. Wie erwähnt enthält das Clearmountain's Domain Plug-In gleich drei aktiv arbeitende Faltungshall-Prozessoren. Hinter dem "Apogee Studio"-Hall arbeitet eine Impulsantwort, die aus dem Teststudio des Herstellers Apogee stammt. "Mix This!" hat seinen Ursprung im gleichnamigen Studio von Mr. Clearmountain. Die sechs wählbaren Impulsantworten im dritten Hall-Kanal stammen ebenfalls aus dem Umfeld von Bob Clearmountain, etwa aus dem Treppenhaus, der Toilette und dem Badezimmer des Mix This-Studios oder der Echokammer des Roscoe-Studios. Via Predelay lässt sich, wie gehabt, das trockene Eingangssignal verzögern, bevor es in den Hallweg gerät. Mit dem Direct-Fader schicken wir das trockene Eingangssignal in den jeweiligen Hallkanal. Analog dazu wird das Pitch-/Delay-Signal über einen weiteren Fader anteilig in die Hallkanäle eingefügt. Mute-Buttons erlauben ein schlagartiges Stummschalten dieser Signale. Als Besonderheit lassen sich die ankommenden Signale im zweiten Kanal unterschiedlich verschalten (Stereo, Mono summiert, Kanäle über Kreuz).
Mix-Reiter
Sind alle Einstellungen erledigt, geht es zum Schluss um die Feinjustage des Gesamtsignals, was im vierten Reiter erledigt wird, dem Mix-Reiter. Die Einstellmöglichkeiten in diesem Dialog sind denkbar einfach und rasch erfasst. Die ersten fünf Fader - Delay, Delay + Pitch-Shift sowie die drei Hallkanäle - verfügen über einen Fader, zwei Regler fürs Panorama sowie Mute- und Solo-Buttons. Danach folgt der Effekt-Blenden-Fader, den wir schon im Visualizer-Dialog gesehen haben sowie zum Schluss der Output-Fader.
Praxis
Im Praxis-Test braucht es anfangs schon ein wenig Zeit, um sich mit den Reitern, ihren Funktionen und den Besonderheiten der Signalverknüpfungen vertraut zu machen. Sehr schön: Über einen Anfasser an der unteren rechten Ecke lässt sich die Oberfläche dynamisch in der Größe skalieren. Ein Merkmal, das leider immer noch nicht alltäglich ist. Das „Visualizer“ getaufte Goniometer ist zwar ein nettes Feature. Im Test haben wir es jedoch zu keiner Zeit benötigt, aber das ist bekanntlich alles Geschmackssache.
Bevor es ans Eingemachte geht, hören wir uns die mitgelieferten Presets an, die mit ihren sprechenden Titeln eindeutige Hinweise auf ihre Einsätze in Songs geben, wie etwa das charakteristische Delay in der funky gespielten Rhythmus-Gitarre von David Bowie's „Let's Dance“. Auffällig ist, dass sämtliche Presets 100 Prozent Effektstärke aufweisen, ein Hinweis darauf, dass Clearmountain's Domain Plug-In für den Einsatz als Send-Effekt prädestiniert ist. Es lässt sich aber auch problemlos als Insert-Effekt nutzen, wenn der Effektblenden-Fader geschmackvoll abgesenkt wird.
Im Aufnahmeeinsatz als Realtime-Effekt ist es trotz niedriger Prozessorlast eher ungeeignet. Im Test mit Cubase 8.5 verbraucht der Clearmountain-Effekt zwar nur rund zehn Prozent, doch mit aktivem Direct-Monitoring bei 128 Samples und 44,1 kHz Abtastrate schnellen beide Anzeigen im VST-Meter plötzlich in den roten Bereich. Aufnahmen sind erst ab 512 Samples ohne Verzerrung möglich. Das ist eindeutig zu viel, aber nicht wirklich ein Manko.
Das Clearmountain's Domain Plug-In ist ein reiner Mix-Effekt, der nach dem Tracking eingesetzt werden will. Über die 21 Werks-Presets erhalten wir einen eindrucksvollen Einblick, was dieser Multi-Effekt zu leisten im Stande ist. Beim Hörtest fällt das Plug-In durch einen samtig-weichen Grundsound auf, bei dem der hohe, leicht nervig klingende, Mittenbereich und die Höhen angenehm gezügelt, aber dennoch präsent sind. Signale erhalten einen räumlichen Glanz, sie klingen je nach Preset voluminöser, voller, angenehmer. Zwar eher subtil, aber dennoch hörbar, ist dies mit das Verdienst des De-Essers und Equalizers in der Input-Sektion, die allzu harsche und spitze Signalanteile gerade bei spitzen, dynamischen Signalen minimieren. Damit sind fauchende Hallfahnen und nervige Delays, die sich wie Nadelspitzen in den Gehörgang bohren deutlich minimiert.
Dank geschmackvoller Einstellungen in der Pitch-Shift-Sektion sind auch hörbar fette, chorusartige Sounds realisierbar, so etwa im „Start me up KR Guitar“-Preset. Die erwähnte Delay-Blur-Funktion werkelt hingegen eher subtil im Hintergrund. Erst bei hohen Einstellungen stellen sich hörbare Änderungen ein. Gleiches gilt auch für die Delay-Offset-Funktion, die eher homöopathisch wirkt und für einen Ticken mehr Räumlichkeit im Stereobild sorgt. Dies ist aber nur dann richtig hörbar, wenn der Hall deaktiviert ist. Aber genau das macht das Geheimnis einer probaten Verfahrensweise aus. Richtig begeistert sind wir von der Spin-Compensation-Funktion. Ganz gleich wie unterschiedlich die Verzögerungswerte in beiden Kanälen sind, die Echos kommen auf den Punkt zusammen zum Ende. Das ist nicht nur in Sachen Klang hervorragend, sondern auch hinsichtlich der Bedienung. Denn minutiöses Rumfrickeln am Feedback – sofern kanalweise möglich – erübrigt sich.
Im Test probieren wir auch die Zufallsfunktion aus. Die geht überkraftvoll ans Werk und erzeugt blitzschnell sehr abgedrehte Effekt-Sounds. Der Output-Fader, der gottlob nicht von dieser Funktion betroffen ist, sollte bei solchen Aktionen weit unten stehen, denn oftmals wird das Feedback bis zum Kragen aufgezogen und überlaute Feedbacks kommen zustande. Insgesamt ist das eine nette Spielerei, die allerdings wenig verwertbare Ergebnisse für die tägliche Arbeit liefert. Meckern müssen wir auch hinsichtlich der mitgelieferten Impulsantworten. Zwar besitzen sie leichte Unterschiede hinsichtlich Frequenzgang und Hallfahne doch bis auf die Studio- und die beiden Roscoe-Impulsantworten, klingen alle anderen so, als ob sie im gleichen, leicht topfig-mittigen Raum mit Naturfliesen-Wänden produziert wurden.
Fazit
Clearmountain's Domain von Apogee ist mehr als ein schnöder Echo-/Hall-/Pitch-Shift-Multi-Effekt. Das Plug-In enthält das Mojo von Bob Clearmountain, der in diesem virtuellen Effekt eine Reihe seiner probaten Mittel in Sachen Raumgestaltung Preis gibt. Zu nennen wären der eigenwillige Signalpfad, der De-Esser und Equalizer vor dem Echo- und Hall-Eingang und die vielen kleinen Zusatz-Kniffe im Echo (Offset-Delays, Feedback-Kompensation). Das alles mit Standard-Plug-Ins exakt reproduzieren zu wollen ist umständlich bis unmöglich.
Um in den Genuss dieses angenehm und beeindruckend klingenden Effekt-Zaubers zu kommen, ruft der Hersteller laut Vertrieb Sound Service einen unverbindlichen Verkaufspreis von 350 Euro auf. Für diesen Preis hätten wir uns ein paar mehr Presets und Impulsantworten gewünscht und den einen oder anderen Hallparameter (Hallfahne und Early Reflection). Klanglich und bedientechnisch ist Clearmountain's Domain von Apogee top mit einem durchschnittlichen Preis/Leistungsverhältnis.