Dawesome Myth

virtueller Synthesizer mit Resynthese-Konzept

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Die virtuellen Instrumente, bzw. Plug-Ins von Dawesome bieten alle immer spezielle Synthese-Ansätze und Algorithmen mit ebenso ungewöhnlichen Sounds in Verbindung mit einer übersichtlichen GUI die einfache Bedienung gestattet. Getestet haben wir bisher bei uns die Synthesizer Novum und Kult sowie das Plug-In Love. Auch das neue virtuelle Instrument Myth reiht sich in diese beschriebenen Kategorien ein.

Voraussetzung und Installation

Myth lässt sich auf Rechnern mit Windows 10/11 (64 Bit) und macOS ab 10.13 (Intel und Apple Silicon) installieren und betreiben. Das Plug-In-Format ist VST3 sowie für macOS auch AudioUnit.

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Nach dem Kauf taucht der Synth im Tracktion Download Manager auf. Hierüber lassen sich auch Updates durchführen (s. Abb. oben).

Konzept

Myth basiert auf Samples, die in das Plug-In geladen und dann resynthesiert werden. Die Resynthese erfolgt aber nicht statisch, sondern dynamisch über den zeitlichen Verlauf des Samples hinweg in 500 Segmente. Man erhält so also ein synthetisches Abbild, bei Myth in Form einer Iris, das man vor und zurück und auch mit verschiedenem Ablauftempo abspielen kann. Da das Ergebnis ja über vier Oszillatoren pro Iris resynthetisiert ist, ändert dies bei der Wiedergabe nichts an der Tonhöhe. Das "Abfahren" dieser Synthese-Linie - so möchte ich das mal nennen - kann über Steuergrößen erfolgen wie Hüllkurven und LFOs etc. Von diesen auf Sample und Resynthese basierenden Oszillatoren gibt es bei Myth zwei Stück. Der zweite entscheidende Schritt beim Myth ist, dass sich diese Oszillatoren von sogenannte Modifiern klanglich dynamisch verändern lassen. Auch diese Modifier-Effekte sind dynamisch und können über Steuergrößen von Hüllkurven und LFOs in ihrer Intensität moduliert werden.

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Es lassen sich zudem aber auch in den verschiedenen internen Sektionen auch noch Module für die Klangbearbeitung einbinden. Hinter den beiden Oszillatoren befindet sich eine Filter-Sektion und danach zwei parallele Effektsektionen, so dass man sowohl serielle als auch parallele Bearbeitung durchführen kann und dann am Ende eine Master-Sektion.

Bedienung

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Über das Hamburger-Menü (drei horizontale Striche) lässt sich ein Menü/Dialog mit den globalen Einstellungen des Plug-Ins aufrufen. Hier hat man auch Zugriff auf ein Tutorial und die Größe der GUI lässt sich in drei Größen einstellen aber auch stufenlos mit der Maus anpassen.

Oben im Kopf kann der Anwender das Preset anwählen (in/dekremental über zwei Icons oder über ein Auswahlmenü), was aber auch noch komfortabler geht. Dazu später mehr. Weiter lassen sich Änderungen im Preset speichern und eine Undo/Redo-Funktion gibt es auch.

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Links befinden sich die Parameter für die Keyboard-Kontrolle. Die Referenztönhöhe lässt sich auf übliche Werte einstellen und es gibt verschiedene anwählbare Einstellungen, wie zum Beispiel für Glide und CPU-Auslastung. Auch Keyboard-Parameter wie Anschlagstärke und Wheels/Controller lassen sich hier anpassen.

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Es gibt auch anwählbare Setups für Keyboard-Controller: so für MPE-Betrieb, zwei verschiedene Osmose-Modi und ein Setup für Seaboard-Keyboard-Controller. Myth unterstützt auch das Microtuning-System MTS-ESP.

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In der Master-Sektion lässt sich noch eine Anzahl der maximalen Stimmen für polyphone Spielweise einstellen und es gibt eine virtuelle Panic-Taste falls etwas hängen bleibt. HIer kann auch der Ausgangspegel eingestellt werden und zudem gibt es auch einen Ausgangs-Limiter und eine kleine Stereo-Bargraf-Pegelanzeige (s. Abb. oben). Über der Master-Sektion sind noch zwei Icons für Zufalls-Einstellungen eines Presets und Zusammenführen von Presets zu einem neuen Preset, wobei die Sektionsauswahl die Ersatz werden auch zufallsbeding sind. 

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Der klangliche Kern von Myth sind die beiden Oszillatoren, deren synthetisierte Inhalte in Form einer Iris dargestellt werden. Die aktuelle Abspielposition wird durch einen Strich markiert. Über den Parameter FADE lässt sich auch eine dynamische Überblendung zwischen den Oszillatoren durchführen und mit dem Mode RING ist auch eine Ringmodulation der beiden Oszillatoren möglich. Mit dem Dreieck mit der Spitze nach unten lässt sich der Pegel des Oszillators anpassen und daneben sind zwei Parameter-Icons für Stereo-Basisbreite sowie Stereo-Panning. 

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Unter der linken und rechten Iris sind die Modifier. Der erste oben links ist quasi der Positionszeiger der synthetisierten Steps/Segmente. Das kann man sich ähnlich einer Wavetable vorstellen nur das statt einzelnen Samples eben vier Oszillatoren mit einer bestimmten Wellenform pro Segment, bzw. Step arbeiten. Die nächsten dienen der Frequenzmodulation (Modulationsgrad, Helligkeit, unharmonischer Anteil). Unten gibt es dann weitere Modifier wie ein aufgeprägter Sägezahn-, Rechteck-, Streicher- und Bläser-Transformation, Sync, DIRT um ein geräuschhaften Anteil hinzuzufügen oder PURE um Obertöne zu mindern. Über zwei weitere Modifier lässt sich der Pegelverhältnis der internen Oszillatoren ändern und der Einfluss der resynthetisierten Hüllkurve kann angepasst werden.

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Auf der rechten Seite sind die Modulationsgrößen in einer Liste aufgeführt.

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Wenn man dort ein Parameter anklickt, wie in diesem Fall MAIN ADSR, wird die Modulationsquelle unten in der GUI angezeigt und man kann sie anpassen (s. Abb. oben).

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In jeder der erwähnten Sektionen lassen sich Module über das Plus-Icon in die Signalkette einfügen. Die Auswahl ist abhängig von den Sektionen (Arpeggiator, Oszillatoren, Filter FX 1/2, Modulation). 

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Interessant ist, dass es auch eine Arpeggiator-Sektion gibt, wo eben kein Audio verarbeitet wird, sondern die Keyboard/MIDI-Eingabe. Aber auch hier gibt es verschiedene Bearbeitungsmodule.

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Auch bei den beiden Oszillator-Sektionen lassen sich neben Modulatoren und Filter auch Effekte einblenden wie Verzerrer, Resonatoren und Chorus etc. (s. Abb. oben).

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Die Filtersektion ist ja nach der Summierung der beiden Oszillatoren im Signalpfad und bietet neben Filtern ebenfalls eine umfangreiche Auswahl an verschiedensten Modulen, durchaus ähnlich den Möglichkeiten die man auch in den einzelnen Oszillatoren vorfindet. Nur noch einmal zur Verdeutlichung: hiermit sind die zwei IRIS-Generatoren gemeint.   

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Viele der Effekte sind auch in den beiden Effektsektionen FX 1 und FX 2 wiederzufinden. Hier gibt es aber auch eine interessante Auswahl an Delay- und Hall-Effekten (neben normalen Raumhall auch Shimmer und Clouds).

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Im unteren Bereich lässt sich auch über Anwahl des Reiters MOD die Modulationsmatrix aufrufen (s. Abb. oben).

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Ganz unten bei den Reitern gibt es noch einen anwählbaren Preset-Browser, der auch eine komfortable Preset-Suche nach verschiedenen anwählbaren und logisch und-verknüpften Kriterien ermöglicht (s. Abb. oben). 

Interview

peter

Wir hatten auch Gelegenheit mit dem Entwickler von Myth, Peter Vorländer, in Hamburg zu sprechen, wo er unter anderem über die Entstehung, die Resynthese und auch über die Zukunft von Myth Auskunft gibt.

proaudio.de: Gibt es hinter Myth auch eine Story zur Entstehungsgeschichte?

Peter Vorländer: Ursprünglich wollte ich nur einen sehr einfachen und intuitiven FM-Synth machen, mit dem man sehr schnell tolle Ergebnisse bekommt, ohne sich mit Operatoren, Algorithmen und dutzend Envelopes zu beschäftigen. Dann entstand die Idee von konfigurierbaren Oszillatoren, mit dem Pedal-Board-Konzept, dann die Idee Samples als Input zu verwenden, dann die Idee der "Transformers" ... jedesmal habe ich die Planung über den Haufen geworfen, das geplante Release um drei Monate geschoben und die Ärmel hochgekrempelt. Das ist das Tolle ein Indie-Entwickler zu sein - ich kann mich in der Entwicklung dafür entscheiden Dinge anders, beziehungsweise besser zu machen, wenn ich es für sinnvoll halte.

proaudio.de: Bei der Oberfläche verfolgst Du ja ein Konzept wie auch bei den anderen Instrumenten von Dir: kompakte und übersichtliche Bedienung ohne jetzt tief in Funktionen einsteigen zu müssen, wie über mehrere Dialogfenster oder ähnliches. Wie wichtig ist Dir die GUI?

Peter Vorländer: Jeder kennt und liebt es, wenn man beim Musik machen im Flow ist - dann "flutscht" alles mühelos. Gute Plugins bringen einen leicht in den Flow, und unterbrechen diesen nicht. Alles wo man "technisch" denken muss, anstatt einfach zu machen ist da hinderlich. Und das Plugin sollte jederzeit ein paar einfache "Angebote" machen, wie man den aktuellen Sound einfach modifizieren kann.

All das ist nur durch ein gutes User Interface zu erreichen. Zu einem gewissen Grad kann und muss man das planen. Aber fast noch wichtiger ist die Bereitschaft alles immer wieder zu verwerfen und neu zu machen, wenn man sieht, dass es noch nicht richtig ist. Ich habe einen Discord, wo ich zwei bis dreimal die Woche zeige, woran ich gerade arbeite - da bekomme ich immer sehr viel Feedback, wie man etwas noch besser machen kann.

proaudio.de: Das Konzept ist ja Resynthese und Modifier. Kannst Du einmal etwas genauer erklären wie das mit der Resynthese bei Myth funktioniert und was bei der Resynthese intern dann bereitsteht?

Peter Vorländer: Klassische Synthese verwendet statisch klingende Oszillatoren, die für sich genommen erst einmal sehr langweilig klingen, und dann braucht man LFOs, Envelopes etc., um das ganze organisch zu machen. Durch Resynthese kann man es andersrum machen: ein Sample klingt meist schon organisch, und mit den Modifiers kann man dann schnell und einfach die Klangfarbe verändern. Intern funktioniert das so: jede IRIS besteht eigentlich aus vier Oszillatoren. Jeder davon kann einen beliebigen, statischen Klang erzeugen und hat eine Hüllkurve für die Lautstärke mit 500 Segmenten. Gibt man ein Sample per Drag and Drop auf die IRIS, so wird mit Hilfe von Machine Learning die optimale Konfiguration der Oszillatoren inklusive der Hüllkurven ermittelt, um das Sample zu approximieren.

proaudio.de: Die Bearbeitung mit den Modifiern bringt ja schnelle Ergebnisse, ohne im sich näher mit der Resynthese beschäftigen zu müssen. Ich kann mir vorstellen, dass man vielleicht sogar noch weitere Modifier einfließen lässt?

Peter Vorländer: Bei der Konzeption von Myth war Erweiterbarkeit das Grundprinzip: es ist einfach möglich neue Modifier und neue Module hinzuzufügen, weil ich dafür nicht erst Platz im User-Interface schaffen muss. Und durch das eingebaute Tutorial-System kann ich bei einem Update dann auch gleich Beispiele mitliefern, wie man das gut einsetzen kann. Dadurch konnte ich auch ein paar ungewöhnliche Sachen unterbringen - zum Beispiel die Module Atari-Punk, Glurp oder BTTF. Die machen richtig Spaß und man kann tolle Sachen damit machen, aber in einen "normalen" Synth hätten die wohl keinen Eingang finden können. Ich habe schon eine lange Liste von Ideen und freue mich darauf, Myth über Jahre mit Updates zu erweitern.

proaudio.de: Kann man Dich nicht mal überzeugen auch mal statt nur Stereo auch 3D-Audio-Ausgang anzubieten?

Peter Vorländer: Ja, das finde ich eine sehr gute Idee! Ich habe mich neulich mit einem Experten für das Thema 3D-Audio unterhalten und bin schon am überlegen, wie man das am sinnvollsten einsetzen kann. Ich werde das Thema auch in meinem Discord ansprechen und schauen, was es dort für Wünsche und Ideen gibt.

proaudio.de: Wird es in der Zukunft weitere Soundpacks für Myth geben?

Peter Vorländer: Ja, es sind schon mehrere in Arbeit! An den 700 Werks-Presets von Myth haben über ein Dutzend Sound Designer mitgearbeitet - und viele von denen arbeiten schon an Packs. Zudem habe ich eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Sound Designer Databroth begonnen. Ein Schwerpunkt werden hier Presets sein, die besonders expressiv und musikalisch sind.

Praxis

Getestet haben wir Myth auf unserer B14 Audiokern DAW von Digital Audio Service unter Windows 11 und Steinberg Nuendo 13 Host-Software. Wir hatten die Myth Version 1.10 im Test.

Myth bietet ja vier verschiedenen CPU-Auslastungs-Betriebsarten an und zwar: ECO, SMART, HIGH, ULTRA. Der Name Ultra ist Programm und je nach polyphoner Betriebsart und Akkorden die man spielt, düfte man da jeden Rechner an seine Grenzen bringen. Beim Modus ECO geht die Nuendo-Performance-Anzeige in den Spitzen so auf ca. 20 Prozent und bei SMART auf ca. 25 Prozent. Bei HIGH, liegt man auch schon mal bei 40 Prozent. Der klangliche Unterschied zwischen ECO und ULTRA ist zwar von Seiten der CPU-Performance extrem unterschiedlich, aber klanglich sind diese Modi nicht so weit auseinander wie es die Auslastung vermuten lässt. Man kann Unterschiede hören, aber nach längerem Test habe ich meistens ECO oder SMART als CPU-Modus gewählt und war mit den Ergebnissen klanglich sehr zu frieden.

Die Bedienung von Myth ist bezogen auf seine Komplexität doch relativ einfach, dank der durchdachten Bedienoberfläche und wenn es eine Frage geben sollte, dann gibt es in der umfangreichen (ca. 50 Seiten) und exzellenten englischen Bedienungsanleitung und integriertem Tutorial-System immer eine Antwort.

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Die Resynthese und damit die zur Resynthese eingesetzten Samples, sind ja die klangliche Basis. Man sollte unbeding mal mit eigenen Samples experimentieren, wenn man eigene Presets erstellen will. Hier sollte man aber nicht extrem lange Samples und eher welche mit tonaler Natur einsetzen, wenn man auch ein tonales Ergebnis erwarten möchte. Das resynthetisierte Ergebnis, was durch die vier internen Oszillatoren in den 500 Segmenten interpretiert wird, ist in der Regel klanglich schon ein ganzes Stück weit vom Original-Sound entfernt, aber das macht die Sache eigentlich auch erst interessant.

Wer aber auf diese Experimente keine Lust hat wird auch in den 718 Presets genügend Basis für eigene Klangkreationen finden, die sich bei entsprechender Einstellung der Modifier und Bearbeitungsmodulen klanglich bei Bedarf weit ab von dem Original-Preset absetzen lassen. Das was da an Presets geboten wird ist schon klanglich sehr breit gestreut. Da gibt es tolle Bässe und Solo-Sounds und auch sehr schöne harsche und "dreckige" Klänge für den Einsatz in Pop-Produktionen - auch härterer Gangart, bis hin zu Ambient und, wie bei allen virtuellen Instrumenten von Dawesome, Filmmusik und auch besonders geeignet für Sounddesign. Da gibt es auch jede Menge Presets mit Effekt-Sounds zu Untermalung von bildbezogenen Projekten von Doku über Drama bis hin zu Horror und Scifi.

Fazit

Myth ist über den Shop von Tracktion zu erwerben und der Preis liegt bei ca. 180 US$. Es gibt auch eine 90-tägige, uneingeschränkte Demoversion. Ich war ja schon von den den bisherigen Synthesizern von Dawesome angetan aber bei Myth kann man nochmals eine klangliche Evolution feststellen. Das heisst aber keinesfalls, dass die anderen Synthersizer von Dawesome überflüssig werden, denn die bieten klanglich alle ein etwas anderes Spektrum.

Für jegliche Genre der elektronischen Musik sowie für Filmmusiker und Sound-Designer ist Myth ein Muss. Wirklich tolle Presets und durch die Resynthese und den Modifiern und vielen dynamischen Modulationsmöglichkeiten bieten sich Klänge, die kaum mit einem anderen virtuellen Synthesizer realisierbar sind.

www.tracktion.com