XOR NerdSeq - Teil 2
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Seit unserem letzten Bericht (XOR NerdSeq Teil 1) hat sich beim NerdSeq eine ganze Menge getan und es gibt einige Neuerungen auf die wir hier in diesem zweiten Teil aufmerksam machen möchten, und zwar sowohl was die im Oktober 2021 erschienene Firmware 1.25, als auch was Hardware-Optionen angeht.
2HP MIDI-Expander
Kommen wir als erstes zu den Hardware-Optionen. Alternativ zu dem I/O-Expander mit MIDI-Interface (Ein- und Ausgänge als 5-pol. DIN-Buchsen ausgeführt) bietet das neue MIDI-Interface mit einer Breite von lediglich 2 TE einen MIDI-In und einen MIDI-Out sowie einen weiteren schaltbaren Ausgang, der über einen Mini-Kippschalter als MIDI-Thru oder zweiten MIDI-Out genutzt werden kann.
Alle MIDI-I/Os sind als 3,5-mm-Klinkenbuchse (TRS-A) ausgeführt. Mitgeliefert werden auch drei Adapter von TRS-A auf 5-pol.-DIN. Über optionale Adapter kann man auch TRS-B-MIDI-Geräte anschließen. Man muss sich allerding für einen der beiden MIDI-Interfaces entscheiden, denn am NerdSeq lässt sich nur ein MIDI-Interface anschließen. Der 2HP MIDI-Expander kostet knapp über 40 Euro. Die Frontplatte ist nicht aus Metall, sondern aus Expoxy, schwarz mit weißer Schrift bedruckt.
CV16-Expander
Den CV16-Expander haben wir ja kurz im ersten Teil erwähnt, aber wir möchten auf das Modul und seine Funktionalität im zweiten Teil etwas näher eingehen.
Der CV16-Expander verfügt über 16 CV-Ausgängen (3,5 mm Klinkenbuchsen). Jeweils ein Paare (1/9, 2/10 ... 8/16) lässt sich im Spannungsbereich von -5 ... +5 oder 0 ... +10 Volt über einen Miniaturkippschalter anpassen.
Das Modul ist nicht nur einfach ein D/A-Wandler sondern, es ist auch mit einem Mikro-Controller ausgestattet. So unterstützt dieser auch die Ausgabe von LFOs oder Envelopes. Dazu aber später mehr. Der Preis des 16CV-Expanders liegt bei unter 160 Euro. Das Modul ist in den drei Varianten Grau, Schwarz und Grau/Schwarz (Schwarz mit grauem Rand) erhältlich.
Video-Expander
Ein relativ neues Modul ist das Video-Modul, das gleich verschiedenste Funktionalitäten bietet. Angeschlossen wird er am NSA- sowie am MIDI-Bus. Es ist aber trotzdem weiter der Betrieb eines MIDI-Expanders wie gewohnt möglich. Der Video-Expander taucht im System fest als NSA Slot 4 auf. Das Modul muss auch an den MIDI-Bus angeschlossen werden. Die Kabel für die Verbindung liegen dem Modul natürlich bei.
Über den Video-Expander kann der NerdSeq-Screen auch via Composite- oder HDMI-Ausgang (Type A) auf einen Monitor ausgegeben werden. Das haben wir gleich dazu genutzt, um die Screen Shots für unseren Beitrag zu erstellen. Weiter bietet der Video-Expander auch eine USB-A-Buchse zum Anschluss einer Computer-Tastatur. Hierüber lassen sich alle Dialoge aufrufen und auch die Parameter-Einstellungen vornehmen. Der Vorteil ist, dass man viele Funktionen mit der Computer-Tastatur aufrufen kann, ggf. mit Hilfe der Shift oder CTRL-Tasten. Auch Notenwerte lassen sich über die Buchstaben eingeben. Mit Nutzung einer Tastatur am NerdSeq kommt nicht nur "Tracker" Sequenzer-Feeling auf, sondern in Verbindung mit einem angeschlossenem HDMI-Monitor, lässt sich der komplette NerdSeq exzellent fernbedienen und wenn man geübt und sich alle Tastenbelegung gemerkt hat, ist die Bedienung noch komfortabler als über den NerdSeq selbst. Allerdings gab es bei unserem Test auch USB-Tastaturen die nicht funktionierten. Ein zwischenschalten eines USB-Hub schaffte hier aber ggf. Abhilfe. Mit kabellosen Logitech-Tastaturen gabe es aber zum Beispiel keine Probleme. Ich würde sowieso eine drahtlose Tastatur empfehlen.
Im Videomodul selbst gibt es auch eine SD-Karte. Das Updaten der Modul-Firmware erfolgt aber praktischerweise direkt über den NerdSeq selbst. Die Kosten des Videoexpander liegt bei knapp unter 230 Euro und er ist ebenfalls in den drei Varianten Grau, Schwarz und Grau/Schwarz erhältlich.
Launchpad Support
Eine Funktion die schon seit längerem implementiert ist, ist die Integration der Steuerung des NerdSeq mittels Launchpad. Offiziell ist die Launchpad-Unterstützung zur Version 1.25 noch mit Vermerk "Beta-Status" versehen. Das ist aber schlicht Understatement, denn die Launchpad-Steuerung funktioniert in der Praxis ohne Probleme und ist wirklich hilfreich. Entwickler Thomas Margolf möchte aber noch weitere Launchpad-Funktionen implementieren.
Unterstützt werden dabei Lauchpad Mini, Launchpad MK2, Launchpad Pro und Pro MK3. Sicherlich wird die Liste noch um neuere Modelle erweitert. Je nach Launchpad-Typ muss man ggf. USB/MIDI-Konverter einsetzen. Beim Launchpad Pro gibt es ja direkt MIDI-Ein- und Ausgänge und diese werden einfach an das MIDI-Interface des NerdSeq angeschlossen.
Die Aktivierung der Lauchpad-Unterstützung ist relativ einfach. Man muss dazu lediglich in Menü "Project" beim Untermenü "MIDI Input / Record" (s. Abb. oben) beim MIDI-Kanal 1 sein Lauchpad-Modell auswählen und des Weiteren muss "MIDI Data Input" aktiviert sein ("ON") und das war es auch schon.
Die Funktionalität ist je nach angewählter NerdSeq Screen angepasst. Beim Sequencer Screens (s. Abb. oben) hat man so einen sehr guten Übersicht über die Pattern. Die Darstellung korrespondiert, auch was die Farben angeht, mit der Darstellung auf dem NerdSeq. Es macht daher hier besonders Sinn, über das Nerd-Menü Pattern, bzw. Spuren eine Farbe zuzuordnen.
Auch die runden Tasten oben und rechts haben eine Funktion. Mit den oberen lassen sich Spuren auf Solo oder stummschalten. Es wird über die Farben auch vermittelt, ob eine Spur wiedergegeben wird (grün), nicht wiedergegeben wird (rot) oder stummgeschaltet ist (Indikator LED ist dann aus). Über die rechten Tasten lassen sich folgende Funktionen aufrufen: Up, Down, Enter Pattern, Clock Scale, Reset Clock-Scale, Stop, Jump sowie eine Shift-Funktion (unterste der rechten, runden Tasten).
Wenn man im Sequencer-Modus, bzw. Screen auf dem Launchpad eine Taste antippt, dann wird der Sequencer gestartet und das Pattern wiedergegeben. Gerade für Live-Improvisationen ist das sehr hilfreich. Die aktuelle Position im Sequencer wird dabei im Playbetrieb auch angezeigt.
Beim Öffnen eines Pattern werden die entsprechenden Einträge auch angezeigt. Besonders wertvoll ist dies bei einem Pattern, dessen Spur einem MORE TRIGGERS 16-Modul zugewiesen ist (s. Abb. oben). Hier kann man sehr einfach und schnell mit dem Launchpad über die Drum-Matrix-Page Drums/Percussion-Programmierungen vornehmen.
LFOs und Envelopes
Der NerdSeq bietet intern acht Hüllkurvengeneratoren. Das entsprechende Menü lässt sich durch zweimaliges Drücken von AUTOMATE aufrufen (s. Abb. unten).
Es handelt sich dabei jeweils um eine ADSR-Hüllkurve. Neben den ADR-Zeiten (relative Zeiten) und dem Sustain-Pegel lassen sich die auslösende Quelle (im Beispiel oben Gate der Spur 1) sowie das Ziel (oben im Beispiel Modulationsausgang 1) auswählen. Es gibt drei Auslösearten, die über den Parameter TYPE eingestellt werden können und zwar "ONE SHOT", das heißt, dass bei jedem Trigger die Hüllkurve ohne Berücksichtigung der Gate-Länge ausgegeben, "AD-SR" wobei die Gate-Länge (Sustain-Phase) berücksichtigt wird, sowie "LOOP", also die Hüllkurve in kontinuierlicher Wiederholung.
Es lassen sich weiter über die vorhandenen LFO und auch über die Hüllkurven Modulationen von Signalen durchführen. Die Modulationsmatrix hierfür ist ebenfalls über das AUTOMATE-Menü anwählbar (s. Abb. oben). Damit lassen sich sehr komplexe Vorgänge realisieren.
Auch das CV16-Modul bietet acht ASR-Hüllkurven. Diese lassen sich bei entsprechend angewählter Spur über das NERD-Menü und den Menüpunkt TRACK SETUP einstellen.
Wenn man dort nach unten scrollt tauchen dann die Parameter der Hüllkurvengeneratoren des CV16 auf (s. Abb. oben).
Weitere Neuigkeiten
Die Liste der Neuigkeiten ist von einer zur nächsten NerdSeq-Firmware-Version in der Regel einige Seiten lang. Wir möchten daher auf einige besonders bemerkenswerte und wichtige Neuigkeiten hinweisen. Alle hier aufgelisteten Leistungsmerkmale sind in der Version 1.25 enthalten.
Eine der wichtigsten Erweiterungen für mich persönlich ist, dass nun die Track 7 und 8 nicht mehr nur für Audio/Samples sondern sich auch beliebig zuordnen lassen. So kann man nun alle sechs Modular-Ausgänge einer Spur zuordnen und kann zum Beispiel noch Spur 7 für MIDI nutzen und Spur 8 für die Drum-Trigger.
Der NerdSeq bietet ab Version 1.22 auch eine FM-Synthese-Engine mit vier Operatoren, sowie eine Wavefolder-Funktion und einen Lo-Fi-Delay-Effekt. Sicherlich eine nette Spielerei. Diese Funktionen muss man wohl eher als Add-On verstehen.
Auch im Bereich der Tables hat sich einiges getan. So wurden neue Table Funktionen für Zufallsfunktion, Skalen, Akkorde und nicht erlaubte Noten hinzugefügt und über das Nerd-Menü stehen auch Table Presets zum Beispiel für Doppelnoten, Triolen und verschiedene Akkorde bereit. Bei der Trigger-Angabe über den Werten E0 gibt es nun Werte für Ratcheting und Zufallsfunktionen.
Ein polyphonisches Aufnehmen via MIDI wird nun auch für die CV/Gate-Tracks unterstützt. Auch im Bereich MIDI-Tracks gibt es einige kleinere Erweiterungen. So wird über die Track-follow-MIDI-Funktion der MIDI-Kanal mit aufgenommen und auch wiedergegeben. Wie gesagt, die Feature-Listen für eine neue Version sind mehrere Seiten lang.
Fazit
Wir nehmen an dieser Stelle schon einmal vorweg, dass es auch noch einen dritten Teil unseres Tests über den NerdSeq geben wird, denn die Entwicklung geht immer weiter und es wird Neuerungen, sowohl bei der Firmware, als auch bei der Hardware geben. Wir möchten an dieser Stelle aber schon einmal ein umfassenderes Fazit ziehen.
Der NerdSeq hat in einem Punkt ein Alleinstellungsmerkmal, denn er ist der einzige wirklich modulare Sequenzer im Eurorack-Format. Dank der verschiedensten Module ist er sehr anpassungsfähig und ggf. eben auch erweiterbar.
Die Bedienung orientiert sich prinzipiell an die Tracker früherer Zeiten. Nicht jeder wird begeistert sein, sich mit Hexa-Dezimalen-Eingaben zu beschäftigen. In vielen Punkten ist der Name NerdSeq auch Programm, wobei das gar nicht negativ gemeint ist. Durch die sehr hohe Komplexität des Sequenzers gibt es viele versteckte Funktionen und es ist erforderlich, sich mit dem Produkt wirklich auseinander zu setzen. Einschalten und arbeiten ohne jemals einen Blick in die Bedienungsanleitung getan zu haben ist sicherlich nicht möglich. Man muss erst mal das Grundkonzept verstanden haben. Die Bedienungsanleitung ist aber sehr umfassend und hilfreich. Was ich mir hier ggf. wünschen würde wären mehr praktisch, orientierte Beispiele in der Anleitung.
Wenn man sich länger mit dem NerdSeq beschäftigt, entdeckt man immer wieder neue Funktionen. Dank der Launchpad-Steuerungsmöglichkeit ist der NerdSeq auch für Einsätze im Bereich Live-Events praktikabel nutzbar. Wer viele Spuren benötigt, mehr auf Programmierung als auf Live-Einspielen setzt, auch Drum/Percussion-Programmierung erledigen will, den dürfte der NerdSeq ohne Frage ansprechen. Besonders diejenige, die komplexe Steuerungen ihres Setups mit einem Sequenzer durchführen möchten, profitieren von dem enormen Leistungsspektrum des NerdSeq.