Waves NLS - Non-Linear Summer

Autor und Abb.: Peter Kaminski

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Analoge Mischpulte waren und sind bei Musikproduktionen mit DAWs immer noch gefragt. Es gibt dort zwei Aspekte und zwar einmal die Summierung der einzelnen Kanäle als solches und dann der analoge Sound der Pulte. Summierung ist deshalb ein Problem, weil bei Workstations mit fester Wordbreite bei der Audioverarbeitung mit zunehmender Summenanzahl die Auflösung und Dynamik in der Summe für jeden einzelnen  Kanal eingeschränkt wird. Mit größerer Auflösung und Einsatz von Floating-Point-Berechnung ist dieses Problem aber minimiert worden. Trotzdem nutzen viele Anwender, die besonderen Werts auf Transparenz und Dynamik legen auch heute noch analoge Summierer statt der internen, digitalen Busse. Diese Pro und Contra-Diskussion möchten wir an dieser Stelle nicht führen. Wir wollen uns hier aber mit dem zweiten Punkt beschränken, nämlich die typischen analogen Soundcharaktere der verschiedenen analogen Mischpultsysteme. 

Sound analoger Mischpulte

Die Frage was den spezifischen analogen Sound ausmacht lässt sich mit mehrere Parameter beschreiben. Die analogen Schaltkreise mit Ihren Komponenten wie Kondensatoren, Halbleiter, Röhren und Übertrager verändern das eingehende Signal. Neben den dynamischen Parametern wie Verhalten bei Transienten, Anstiegszeiten etc. gibt es auch eine ganze Reihe weiterer Parameter wie das Rauschverhalten, den Frequenzgang, die nichtlinearen Verzerrungen (THD - Total Harmonic Distortion) sowie Verhalten bei Übersteuerung. Jedes Pult hat da so sein spezifischen Sound-Charakter. Durch die verschiedenen eingesetzten Bauelemente und Technologien und Nutzung bestimmter Pulttypen in bestimmten Zeitepochen, gibt es daher auch einen charakteristischen Sound in diesen Epochen. Die Hörer assoziieren unbewusst diese Klangcharaktere zu musikalische Genres oder Zeitepochen.

Der Einsatz der analogen Pulte dient aber nicht nur einfach der Prägung des Sounds für ein bestimmtes Genre oder einer Zeitepoche sondern durch die typischen nichtlinearen Verzerrungen und den Frequenzgang ergibt sich auch grundsätzlich ein positives Klangempfinden, was eben häufig mit dem warmen Sound der analogen Audiotechnik umschrieben wird. Daher ist der Einsatz von Bearbeitungswerkzeugen die analoge Technik simulieren auf breiter Front möglich und sinnvoll. Im Bereich der Musikproduktion macht der Einsatz solcher Werkzeuge natürlich am meisten Sinn.  

Konzept

Das NLS Plug-In ist sowohl für Pro Tools als TDM-Plug-In als auch als Nativ-Plug-In (RTAS, AU und VST) verfügbar und steht somit für Windows-PCs und MacOS basierende Rechner bereit.

Der NLS simuliert Kanalzüge und Busse und VCA-Gruppen von verschiedenen analogen Pulten. Man hat sich als Vorbilder für die Simulation für folgende drei Pulten entschlossen und zwar einer SSL 4000 G die im Studio von Spike Stent (Björk, Madonna, Maroon 5) steht, einer Neve 5116 im Studio von Yoad Nevo (bryan Adams, Petshop Boys, Sugarbabes) und einer EMI TG12345 Mk 4 im Besitzt von Mike Hedges (The Cure, Siouxsie and the Banshees, Faithless, U2). Wahrscheinlich um Konflikte mit Namensrechten zu umgehen kann man in den NLS Plug-Ins die drei Studios SPIKE (SSL 4000 G), MIKE (EMI TG 12345 Mk4) und NEVO (Neve 5116) statt der Pultbezeichnungen auswählen.

channels

Es gibt zwei Plug-In-Typen und zwar einmal das NLS Channel Plug-In je in einer Mono- und Stereoversion (siehe oben), sowie das NLS Busses Plug-In (siehe unten), ebenfalls als Mono- und Stereoversion verfügbar. Je nach angewähltem Studio, bzw. Pultsimulation werden auch die Taster, Regler und Meter entsprechend den Originalen bei der Anwahl visualisiert.

busses

Bedienung

Die Bedienung des NLS Channel beschränkt sich auf ein paar wenige Bedienelemente. Neben der virtuellen Tasten für die Anwahl der Simulation gibt es einen Drive-Drehgeber, mit dem die Stärke des Anteils der harmonischen Verzerrungen bestimmt werden kann und ein Fader für den Ausgangspegel. Über den Taster Dual Mono/Stereo lässt sich auswählen, ob die Simulation der beiden Kanäle identisch sein soll. Standard ist hier Dual Mono.

channel

Über den Regler MIC (siehe Abbildung oben) kann der Headroom auf einen Umfang entsprechend Kanälen mit Mikrofonverstärker umgeschaltet werden. Das Plug-In simuliert auf Wunsch auch das typische Rauschen der Originale, was sich mit dem Taster NOISE aktivieren lässt. Mit dem dritten Taster BYPASS unten im Plug-In lässt sich die Audiobearbeitung (THD, Noise, Frequenzgang) des Plug-Ins ausschalten.

channel vca

Die NLS-Plug-Ins bieten auch VCA-Gruppen. Neben dem Routing und den Bussen der DAW-Software bietet das Plug-In hier auch eine eigene Summierung über die VCA-Gruppen. Das Bedienfeld lässt sich via dem VCA TAB im Channel Bus (siehe oben) aufklappen und auch direkt im Buss Plug-In (siehe unten) bedienen. Im Channel Plug-In lässt sich der Ausgang des Kanals mit dem virtuellen VCA Group Drehschalter auf einen der acht VCA-Gruppen legen. Bei Stellung NONE wird der Kanal keiner VCA-Gruppe zugeordnet. Ist ein Channel Plug-In einer VCA Group zugewiesen dann lässt sich NOISE und BYPASS nicht mehr lokal im Channel Plug-In aktivieren. Das muss man dann ggf. für die VCA Group im Buss Plug-In einstellen.

buss

Im NLS Buss Plug-In findet man prinzipiell im oberen Bereich die gleichen Regler wie beim Channel Plug-In. Mit dem Regler Trim kann man eine Pegelanpassung der Summierstufe um +/- 12 dB einstellen. Eine Aktivierung von NOISE und BYPASS kann für jede Gruppe individuell erfolgen oder eben über die Stellung NONE des VCA GROUP Drehschalters global. Die Einstellung erfolgt dann über die beiden Taster neben dem VCA Group Drehschalter.

In der VCA Group Console lassen sich über Schieberegler die einzelnen Kanäle im Pegel trimmen (+/- 12 dB) und auch der Drive lässt sich individuell einstellen. Unten in der VCA Group Console kann man auch die Simulationsvariante anwählen. INDIV steht dabei für individuell und bedeutet, dass die Einstellung im Channel Plug-In erfolgt. Stellt man aber in der VCA Console ein der drei Studiovarianten ein, dann erzwingt man diese Einstellung im entsprechend zugeordnetem Channel Plug-In.   

Praxis

Wir haben das Plug-In unter Windows 64 Bit mit Nuendo 5.5 und Waves Version 9 auf einem Steller-Online SO-APC3 installiert und getestet.

In der Praxis ergaben sich sehr interessante Ergebnisse. Man sollte die einzelnen Kanäle nicht zu stark ausfahren, da man sonst leicht zu deutliche Verzerrungen bekommt. Besonders sensibel gegenüber zu großen Pegeln ist das Studio MIKE mit der EMI-Konsole. Natürlich haben wir keine Vergleichskonsolen gehabt (leider) aber ich kenne alle drei und hatte auch Gelegenheit die EMI-Konsole zu hören. Die Sound-Charakteristik der Konsolen ist im positiven Sinne deutlich wahrnehmbar. Auch das typische Verhalten der Channels und Busse ist nachvollziehbar, wie z. B. eben besonders das Übersteuerungsverhalten der EMI-Konsole. Schon sehr erstaunlich.

Empfehlenswert ist es auch die VCA Groups zu nutzen und alles mit einheitlichem Studio zu betreiben, damit man auch einen durchgängigen Sound hat. Vorsichtig muss man mit dem Drive-Regler umgehen. Ein häufiges Gegenhören mit Hilfe des BYPASS und eine entsprechende Anpassung über die Pegeltrimmung ist Pflicht. Einstellungen über 6 sind schnell kritisch, besonders bei der EMI-Konsole. Für optimale Ergebnisse ist das bearbeitete Signal manchmal etwas leiser als die BYPASS-Referenz, besonders bei schon auf Lautheit optimiertem Material.  

Was bei der Bedienung etwas verwirrend sein kann ist die gegenseitige Beeinflussung der VCA Group Parameter auf die Channels. Das System müssen viele erst mal durchschauen. Es bietet aber ein Optimum an Flexibilität und ist durchaus praxisnah.

Bei unserem Test gab es einige, wenige Male das Problem, dass scheinbar die Meteranzeige auf Maximalausschlag festhing und mit dem Bildschrimrefresh im Plug-In etwas schief lief. Die Audiobearbeitung lief wie gewohnt weiter. Reproduzierbar war der Fehler aber nicht. Nach dem Entfernen des Plug-Ins aus dem Kanalzug und neuem Einbinden lief dann wieder alles wie gewohnt. Ansonsten funktioniert das Plug-In einwandfrei.

Fazit

Das Waves NLS Plug-In bietet eine ganze Menge an Klangzugewinn. Das Plug-In richtet sich dabei nicht nur an Spezialisten denn bei ausschließlicher Benutzung der Channels wird eine einfache Bedienung garantiert. Das NLS Buss Plug-In bietet dem Experten allerdings die letzte klanglichen Möglichkeiten auszuschöpfen. NLS ist ein Detail-Werkzeug für Liebhaber des analogen Sounds, die diesen auch zu schätzen wissen.

Mit ca. 200 Euro muss man schon von einem Schnäppchen sprechen und das Plug-In kann man den Musikproduktionsstudios uneingeschränkt empfehlen. Vor dem ersten Einsatz sollte man sich aber in Ruhe mit dem Plug-In beschäftigen um seine Möglichkeiten und Funktionalität auszuloten. 

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