Vienna Symphonic Library - Free Big Bang Orchestra
Autor: Raphael Tschernuth
Vienna Symphonic Library (VSL) bietet mit "Free Big Bang Orchestra" eine kostenlose Version seines preisgekrönten Klangkörpers an. Die Systemanforderungen sind dafür erfreulich gering und für alle Interessenten, die gerne in die Welt von Vienna Symphonic einsteigen wollen, dürfte das eine willkommene Gelegenheit sein, sich unverbindlich mit VSL vertraut zu machen.
Die Installation – der Weg zum kostenlosen Orchester-Sound
Um in den Genuss von Big Bang Orchestra zu kommen, ist entweder das Betriebssystem Windows in Version 8,1/10 oder MacOS ab 10.13 Voraussetzung. Die Software benötigt nur 1,5 GB Speicherplatz auf der Festplatte und gibt sich bereits mit 8 GB Ram zufrieden. Für den Download des knapp 500 MB großen Installationspakets benötigt der User einen VSL-Account, der wie die Library selbst natürlich kostenfrei ist und schnell angelegt werden kann. Einmal eingeloggt, lässt sich auf der Produktseite die Big Bang Library für 0 € in den Warenkorb legen.
Damit hat man es fast geschafft, denn vor dem Check-Out gibt es noch zwei weitere Bedingungen: Zur Verifizierung und Registrierung der Big Bang Library vertraut VSL auf das iLok Lizensierungs-Tool, einen iLok-Account muss man also ebenfalls anlegen, falls man diesen noch nicht besitzt. Zudem erwarten sich die Macher von VSL, dass man als Gegenzug für die kostenlose Software den Newsletter abonniert.
Im nächsten Schritt wird die etwa 100 MB große Software Vienna Assistant geladen (Versionsnummer zum Zeitpunkt des Tests: 1.0.118), auf dem Computer installiert und geöffnet. Nach dem Log-In mit den VSL Zugangsdaten, öffnet sich ein Guide, der den Anwender mit dem User-Interface vertraut macht. Als Neuling erhält man so einen guten Überblick darüber, wo man bestimmte Einstellungen tätigen kann, wo man die Manuals findet oder neue Produkte installiert. Hier lässt sich unter anderem auch bestimmen, unter welchem Verzeichnis die Libraries heruntergeladen und gespeichert werden sollen.
Drei Downloads sind notwendig, um das Big Bang Orchestra Mutterschiff in Bewegung zu versetzen. Da wäre zunächst ein Sample-Player der auf den Namen "Synchron Player" hört und im AU-Format wie auch für AAX, VST2 und VST3 vorliegt (240 MB). Es folgt die Vienna Ensemble Software in Version 7.1.67, mit einer Größe von 150 MB und schließlich die Big Bang Orchestra Library, welche 1,35 GB auf der Festplatte belegt. Nach der erfolgreichen Installation, die im Testlauf unter OSX 10.14.6 völlig reibungslos vonstattenging, erscheint die VSL-Lizenz im iLok Account und kann auf dem Computer oder auf dem iLok aktiviert werden. Ein iLok-Dongle ist ausdrücklich keine Voraussetzung. Der User hat zwar die Möglichkeit eine von zwei Lizenzen darauf zu speichern, die Authentifizierung funktioniert aber auch rein Software-basiert ohne Dongle.
Erste Schritte mit dem Big Bang Orchestra
Aufgrund der geringen Größe von nur 1,35 GB für ein komplettes Orchester kommt im Vorfeld natürlich die Frage auf, welche Instrumente und Artikulationen zum Paket gehören. Ist BBO es nur eine Spielerei, oder lässt sich selbst bei so geringer Größe schon ein vollwertiger Klang reproduzieren? Immerhin benötigt die, laut meinem Kollegen Peter Kaminski, fantastisch klingende Piano-Libraries Bösendorfer 280VC und Bösendorfer Imperial vom gleichen Hersteller bereits ca. 170 GB, bzw. knapp 300 GB.
Da der Synchron Player auch als Stand-Alone Version zur Verfügung steht, ist eine DAW keine zwingende Voraussetzung für die ersten Gehversuche. Zugegeben, ich staune nicht schlecht als mir die ersten Klänge zu Ohren kommen. Ein volles Orchester, kraftvoll gespielt. Bei BBO entwickeln besonders die unteren Register auf Anhieb einen furchteinflößenden Realismus, der Gänsehaut verursachen kann. Dabei reagiert das Orchester sehr dynamisch auf unterschiedliche Spielstärken. Die einzelnen Velocity-Bereiche gehen nahtlos ineinander über. Auch die Balance zwischen den Instrumentengruppen wie Streicher, Blech oder Holzbläser sind sehr gut gewählt. Big Bang Orchestra ist eine Tutti Library, es spielen also immer alle Instrumente des Orchesters gemeinsam, außer Timpani und Schlagwerk.
Groß und mächtig präsentiert sich der Klang, dem immer eine edle, und klanglich teure Note innewohnt. Schließlich transportiert sich auch die Atmosphäre eines großen Orchestersaals auf sehr ansprechende und natürliche Weise. Die hohe Authentizität von Big Bang Orchestra weiß zu überzeugen und liegt mehrere Klassen über jenen Streicher- und Orchester-Samples, wie sie etwa kostenlos zu einer DAW wie Logic mitgeliefert werden.
Details zur Library und den Samples
An Artikulationen hat Big Bang Orchestra einiges im Gepäck. Der User hat die Wahl zwischen Short Notes, Long Notes, Marcato, Fast Swells, Swells Marcato und Fast Runs. Bei Marcato und Marcato Swells können noch unterschiedliche Attack-Arten auswählt werden, was die Spielart des Orchesters beeinflusst. Die Aktivierung der Artikulationen erfolgt durch frei wählbare Keyswitches, die ab Werk in im Bereich der tiefen C1 Oktave platziert sind.
Mit den variantenreichen Spielarten und dynamischen Abstufungen hat man eine reiche Palette an Klangfarben zur Verfügung. Neben dem grundlegenden Orchester-Sound bieten die Ingenieure von Vienna Sounds noch weitere Presets bei denen unterschiedliche Mixing-Einstellungen zwischen den Instrumentengruppen und andere Mikrofonpositionierungen zum Tragen kommen:
Im Preset “BBO Enraged” nehmen etwa im mittleren Bereich die Trompeten eine prominentere Rolle ein, der Mix ist direkter und aggressiver. Auch etwas Saturation wurde dem Signal hinzugefügt, dessen Intensität bei Bedarf vom User eingestellt werden kann. Im Preset "Majestic" wiederum, kommen die Raum-Mikrofone zum Tragen, die den Klang noch weiter und breiter erscheinen lassen. Neben diesen drei Haupt-Presets gibt es vier weitere FX-Presets, bei denen unterschiedliche Chorus-, Rotor-Phasing- und Reverb-Effekte für eigenwillige Orchester-Sounds sorgen. Alle Sound-Parameter lassen sich im Synchron-Player modifizieren.
Der Synchron-Player
Um den Klang noch weiter zu individualisieren, bietet der hauseigene Synchron Player viele Optionen. Neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Attack, Velocity, Expression und Release findet man hier auch Prameter wie Timbre, Saturation, Parallel-Compression, Filter und Strech-Factor, mit denen der Klang der Samples an das jeweilige Lied angepasst werden kann. Dass alle Regler auch via CC-Werte von MIDI-Controllern gesteuert werden können, versteht sich für eine Library dieses Kalibers eigentlich von selbst, sei aber der Vollständigkeit halber noch einmal hervorgehoben.
Zudem lassen sich die Controller-Kurven und die jeweilige Wirkungsweise für jeden Parameter individuell festlegen. Auch Fein-Tuning im frei einstellbaren Cent-Bereich ist mit Big Bang Orchestra problemlos möglich. Mit der Stretch Funktion, lassen sich die Samples bei Bedarf auf einen gewünschten BPM-Wert verkürzen bzw. verlängern. Ein durchdachtes und sehr willkommenes Feature für den Einsatz der Library in modernen Produktionen.
Eine der mächtigsten Funktionen wartet am Ende der Signalkette: die Mixing-Einheit. Hier lassen sich elf unterschiedliche Mikrofonpositionen nach individuellem Gusto zusammenmischen, einzelne Instrumentengruppen hervorheben und räumlich positionieren. Etwas Vorsicht ist hier allerdings geboten, denn man kann es hier auch schnell übertreiben und den Prozessor in die Knie zwingen.
Durch die Aktivierung aller Mikrofone kann die Anzahl der spielenden Stimmen leicht von 4 bis 10 auf über 120 Stimmen ansteigen, was selbst Rechner mit höherer RAM-Ausstattung, in meinem Fall 32 GB RAM und CPU mit 3,6 GHz, in die Knie zwingt. Unter normalen Bedingungen zeigte sich der Player während des Testzeitraums allerdings sehr Ressourcen-freundlich und verhielt sich absolut unauffällig ohne Aussetzer, selbst bei niedrigen Latenzen. Damit einmal gefundene Einstellungen nicht verloren gehen, lassen sich diese natürlich abspeichern. Zudem liefert VSL ab Werk bereits 20 Mixing-Presets wie „Classic Decca Tree“ oder „Wide Surround“ mit. Dadurch können schnell die unterschiedlichen Charakteristika der verschiedenen Aufnahmearten hörbar werden.
Fazit
Big Bang Orchester war mein erster Kontakt mit der Klangwelt von Vienna Symphonic Library und die klanglichen Qualitäten haben mich durchaus in ihren Bann gezogen. Sehr geschmackvoll aufbereitete Spielarten, fein abgestufte Dynamiken und ein Player der Dank vieler Optionen und einer erstklassigen Mixing-Engine überzeugt - das macht Lust auf mehr und inspiriert in der Arbeit. Neben dem Big Bang Orchestra gibt es mit Fujara Flute noch eine zweite kostenlose Library bei VSL.
Klanglich eröffnet der Synchron-Player viele zusätzliche Möglichkeiten, die dazu beitragen, dass das BBO eben kein One-Trick-Pony ist, sondern sich auf vielfältigste Weise einsetzen lässt. Für alle, die ohne Verbindlichkeiten in die Welt von VSL eintauchen wollen und hochwertige Tutti-Sounds für ihre Library suchen, sei ein Test wärmstens empfohlen.