Tone2 Nemisis2
Autor: Peter Kaminski
Im Juni 2021 ging der virtuelle Synthesizer Nemisis des deutschen Herstellers Tone2 in die zweite Runde und das mit vielen neuen Funktionen und Verbesserungen. Da wir Nemisis bisher noch nicht vorgestellt hatten, möchten wir alle Funktionen dieses interessanten Synthesizer-Konzeptes vorstellen.
Konzept
Nemesis unterstützt diverse digitale Syntheseverfahren. Das interessanteste an Nemisis ist aber sicherlich, die Funktionalität rund um die FM-Synthese. Wer einmal selbst eigene FM-Synthese-Sounds erstellt hat weiss, dass die Arbeit mit Operatoren und Modulationsquellen sehr abstrakt ist. Mit Logik kommt man da nicht immer ans Ziel. Diesem Problem hat man sich bei Nemisis angenommen und bietet ein Syntheseverfahren namens "NeoFM", die zum Ziel hat, mit einfachen und überschaubaren Parametern interessanten FM-Synthese-Sounds programmieren zu können. Ein wesentlicher Faktor ist hier, dass die Oszillatorwellenformen nicht nur Sinus-Wellenformen sein können, wie bei den üblichen FM-Synthese-Verfahren, sondern auch komplexere Wellenformen sind möglich. Natürlich lassen sich auch über die Oszillatoren verschiedene Syntheseverfahren kombinieren.
Voraussetzung und Installation
Nemisis wird für Windows angeboten und zwar für alle 64-Bit-Betriebssysteme. Bei macOS funktioniert Nemisis ab 10.7 und ab macOS 11 werden sowohl Intel als auch die M1 CPU unterstützt. Plug-In-Formate sind 64 Bit VST und auf macOS auch noch Audio Unit 64 Bit. Neben den Plug-Ins gibt es auch noch eine Stand-Alone-Software-Version, die abgesehen von Audio-Interface- und MIDI-Konfigurations-Dialoge, mit den Plug-Ins von der Funktionalität her identisch ist. Es gibt hier noch eine Live-Recording-Funktion, die WAV-Dateien generiert.
Die Freischaltung erfolgt über einen Freischaltungs-Datei, die man vom Hersteller erhält. Es gibt daher keine Cloud-Abfrage, bzw. es ist keine Internet-Verbindung zur Lizenzüberprüfung erforderlich. Das hat ja heutzutage (leider) Seltenheitswert.
Bedienung
Die Bedienoberfläche des Nemisis ist sehr gut strukturiert. Es gibt zwei Oszillator/Filter-Sektionen eine Sektion mit zwei Hüllkurvengeneratoren für die Oszillator/Filter-Sektionen, eine Sektion mit Ausgang und Keyboard-Parametern, eine LFO-Sektion und ein Display, dessen Einstelldialog, bzw. Funktion über Reiter umschaltbar ist.
Kommen wir gleich zu dem ersten Reiter dieser Sektion nämlich "Browse", der eine Sonderfunktion hat. Hierüber aktiviert man die Preset-Verwaltung, die im Gegensatz zu den anderen Funktionen, das gesamten Plug-In-Fenster nutzt (s. Abb. oben). Die Presets sind in thematischen Sound Banks geordnet und rechts in einem Info-Feld werden Hinweise über Spiel-Betriebsarten, Modulationsmöglichkeiten und Syntheseverfahren angezeigt.
Über die Reiter SHOP lässt sich der tone2 Shop in einem Internet-Browser aufrufen um zum Beispiel weitere Presets zu erwerben und FILE ist eine übliche Dateiverwaltung.
Der Nemisis 2 ist auch mit einem Arpeggiator ausgestattet (s. Abb. oben). Tonhöhen, bzw. Noten lassen sich über ein Raster aktivieren und die Arpeggiator-Parameter lassen sich darüber einstellen. Es gibt darüber hinaus auch noch eine Gate-Funktion um Gate-Muster zu programmieren. Beide Funktionen lassen sich individuell ein- und ausschalten.
Auch eine Effektsektion ist integriert, bei der zwei Effekte bereitstehen und zwar ein vielseitiges Angebot von Delays über Reverbs, Flanger, Chorus, Tremolo, Equalizer, Bitcrusher, Distortion und andere.
Über den Reiter CFG gibt es eine Konfigurationsseite mit globalen Parameter (s. Abb. oben) inklusive Filter und Clipping-Funktionen. Hier lässt sich auch die Größe der Bedienoberfläche in mehreren Stufen anpassen.
Über die beiden Reiter MAT steht eine Modulationsmatrix mit 12 Quellen und Zielen zur Verfügung (s. Abb. oben).
Die beiden Oszillator/Filter-Sektionen sind von der Funktionalität her identisch aber individuell einstellbar. Jede der beiden Oszillator-Sektionen verfügen über zwei Oszillatoren - jeweils ein Haupt- und ein Modulationsoszillator. In den beiden Grafiken sieht man den aktuellen Signalweg der Modulation und des Audio.
Diese hängt von dem ausgewählten Synthesemodus ab (s. Liste in der Abb. oben), von denen es eine ganze Menge gibt. Neben der klassischen FM/PM der DX-Serie auch Waveshaping wie vom Korg 01 bekannt oder Additive Synthese des Kawai K1, Phase Distortion des Casio CZ oder Morphing Waveforms, Ringmodulation und eben verschiedenste NeoFM-Modes.
Beim Klicken auf die Wellenformen der Oszillatoren geht ein Auswahlmenü mit den weit über 200 verfügbaren Wellenformen beim Nemisis 2 auf.
Über das Wellenform-Menü lässt sich auch ggf. ein Partialeditor aufrufen, um Wellenformen über die Oberwellenanteile einstellen zu können (s. Abb. oben).
Die LFO-Sektion bietet zwei tieffrequente Modulationsoszillatoren mit auswählbaren Wellenformen, Frequenz und Phase. Auch eine Synchronisation mit dem DAW-Takt ist möglich.
Weiter gibt es zwei ADSR-Hüllkurvengeneratoren, die auf die Oszillator/Filter-Sektion aufgeschaltet ist. Wie man in der Oszillator/Filter-Sektion sieht ist ENV1 zur Frequenzmodulation und ENV2 für die Filtermodulation vorgesehen. Die Amplitude der Hüllkurve lässt sich über den SHAPE-Regler einstellen. Ist der Wert negativ, so ist die Hüllkurve invertiert. Über die zuvor erwähnte Modulationsmatrix lassen sich die Hüllkurven aber auch auf verschiedenste Parameter aufschalten.
Es gibt noch eine weitere Sektion unterhalb des virtuellen Displays (s. Abb. oben), in dem einmal die Hüllkurve für den Lautstärkeverlauf eingestellt werden kann. Weiter gibt es dort Parameter bezüglich der Spielweise und Stimmenverteilung, auch im Stereobild. Es lassen sich hier über ein Schalter auch Stimmen Unisono-mäßig übereinanderlegen (zweifach/vierfach). In dem Fall lassen sich die Stimmen über den SPREAD-Regler zueinander in der Tonhöhe verstimmen.
Neuigkeiten Version 2
Alle Neuigkeiten der Version 2 aufzulisten würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Wichtig zu wissen ist, dass Nemesis 2 keine 32-Bit-Syste, und Plug-Ins mehr unterstützt und die Windows 10-Kompatibilität verbessert wurde. Neben einigen Bug-Fixes gibt es nun vier anwählbare GUI-Größen und die GUI bietet einen höheren Kontrast und besser lesbare Schriften und wird auch schneller aktualisiert. Es sind auch 119 neue Wellenformen hinzugekommen und der Klang der Effekte wurde verbessert und es sind auch viele neue Reverb-Effekte hinzugekommen. Weiter wurde die Latenzzeit optimiert.
Praxis
Die benötigten CPU-Resourcen sind für moderne DAWs kaum erwähnenswert. Wir nutzen die Version 1.0.0 auf einer Windows 10 DAW als VST-Plug-In und zwar unter Nuendo 11.0.40 und auch die Stand-Alone-Software. Probleme oder Abstürze konnten wir im Test nicht verzeichnen.
Die Oberfläche ist wirklich sehr strukturiert aufgebaut. Mit dem Nemisis hat es tone2 geschafft sehr komplexe Klangmöglichkeiten zu bieten, die sich aber über eine überschaubare Anzahl von Parametern einstellen lässt. Der Kern des Klanges lässt sich mit wenigen Aktionen über die beiden Oszillator-Sektionen einstellen und mit Modulation, über die Modulationsmatrix verfeinern. Besonders beeindruckend finde ich die FM-Sounds des Nemisis 2. Die klingen sogar so überzeugend, dass ich behaupten würde, dass der Nemises 2 einer der besten FM-Synthesizer im Markt ist. Neben den üblichen bekannten FM-Sounds bietet er eine ganze Reihe von interessanten Klängen, die über die Möglichkeiten von DX7 und Co hinausgehen und er lässt sich sogar noch deutlich einfacher bedienen. Sehr schön sind auch die bis zu vierfach Stacked-Unisono-Sounds, die sich im Stereobild auch entsprechend auffächern lassen. Gerade bei den Pads klingt das sehr beeindruckend aber die eigentlichen Stärken liegen bei anderen Sounds wie perkussive Klänge oder drückende Bässe und Solo-Sounds.
Insgesamt werden ab Werk über 1.000 Presets mitgeliefert. Über die Herstellerseite werden noch weitere Sound Sets, meistens mit ca. 200 Presets, angeboten. Es gibt auch ein Set mit allen verfügbaren Presets. Hier sind dann im Nemesis Sounds Bundle über 1.200 zusätzliche Presets, über 150 weitere Wellenformen sowie 100 Arpeggiator-Patterns eingeschlossen.
Fazit
Der Preis für Nemesis liegt bei knapp unter 100 Euro. Für die Möglichkeiten, Klangvielfalt und den mitgelieferten Presets, ein absolut angemessener Preis. Die einzelnen optionalen Sound Sets liegen zwischen 40 und 60 Euro. Das komplette Zusatz-Sound-Bundle kostet ca. 140 Euro. Die NeoFM-Sound klingen besonders bemerkenswert gut. Der Anwendungsbereich in der Musikproduktion ist breit gestreut und ein bevorzugter Bereich ist kaum auszumachen. Es geht alles von Ambient über Pop bis hin zu HipHop und EDM.