Steinberg AXR4T
Thunderbolt 2 Audio-Interface
Autor: Erol Ergün | Fotos Peter Kaminski u. Erol Ergün
War die Schnittstelle Thunderbolt bisher eine Domäne von Apple, findet man die neue Schnittstelle immer häufiger auch bei aktuellen Windows-DAWs, die aufgrund ihrer flexiblen Ausstattung und einem attraktiven Preis-/Leistungsverhältnis für Mediaschaffende damit attraktiver werden. Grund genug also, um das AXR4-Audio-Interface von Steinberg mit Thunderbolt-Schnittstelle auf einer Windows 10 Umgebung zu testen.
Steinberg bietet zwei Varianten des ansonsten identisch ausgestatteten AXR4 an und zwar einmal das AXR4U, welches über einen 3.0 USB-C-Anschluss verfügt und Anfang Januar 2020 auf der NAMM vorgestellt wurde, und das AXR4T Audiointerface mit einer Thunderbolt 2-Schnittstelle, was wir hier getestet haben.
Konzept
Das AXR4 ist ein flexibles Audiointerface inklusive AD/DA-Wandlern mit Abtastraten von 44,1 kHz, 48 kHz, 88,2 kHz, 96 kHz, 176,4 kHz, 192 kHz, 352,8 kHz bis zu 384 kHz und 32-Bit Auflösung im 19-Zoll-Format und einer Höheneinheit. Jeder der vier Class-A-Mikrofonvorverstärker ist mit einer DSP-Emulation der SILK-Schaltung von Rupert Neve Designs ausgestattet und stammt aus der Entwicklung der bekannten Yamaha High-End-Mischpultserie Rivage PM10. Ein eigener DSP sorgt für latenzfreies Monitoring inklusive Effektsektionen Hall, EQ und Kompressor ohne die CPU des Host-Systems zu belasten. Darüber hinaus verfügt das AXR4 über 24 Ein- und Ausgänge, Word Clock, MIDI I/O und zwei Kopfhöreranschlüsse.
Aufgrund der vielfältigen Routing-Optionen und unterschiedlichen Anschlüsse eignet sich das AXR4T für den professionellen Studiobetrieb mit besonders hohem I/O-Bedarf, denn hier lassen sich bis zu drei Units via Thunderbolt 2 in Reihe zu einem Gesamtsystem mit 84 Eingängen und 72 Ausgängen verbinden, was komplexe Routing- und Mixing-Optionen eröffnet. Wie bei anderen aktuellen Steinberg-Audiointerfaces auch, werden alle Parameter des AXR4T nahtlos in Cubase integriert. Sowohl die Mixerkonfiguration als auch das Routing Setup lassen sich direkt innerhalb der GUI von Cubase bearbeiten. Für alle anderen DAWs lassen sich alle DSP-Geräteparameter Software-seitig mit einem eigenen Programm dspMixFx AXR konfigurieren.
Bedienung und Anschlüsse
Schon beim Auspacken fällt die solide Verarbeitung des Gerätes auf, die sich auch im Gewicht von ca. 4,5 kg und einer großen Tiefe von ca. 38 cm bemerkbar macht. Alle Anschlüsse sind nahtlos im stabilen Vollmetallgehäuse integriert, dass für eine gute Hitzeabfuhr auf der Oberseite perforiert ist.
Auf der Vorderseite links befinden sich vier Mikrofon/Line-Eingänge in Form von Kombibuchsen XLR/6,3-mm-Klinke, von denen sich die ersten beiden auch für E-Gitarren mit Hi-Z-Impedanz verwenden lassen. Direkt neben den Kombibuchsen befindet sich jeweils ein Auswahltaster zur Auswahl der Eingangssignalart. Eine LED weist auf aktive Phantomspeisung (48V) hin. Diese lässt sich im Menü oder via Software aktivieren. Die Bedienelemente für die SILK-Emulation ist mittig untergebracht. Mittels Drehregler kann der Obertongehalt der Audioquelle mit der Nachbildung des von Rupert Neve Designs entwickelten Silk-Schaltkreises verändert werden. Hierbei stehen zwei Modi zu Verfügung, die mit einer Taste aktiviert werden: „BLUE“ bearbeitet den unteren, „RED“ den oberen Frequenzbereich. Sechs Taster rechts neben der SILK-Schaltung regeln Menü-Einstellungen wie Kanalauswahl, Monitoring-Einstellungen, Stummschaltung sowie Setup-Presets.
Das hochauflösende Farb-Display ist hintergrundbeleuchtet und stellt Menüs sowie aktuell anliegende Pegel mit Spitzenwert-Anzeige klar sowie auch bei direktem Lichteinfall gut ablesbar dar. Die Parameteränderung erfolgt durch das rechts neben dem Display angebrachte Multifunktionsrad, mit dem sich durch Drehung alle Menüfunktionen, die im Display angezeigt werden, verändern lassen.
Rechts daneben befinden sich zwei unabhängig regelbare Kopfhörer-Anschlüsse in Form symmetrischer 6,3 mm Klinkenbuchsen, deren Ausgangspegel mittels Drehgeber eingestellt wird. Beide Ausgänge liefern einen maximalen Pegel von 75 mW bei 40 Ohm. Kein Standard und deshalb sehr praktisch: Statt auf der Rückseite, befindet sich der Ein-/Ausschalter ganz rechts frontseitig, mit dem das Gerät auch in den Standby-Modus versetzt werden kann.
Werfen wir nun ein Blick auf die Geräterückseite. Neben dem arretierbares Anschluss für die Spannungsversorgung für das externe Netzteil befinden sich zwei Thunderbolt 2-Buchsen, die sowohl für den Computeranschluss, als auch für die Kaskadierung weiterer Geräte geeignet sind. Word Clock Ein- und Ausgang: AXR4T kann sowohl als Takt-Master, als auch als Takt-Slave fungieren und verfügt mit SSPLL („Super Suppression Phase Locked Loop“) über eine fortschrittliche Technologie zur Minimierung von Jitter, die intern wie bei externer Taktsynchronisierung arbeitet.
Weitere I/Os beinhalten einen MIDI-Ein- und Ausgang, einen AES/EBU-Anschluss für bis zu acht Ein- und Ausgangskanäle in Form einer RS422-Buchse. Außerdem sind zwei optische Anschlüsse für ADAT-kompatible Geräte vorhanden, die alternativ als S/PDIF-Schnittstellen genutzt werden können. Die maximale Abtastrate beträgt bei allen digitalen Schnittstellen 192 kHz, wobei aufgrund der ADAT-Spezifikation statt acht Kanälen bei 48 kHz lediglich zwei Kanäle zur Verfügung stehen. Jeweils acht 6,3-mm-Stereo-Klinkenbuchsen Line Ein- und Ausgänge (symmetrisch/unsymmetrisch) stehen bereit.
Je nach Abtastrate stehen unterschiedlich viele Routing-Optionen zur Verfügung. Beim Eingang bei 44,1 kHz sind es 28 Kanäle, bei 96 kHz sind es 24 Kanäle, bei 192 kHz 22 Kanäle und bei 384 kHz zwölf Kanäle. Beim Ausgang sind es bei 44,1 kHz 24 Kanäle, bei 96 kHz 20 Kanäle, bei 192 kHz 18 Kanäle und bei 384 kHz noch acht Kanäle.
Praxis
Um die Funktionen des ARX4T unter einer Windows-Umgebung zu testen, haben wir die Audio X2 advanced Workstation von Xi-Machines als Referenzsystem genutzt. Ausgestattet mit einem Xeon Workstation Motherboard, Intel Xeon W-2155 CPU und einer aktuellen Thunderbolt 3-Erweiterungskarte sowie sehr schnellem SSD M.2 Datenspeicher ist ein stabiler Datendurchsatz bei der Aufnahme und Wiedergabe von Audiodaten selbst bei 384 kHz/32-Bit gewährleistet.
Ein Thunderbolt 3 auf 2 Adapter oder ein Thunderbolt 2 Kabel ist nicht im Lieferumfang des Audiointerfaces enthalten. Mit ca. 38 cm Tiefe füllt das Interface einen vollen Slot eines 40ziger Studioracks aus. Aufgrund der Wärmeentwicklung sollte man beim Einbau deshalb auf entsprechende Belüftungsoptionen oberhalb und unterhalb des AXR4T achten. Der Anschluss des 4-Pol-Steckers für das externe Netzteil lässt sich praktischer Weise mittels Gewindering fest mit dem Gehäuse verbinden, und unterbindet damit ein versehentliches Lösen der Verbindung.
Da alle Audio-Workstations von Xi-Machines bereits mit vorkonfiguriertem Windows 10 Pro sowie optimierten Audiotreibern ausgeliefert werden, erfolgte die Software-Installation des Thunderbolt-Audiointerfaces inklusive eines Firmware Updates und der Mixer-Software ohne Probleme. Vorbildlich: Die Treiberinstallation wird übrigens auch auf der Steinberg-Support-Seite ausführlich erläutert.
Als DAW haben wir im Test Nuendo 10 nutzen können, die Abtastraten von bis zu 384 kHz und 32-Bit Auflösung unterstützt..
Der Einsatz von Pro Tools und Reaper wurde ebenfalls getestet, um das Handling von Latenzen und Kompatibilität zu prüfen. Die Onboard-DSP-Effekte des AXR4T standen im jeweiligen VST3-Ordner nach der Installation zur Verfügung und reihten sich nahtlos in die Effektliste für Hall, Equalizer und Kompressor ein.
Während des gesamten Tests gab sich das AXR4T keine Blöße. Es traten erfreulicherweise weder Abstürze der DAW, noch Dropouts oder Synchronisationsprobleme auf. Wichtige Parameter wie zum Beispiel Stummschaltung, Oberton-Anpassung mittels Silk-Schaltung sind direkt und schnell am Gerät selbst veränderbar. Das Menü-Handling ist angesichts der Komplexität und trotz Multifunktionsrad kein Genuss, aber angesichts der Parameterfülle nutzbar. Viel mehr Spaß bereitete uns die Konfiguration der Unit mittels Software, die sowohl das Routing als auch Effekteinstellungen mit allen Funktionen erlaubt.
Bei der Aufnahme und Wiedergabe viel uns positiv auf, dass Aufnahmen selbst bei hohen Pegelspitzen und dynamischem Material stets luftig und präsent klangen, ohne dabei harsch oder kalt zu klingen. Bei moderater Einstellung der Silk-Schaltung gelangen im Höhenbereich seidige und im unteren Mittenbereich dichte Aufnahmen, ohne zu verzerren oder unnatürlich zu klingen. Auch das geringe Rauschverhalten bei unterschiedlichen Aufnahmen mit Abtastraten von 44,1 bis 384 kHz konnte im Test überzeugen. Definitiv ein Highlight des AXR4T, mit dem sich dank der hochwertigen Mikrofonvorverstärker Vocals, akustische Saiteninstrumente und Drums lebendig und authentisch aufnehmen lassen.
Die DSP-Effekte sind hierbei latenzfrei bei den Aufnahmen nutzbar und qualitativ durchweg mehr als nur eine Dreingabe. Die gemessenen Latenzwerte spiegelten den gesamten gefühlten Workflow wieder, denn mit 128 Samples bei 192 kHz sowohl mit den DAWs Reaper und Pro Tools reagierte das AXR4T erfreulich schnell und verrichtete während der Testphase im positiven Sinne unauffällig seine Arbeit.
Fazit
Für ein Erstlingswerk mit Thunderbolt-Anschluss ist das AXR4T sehr ausgereift. Man merkt an vielen Stellen, dass bei der Entwicklung und der Produktion Profis am Werk waren, die ihr Handwerk verstehen. Das AXR4T mischt dank seiner umfangreichen Ausstattung und hervorragender Audioqualität mit bis zu 384 kHz und 32-Bit Auflösung das bisherige Feld von Thunderbolt-Audiointerfaces auf. Im Gegensatz zu manch anderen Mitbewerber-Produkten kann Steinberg sowohl Apple- und nun auch Windows-Nutzer mit Thunderbolt-Setup zufriedenstellen.
Wenn das System über entsprechende Schnittstellen mit optimierten Treibern verfügt, spielt das Thunderbolt-Interface seine Vorteile in Bezug auf I/O-Erweiterbarkeit, Latenz und Datendurchsatz gegenüber der weitverbreiteten USB 2.0 Schnittstelle voll aus. Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von ca. 2.600 Euro erhält man somit ein zuverlässiges und hochwertiges Stück Hardware mit sehr guten Audiowerten für die Windows 10-Umgebung, dass sich aufgrund der hohen DAW-Kompatibilität und Funktionsvielfalt nicht nur für Cubase- und Nuendo-Nutzer empfiehlt.