Solid Tube Audio ETNA E1 Röhrenequalizer
Autor: Peter Kaminski
Technischer Aufbau
Der Solid Tube Audio ETNA E1 ist ein zweikanaliger Fünfband-Röhren-Equalizer, wobei vier Bänder vollparametrisch ausgeführt sind, und zusätzlich gibt es noch ein Silky-Filter für die Höhenbearbeitung. Des weiteren hat man dem EQ auch noch ein schaltbaren Hochpaß (Grenzfrequenz 53 Hz) spendiert. Ein- und Ausgänge sind natürlich symmetrisch ausgeführt., wobei diese sich auch unsymmetrisch beschalten lassen. Wichtig ist zu erwähnen, dass der EQ aus der Entwicklung eines Röhrenmischpultes von Solid Tube Audio stammt, aber dazu später mehr.
Auf der Rückseite erkennt man sofort den nach außen ausgelagerten Ringkerntransformator. Rechts daneben befindet sich eine 4-mm-Buchse für die Erdung. Darüber ist eine Erdungsbrücke, die man entfernen muss, wenn der Schutzleiter nicht über das Netzkabel zugeführt wird. Betrieb ist mit 115- oder 230-Volt-Netzspannung möglich (umschaltbar). Über einen Vertilator wird das Innere zwangsgekühlt. Der Ventilator verfügt über einen Luftfilter, der sich ausbauen und reinigen lässt.
Bedienung
Über ein Plexiglasfenster hnat man von vorne Einblick auf die Status-LEDs, die sich in der Mitte des Geräteinneren befinden. Sieht schick aus aber vieleicht wäre ein Anbringen der Ready-Signalisierung auf die Frontplatte auch keine schlechte Idee gewesen.
Jeder der beiden Equalizer lässt sich über einen Kippschalter in der Mitte der Gerätefront aktivieren oder überbrücken. Ein Linking für Stereobetrieb ist nicht vorgesehen. Die vier vollparametrischen Bänder sind von der Bedienung her identsich aufgebaut. Es gibt einen sechsstufigen Schalter für die Frequenzwahl und je ein Poti für Gain und Güte. Beim Silky-Höhenfilter ist die Güte fest. Über dem Gain Regler des Silky-Filters ist der Schalter für die Zuschaltung des Hochpassen angebracht.
Praxis
Bei Einschalten des Gerätes muss man sich etwas gedulden, denn wenn man nicht drei Minuten abwartet und vor der Zeit schon einen Regler bedient, gibt es deutliche Umschaltgeräusche. Aber man muss halt nur warten und man sollte den Hinweis, der Anleitung ernst nehmen und alles wird gut
Die Überlappung der einstellbaren Frequenzen ist nicht so groß wie bei vielen anderen EQs aber das störte mich persönlich nicht. Man wird bei dem ETNA E1 durch große Gain- und Gütebereiche mehr als entschädigt. So sind +/- 20 dB Gain-Einstellungen möglich. Und hier kommen wir auch gleich direkt zu den Klangmerkmalen des ETNA E1. Selbst bei extremen Einstellungen klingt der Equalizer noch sehr musikalisch. Das ist man so von einem EQ gar nicht gewohnt und er animiert einen fast auch mal richtig Gas zu geben. Auch das Silky-Filter hat extreme Wirkung - viel mehr als man von Höhenfiltern anderer EQs gewohnt ist und auch hier bleibt es nicht nur erträglich sonders immer sehr musikalisch und das auch bei kritischen "Instrumenten" wie Gesang oder Flügel.
Auf Grund der nicht rasternden Gain- und Güte-Regler sowie dem nicht vorhandenen Link-Modus merk man, dass der ETNA E1 mehr für den Bereich der Musikproduktion gedacht ist. Eigentlich schade denn ich sehe da auch im Mastering sehr viel Potential. Man könnte nun sagen, dass man im Mastering immer sehr skalpellhaft vorgeht aber muss muss auch Fragen warum man das tut. Häufig würde man ja gerne mehr machen, z. B. um die Erkältungserscheinungen des Mix-Engineers oder sonstige akustische Mangelerscheinungen zu kompensieren, aber die Werkzeuge neigen bei Extremeinstellungen häufig zu unangenehmen klanglichen Färbungen und da wäre so ein Konzept wie der ETNA E1 durchaus willkommen. Es ist aber bei Berücksichtigung seiner Stärken offensichtlich, warum man sich zunächst dem Feld der Musikproduktion zugewandt hat.
Interview
Natürlich möchten wir bei einem Gerät, welches doch einige klangliche Besonderheiten aufweisst, uns auch mit der Frage nach dem Warum beschäftigen und da liegt es nahe, sich mit dem Entwickler - in dem Falle André Christ von Solid Tube Audio - auseinander zu setzen, was wir auch gerne gemacht haben. Es sind dabei noch viele Informationen über technische Details an das Tagelicht gekommen.
proaudio.de: Wie ist es denn zu der Entwicklung des ETNA E1 gekommen?
André Christ: Ende der 90er Jahre traf ich auf den Produzenten Helmuth Rüssmann. Zu dieser Zeit war ich schon in etlichen Entwicklungsprojekten für Fernseh- und Rundfunktechnik, sowie Instrumentalverstärker involviert. Mein eigentliches Interesse galt jedoch der Entwicklung und Optimierung von Röhrenschaltungen nahe der physikalischen Limits und diesbezüglich der Erforschung von hörphysiologischen Zusammenhängen. Helmuth Rüssmann unterbreitete mir seine Ideen und Visionen von einem modernen Studio mit einer großen Mischkonsole ausschließlich in Röhrentechnik. Ich war begeistert von unserem Gespräch und gleichzeitig schockiert über das nebenbei entstandene technische Anforderungsprofil. Trotz der großen Aufgaben und des immensen Kostenaufwands führten wir dieses einzigartige Projekt zum Ziel. Der Solid Tube Audio Equalizer ETNA E1 ist baugleich mit dem Channel EQ aus unserer Vollröhrenkonsole EVEREST C3. Alle Erkenntnisse aus rund zehn Jahren Entwicklung und Forschung in der Röhrentechnik sind im ETNA E1 enthalten und an dieser Stelle auch mal ein Dankeschön an die vielen Firmen und Menschen die mit Ihrer Leistung dazu beigetragen haben.
proaudio.de: Der ETNA E1 ist ja eher für die Musikproduktion im kreativen Bereich angedacht. Auffällig ist ja der musikalische Klang auch in extrem Einstellungen. Wie sieht es mit Einsatz im Mastering aus. Folgen da noch weitere Entwicklungen?
André Christ: Die Aufgabe ist hier, einen klanglich kreativen Malkasten mit kräftigen Farben und starkem Ausdruck, mit der feinen Justierbarkeit und Reproduktion zu kombinieren. Wir sind für alles offen, sprechen mit den Kunden und bieten unter anderem Customversionen mit reskalierten Levelpotis an, um eine weniger extreme, dafür feinere Einstellung zu erreichen. Unser momentaner Entwicklungsstand bietet viele Optionen und wenn Kundenwünsche uns begeistern werden wir alles daran setzen, auch diese Aufgaben zu lösen.
proaudio.de: Welche Besonderheiten gibt es denn im Schaltungskonzept des Equalizers?
André Christ: Da muss ich etwas ausholen. Bei der Entwicklung der Konsole EVEREST C3 mussten wir einige entscheidende und völlig neue Schaltungskonzepte entwickeln. Im EQ des Kanalzugs und somit auch im ETNA E1 sind viele dieser revolutionären Konzepte verbaut. Neu ist zum Beipiel das die Filterbänke aktiv und frequenzabhängig die Verstärkung bzw. Abschwächung der zentralen Röhrenstufe steuern. Damit wird die Röhre mit all Ihren positiven Eigenschaften zum Hauptakteur der Entzerrung. Bei herkömmlichen, passiven Röhrenequalizern dient die Röhre ausschließlich als Aufholverstärker und ist kein aktiver Bestandteil der Klangregelung. Passive Equalizer erhöhen die Bandbreite durch das Einbringen eines realen Widerstandes in den jeweiligen Schwingkreis. Dadurch verschlechtert sich die Güte des Filters und der Bandpass wird breiter. Aufgrund dessen resultiert unter anderem eine Abschwächung der maximalen Verstärkung. Im Gegensatz dazu nutzen wir die Filter in voller Güte.
Für jede Frequenz der einzelnen Bänder wurden zwei Filter berechnet und hörphysiologisch optimiert. Ein optimales Filter mit der größten Bandbreite von fünf Oktaven und ein optimales Filter mit der kleinsten Bandbreite von 0,8 Oktave. Bei Veränderung der Bandbreite wird das breite Filter anteilig dem schmalen Filter hinzugefügt, ohne dieses zu beeinflussen. Hierdurch bleibt die eingestellte Spitzenpegel bei jeder Bandbreiteneinstellung voll erhalten. Dieser revolutionäre Schritt in der Audiotechnologie ist einzigartig und völlig neu.
proaudio.de: Und welcher Röhrentyp wurde verwendet?
André Christ: Wir verwenden ausschließlich JAN SQ Millitärtrioden. Die Kernpunkte sind ein hervorragender Klang, ein kontrollierbarer Klirranteil (K2) bei extremer rausch- und klirrarmut, enge Toleranzen, eine lange Lebensdauer und höchste Sicherheit gegen Mikrofonie. Dabei wird zum Beispiel die Vibrationssicherheit auf einem Schütteltisch geprüft, auf dem die Röhren 96 Stunden lang der 2,5-fachen Erdbeschleunigung bei 25 bis 50 Hz in drei verschiedenen Richtungen ausgesetzt werden. Zur Kontrolle der Stoßfestigkeit werden die Röhren 20 Stößen von 500facher Erdbeschleunigung in mehreren Richtungen unterworfen. Wir sind bezüglich der Haltbarkeit jedoch noch einen Schritt weiter gegangen. Um thermische Verspannungen zu verhindern und höchstmögliche Kontaktsicherheit zu gewährleisten kommen in allen Geräten von Solid Tube Audio spezielle, neu entwickelte Röhrensockel zum Einsatz. Im Gegensatz zur konventionellen Methode wird die Röhre nicht mehr in einen Sockel gesteckt, sondern mit einer speziellen Adapterplatine spannungsfrei verlötet. Dies ist durch eine von uns entwickelte Vorbehandlung der Röhren möglich. Die Kontaktsicherheit, Langlebigkeit, Haltbarkeit und letztendlich auch die hervorragenden Audioeigenschaften werden hierdurch vollständig gewährleistet.
proaudio.de: Wie wurde der EQ klanglich in der Entwicklung abgestimmt?
André Christ: Unser Weg bestand darin, weit über den Horizont hinaus zu forschen. Unsere Wahrnehmung zu analysieren und gezielt in diese Richtung zu entwickeln. Dabei ist die menschliche Wahrnehmung mit all Ihren Sinnen nur zu einem Bruchteil medizinisch und physikalisch messbar. Die Erfahrungen während der Entwicklung der Konsole und des Equalizers haben immer wieder gezeigt, dass die Messtechnik nur zu einem kleinen Teil das wiedergeben kann, was durch unser Hörempfinden tatsächlich erfasst wird.
Dabei konnten wir in der Schaltungstechnik neue Parameter und Eckpunkte definieren, die über die herkömmliche Messtechnik weit hinausgehen. In unzähligen Hörsessions mit Helmuth Rüssmann und anderen ausgewählten Tontechnikern wurden die Kuvenverläufe der EQ Filter des ETNA E1 immer wieder optimiert und teilweise in winzigen Details fein abgestimmt. Dies war sehr aufwendig und kostenintensiv, jedoch wissen wir jetzt, es hat sich mehr als gelohnt.
proaudio.de: Das SILKY-Filter unterscheidet sich ja auch deutlich von anderen Filtern für den Höhenbereich. Wo liegen hier die Besonderheiten?
André Christ: Bei diesem Filter haben wir besonderen Aufwand getrieben. Die vier einstellbaren Frequenzen sind dabei real nahezu identisch und variieren lediglich von 18,5kHz bis 20 kHz. Das Geheimnis liegt im Kurvenverlauf und lässt dieses Filter extrem saftig und crispy in diesem relativ hohen Frequenzbereich agieren. Ein mächtiges Werkzeug zum Beispiel für die Aufarbeitung von stumpfen und matten Aufnahmen. Hier wird auch der Obertonbereich bis 35kHz umfassend bearbeitet und bringt eine Lebendigkeit in den Klang, der seines Gleichen sucht.
proaudio.de: Und der ETNA E1 ist schaltungstechnisch symmetrisch aufgebaut ist?
André Christ: Ja, dabei haben wir ein Schaltungsprinzip entwickelt, das uns ermöglicht, die messtechnischen Werte der Röhre auf ein extrem hohes Niveau zu heben und die Schwächen zu eliminieren. Zudem übernehmen wir durch diese neuartige symmetrische Justierung die Kontrolle über hörphysiologisch entscheidende Parameter. Es würde den Rahmen dieses Interviews sprengen, jedoch wäre hier zum Beispiel das von uns ermittelte und fest definierte Verhältnis der zweiten und dritten harmonischen Klirranteile erwähnenswert. Dabei waren wir erstaunt was geübte, aber auch weniger geübte Hörer bei obertonreichem Material im Blindtest eindeutig heraus hören konnten.
proaudio.de: Auch bei den Netzteilen gibt es einige Besonderheiten.
André Christ: Die Stromversorgung ist bei Röhrenschaltungen in direktem Kontakt mit dem Audioweg und muss aufgrund dessen kompromisslosen Ansprüchen gerecht werden. Hier nehmen etliche Faktoren einen großen Einfluss auf den Klang der zu versorgenden Röhrenstufe. Aufgrund dessen wurde das Schaltungsprinzip des Channelnetzteils der Solid Tube Audio Konsole EVEREST C3 in einer Leistungsangepassten Version in den ETNA EQ adaptiert. Wir konnten damit sicherstellen, dass in der 19"-Version keine klanglichen Unterschiede zur EVERST C3 vorhanden sind.
proaudio.de: Für dass Hochfahren des Gerätes gibt es eine spezielle interne, technische Vorgehensweise. Können Sie auch einmal darauf eingehen?
André Christ: Der röhrenschonende Einschaltvorgang wird durch einen automatischen, sequentiellen Startablauf organisiert. Dabei sind die Versorgungsspannungen rampengesteuert um die Haltbarkeit der Röhren zu maximieren. Das ist der Grund dafür, warum innerhalb der ersten drei Minuten die Frequenzumschalter nicht verdreht werden sollten. Wir empfinden diese Wartezeit mehr als akzeptabel, denn der ETNA E1 ist ein ultimatives Klanginstrument auf höchstem musikalischen Niveau, entwickelt für Profis die bereit sind für ein optimales Ergebnis eine pure und kompromisslose Technologie einzusetzen.
Fazit
Der Preis des ETNA E1 liegt bei knapp über 7.000 Euro - also nicht ganz ohne. Für Sound-Bastler allerdings ein mächtiges Werkzeug, dass sich doch klanglich stark von dem absetzt, was sonst noch am Markt zu finden ist. Er bietet einem auch brauchbare Ergebnisse in Grenzbereichenen und drängt sich im positiven Sinn förmlich als äußerst tollerantes Kreativwerkzeug für die Musikproduktion auf. Als Fazit kann man kurz und knapp nur fünf folgende Worte mit auf den Weg geben: muss man unbedingt gehört haben ...
Technische Daten
Frequenzgang (+/-0,2 dB): 12 Hz ... 30 kHz
Eingangsimpedanz: > 15 kOhm
Ausgangsimpedanz: < 90 Ohm
THD+N (@ +22 dBu): 0,06 %
max. Ausgangspegel: 27 dBu
Durchgangsverstärkung: 0 dB
Eingangssymmetriedämpfung (@ 20 kHz): -60 dB
Rauschabstand (CCIR 464-4): < 96 dB
Übersprechen (@ 20 kHz): -106 dB
Dimensionen: 19", 2 HE, 490 mm Bautiefe
Gewicht: 11,9 kg