Sennheiser ew 100 G3 1,8 GHz

Autor und Fotos: Peter Kaminski

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Seit dem ersten Quartal 2011 bietet Sennheiser als Alternative zu den Drahtlosmikrofonanlagen im UHF-Bereich Systeme für den Betrieb im 1.800-MHz-Bereich an, der schon seit vielen Jahren zugelassen ist, aber bisher weitgehend unbeachtet blieb. Durch die Veränderung der Frequenzzuteilung durch LTE - dem Mobilfunk der nächsten Generation - und der damit verbundenen Verknappung der Frequenz-Resourcen, wird der 1,8-GHz-Bereich aber nun interessant.

Übersicht lizenzfreie Frequenzbereiche

Es gibt in Deutschland und Europa mehrere Bereiche für die lizenzfreie und kostenlose Nutzung von Drahtlosmikrofonanlagen und zwar:

ISM-Bereich - 863 ... 865 MHz

Dieser zwei Megahertz breite Bereich ist weitgehend europaweit harmonisiert und da es sich um ein ISM-Bereich (steht für Industrial, Scientific and Medical) handelt, tummeln sich dort auch noch andere Anwendungen. In Deutschland regeld die Verfügung 68/2003 der Bundesnetzagentur die Frequenzzuteilung. Drahtkosmikrofone dürfen hier mit 10 mW EIRP Sendeleistung und maximal 200 KHz Kanalbreite arbeiten. Die Regelung gilt zunächst bis 2013 aber man darf wegen der europäischen Harmonisierung von einer Verlängerung ausgehen. Störungen sind in der Praxis trotz des großen Nutzungsspektrums in diesem Frequenzsegment eher selten und es gibt zudem ggf. genügend Ausweichmöglichkeit.

LTE-Lücke UHF - 823 ... 832 MHz

Seit 2011 ist dieser Bereich zwischen der Down/Uplink-Lücke des UHF-LTE-Bereichs in Deutschland ebenfalls für die Nutzung des sogenannten Durchsagefunks, gemäß Verfügung 23/2011, von der Bundesnetzagentur für Drahtlosmikrofone mit einer Sendeleistung von bis zu 50 mW EIRP und maximal 200 kHz Kanalbandbreite, freigegeben. Welche Frequenzen des immerhin 9 MHz breiten Bereichs bei zukünftiger LTE-Aktivität nutzbar ist wird sich ggf. später zeigen aber zur Zeit lässt sich dieser Bereich sehr gut nutzen. So können z. B. die E-Band-Anlagen von Sennheiser diese neuen Frequenzen benutzen. Die Nutzungsmöglichkeit ist im Moment aber auf Deutschland beschränkt und eine Nutzung ist aktuell bis 2021 über die Vfg. 23/2011 geregelt.

LET-Lücke 1,8 GHz - 1.785 ... 1.800 MHz

Dieser Bereich befindet sich auch in einer LTE-Lücke, wobei LTE in Deutschland auf 1,8 GHz noch nicht eingesetzt wird (Stand Juli 2011). Es handelt sich mit 15 MHz um den größten lizenzfreien Bereich.

In Deutschland regelt die Verfügung 10/2011 der Bundesnetzagentur die Frequenzzuweisung und die Nutzung ist mindestens bis 2021 gesichert. Auch hier ist eine EIRP von maximal 50 mW bei maximal 200 kHz Kanalbreite zugelassen. Neben Drahtlosmikrofone können hier auch Regie und Kommandofunk, In-Ear-Monitoring, Führungsfunk (Werksführungen und Museen etc.), Ausbildungsstätten und Motorsportveranstaltungen unter diesen genannten Bedienungen sowie drahtlose Audioanlagen laut Verfügung 7/2006 mit 20 mW EIRP senden. Der Bereich ist also nicht nur exklusiv für Drahtlosmikrofone, aber weitgehend für drahtlose Audioanwendungen im Simplexbetrieb reserviert.

In der Schweiz gibt es die Einschränkung bei der Sendeleistung auf 20 mW EIRP und in Österreich steht der Frequenzbereich 1.785,7 bis 1.799,4 MHz, aber dafür auch mit 50 mW EIRP, lizenzfrei zur Verfügung.

Leider ist die Situation in Europa von Land zu Land sehr unterschiedlich. Das Band steht aber in vielen Ländern lizenz- und kostenfrei zur Nutzung bereit, wie in den Niederlanden, Polen, Rumänien Spanien und Ungarn sowie in einem Teilbereich in Beligien. In Finnland, Großbritannien und der Tschechischen Republik ist der Betrieb gegen eine Anmeldung und Gebühr möglich aber es gibt, wenn auch wenige Länder, wo der Betrieb zurzeit nicht gestattet ist, wie z. B. in Italien, Irland, Nordirland und der Slovakei. Also leider schon etwas undurchsichtig. Man sollte sich daher vor der Nutzung im Ausland bei den entsprechenden Behörden erkundigen. 

In einigen Ländern denkt man übrigens darüber nach, noch einen weiteren Bereich freizugeben und zwar das L-Band um 1,45 GHz, wie in Deutschland und Österreich. Man wird sehen was daraus wird.

Sennheiser 1,8-GHz-Produkt

Als erstes bietet Sennheiser die Evolution ew100 G3 Serie für das 1.800-MHz-Band an. Die Ausgangsleistung beträgt 10 mW EIRP und damit ist das System in Deutschland, Österreich und der Schweiz länderübergreifend nutzbar. Die grundsätzlichen Funktionen der Produkte sind gleich denen der ew100 G3 Serie um UHF-Bereich. Im Prinzip sind erst einmal die Frequenzen und die Ausgangsleistung (10 mW bei der 1,8-GHz- statt 30 mW bei der UHF-Version) unterschiedlich. 

Auch die Typenbezeichnungen sind identisch bis auf den Zusatz 1G8 für 1,8 GHz. Der True-Diversity-Tischempfänger trägt daher die Bezeichnung EM 100 G3-1G8 (s. Einleitungsbild sowie Foto der Rückseite unten).

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Als Taschensender wird der SK 100 G3-1G8 angeboten (siehe unten). Die Einstellung der Frequenz erfolgt entweder im 10 kHz Raster oder über die Auswahl einer von 20 Frequenzbänken in denen je 12  Frequenzen anwählbar sind. Durch die Verwendung von Endstufen mit einer hohen Unterdrückung von Íntermodulationsfrequenzen lassen sich nun auch mehr als 12 Frequenzen in dem 15-MHz-breiten Band störungsfrei betreiben. Bei den E-Band UHF-Sendern lassen sich zwar auch 12 Frequenzen pro Frequenzgruppe einstellen aber bei einer wesentlich größeren Schaltbandbreite und vieler dieser Frequenzen stehen in den Gruppen durch die neue Frequenzzuteilung eben nicht mehr zur Verfügung.   

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Wie man sieht, unterscheidet sich auch der Taschensender nicht wesentlich von der UHF-Version. Auch die Bedienung und Menüführung ist identisch.

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Es wird auch ein Handsender mit drei verschiedenen Kapseln angeboten und zwar der SKM 100-835 G3-1G8 (dyn. Kapsel, Nierenrichtcharakteristik), SKM 100-845 G3-1G8 (dyn. Kapsel, Superniere) und SKM 100-865 G3-1G8 (Kondensatorkapsel, Niere).

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Auch hier beträgt die Ausgangsleistung bei 1,8 GHz 10 statt 30 mW bei UHF.

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Es werden auch verschiedene Sets, bestehend aus EM 100 G3-1G8 Empfänger und Hand- oder Taschensender angeboten. So drei Vocal-Sets mit dem zuvor genannten Handsender und den drei Kapseln, zwei Vocal Sets mit SKM 100-935 G3-1G8 (dyn. Niere) und SKM 100-945 G3-1G8 (dyn. Superniere), zwei Präsentations-Sets mit Ansteckmikrofonen ME 2 und ME 4 (Kugel und Niere) sowie ein Set mit Taschensender und Headset ME 3-ew. Was zurzeit noch aussteht ist ein Taschensender, bzw. ein Set für den Kamerabetrieb.

1,8 GHz vs. UHF

Ein wichtiger Aspekt ist natürlich die Betriebssicherheit mit den neuen Produkten für das 1,8-GHz-Band. Die Frequenz ist immerhin mehr als doppelt so hoch wie beim UHF ISM-Band. Theoretisch gibt es Vor- und Nachteile durch die höhere Frequenz, die wir hier einmal auflisten und praktisch bewerten möchten.

Vorteile
  • kürzere Wellenlänge (ca. 17 cm) ermöglicht kürzere Antennen
  • durch kürzere Wellenlänge auch mehr nutzbare Reflexionen
  • größerere verfügbare Bandbreite
  • geringes Grundrauschen durch weniger andere Dienste und höherer Frequenz
  • höhere Empfängerempfindlichkeit des EM 100 G3-1G8
Nachteile
  • höhere Freiraumdämpfung durch höhere Frequenz von ca. 6 dB
  • höhere Absorption durch Körper, bzw. Abschattung durch Personen und Gegenstände
  • gegenüber UHF ew 100 G3 10 statt 30 mW EIRP Strahlungsleistung

Praxis

Wir haben mit dem ew 100 G3-1G8, auch im Vergleich mit einem ew 100 G3 im UHF ISM-Band, einige praktische Tests durchgeführt und zwar sowohl im Außenbetrieb als auch im Betrieb in Gebäuden. Erstaunlicherweise sind die Unterschiede nicht so groß wie man auf Grund der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile zunächst vermuten mag. 

Wenden wir uns mal den einzelnen Punkten zu. Die dreifache Leistung hört sich zunächst einmal nach viel an aber wenn man bedenkt das für eine Verdoppelung der Reichweite aus raumgeometrischen Gründen eine Verzehnfachung der EIRP nötig ist, relativiert sich die Zahl schnell. Durch die höhere Empfindlichkeit des Empfängers und durch das geringere Grundrauschen wird dieser Wert kompensiert. Die durchgeführte Linearisierung der HF-Endstufen, die die nichtlinearen Verzerrungen mindern, ist aber sicherlich auch erst durch den Einsatz von Bauelementen realisiert worden, die eine Minderung der Ausgangsleistung nötig gemacht haben. 

Durch die niedrigere Wellenlänge ergeben sich an Strukturen häufiger Reflexionen. Man muss wissen, dass z. B. ein Netz aus Drähten mit einer Maschenbreite von einem Viertel einer Wellenlänge Hochfrequenzwellen reflektieren kann. Das ist auch der Grund warum bei höheren Frequenzen naturgemäß auch die Anzahl der Reflexionen steigt und warum auf höheren Frequenzen True Diversity so wichtig ist. Das zeigte sich auch in der Praxis. Das Umschalten zwischen den Empfängerkanälen/Antennen ist etwas häufiger als bei UHF.

Insgesamt gab es keine großen Unterschiede, so dass man dem ew 100 G3-1G8 bescheinigen kann ungefähr gleiche Reichweite und Betriebssicherheit zu bieten wie das mit einem ew 100 G3 UHF-System im ISM-Band der Fall wäre. Je nach Testposition waren die Unterschiede leicht anders aber im Mittel ergeben sich keine signifikaten Nachteile. Die höhere Freiraumdämpfung wird durch vermehrte Reflexionen zum Teil kompensiert. In der gesamten praktischen Bewertung bietet das ew 100 G3-1G8 eher sogar noch Vorteile wegen der geringeren Bandbelegung und Frequenzflexibilität. Nachteile ergeben sich im Betrieb lediglich in Gebäuden in Verbindung mit Stahlbetonkonstruktionen, da hier die Reichweite etwas gemindert ist.

Fazit

Die Preise liegen je nach Set ca. 100 Euro über denen der UHF ew 100 G3-Serie also zwischen 800 und ca. 1.000 Euro. Der Empfänger EM 100 G3-1G8 liegt bei knapp über 600 Euro.

Die neue 1,8-GHz-Serie ew 100 G3-1G8 zeigte im Test, dass in puncto Betriebssicherheit das Niveau der UHF-Serie erreicht wird. Interessant ist das Band ohne Frage Fall als Alternative für den UHF ISM-Bereich und damit für alle die lizenzfrei und flexibel mit Drahtlosmikrofonen arbeiten möchten und das ggf. auch grenzüberschreitend und mit der Gewährleistung einer langen Nutzungsdauer.

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