Sennheiser Ambeo Smart Headset
Kopfhörer und 3D-Audio-Mikrofon in einem
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Wir möchten an dieser Stelle einmal für unser Portal ein auf den ersten Blick vielleicht A-typisches Produkt vorstellen. Auf der Musikmesse 2018 sprach man mich von Seiten Sennheiser an, ob ich nicht das Ambeo Smart Headset testen wollte. Da wir schon auch mal über die Grenzen unserer eigentlichen Produktbesprechungen schauen und ich an 3D-Audio großes Interesse habe, sagte ich dann spontan zu, mir das Produkt mal anzuschauen und anzuhören. Ich muss jetzt sagen dass ich froh bin diese Entscheidung getroffen zu haben. Warum wird man in diesem Beitrag im Detail lesen.
Auf den ersten Blick ist das Sennheiser Ambeo Smart Headset ein In-Ear-Kopfhörer. Das Headset bietet aber auch integrierte Mikrofone, die einmal zu Aufnahmen genutzt werden können aber auch für eine aktive Geräuschunterdrückung. Das Headset ist mit einem Lightning-Stecker ausgestattet und ist mit iOS-Geräten kompatibel (ab iPhone 5 und den meisten iPad-Version sowie iPod touch der 6. Generation). Eine Version für Android ist in Vorbereitung.
Es lässt sich auch ganz normal als Kopfhörer zum Musikhören oder als Headset-Set zum Telefonieren einsetzen, denn es verfügt noch über ein Mikrofon in der Zuleitung zum rechten Head-Set-Teil (s. Foto unten). So richtig spannend wird das System aber durch die integrierte Signalverarbeitung die verschiedenste Funktion mit dem Kopfhörer und den beiden im Headset integrierten Mikrofonen gestatten.
Das Ambeo Smart Headset ist als In-Ear-System mit einem ohrumschließenden Bügel ausgestattet. Der Bügel ist aus sehr weichem und flexiblem Gummi gefertigt. Mit dieser Konstruktion werden gleich zwei Funktionen erfüllt und zwar einmal ein besserer Sitz des Hörers und zum Zweiten wird durch die Biegung in Verbindung mit dem verwendeten Werkstoff eine akustische Entkopplung vom Kabel erreicht. Damit werden Geräusche, die zum Beispiel durch die Bewegung des Kabels entstehen oder andere Handhabungsgeräusche, nicht zum im Headset integrierten Mikrofon weitergeleitet.
Interessant ist der innere Aufbau des Systems. Es befinden sich in jedem Headset-Teil zwei Kammern und zwar eine für den Schallwandler des Kopfhörers und eine für das Mikrofon mit Kugelrichtcharakteristik. Es handelt sich übrigens um Kondensatormikrofone mit fester Vorspannung. Für den Kopfhörerteil benötigt man natürlich auch Platz - sprich ein entsprechendes Volumen. Genau diese Punkte waren auch die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des Headsets, wie mir Nicole Fresen, Product Manager Professional Audio bei Sennheiser in einem Gespräch sagte. Das Mikrofonelement ist dabei so platziert, dass es am Eingang des Gehörgangs sitzt. Wichtig war bei der Konstruktion die Mikrofone nicht zu weit aus dem Ohr zu platzieren, um die Außenohrübertragungsfunktion auch in der Aufnahme möglichst genau zu reproduzieren. Das In-Ear-Headset als Ganzes ist dabei aber noch so klein, dass es die Außenohrübertragungsfunktion nur sehr gering beeinträchtigt. Es gibt außen einen groben Windschutz und innen noch einen Windschutz aus feinerem Gewebe. Der äußere Windschutz ist etwas abgeschrägt. Dort wo der höchste Punkt ist befindet sich die Kammer für das Mikrofon (s. Foto oben). Sennheiser hat sehr viele Tests mit der Geometrie und der Anordnung der Schallwandler gemacht, um hier das Optimum zu erreichen - insbesondere auf die Wirkung des räumlichen Eindrucks.
Ca. 32 Zentimeter vom Headset befindet sich eine Fernbedienung, in der auch der Wandler integriert ist. Sennheiser hat ja schon länger eine Zusammenarbeit Apogee, die die A/D- und D/A-Wandler mit Ihrer Soft-Limit-Technik sowie den Mikrofonverstärker zum System beigesteuert haben. Es gibt an der Fernbedienung einen Slider (oben im Foto links), der frei belegbar ist, Plus- und Minus-Tasten für die Wiedergabelautstärke und in der Mitte dazwischen ein Taster für Play Start/Stopp oder Annehmen und Auflegen im Telefonbetrieb. Über den Wipptaster lässt sich der Aufnahmepegel in zwei Stufen einstellen und die Geräuschunterdrückung aktivieren. Neben dem Slider befindet sich noch eine rote Indikator-LED, die zum Beispiel den Aufnahmestatus signalisiert. Es gibt übrigens auch eine akustische Rückmeldung beim Betätigen der Taster in der Form von Sprachansagen, was besonders praktisch ist.
Software
Sennheiser bietet mit der AMBEO Smart Headset App noch ein Werkzeug um Einstellungen auch vom iPhone aus zu erledigen.
Hierrüber lassen sich zum Beispiel die Sprachansagen ausschalten oder den Recording Level einstellen ("Natural" oder "Reduced").
Weiter lässt sich auch (s. Abb. oben) die Belegung des Funktions-Sliders festlegen.
Über den Dialog "Situational Awareness" (s. Abb. oben) lässt sich das "Transparent Hearing" aktivieren. Ist diese Funktion angewählt, so kann man im Aufnahmefall mit den intergrierten Mikrofonen das Signal auch direkt monitoren, da eine Ausgabe auf den Kopfhörer erfolgt. Mehr dazu im nächsten Kapitel. Weiter kann man die Geräuschunterdrückung (Activ Noise Cancelation) und auch den Ausgangspegel bei aktivierter Transparent-Hearing-Funktion in drei Stufen einstellen.
Es steht auch ein Dreiband-Equalizer zur Verfügung. Man kann diesen grafisch editieren oder eine der fünf Presets anwählen (s. Abb. oben).
Anwendungen
Nun einiges zu praktischen Anwendungen des Ambeo Smart Headsets. Da die im Headset integrierten Mikrofone am Gehöreingang sitzen erfolgt die Aufnahme binaural. Das heißt das die individuelle Außenohrübertragungsfunktion, die durch die Form des Außenohres und der Kopfform gebildet wird, mit in die Aufnahme einfließt. Die entstehende 3D-Audio-Aufnahme ist damit Kopfhörer-kompatibel oder anders ausgedrückt: sie wird nur einwandfrei unter Kopfhörernutzung wiedergegeben. Dazu später in der Praxis mehr. Übrigens gibt es von Apogee für iOS auch die Recording Software "MetaRecorder", die ideal für das Aufzeichnen mit dem Ambeo Smart Headset ist. Sie ist bei Verwendung des Ambeo Smart Headset auch kostenfrei nutzbar.
Nun gibt es verschiedene Anwendungsszenarien der Funktionen die das Ambeo Smart Headset bietet. Interessant ist hierbei besonders die Transparent-Hearing-Funktion. Diese sollte man während der Aufnahme immer aktivieren denn so hat man ein direktes Monitoring und kann die Aufnahmedirekt beurteilen und das unter optimalen Bedingungen denn die Einflüsse der Außenohr-Übertragungsfunktion in der Aufnahme werden ja dem gleichen Ohr mit der gleichen Außenohr-Übertragungsfunktion dargeboten.
Ein weiteres Szenario ist ein Konzertbesuch und der Einsatz des Ambeo Smart Headset als aktiver Gehörschutz. Bei dem Headset handelt es sich ja um ein In-Ear-Kopfhörer. Der Ohradapter schließt also im Idealfall bei korrekter Trageweise ja das Ohr und dämpft so den ins Ohr eintreffenden Außenschall - so wie man das von den üblichen Ohrstöpseln ja auch kennt. Diese passive Art des Gehörschutzes hat den Nachteil, dass die Dämpfung frequenzabhängig ist und somit den Höreindruck negativ beeinflusst. Abhilfe schafft hier die Zuschaltung des Transparent Hearing mit Reduced Level - also mit geminderter Verstärkung. So wird der Schall gemindert aber man hört den gesamten Übertragungsbereich des Headsets.
Ein weiteres Szenario ist die einfache Musikwiedergabe, wobei man das Active Noise Canceling aktivieren kann, um störende Umgebungsgeräusche bei der Musikwiedergabe zu reduzieren. Wenn man nun aber auf dem Fahrrad unterwegs ist, dann macht es Sinn, die Transparent-Hearing-Funktion zu nutzen, um die Umweltgeräusche wahrzunehmen um ggf. auf Verkehrssituationen reagieren zu können.
Technische Daten
Nun noch der Blick auf die technischen Daten. Der A/D- und D/A-Wandler arbeitet mit einer Auflösung von 24 Bit und mit Abtastraten von 44,1 oder 48 kHz. Als Übertragungsbereich gibt Sennheiser für den Kopfhörer 15 Hz bis 22 kHz an. Der maximale Schalldruck beträgt 112 dB (1 kHz, 0 dBFS), der in der EU auf 100 dB nach EN 50332-2 begrenzt wird. Der Übertragungsbereich der im Headset integrierten Mikrofone liegt bei 30 Hz bis 20 kHz (+/- 3 dB) mit einer Empfindlichkeit (@ 94 dB SPL und 1 kHz) von -18 dBFS bei hoher und -35 dBFS bei reduzierter Verstärkung. bei reduzierter Verstärkung wird der Pegel um 17 dB gemindert. Der maximale Schalldruck beträgt hier (Clipping) 106, bzw. bei reduzierter Verstärkung 122 dB SPL.
Praxis
Nun zum wichtigsten, den Resultaten im praktischen Betrieb. Kommen wir als erstes auf die Wiedergabequalität des Kopfhörers zusprechen. Voraussetzung für den einwandfreien Betrieb ist natürlich, dass die Ohr-Adapter das Ohr komplett verschließen. Bei dieser Voraussetzung ist der klang absolut überzeugend. Der Hörer hat eine sehr gute Basswidergabe wobei diese nicht übertrieben sondern gut ausbalanciert ist. Man nimmt aber den umfangreichen Übertragungsbereich war und so können wir die vom Hersteller angegebenen 15 Hz für den unteren Übertragungsbereich absolut bestätigen. Auch die Mitten und Höhen klingen ebenfalls sehr gut abgestimmt und natürlich. Musikhören macht mit dem Ambeo Smart Headset richtig Spaß. Ich finde, dass der Kopfhörer in der oberen Liga der In-Ear-Hörer mitspielen kann.
Kommen wir zu einem weiteren positiven Punkt, nämlich dem Tragekomfort. Der Hörer sitzt durch seinen Ohr-umschließenden Bügel absolut sicher. Ich persönlich habe für In-Ear-Hörer scheinbar eine sehr unpassende Innenohrform. Normale Hörer fallen bei mir oft heraus. Der Sennheiser Ambeo Smart Headset sitzt nicht nur absolut fest und verbleibt auch in der Soll-Position sondern man nimmt auch relativ schnell gar nicht mehr wahr, dass man den Hörer mit seinen lediglich 33 Gramm, trägt. Auch wenn die Bügelform eher der akustischen Entkopplung dient, so sorgt sie eben auch für einen perfekten Sitz.
Mit der Fernbedienung am Kabel hat man alle wichtigen Parameter im direktem Zugriff. Am Anfang erschien mir die Position am Kabel zu nah am Hörer aber wenn man mal etwas mit der Fernbedienung rumgespielt hat, dann kann man die gewünschten Tasten sehr gut erfüllen. Durch die abgesetzte Bedienung lässt sich das System natürlich auch bedienen, wenn das Handy in der Tasche steckt.
Das Prinzip der aktiven Unterdrückung von Störgeräuschen ist einfach: die Wiedergabequelle wird einfach mit dem phaseninvertiertem Mikrofonsignal, das Außengeräusche aufnimmt, überlagert, wodurch die externe Störquelle beim Hören dann ausgelöscht wird. Soweit die Theorie. Die Aktive Geräuschunterdrückung beim Sennheiser Ambeo Smart Headset arbeite am besten bei zyklische oder dauerhaften Geräuschen wie mechanische Lüftergeräusche oder Geräusche von Flugzeugturbinen etc. Bei rauschartigen Störquellen, wie zum Beispiel ein Staubsauger, ist der Unterdrückungseffekt nicht so groß, bzw. manchmal sogar besser bei deaktivierter Unterdrückung. Der In-Ear-Hörer bietet ja von sich aus durch die komplette Abdichtung durch den Ohr-Adapter ein hohes Maß an passiver Außenschallunterdrückung.
Nun wäre da noch die Qualität der Mikrofone, bzw. binauralen Aufnahme. Ich habe diverse Recording im Innen- und Außenbereich durchgeführt und bin total begeistert. Die Windunempfindlichkeit ist im mittleren Bereich. Vielleicht gibt es ja mal eine findige Firma, die für den Ambeo Smart Headset ein Fellwindschutz entwickelt. Dürfte sicherlich komisch aussehen aber bei mittleren Windgeschwindigkeiten ergeben sich schon Windgeräusche, die aber erst bei höheren Windgeschwindigkeiten wirklich störend wirken.
Ich habe schon mich vor vielen Jahrzehnten mit Kunstkopfaufnahmen beschäftigt und auch eigene Kunstköpfe gebaut. Bei binauralen Aufnahmen ist allerding ein realer Kopf das Optimum und wenn es auch noch der eigene Kopf ist, so ist ja die Außenohr-Übertrtagungsfunktion optimal bei der Wiedergabe. Das System funktioniert wirklich sehr gut. Das direkte Monitoring über die Transparent-Hearing-Funktion ist perfekt. In der Praxis gibt es da auch keine Rückkopplung, was ich erst befürchtet hatte. Lediglich beim Abnehmen des Hörer gab es einmal ein kurzes Feedback, aber das ist ja auch keine normale Betriebssituation. Auch gibt es keine Verfärbungen bei der Aufnahme mit eingeschaltetem Transparent Hearing. Die Entkopplung zwischen Wiedergabetreiber und Mikrofon ist gelungen. Die Ortung und räumliche Wiedergabe bei den Aufnahmen bei Kopfhörerwiedergabe ist sensationell. Überhaupt sind die Aufnahmen klanglich sehr gut und sehr natürlich. Auch die Transientenwiedergabe, zum Beispiel bei Schlüsselrascheln überzeugt.
Man kann ja den Eingangspegel beim iPhone nicht stufenlos anpassen aber die beiden Varianten "natural" und "reduced" passen sehr gut und zwar einmal für normale Umgebungsgeräusche und reduced eben für laute Umgebungen wie zum Beispiel Konzerte.
Eine optimale Wiedergabe des räumlichen Eindrucks bei binauralen Aufnahmen kann man systembedingt nur über Kopfhörer erzielen. Trotzdem ist es so, dass die rechts/links Richtungsinformationen auch über Lautsprecherwiedergabe sehr gut wahrnehmbar sind. Ohne Frage ergeben sich viele Einsatzmöglichkeiten für das binaurale Recording mit dem Ambeo Smart Headset, wie Aufnahmen für Hörspiel oder Gaming-Applikationen. Aber auch für den Bereich Video-Recording ist das ein interessante Aufnahmemöglichkeit, besonders bei Dialogen von mehreren Personen denn die binaurale Aufnahme gestattet eine sehr gute Ortung des Sprechers im Raum. Auch ist durch die enthaltene Richtungsinformation der mit aufgenommene Raum beim Hören nicht so stören wie bei Monoaufnahmen oder normale A/B-Laufzeitaufnahmen mit Kugelmikrofonen.
Fazit
Das Sennheiser Ambeo Smart Headset wird in den Farben weiss und schwarz angeboten und kostet laut Hersteller 299 Euro. Mitgeliefert wird ein Transportbeutel sowie noch zwei weitere Ohr-Adapter in zwei weiteren Größen - also insgesamt in drei Größen (S, M, L). Die Frage ob das Headset den Preis von fast 300 Euro wert ist, kann man mit einem Wort beschreiben: absolut.
Die Qualität der Verarbeitung und die Wiedergabequalität im Kopfhörerbetrieb, als auch die Qualität der 3D-Binaural-Aufnahmen sind sehr hoch. Die Einschränkungen bei der aktiven Geräuschunterdrückung kann man wegen der hohen passiven Außenschallunterdrückung akzeptieren. Insgesamt ein täglicher Begleiter zum Musikhören in jeder Situation und ein exzellentes Aufnahmewerkzeug für dsas mobile Recording auch für professionelle Anwendungen. Man sollte das Produkt nicht einfach in die YouTube-Blogger-Ecke einordnen. Hier geht mehr - viel mehr ...