Rupert Neve Designs Shelford Channel
Autor Holger Claßen
Rupert Neve Designs hat mit dem 1 HE/19“ Shelford Channel einen äußerst kompakten Kanalzug auf den Markt gebracht, der vom Schaltungsdesign teils auf alte, bewährte Technologien setzt, bei einigen Funktionsgruppen aber auch neue Wege einschlägt. Ein großer Unterschied zu der alten, auf einer einzigen Spannung (+24 Volt) basierenden Spannungsversorgung, ist die Verwendung von zwei Spannungen (+ 24 und -24 Volt). Dieses erlaubt generell einen höheren Arbeitspegel und einen höheren Headroom.
Generell sind komplette Kanalzüge immer ein wenig zweischneidig. Einerseits können alle Baugruppen optimal aufeinander angestimmt werden, die Kosten pro Baugruppe sinken, da nur eine Stromversorgung und ein Gehäuse benötigt werden. Auf der anderen Seite können die Funktionsgruppen nicht für unterschiedliche Signale genutzt werden, wenn, wie beim Rupert Neve Designs Shelford Channel, diese Funktionsgruppen keine individuellen Ein- und Ausgänge haben. Als Beispiel für einen voll konfigurierbaren Channel Strip sei hier der API Channel Strip genannt, bei dem alle Funktionsgruppen individuell nutzbar sind.
Das Gerät hat eine im dunklen Neve-Graublau gehaltenen Frontplatte. Die Drehknöpfe bestehen aus teilweise farbig eloxiertem Aluminium und haben eine wertige Anmutung. Es geht auf der Oberfläche recht beengt zu, die Schalter benötigen doch einen gewissen Kraftaufwand, für dickere Finger ist die Bedienung manchmal ein wenig fummelig aber das Gerät ist halt kompakt.
Zum Einsatz kommen - wie eigentlich immer bei Neve - ein Eingangs- und ein Ausgangsübertrager. Der Eingangsübertrager ist in einem Mu-Metallgehäuse verbaut, der Ausgangsübertrager ist offen. Das Gerät ist hochwertig in moderner SMD-Technik aufgebaut, an der Verarbeitung der Platinen gibt es keine Kritik.
Die Anschlüsse
Rückseitig befinden sich die XLR-Buchsen für den Line- und den Mikrofon-Eingang, Da neben gibt es zwei 6,3-mm-Klinkenbuchsen für den Kompressor-Side-Chain (Send/Return) sowie zwei Buchsen für die Verkoppelung zweier Shelford-Channel.
Es gibt zwei XLR-Ausgänge, einen mit Nominalpegel, einen zweiten mit einem um sechs Dezibel niedrigeren Ausgangspegel. Die Ausgänge sind parallel nutzbar. Neben den Ausgängen befindet sich eine Kaltgerätebuchse/Netzschaltereinheit. Diese ist als Snap-In ausgeführt und wackelt beim Testgerät ein wenig. Des Weiteren gibt es noch einen Ground-Lift-Schalter und die IEC/Schalter-Kombo.
Eingangssektion
Wir beginnen links mit zwei 6,3-mm-Klinkenbuchsen, eine ist für den Instrumenteneingang, die andere dient der Weiterleitung des Instrumentensignals an einen Instrumentenverstärker. Bei Nutzung des Instrumenteneingangs wird das rückseitig anliegende Mikrofonsignal mit einer Relais abgeschaltet. Dieses ist nötig, da man den neben den Instrumentenbuchsen liegende Eingangsquellenschalter nur zwischen Line und Mic/DI schalten kann. Ein Ground-Lift-Schalter für den Instrumenteneingang ist ebenfalls vorhanden.
Der Mikrofonvorverstärker nutzt einen Step-Up Eingangsübertrager mit ca. 15 dB Gain. Die Regelung der Mikrofonvorverstärkung erfolgt mittels eines zwölfstufigen Gain-Schalters. Die Schalter im Shelford Channel sind von Grayhill und damit aus dem oberen Regal. Die Verstärkung erfolgt in 6-dB-Schritten über insgesamt 66 dB. Zusammen mit dem Trim-Poti hat man insgesamt eine Verstärkung von 72 dB, was auch für schwächste Signale ausreichen sollte. Über dem Gain-Schalter befindet sich eine zweifarbige LED. Bei einem Signal von ca. -20 dBu beginnt die LED grün zu leuchten, ab einem Pegel von ca. 20 dBu leuchtet die LED rot.
Bei Nutzung des Line-Eingangs ist nur das Trimpoti aktiv. Die Regelung ist mit +/-6 dB für meinen Geschmack etwas knapp ausgelegt. Insgesamt hätten es ein paar dB mehr sein können. Der 0-dB-Beschriftung für das Poti liegt etwas menem dem realen 0-dB-Punkt. In der Praxis lag der 0-dB-Punkt eineinhalb Rasterstellungen darunter.
Unter dem gerasterten Trim-Poti befinden sich zwei beleuchtete Taster, einer für Polarität und einer für die 48-V-Phantomspeisung. Die Eingangssektion wird mit einem zuschaltbaren Hochpassfilter komplettiert. Der Frequenzbereich des Filters geht von 20 bis 250 Hz. Das Filter wird mit einem beleuchteten Schalter aktiviert.
Equalizer
Der EQ ist eine Mischung aus LCR- und CR-Schaltungen (Spulen, Kondensatoren, Widerständen und Kondensatoren/Widerständen). Der EQ hat drei Bänder, die Frequenzen für Low und Mid werden geschaltet, die Pegelveränderung erfolgt mit gerasterten Potis.
Die Tiefen mit den Frequenzen 35, 60, 100 und 220 Hz sowie die Höhen (schaltbar zwischen 8 und 16 kHz) können als Glocke oder Kuhschwanz geschaltet werden. Das Mittenband mit den Frequenzen 220, 400, 900 Hz und 1,8, 3,5 sowie 7,5 kHz kann zwischen Schmal und Weit geschaltet werden. Die Schalter für diese Funktionen sind unbeleuchtet, der EQ wird mit einem beleuchteten Schalter aktiviert. Die Regelung der Bänder erfolgt im Bereich von +/-15 dB.
Kompressor
Der Kompressor ist ein Diodenbrückenkompressor. Dieses Funktionsprinzip wurde schon bei dem legendären 2254 genutzt. Der Kompressor im RND Shelford Channel ist aber eine Neuentwicklung. Der Kompressor ist mittels eines Schalters im Signalweg vor dem EQ platzierbar. Auch diese Sektion wird mittels eines beleuchteten Schalters aktiviert, die Schalter für Link, Sidechain und PreEQ sind unbeleuchtet.
Threshold ist zwischen - 25 und +20 einstellbar, auch hier wieder mittels eines gerasterten Potis. Als Ratiowerte sind 1,5:1, 2:1, 3:1, 4:1, 6:1 und 8:1 schaltbar. Makeup Gain kann zwischen -6 und 20 dB eingestellt werden.
Als Zeitkonstanten lassen sich Fast, Medium Fast, Medium, Medium Slow, Slow und Auto wählen. Laut Handbuch liegen die „Fast“- Werte für den Attack bei 180 µs bis 1,8 ms und den Release bei 100 bis 150 ms, die „Slow“ Werte sind für den Attack mit 11 bis 72 ms und für den Release mit 800 ms bis, 1,25 s angegeben.
Ein beleuchteter Fast-Schalter setzt das Timing auf 70 Prozent der Standardwerte. Damit ist ein recht weites Spektrum an Zeitkonstanten abgedeckt, zumal es noch das „Auto“ Setting gibt, das sehr programmabhängig arbeitet. Hilfreich ist die Möglichkeit, mittels des beleuchteten HPF to S/C -Schalters den Hochpassfilter der Eingangssektion in den Sidechain des Kompressors zu schalten. Damit entfällt im Regelfall die Notwendigkeit, einen externen EQ einzuschleifen, da die Probleme eines Kompressor eben oft im Bassbereich zu suchen sind, was mit dieser Funktion gelöst werden kann. Wird hier der Schalter gedrückt, so wird das HPF aus der Eingangssektion herausgenommen, die Beleuchtung des eventuell gedrückten Schalters in der Eingangssektion erlischt dann.
Zu guter Letzt befindet sich noch ein Blend-Regler (gerastert) in der Kompressorsektion, hier kann stufenlos zwischen komprimiertem und unkomprimiertem Signal überblendet werden.
Die Metersektion
Bei der Meter-Sektion mit Texture-Poti sieht man, dass die Frontplattenbedruckung um das Poti einen Versatz zur Potiachse aufweisst. Diesen Versatz findet man in unterschiedlicher Ausprägung auch bei weiteren Skalen auf der Frontplatte.
Rechts befindet sich ein VU Meter mit einem Schalter, der das Meter zwischen Gain Reduction und Ausgang schaltet. Das Meter ist für die Messung des Ausgangspegels gut kalibriert, 0 VU entsprechen ziemlich genau 4 dBu. Die Gain-Reduction-Meter-Anzeige ist nicht ganz genau. So wird eine Pegelreduktion von 1,5 dB als 1,0 dB und, eine Reduktion von 3,7 dB als 3,0 dB angezeigt. Rechts neben dem VU-Meter befindet sich eine Peak-LED, die erst ab einem Pegel über 21 dBu aufleuchtet. Dieser Pegel kann für manchen Wandler schon ein Problem darstellen, hier hätte ein etwas niedrigerer Wert nicht geschadet.
Des Weiteren gibt es ein Texture-Poti (gerastert) sowie einen beleuchteten Silk-Schalter, der zwischen Red, Blue und Neutral geschaltet werden kann. Hier handelt es sich um eine zweistufige Sättigungsschaltung, die den Ausgangsübertrager antreibt. „Blue“ ist eine eher dezente und „Red“ eine mit deutlicher Pegelerhöhung einhergehende Sättigung. Die Red- Sättigung mit voll aufgedrehtem Textureregler sorgt schon für eine recht extreme Färbung. Aber all dies hängt vom Programmmaterial ab und ist dem persönlichem Geschmack überlassen.
Die Praxis
Relativ viel Aufwand hat RND mit der Stromversorgung betrieben. Hinter die zwei Schaltnetzteile für die positive und negative 24-V-Versorgung wurde noch eine auf LM 317/LM 337 basierende Regelung implementiert. Die 48 Volt für die Phantomspeisung wird mit zwei 24 Volt DC-DC-Konvertern erzeugt.
Bei Unigain-Einstellungen im Line-Eingang (Eingangspegel = Ausgangspegel) rauscht die Eingangssektion bei ca. -91 dBu, bei zugeschaltetem EQ (neutrale Stellung) erhöht sich der Rauschpegel auf -88 dBu, mit zusätzlichem (neutral eingestellten) Kompressor geht der Noise Floor auf -82 dBu. Alle Messungen erfolgten praxisgerecht mit dem Line-Eingang, angeschlossen an ein RME-Audiointerface. Die Messungen wurden unbewertet (Flat) mit einem Neutrik Minilyzer gemacht.
Der Mikrofonvorverstärker klingt prima. Satt, voll, leicht färbend. Es geht eben nichts über einen guten Eingangsübertrager. Auch das HPF ist an hier positiv zu bewerten. Die maximale Verstärkung von 72 dB ist mehr als ausreichend.
Der Kompressor ist ein Diodenbrückenkompressor. Diese Kompressorbauweise nutzt gematchte Dioden zur Pegelbegrenzung. Prinzip-bedingt muss der Pegel vor der Kompressorsektion um ca. 20 bis 40 dB abgesenkt werden, da die Dioden nur eine geringe Signalstärke vertragen. Entsprechend muss das Signal nach dem Kompressor wieder verstärkt werden, um auf Nominalpegel zu kommen. Damit ist der um 6 dB schlechtere Rauschpegel bei Zuschaltung der Kompressorsektion zu erklären. Alles in allem kein Beinbruch.
Der Kompressor ist kann schnell bis sehr schnell zupacken. Diodenkompressoren haben einen ganz eigenen Charme, hier muss man ein wenig experimentieren. Der Blend-Regler zur Parallelkompression ist ein prima Feature. Auch der zuschaltbare HPF ist sehr nützlich. Beide Features (Blend/HPF) machen den Kompressor zu einem vielseitigen Werkzeug.
Der EQ ist wirklich gut. Ich persönlich mag LC-Equalizer gern, der Neve macht mit dem Audiomaterial wirklich schöne Dinge und ist auch in extremen Einstellungen angenehm zu hören. Die Absenkung der Mittenbänder ist etwas schmalbandiger als die Anhebung.
Die Sättigungsstufe lädt zum experimentieren ein. Alles in allem kann man den Shelford Channel recht „heiß“ fahren, aus diesem Grund gibt es den um 6 dB abgesenkten zweiten Ausgang, der es erlaubt, das Signal wieder mit einem etwas Wandler-gerechteren Pegel abzugreifen.
Fazit
Der Shelford Channel macht einen sehr guten Eindruck. Solides Gehäuse, gute Verarbeitung (kleine Ausnahme weiter unten), wertige Optik und und gute Audioeigenschaften. Er hat einen Klang, den man als typisch „Neve“ bezeichnen kann, ohne allzu „Retro“ zu wirken. Alles ist vornehm und edel. Der Ansatz, aus dem reichhaltigen Schaltungs- und Erfahrungsfundus aufbauend teilweise neue Wege zu gehen, ist gelungen.
Der Straßenpreis liegt bei ca. 3800 Euro. In dieser Preisklasse macht die leicht wackelige Snap-In-Kaltgerätebuchse keinen guten Eindruck. Für ein paar Cent mehr hätte man eine verschraubte Schalter/Buchse-Kombo einbauen können. Auch ist die etwas nachlässige Bedruckung der Frontplatte für ein Gerät dieser Preisklasse eigentlich nicht angemessen.
Der Rupert Neve Designs Shelford Channel ist rundes Paket mit leichten Abzügen. Es macht Spaß, mit diesem Gerät zu experimentieren. Es steckt wirklich viel Neve in diesem kompakten Kanalzug. Wie immer sollte man bei einer Investition in dieser Preisklasse einen ausführlichen Test machen, bevor man sich für ein Gerät entscheidet.