Rupert Neve Designs 5254 Diode Bridge Compressor
Zweikanaliger Diodenbrückenkompressor
Autor: Holger Claßen | Fotos: Peter Kaminski
Der Diodenbrückenkompressor wurde als Steuerungsprinzip erstmals in den 1940ern in Form des Telefunken U13 gebaut. Das Steuerungsprinzip ist also schon recht alt. Rupert Neve erklärte in einem Interview, dass er die Pye-Kompressoren in einer Konsole ersetzen sollte, die thermische Probleme machten. Seine Neuentwicklung musste in den vorhandenen Konsolenplatz passen. Es gab seinerzeit noch keine VCAs oder ähnliches. So kam er auf die Idee, Dioden als Steuerelemente zu nutzen.
Dioden sind nicht-linear und erzeugen Verzerrungsprodukte. Die von Neve entwickelte Schaltung sorgte dafür, die prinzipiellen Nachteile zu kompensieren. Ermöglicht wurde somit den Bau eines gut funktionierenden Kompressors, der später als 2254 auf den Markt kam. Der hier vorgestellte zweikanalige 5254 basiert auf dem 2254, wurde aber in vielerlei Hinsicht in die moderne Zeit überführt.
Bedienelemente
Nun zu den Kanal-Bedienelemente. „S/C HPF“ schaltet den Hochpassfilter in den Sidechain-Pfad. Die HPF-Frequenz ist mittels eines Potentiometers zwischen 20 Hz und 250 Hz stufenlos einstellbar. Alle Potis haben übrigens eine Rasterung in 31 Stufen. Dieses erleichtert das Auffinden früherer Einstellungen.
Mit „Threshold“ lässt sich der Einsatzschwellwert zwischen -25 und 20 dB einstellen. Insert schaltet den Insert-Pfad in den Sidechain-Pfad. Dieses ermöglicht die Integration von Steuersignale in den Detektor-Pfad. Mit „Ratio“ lässt sich das Kompressorverhältnis in den Stufen 1,5:1, 2:1, 3:1, 4:1, 6:1 und 8:1 anwählen. Mit Gain kann die Verstärkung zwischen -6 und 20 dB eingestellt werden.
Über „Timing“ lassen sich die Zeitkonstanten anpassen. Einstellpositionen sind hier Fast, Medium Fast, Medium, Medium Slow, Slow und Auto. Ein links neben dem Timing-Schalter (Fast) befindlicher Schalter setzt das Timing auf 70 Prozent der Standardwerte.
Die Zeitkonstanten betragen laut Hersteller ...
FAST: Attack 250µs … 2ms / Release 100 ms … 200 ms
MF (MEDIUM FAST): Attack 1 ms … 5 ms / Release 100 ms … 200ms
MED (MEDIUM): Attack 3 ms … 18 ms / Release 350 ms … 700 ms
MS (MEDIUM SLOW): Attack 5 ms … 40 ms / Release 600 ms … 1 s
SLOW: Attack 10 mS … 80 mS / Release 800 ms – 1,5 s
AUTO: Attack 5 ms … 40 ms / Release T1 400 … 900 ms, T2 1 … 2 s
Alle Poti- und Drehschalterknöpfe sind aus anodisiertem Aluminium. Zu guter Letzt befindet sich noch ein Blend-Regler (Dry-Wet-Regler) in der Kompressor-Sektion. Hier kann stufenlos zwischen komprimiertem und unkomprimiertem Signal überblendet werden.
Die Gerätemitte wird von den beiden beleuchteten VU-Metern dominiert. Zwischen den beiden Metern befinden sich folgende Schalter: „VU-Select“ schaltet das jeweilige Meter zwischen Ausgangspegel und Gain Reduction-Anzeige. „Comp In“ ist der zentrale Schalter zur Aktivierung des Kompressors und Link verbindet die beiden Detektorpfade.
Unter den VU-Metern befindet sich jeweils eine Einstellschraube für den (mechanischen) 0-Punkt des VU-Meters sowie eine Peak-LED für den jeweiligen Kanal. Auf der rechten Geräteseite sind die gleichen Einstellungen für den zweiten Kanal. Die Schalter sind teils beleuchtet, teils nicht. Beleuchtet sind die Schalter für S/C (grün), Fast (gelb), Comp In (grün) und unbeleuchtet sind die Schalter für S/C Insert Link und VU-Select.
Anschlüsse
Auf der linken Seite befindet sich die Kaltgerätenetzbuchse und Netzschalter. Das verbaute Schaltnetzteil kommt mit allen Netzspannungen klar. Rechts neben der Netzbuchse sind die Ein- und Ausgänge des rechten Kanals. Die Line-In-Buchsen sind als Klinke/XLR-Kombibuchse ausgeführt. Das hat den Nachteil, dass XLR-Stecker nicht arretiert werden. Recht zentral befinden sich die Klinkenbuchsen für die Inserts der beiden Kanäle. Der Ausgangspegel des Insert-Pfads liegt ca. 5 dB unter dem Eingangssignal. Auf der rechten Seite dann die Buchsen für den linken Kanal sowie ein Ground-Lift-Schalter.
Die inneren Werte
Es wird konsequent auf SMD-Technik gesetzt. Ich konnte nicht eine Through-Hole-Komponente entdecken. Die Stromversorgung erfolgt über die beiden Schaltnetzteile, die vor einer LM317/LM337 Spannungsregulierung geschaltet sind. Die internen Betriebsspannungen betragen +/- 21 Volt und +/- 15 Volt. Weitere prominente Elemente sind Übertrager, einer ist geschirmt, der größere, vermutlich der Ausgangs-Übertrager, ist ungeschirmt. Das Gerät hat ein solides Stahlgehäuse und macht einen sehr wertigen Eindruck.
Die Praxis
Beim RND 5254 handelt es sich, wie erwähnt, um einen zweikanaligen Kompressor. Beide Kanäle verfügen jeweils über einen eigenen Satz an Einstellungsmöglichkeiten, mit der Ausnahme des „Comp In“-Schalters, der auf beide Kanäle wirkt. Es wurde kein echten Bypass implementiert. Dieses hat den Nachteil, dass kein echter Klangvergleich möglich ist, da das Audiosignal immer ein Teile des Bearbeitungspfades geführt wird. Bei ausgeschaltetem Gerät wird das Signal nicht durchgeleitet.
Mit dem Kompressor freundet man sich schnell an, die Bedienelemente sind eigentlich selbsterklärend. Etwas ungewöhnlich ist eventuell die feste Kombination der jeweiligen Attack- und Release-Zeiten. Bei den meisten Kompressoren sind diese individuell einstellbar. Mit dem Fast-Schalter ist aber eine Verkürzung der jeweiligen Zeitkonstanten möglich.
Auf Einzelsignalen wie Snare und Kick kann man wunderbare Kompressionsergebnisse erzielen, gerade auch in Kombination von Fast-Schalter und Blend-Regler. So lässt sich aus einer Snare mit kurzen Attack-Zeiten und hoher Ratio wunderbar ein „Boing“ aus dem Signal generieren, dass man dann prima mit dem Blend-Regler zum Original mischen kann. Signale kann man subtil bis brachial komprimieren. Es findet, gerade bei milder Kompression, eine schöne Verdichtung statt. Es ist schon interessant, dass die verschiedenen Kompressortypen (Opto, VCA, FET, Diodenbrücke) bei ähnlicher Einstellung ziemlich unterschiedlich arbeiten. Der Diodenbrücken-Kompressor ist im Arbeitsverhalten schon einzigartig.
Das Hochpassfilter im Sidechain arbeitet prima. Der Arbeitspunkt ist zwischen 20 und 250 Hz stufenlos regelbar, und, wie bereits erwähnt, mittels Schalter vollständig aus dem Detektorpfad herausnehmbar.
Ausgangspegel des RND 5254 bei 10 dB Kompression mit und ohne HPF bei 250 Hz.
Die Bedienung im Stereo-Link-Modus ist noch hervorzugeben. Man kann beide Kanäle mit einem Satz Schaltern, bzw. Potis bedienen, wobei jeweils der niedrigere (extremere) Wert übernommen wird. Die wesentlichen Parameter sind also im Stereomodus für beide Kanäle mit einem Satz Bedienelemente einstellbar. Für den Ausgangspegel muss man sich dann entsprechend auf ein Meter oder seine Ohren verlassen. Auch die Blend-Regler sind nur individuell einstellbar.
In der Praxis wünscht man sich für komplexere Stereosignale doch manchmal eine individuelle Beeinflussung des Attack/Release-Verhaltens. Die gegebenen A/R-Kombinationen können funktionieren aber manchmal wünscht man sich doch eine individuelle Steuerung.
Die VU-Meter zeigen die Pegelreduktion sowie das Ausgangssignal recht ordentlich an. Wie bei allen aktuell am Markt erhältlichen analogen Zeigerinstrumenten wird das Zeitverhalten jedoch kaum adäquat wiedergegeben. Das Meter scheint immer langsamer als das tatsächliche Signalverhalten. Hier wäre eine LED-Kette wohl präziser, würde aber halt nicht zum Vintage-Look passen.
Fazit
Der RND 5254 ist ein vielseitig einsetzbarer Kompressor mit einer alten, nicht so häufig verbauten Steuerungstechnik. Er kann mit subtilen, aber auch brachialen Ergebnissen aufwarten, wobei eine Art Vintage-Flair immer gegenwärtig ist. Die Zahl der am Markt angebotenen Diodenbrücken-Kompressoren ist überschaubar. Hier hat Rupert Neve Designs mit dem 5254 eine moderne Inkarnation des alten Steuerungsprinzips erschaffen.
Der Straßenpreis ist mit ca. 3.800 Euro eher am oberen Ende der Preisskala angesiedelt. Dafür bekommt man zwei verkoppelbare Kompressorkanäle in kleiner, Rack-freundlicher Bauform.