Rupert Neve Design Newton Channel
Kanalzug mit Mikrofonvorverstärker, Equalizer, Kompressor und Sättigungsstufe
Auto: Matthias Fuchs | Fotos Peter Kaminski u. Matthias Fuchs (1)
Als Rupert Neve in 2005 erstmals seine Portico-Reihe vorstellte, war nicht abzusehen, welcher Erfolg damit einher gehen würde. Heute ist Rupert Neve Designs zu einer beachtlichen Firma gewachsen und verfügt über ein ebenso umfangreiches wie breit gefächertes Portfolio an hochwertigen Studio-Werzeugen. Zu den aktuellsten Produkten des mittlerweile in den USA ansässigen Herstellers zählt der hier vorgestellte Newton Channel.
Im Vergleich zum deutlich kostspieligeren Shelford Channel 5035, welcher mit zahlreichen Vintage-Attributen glänzt, setzt Newton Channel 5034 nicht auf Rupert Neves gloriose Frühwerke, sondern präsentiert sich mit seiner effizienten Ausstattung eher zurückhaltend als modernes Studio Tool für anspruchsvolle Tonschrauber. Dank seines, vergleichsweise moderaten Preises, kann der Newton Channel auch für Projektstudios eine interessante und realistische Alternative sein. In den nachfolgenden Abschnitten wollen wir den RND Newton Channel genauer unter die Lupe nehmen.
Konzept und Technik
Beim Rupert Neve Designs Newton Channel handelt es sich um einen Mono-Kanalzug mit vier Sektionen. Man findet einen Mikrofonverstärker, EQ, Kompressor sowie eine Ausgangsstufe. Letztere verfügt über die mittlerweile legendäre und für den Erfolg der RND-Geräte maßgebliche Silk-Schaltung. Schaltungstechnisch könnte man den Newton Channel als modernen Klassiker bezeichnen: Vollständig auf Basis hochwertiger Operationsverstärker aufgebaut, verzichtet er bewusst auf allzu viele klangfärbende Goodies. So arbeitet der Class-A-Preamp ohne Übertrager und bildet damit den Ausgangspunkt für einen maximal klaren und modernen Sound.
Dem Preamp folgt ein dreibandiger Equalizer mit semiparametrischen Mitten sowie Tiefen- und Höhenbändern, letztere mit Shelving-Charakteristik und je zwei wählbaren Eckfrequenzen ausgestattet. Der EQ kommt also recht minimalistisch daher. Auch hier zeigt sich das moderne Konzept dieses Kanalzuges – im Gegensatz zu den Neve-EQs der frühen 1970er Jahre (und des aktuellen Shelford Channels) kommen hier keine spulenbasierten Filter zum Einsatz. Stattdessen ist das Schaltungsdesign mit dem der Portico-Modelle 5032 und 5033 verwandt. Entsprechendes finden wir beim Kompressor: So arbeitet hier nicht etwa ein optisches Regelelement oder Rupert Neves legendäre Diodenbrücke sondern eine VCA-Schaltung nach RNDs aktuellstem Rezept.
Um zu verhindern, dass Newton allzu sauber und vielleicht sogar ein wenig charakterlos daherkommt, findet sich am Ende des Signalweges ein Ausgangsübertrager und – wie schon erwähnt – Rupert Neves großartige Silk-Schaltung. Sie ist seit langem bekannt als leistungsfähiger „Schönfärber“ im besten Sinne und reichert, soviel sei an dieser Stelle schon verraten, das Ausgangssignal mit seidig klingender Sättigung an. Schaltfunktionen des Newton Channels werden über Relais gesteuert. Zwei separate Schaltnetzteile versorgen das Gerät mit den Betriebsspannnungen von +/– 16 Volt.
Der RND Newton Channel befindet sich in einem sehr soliden 1-HE-Stahlblechgehäuse mit kompakten 206 Millimeter Einbautiefe. Das Gehäuse ist sehr hochwertig gefertigt und lackiert und sein drei Millimeter starkes Alu-Frontpanel trägt nicht unwesentlich zu den gut vier Kilogramm Gesamtgewicht des Gerätes bei. Der Gehäusedeckel ist sinnvollerweise mit Kühlschlitzen ausgestattet. So bleibt Newton immer angenehm kühl.
Auf der Rückseite befindet sich eine Kombibuchse für das Eingangssignal (maximal +23,6 dBu Eingangspegel). Einen dedizierten Line-In oder gar einen hochohmigen Eingang für den direkten Anschluss einer E-Gitarre bietet der Newton Channel leider nicht. Ausgangsseitig finden sich zwei XLR-Buchsen – eine davon dient als Main-Out und gibt das „normale“ Line-Signal aus (maximal +23,6 dBu). Der zweite Ausgang führt ein, um 6 dB reduziertes Signal. Das ist recht praktisch, denn bei aufgedrehter Silk-Schaltung können sehr hohe Ausgangspegel entstehen, die sich nicht über die Regler abschwächen lassen. Den Übertragungsbereich (-3 dB) gjbt der Hersteller mit 5 Hz bis 140 kHz an und das Rauschen mit Unity Gain am Ausgang mit -102 dBu, bzw. -107 dBu am -6 dB Ausgang.
Weiter findet sich ein Ground-Lift-Schalter sowie eine Link-Buchse für den Kompressor-Stereobetrieb. Vervollständigt wird die effiziente Ausstattung des Newton Channels mit Kaltgerätebuchse und Netzschalter – beides sehr willkommen, auch wenn man sich den Netzschalter auf der Gerätefront gewünscht hätte. So wäre das gelegentliche Energiesparen noch einfacher gewesen.
Bedienung
Die Bedienelemente sind, typisch für sämtliche RND-Produkte, als leicht gerasterte Potis mit 31 Stufen und Alukappen ausgeführt. Sie fühlen sich ebenso gut an wie sie aussehen. Die exzellente Verarbeitung des Gerätes spiegelt sich im dezent-edlen Look, der wiederum den klanglichen Charakter des Gerätes aufgreift.
Schauen wir uns das Bedienfeld des RND Newton Channels an und verfolgen den Signalweg von links nach rechts. An erster Stelle befindet sich der Mikrofonvorverstärer. Ein Drehschalter bestimmt die Verstärkung in 6-dB-Schritten bis 66 Dezibel. Das Trim-Poti mit Regelbereich +/– 6 dB dient der Feinabstimmung und erweitert die Verstärkung auf insgesamt +72 dB. Somit liefert der Newton Channel genug Dampf, um auch den Betrieb von leisen Bändchen-Mikros zu ermöglichen. Ein zuschaltbares Hochpassfilter mit 12 dB/Oktave und Regelbereich zwischen 20 und 250 Hertz entfernt störende Tieffrequenzen aus dem Signal. Die obere Eckfrequenz ist dabei angenehm hoch angesetzt. Phantomspeisung und Phasenumkehrschalter vervollständigen die Ausstattung des Preamps.
Der zuschaltbare Dreiband-EQ bietet eine ähnlich kompakte Ausstattung wie der Preamp: Während das Mittenband mit einem breiten Regelbereich zwischen 220 Hertz und 7 Kilohertz parametrisch ausgelegt ist, bieten die Tiefen und Höhen mit Shelving-Charakteristik nur jeweils zwei umschaltbare Einsatzfrequenzen. Sie liegen bei 60 bzw. 150 Hertz sowie bei acht und 16 Kilohertz. Letztere ist recht hoch angesetzt, erfüllt aber die Forderung nach rechlich „Luft“ und „Glanz“ im Signal.
Der Kompressor des Newton Channels kann wahlweise vor oder hinter dem EQ platziert werden. Auch er lässt sich via True-Bypass aus dem Signalweg entfernen. Es handelt sich um einen modernen VCA-Kompressor mit Soft-Knee-Charakteristik. Die Einstellmöglichkeiten beschränken sich auch bei diesem Modul auf das Wesentliche: Man findet einen Threshold-Parameter mit Regelbereich von -30 bis +20 dB in 31 Rasterstufen. Die Ratio ist auf 2:1 festgelegt. Die Ansprechzeit ist ebenfalls fix (20 Millisekunden) und so gewählt, dass der Kompressor die Transienten des Programmsignals weitgehend unbeeinflusst passieren lässt. Die Release wird nach Gehör zwischen „fast“, „med“ und „slow“ (50 ... 500 Millisekunden) bestimmt. „Gain“ bietet eine Aufholverstärkung von -6 bis +20 dB – auch hier wieder in 31 Stufen regelbar. Eine optische Kontrolle der Kompression findet sich als LED-Kette in der Ausgangssektion des Gerätes.
Schließlich und endlich folgt die möglicherweise interessanteste Baugruppe des Newton Channels, die mittlerweile legendäre Silk-Schaltung, die natürlich auch hier nicht fehlen darf. Ihre Bedienung ist denkbar einfach: Ein Taster wählt den Frequenzbereich, in dem die Betonung der Harmonischen erfolgt (Tiefen/Mitten bzw. Hochmitten/Höhen). Die Intensität des Effekts regelt das Poti „Texture“ in – wer hätte es gedacht? – 31 Rasterschritten.
Praxis
Betrachten wir zunächst die einzelnen Segmente des RND Newton Channels gesondert. Schon bei alleiniger Verwendung des Vorverstärkers zeigt sich, dass das Gerät durchaus über einen eigenen, wenn auch sehr zurückhaltenden Charakter verfügt: Im Bassbereich verleiht der Newton Channel dem Programmsignal minimal aber spürbar mehr Gewicht, ohne dabei auch nur im Geringsten seine Konturen zu verwaschen oder seine Räumlichkeit einzuschränken. Die Höhen erscheinen sehr schön klar und seidig. Versuche mit unterschiedlichen Mikrofontypen bestätigen diese Eindrücke. Darüber hinaus erhält der Vorverstärker sehr genau den Charakter des jeweiligen Mikros. So reproduziert er ebenso mühelos die feingezeichneten Details eines U87Ai wie den organischen, runden Klang eines RCA 44BX-Bändchens.
Der nachfolgende EQ liefert wenig Spektakuläres und gefällt in erster Linie als angenehm einfach zu handhabendes Hilfsmittel, um aufzunehmende Signale möglichst ausgewogen in die DAW zu befördern. Abgesehen von einem Hauch zu viel Biss im Bereich um 1,8 kHz arbeitet der EQ sehr gutmütig und breitbandig. Das Höhenband liefert in der 16 kHz-Einstellung eine angenehme Portion Luft und Glanz. Falsch machen kann man mit diesem EQ (fast) nichts.
Ähnliches gilt für die Kompressor-Sektion. Dank gut getroffener Parameterabstimmung – das gilt vor allem für die unveränderliche Attack-Zeit – ist der Kompressor in der Lage, bei der Aufnahme als zuverlässiger Pegel-Manager zu dienen. Fährt man ihn kräftig an, arbeitet er sehr wirksam Transienten heraus und verhilft perkussivem Material zu intensivem Punch. Schade, dass es keine interne Option zur Parallelkompression gibt.
Last but not least die Silk-Schaltung: Während „Blue“ vor allem (Vocal)-Grundtöne herausarbeitet und das Signal damit präsenter erscheinen lässt, liefert „Red“ einen deutlich auffälligeren Effekt, für dessen Beschreibung sich Begriffe wie „Glanz“ und „Strahlkraft“ anbieten. Während Blue auch bei höheren Texture-Einstellungen immer sehr zurückhaltend arbeitet, sollte man Red eher vorsichtig anwenden um Ermüdungserscheinungen, wie man sie vom Exciter-Effekt kennt, zu vermeiden. Wohl dosiert, vermag die Silk-Schaltung jegliches Programmmaterial eine Spur präsenter, lebendiger und räumlicher zu präsentieren. In ihrer Gesamtheit betrachtet, ergänzen sich die unterschiedlichen Sektionen des Kanalzuges hervorragend.
Fazit
Der Preis beträgt für den Rupert Neve Designs Newton Channel, der auf ganzer Linie überzeugen kann, ca. 2.430 Euro. Es handelt sich um einen äußerst hochwertigen, modern und eher puristisch konzipierten Kanalzug mit hoher Effizienz. Der Newton Channel ist einfach zu handhaben und bearbeitet jede Art Eingangssignal überaus sauber und weitestgehend neutral, ohne dabei klinisch oder gar charakterlos zu wirken. Die legendäre Silk-Schaltung verhilft bei Bedarf zu einer subtilen Klangfärbung, die man seit Jahrzehnten mit einer klassischen Neve-Konsole assoziiert.
Während weitreichende Klanggestaltungsoptionen fehlen, besitzt dieser Kanalzug alles Notwendige, um jedwedes Programmsignal bestens aufbereitet in die DAW zu befördern – und das zu einem sehr attraktiven Kaufpreis, der auch Projektstudios hellhörig werden lässt. Also unbedingt mal antesten.