RME MADIface XT II
Kompaktes 394-Kanal USB 3.0 Audio-Interface
Autor: Erol Ergün | Fotos Peter Kaminski u. Erol Ergün (2)
RME stellt nach 2014 eine in vielen Funktionen aktualisierte zweite Version des besonders im professionellen Live- und Studiobetrieb eingesetzten MADI-Interfaces MADIface XT vor. Das kompakte USB 3.0 Audiointerface kann Dank fortschrittlicher Schaltungstechnik 394 Audiokanäle verarbeiten und verfügt über den mächtigen DSP-Mixer TotalMix FX mit flexiblen Routing-Optionen.
Konzept und Technik
Das RME MADI XT II wurde im Vergleich zum Vorgänger äußerlich nur wenig verändert und folgt der Unternehmenstradition, ohne Qualitätskompromisse möglichst viele Funktionen auf engem Raum unterzubringen. Das robuste Metallgehäuse ist mit den Maßen 215 x 44 x 130 mm und dem Gewicht von ca. 1,0 kg sehr solide und wertig verarbeitet. Gleiches gilt für die verwendeten Anschlüsse in stabiler Metallausführung und die im Lieferumfang enthaltene Kabelpeitsche für die Nutzung von MIDI und AES/EBU. Das mit gerade einmal einer Höheneinheit und Breite von 9,5 Zoll bemessene Gerät wird über ein externes Netzteil mit 100 – 240 Volt Wechselspannung versorgt und passt somit mit optional erhältlichen Winkeln in jedes national und international betriebene Rack.
Obwohl als MADI-Interface bezeichnet verfügt das RME MADI XT II neben zahlreichen digitalen auch über analoge Schnittstellen wie zwei Mic/Line-Anschlüsse, einen XLR-Stereoausgang sowie einen Kopfhörerausgang. Beide Mic/Line-Preamps verfügen über eine AD/DA-Wandlung mit 24-Bit und Abtastraten von 44,1, 48,0, 96,0 und 192,0 kHz.
Das Gerät lässt sich in drei Modi betreiben: Treiber-basiertes USB2/3, Standalone sowie Class-Compliant-Modus. Letzterer sorgt für eine native Unterstützung ohne Treiberinstallation von Betriebssystemen wie Windows, Mac OS X und Linux.
Apropos Verbindung: Interessant ist die Option, das Interface per USB-C mit dem Apple iPad Pro zu verbinden, da hier alle 196 Ein- und 198 Ausgangskanäle zur Verfügung stehen können - wenn die entsprechende Applikation diese hohe Anzahl von I/O auch unterstützt.
Als Mindestvoraussetzung zum Betrieb reicht ein Host-System mit Windows 7 und Mac OS X 10.6 oder höher, sowie mindestens USB 2.0, dass unter Windows CPU-seitig mit einer Intel Core i5 CPU oder höher ausgestattet sein muss. Für Apple iPhones oder iPads reicht iOS 9 oder höher, ggfs. das Apple iPad Camera Connection Kit oder ein USB-B zu USB-C-Kabel (Version USB 2.0 oder USB 3.0).
Rückseite
Rückseitig links oben befindet sich der 12V-Netzanschluss mit dem Ein- und Ausschalter. Gleich darunter ist der Class-Compliant-konforme USB 3.0-Anschluss untergebracht, der ohne zusätzliche Treiber auch mit USB 2.0 abwärtskompatibel ist. Rechts unten daneben befindet sich der USB-Remote-Anschluss für die optional erhältliche ARC-Fernsteuerung für die Steuerung von bis 15 zuweisbaren Funktionen des DSP-Mixers „TotalMix FX“. Es folgen oben zwei optische MADI I/O sowie unten ein koaxialer MADI I/O für die Ausgabe von jeweils bis zu 64 Audiosignalen mit 48 kHz. Daneben sind oben der Sony 9-Pin-Anschluss für die im Lieferumfang enthaltene Kabelpeitsche für einen MIDI I/O sowie einen AES/EBU I/O. Gleich darunter befindet sich der koaxiale Word Clock I/O für eine im nahezu Jitter-freie und damit hochpräzise Abtastraten-Synchronisierung mit anderen digitalen Geräten. Zu guter Letzt finden sich zwei analoge XLR-Ausgänge auf der rechten Seite für ein analoges Monitoring mit schaltbaren Ausgangspegel von +24 dBu, +19 dBu, +13 dBu, +4 dBu und einem Rauschspannungsabstand von 116 dBA.
Front
Die Vorderseite des RME MADIface XT II stellt die Anschlüsse und Anzeigen übersichtlich dar: Links zwei symmetrische Neutrik-Combi-Buchsen für Mic/Line-Signale mit einem Rauschspannungsabstand (SNR) von 118,5 dB (A) und regelbarem Gain von 75 dB, sowie je drei farbige LED zur Anzeige von Clipping, Signal und 48-Volt-Phantomspeisung. Mittig der Stereokopfhörerausgang in Form einer unsymmetrischen 6,3-mm-Klinke mit einem maximalen Ausgangpegel pro Kanal (32 Ohm Last, 0,1 % THD) von 210 mW (2,6 Veff, +10,5 dBu). Rechts befinden sich untereinander angeordnet vier Funktionsschalter für die Parametereinstellungen Mic/Gain, Mixer, Kanal sowie Setup.
Direkt daneben fällt das hochauflösende und hell leuchtende LCD mit LED-Hintergrundbeleuchtung ins Auge, in dem tatsächlich alle Eingangspegel, FX-Eingangskanäle und Ausgangspegel sowie FX-Ausgangspegel angezeigt werden. Im unteren Bereich des Displays haben es die Entwickler auch noch geschafft, die Auslastung des integrierten DSP, Pegelwerte des analogen Ausgangs sowie Kopfhörerausgangs und nebst aktueller Abtastrate auch noch den Clock-Status darzustellen. Last, but not least befinden sich rechts außen übereinander angeordnet zwei druckempfindliche Drehregler aus Plastik, mit denen sich alle menürelevanten Parameter einstellen lassen.
Bedienungsoptionen
Mit der bereits erwähnten optional erhältlichen ARC-Fernbedienung lässt sich der integrierte DSP-Mixer komfortabel bedienen. Besonders für Live-Setups auf der Bühne, Schlagzeugmixes oder Gesangsaufnahmen in der Kabine eignet sich die kostenlos auf der Herstellerseite für Windows und Apple OS die herunterladbare App TotalMix Remote, mit der sich über Ethernet oder WLAN der gesamte DSP-Mixer des Host-Systems inklusive Echtzeitdarstellung aller Pegel fernsteuern lässt. Wer übrigens ein Apple iPad besitzt, profitiert darüber hinaus von der kostenlos im App Store herunterladbaren iOS-Version, welche mittels WLAN-Verbindung das komplette Setup des DSP-Mixers abbildet.
Aber auch ohne diese Hardware lassen sich am Gerät alle notwendigen Funktionen mit Hilfe des detailreichen Displays und den präzise arbeitenden Drehreglern einstellen. So werden beispielsweise häufig genutzte Parameter wie Gain, Input und Systemsetup in unterschiedlichen Farbmarkierungen übersichtlich ohne umständliche Untermenü-Anwahl zügig dargestellt (s. Abb. oben).
Software
Ein Highlight zahlreicher RME-Audiointerfaces ist der integrierte DSP zur Echtzeitsteuerung anliegender Audiosignale in Form von flexiblen Routings für Recording, Mixes und Monitoring. Darüber hinaus stehen pro Kanal auch Effekte wie EQ, Dynamics, Reverb und Delay zur Verfügung. Die hierfür exklusiv zugeschnittene Software TotalMix ist kostenlos sowohl für Windows- als auch für Apple-Betriebssysteme auf der Downloadseite des Herstellers herunterladbar.
Das MADIface XT II bildet hier keine Ausnahme und profitiert angesichts der schieren Anzahl von 394 Audiokanälen von den umfangreichen Einstellmöglichkeiten, die sich je nach Einsatzzweck in Form von Snapshots abspeichern lassen. Als Sahnehäubchen ist auch der Analyzer DigiCheck für die präzise Messung des anliegenden Audiostreams für alle digitalen Ein- und Ausgänge integriert, der in Echtzeit anliegende Audiokanaldaten anzeigen kann. Dieser ist ebenso wie die oben genannte TotalMix-Software kostenlos auf der Herstellerseite herunterladbar und punktet mit flexiblen Anzeigen wie Pegelmeter, Spektralanalyse, Goniometer zur Bewertung des Stereobildes sowie Informationen über aktuell verarbeitete Bit-Auflösung. Das in aller Kürze zum Thema Software.
Praxis
Dank des Class-Compliant-Modus konnte das Gerät auch ohne Treiber unter Windows 11 sofort am Testsystem erkannt. In der USB-2.0-Variante ist dieser Betriebssystembedingt unter Windows 11 allerdings mit maximal 70 Wiedergabekanälen eingeschränkt, im USB 3.0-Modus gar nicht nutzbar. Um den vollen Funktionsumfang des MADIface XT II mit den flexiblen Routing- und Monitoring-Optionen des DSP-Mixers zu nutzen, empfiehlt sich ja ohnehin der Einsatz mit RME-Treiber. Der Installation entsprechender Systemupdates und Treiber-Downloads erfolgten reibungslos.
Wie bei RME üblich, glänzt das umfangreiche, auch auf Deutsch herunterladbare PDF-Manual neben der verständlichen Erläuterung aller relevanten Parameter mit zahlreiche Grundlageninformationen über Latenzen, Schnittstellen und Synchronisation. Über den gesamten Testzeitraum kam es zu keinerlei Abstürzen oder Verzögerungen bei der Darstellung der Audiodaten.
Angesichts der Möglichkeit, das Audiointerface auch im Standalone-Betrieb zu nutzen, kann man zwar alle relevanten Parameter am Gerät ohne Computer konfigurieren, wobei alle Drehregler und Buttons präzise und leichtgängig arbeiteten. In der Praxis empfiehlt sich jedoch ein Notebook oder PC mit aktivierter TotalMix-Software, die erstellte Konfigurationen komfortabel speichert. Diese ist auf den ersten Blick aufgrund der zahlreichen Audiokanaldarstellungen gewöhnungsbedürftig, aufgrund der dunkelgehaltenen GUI fallen auf Monitoren mit FHD-Auflösung kleine Icons nicht sofort ins Auge. Klasse, dass man das Fenster in unterschiedlichen Vergrößerungen mit bis zu 270 Prozent Darstellung anpassen kann.
Dynamische Analogaufnahmen mit beiden Mic-Preamps wurden druckvoll und verzerrungsfrei auf unserem Nuendo-Testsystem aufgezeichnet. Angesichts der sehr guten Werte des AD-Wandlers mit einem Rauschspannungsabstand 118,5 dB (A), einem THD+N von unter 0,00063 %, bzw. -104 dB war dies zu erwarten. Der Kopfhörerausgang konnte das anliegende Signal mit gegenüber dem Vorgänger verbesserten Werten von +19 dBu und einem Ohm Ausgangsimpedanz auch in lauten Umgebungen mit genügend Pegel ausgeben. Es war selbst bei sehr leisen Audiopassagen Dank einer D/A-Wandlung mit 116 dB (A) Rauschspannungsabstand kein Rauschen wahrnehmbar.
Bei den aufgerufenen Features mit fortschrittlicher Schaltungstechnik und umfassender DSP-Steuerung fühlte sich der Einsatz der im Lieferumfang enthaltenden Kabelpeitsche für die digitalen Schnittstellen MIDI und AES/EBU geradezu altbacken, aber sehr praktisch an. Aufgrund des kompakten Gehäuses würden bei einem MADI-lastigem Einsatz diese nur für besondere Fälle genutzten Schnittstellen MIDI und AES/EBU sehr viel Platz einnehmen. So lassen sich diese mittels Sub-D-Stecker bei Bedarf fest mit dem Gerät verbinden und für den mobilen Transport einfach lösen.
Das flexible Setting erlaubte die weitreichende Anpassung des eigenen Setups. Variable Puffergrößen von 32 bis 2048 Samples und Latenzen bei 44,1 kHz Abtastrate mit gerade mal 1,633 Millisekunde Ein- und 2,653 Millisekunden Ausgang unter Windows 11 konnten beeindrucken und unterstreichen den professionellen Standard, den RME konsequent verfolgt.
Fazit
Es ist beachtlich, wieviel Audiopower in diesem kleinen Stück Hardware steckt. Dank des leistungsstarken DSP-Mixers eignet sich das Gerät sowohl für den Bühneneinsatz als auch für Festinstallationen im professionellen Studio und benötigt keinen separaten Mixer.
Die stabilen Treiber erlauben erfreulich niedrige Latenzwerte mit Echtzeitfeeling. Die mächtige Software inklusive kostenlos erhältlichem Remote-Zugang für iPads ermöglicht selbst komplexeste Routings und sorgt damit für langanhaltende Konfigurationsabende.
Wer möglichst viele Audiokanäle am Hostrechner oder via Remotezugriff in hoher Qualität benötigt und in Echtzeit konfigurieren möchte, kommt also am MADIface XT II nicht vorbei, welches im autorisierten Fachhandel für ca. 2.400 Euro erhältlich ist.