Qu-Bit Aurora
Spektraler Hall und offene DSP-Plattform im Eurorack-Format
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Im Eurorack-Segment gibt es verschiedene doch sehr spezielle Reverb-Module. Dazu gehört auch das Aurora von Qu-Bit, welches seit Mai 2022 verfügbar ist und schon auf der NAMM 2020 vorgestellt wurde. Es ist klanglich von üblichen Reverbs, die sich an rein akustischen Vorgängen orientieren und versuchen, diese möglichst detailtreu nachzubilden, weit entfernt.
Konzept und Aufbau
Interessant wird es schon bei der Hardware. Über ein von Qu-Bit veröffentlichtes SDK (Software Developement Kit) auf Basis von C++ lässt sich für Aurora auch eine alternative Firmware entwickeln, so dass Aurora nicht nur als Plattform intern bei Qu-Bit genutzt werden kann, sondern auch Dritte Firmware auf dieser Hardware-Plattform implementieren können. Man wird mit der Zeit sehen, ob sich das etabliert und was so an alternativer Firmware angeboten wird. Auf jeden Fall ist das Modul sehr leistungsfähig. Sie basiert auf die bekannte Daisy Audio Plattform, die auch von anderen Herstellern, wie zum Beispiel Noise Engineerings Versio DSP-Plattform oder Modbap genutzt wird (s. Abb. unten) mit einer ARM Cortex-M7 MCU. Laut Hersteller hat der Prozessor, trotz seiner Leistungsfähigkeit, auch schon einiges zu tun.
Für die Bedienung mit einer alternativen Hardware gibt es übrigens auch ein Frontplatten-Overlay, was ohne Abmontieren von Buchsen oder Reglern aufgelegt wird und sich auch beschriften lässt.
Aurora arbeitet mit einer Abtastrate von 48 kHz. Der interne Phase Vocoder arbeitet 24-Bit Auflösung und das restliche Processing mit 32 Bit. Zum Einsatz kommen 24-Bit-A/D- und -D/A-Wandler.
Das Modul hat eine Breite von 12 TE und eine Bautiefe von 22 Millimeter. Die Stromaufnahme ist sehr Abhängig vom Eingangssignal und den Reglerstellungen und wir haben folgende Maximalwerte gemessen: für +12 V ein Spitzenstrom von 294 mA und bei -12 V einen von 8 mA. 5-Volt-Betriebsspannung wird nicht benutzt. Die Frontplatte besteht aus bearbeiteten Glasfaserplatte, wie man sie von Platinen her kennt und ist schwarz beschichtet. Aurora gibt es daher übrigens nur in Schwarz und nicht in Silber.
Das Reverb arbeitet nicht wie üblich in der Zeit-Domäne sondern in der Frequenz-Domäne mittels einer Fast Fourier Transfomation. Das bietet nicht nur einige Vorteile, wie zum Beispiel bei der Tonhöhenverschiebung, sondern bietet auch für ein Reverb ganz neue Möglichkeiten, auf die wir später noch eingehen werden.
Bedienung
Für das Laden von Einstellungen und neuer Firmware steht auf der Modulfront ein USB-A-Interface bereit. Ein kleiner USB-Stick wird mit dem Modul mitgeliefert. Über LEDs werden Linien auf der Frontplatte hintergrundbeleuchtet und übermitteln so über Farben System-, bzw. Parameterzustände.
Parameter und Regler
Es gibt für die Bedienung sechs Potis, auf die wir gleich im Einzelnen eingehen werden, sowie drei Taster für die Funktionen Freeze, Reverse-Reverb und noch eine Shift-Taste für spezielle Funktionen der Regler.
Mit dem Regler "mix" stellt man das Pegelverhältnis zwischen Originalsignal und Effekt ein. Wenn man das mit einem klassischen Hall vergleicht, dann könnte man "time" als Nachhallzeit bezeichnen, aber faktisch wird der Amplitudenanteil des Eingangssignals eingestellt. Mit dem Parameter "blur" wird dagegen die Frequenzkomponente des Eingangssignals justiert. Default-Stellung ist hier 12 Uhr. Der Klangcharakter des Effektsignals wird hier beeinflusst. Ganz nach rechts hört sich der Klang sehr metallisch an.
Ein Reverb besteht ja auch aus verschiedenen Delay-Lines. Mit dem Parameter "reflect" kann man zwischen verschiedenen Delay-Gruppen morphen. Wenn man den Regler von null bis zum Maximum langsam regelt dann hört man wie stufenlos durch die verschiedenen Delay-Gruppen fährt. Mit dem Parameter "atmosphere" kontrolliert der Anwender die Nutzung verschiedener Filter in der Zeit- und Frequenz-Domäne. In Mittelstellung werden keine Filter genutzt. Nach rechts und links gibt jeweils einen unterschiedlichen Charakter. Nach links kommt ein spektrales Filtern zur Anwendung, was der Hersteller zu Recht beschreibt wie "Whalesongs" und "Underwater Organs". Nach rechts werden die höheren Frequenzen forciert, bzw. höhere spektrale Anteile generiert und es gibt einen eher kühleren, bzw. klareren Sound.
Mit "warp" kann man ein Versatz in der Frequenzdomäne von -3 bis +3 Oktaven erzielen. Hilfreich ist hierbei die Rückmeldung des LED User Interface, die bei Reglerstellung exakt auf einer Oktave grün statt lila leuchten. Hiermit kann man auch Shimmer-ähnliche Sounds erreichen. Modulationen des Parameters sind ebenfalls sehr interessant. Zum ersten Experimentieren sollte man aber erst einmal die Mittelstellung wählen, um die anderen, zuvor beschriebenen Parameter, besser ergründen zu können.
Ein- und Ausgänge
Nun zu den 3,5-mm-Miniklinke Ein- und Ausgängen. "freeze" und "reverse" lassen sich auch über ein Steuer-, bzw. Gate-Signal extern kontrollieren (Schwellwert 0,4 Volt). Erwähnenswert ist, dass die Reverse-Funktion auch nach einen Aus- und Wiedereinschalten erhalten bleibt. Da hat jemand mitgedacht. Neben den beiden Ein- und den Audio-Ausgängen (Werkseinstellung 10 V Spitze-Spitze) gibt es noch CV-Eingänge zur Spannungssteuerung von alle sechs Parameter.
Shift-Funktionen
Kommen wir nun zu dem Shift-Taster, der einige Zusatzfunktionen bereitstellt. So lässt sich mit gedrücktem Shift-Taster und Mix-Regler der Eingangspegel anpassen. Bei Mittelstellung ist er auf üblichem Eurorack-Pegel, ganz links auf halben Default-Pegel - also abgeschwächt - und ganz rechts auf vierfachem Pegel. So kann man zum Beispiel also auch mit Line-Pegel-Signalen arbeiten.
Mit Shift und dem Reflect-Regler lässt sich die Stereobreite verändern. Ab Werk ist diese auf 75 Prozent eingestellt. Bei Reglerstellung ganz links ist kein Stereo-Processing vorhanden und bei Rechtsanschlag 100 % Stereo-Enhancement. Auch hier hilft das LED User Interface. Bei der Werkseinstellung sind rechte und linke Hälfte in blauer Farbe.
Mit Shift- und gleichzeitigem Druck auf die Reverse-Taster kann der Anwender auch noch die Blockgröße der FFT zwischen 512, 1024, 2048 und der Werkseinstellung 4096 Samples einstellen. Bei kleineren Blocklängen klingt Aurora dann zunehmend Lo-Fi-mäßig.
Es lassen sich auch bestimmte Parameter über eine Einstelldatei (options.txt) im Textformat laden. Das erfolgt manuell im Betrieb (Tasten Shift+Freeze) oder beim Hochfahren des Moduls. Hier lassen sich noch ganz spezielle Dinge einstellen, wie zum Beispiel die Reihenfolge der DSP-Bearbeitung (Spectral Domain in Time Domain oder umgedreht) oder ob bei Mix-Regler-Stellung "Dry" bei Freeze-Aktivierung auf Full-Wet geschaltet werden soll, ob Warp auf Halbtöne quantisieren soll und ob es eine Hysterese geben soll um die Oktave-Punkte bei Warp besser zu treffen etc.
Praxis
Ein spektrales Reverb ist klanglich für elektronisch erzeugte Instrumente eine äußerst interessante Sache denn die klanglichen Möglichkeiten gehen in eine ganz andere Richtung, wie man das von Reverbs im Zeitbereich arbeiten, gewohnt ist und daher ideal für das Eurorack-Segment - aber nicht nur.
Die Anzahl der Regler ist ja mit sechs überschaubar und man macht sich schnell mit den klanglichen Auswirkungen der einzelnen Parameter vertraut. Das Modul bietet sehr viel Raum für Experimente. Einige Parameter sind in der Einstellung aber durchaus feinfühlig zu bedienen. Besonders mit dem "mix" und "time" muss man gefühlvoll umgehen und wenn man das Instrument abgehört und einzeln eingestellt hat, dann im Zusammenklang mit anderen Instrumenten im kompletten Song auch ggf. nochmal nachregeln. Bei Synthesizern kann man eigentlich alles Mal ausprobieren mit Aurora zu bearbeiten, sowohl kurze perkussive Sounds als auch Solos und besonders auch Pads. Die Ergebnisse sind hier wirklich ausgezeichnet, da eben auch anders. Auch reine Perkussion und Drums kann man ein ganz anderes Flair verleihen, als mit traditionellen Reverb-Effekten.
Ich habe es auch mal mit Gitarre ausprobiert und ein vorverzerrtes Signal angelegt. Hier kommen schon sehr experimentelle Sounds heraus, aber für den Bereich Ambient oder Filmmusik durchaus interessant. Der Umgang muss dann aber auch noch etwas feinfühliger mit den Parametern erfolgen. Weniger ist halt manchmal mehr, denn der Ausgangsklang neigt schnell dazu komplett zu vermatschen. Das der Mix-Regler mehr als auf 12 Uhr steht sollte eher der Ausnahmefall bleiben, sonst ist vom Original häufig nicht mehr viel übrig und es gibt nur noch eine undefinierte Klangwolke.
Daher sind auch die CV-Eingänge bei Modulation mit LFOs oder Zufallsspannung vom Pegel her zurückhaltend zu versorgen. Externe Abschwächer sollte man hier auf jeden Fall immer am Eingang vorsehen um die Steuerspannungssignale im Zaum zu halten. Gerade kleine Modulationen der Parameter klingen besonders reizvoll. Auch die Möglichkeit über die Shift-Taste die Stereobasisbreite zu vergrößern sollte man mal ausprobieren.
Das Modul ist viel zu interessant, um es rein auf Eurorack zu beschränken. Die Audioqualitätwurde in den letzten Jahren auch immer besser. Daher habe ich schon seit einiger Zeit ein paar Ein- und Ausgänge auf eine Patchbay im Eurorack gelegt, um so auch Eurorack-Effekte in eine Produktion einzubinden, bzw. auch außerhalb des Eurorack-Geschehens zu nutzen. Im Eurorack-Segment gibt es schon das eine oder andere mit Alleinstellungsmerkmal und Qu-Bit's Aurora gehört auch dazu. Auch virtuelle Instrumente, die akustische Vorbilder abbilden, wie Streicherinstrumente, Piano usw., sollte man einmal Aurora ausprobieren. Die Kombination mit einem natürlichem Klang und dem bewußt synthetisch klingenden Hall hat nämlich aus seinen Reiz.
Bereits im August 2022 wurde mit dem "FDN Verb" die erste alternative Firmware vorgestellt, ein im Gegensatz zum Aurora klassischer Hall mit einem Feedback Delay Network mit Pitch-Shifting und Hoch/Tiefpass-Filter. Zum Betrieb muss man die Firmware-Datei auf eine USB-Stick laden, diesen in den USB-Slot von Aurora auf der Front einstecken und das Modul neu Starten (Power Reset) und das war es auch schon. Speziel für das FDN Verb gibt es auch neben dem universellem beschriftbaren Overlay ein spezielles Overlay für diese Firmware.
Fazit
Der Preis für Aurora beträgt ca. 400 Euro. Für die Verabreitung und das klangliche Ergebnis ist das absolut gerechtfertigt. Interessant ist noch anzumerken, dass Qu-Bit auf alle seine Module eine lebenslange Garantie gibt.
Klanglich taucht man mit Aurora in ganz andere Reverb-Welten ein, die besonders für Synthesizer klanglich äußerst interessant sind. Vieles klingt mehr nach einer zusätzlichen Klang-Generierung als nach typischem Hall. Sehr schön auch, dass das Modul für den Stereobetrieb vorgesehen ist. Gespannt darf man sein, was noch so alles an alternativer Firmware erscheint.