Overloud TH-U RockGuy

Simulation des legendären Rockman Sustainor und Chorus/Delay

Autor: Peter Kaminski

chorus delay

Wir haben schon die Overtone's TH-U in einem Test bei proaudio.de vorgestellt und mittlerweile sind schon viele verschiedene Simulation-Packs hinzugekommen. Im Januar 2022 wurde dann das RockGuy für TH-U angekündigt, eine Simulation der Klassiker Rockman Sustainer und Chorus/Delay. Diese Erweiterung ist aber nicht nur für bisherige TH-U-Besitzer von Interesse sondern lässt sich auch ohne andere TH-U-Packs einsetzen.

Als ich von der Verfügbarkeit des TH-U RockGuy gehört hatte, kam schnell der Entschluss das Plug-In zu kaufen. Eigentlich war kein Test geplant aber meine Begeisterung als alter Fan des Rockman X100 und Sustainor war so groß, dass ich mich doch dazu entschlossen habe. Viele unserer Leser kennen die legendären Produkte von Tom Scholz vielleicht auch gar nicht und daher möchte ich zunächst über die Vorbilder berichten.

Die Vorbilder

Der "Rockman X100", bzw. "Rockman Soloist" aus den 80er-Jahren war ursprünglich eine Idee und Entwicklung von Tom Scholz, dem Gründer der Band "Boston". Er hatte ein Walkman-ähnliches Design und war eigentlich zum Üben ohne Amp mit Kopfhörer gedacht. Damals eine Revolution und auch ohne Amps- und Cabinet-Simulation - was es damals ja noch garnicht gab - klang das Teil überraschend gut. Der Rockman war auch meine erste Station auf dem Weg E-Gitarre ohne Amp direkt in Pult zu spielen oder über Kopfhörer zu hören. Meine damaligen Nachbarn haben Tom Scholz sicherlich persönlich gedankt.

Der Rockman wurde aber auch bei den Profis im Studio zunehmend gerne benutzt und von Bands wie Rush, REM und ZZ TOP eingesetzt und prägte auch entscheidend den Gitarren-Sound der 80er Jahre. Den Ursprüngliche Rockman gibt es zwar nicht mehr, aber mit dem "Rockman Guitare Ace" ist eine abgespeckte Version in einem ähnliche Gehäuseformat verfügbar - klanglich und von den Funktionen aber nicht vergleichbar mit dem Original.

Die Entwicklung ging aber weiter und so wurden Ende der 80er Jahre die Rockmodule entwickelt. Basis des Systems war der "Sustainor", der die Möglichkeiten des Rockman abbildete, aber mit seiner Funktionalität und den Einstellungen deutlich flexibler war. Statt Schalter gab es nun Schieberegler und es gab einen Kompressor und ein Gate, sowie ein in der Frequenz einstellbares Filter. Chorus- und Delay-Funktion, beim Rockman lediglich ein- und ausschaltbar, wurden nun zu einem eigenen Gerät mit einstellbarer Modulationsrate, Feedback usw. Neben diesem "Chorus/Delay" gab es noch eine ganze Reihe von anderen Rockmodulen wie Stereo Chorus, Stereo Echo, EQ und Compressor, die sich aber nie richtig im Markt durchgesetzt hatten, da es genügende Produkte dieser Art gab und die Rockmodule auch nicht besser oder anders waren.

Voraussetzung und Installation

Overloud TH-U, bzw. auch das RockGuy-Plug-In, lässt sich auf verschiedenste Plattformen nutzen. Für macOS und Windows gibt es eine TH-U-Stand-Alone Software sowie VST2-, VST3- und AAX-Plug-Ins. Zudem gibt es RockGuy auch als kaufbare In-App-Erweiterung für TH-U für iOS Devices.

install

Die Installation erfolgt über einen Installer.

lizenz

Man bekommt einen Autorisierungs-Code, der dann in der TH-U-Software oder dem Plug-In zur Freischaltung einzugeben ist (s. Abb. oben). 

Bedienung

thu

Über die grundsätzliche Bedienung des TH-U (s. Abb. oben unter Windows 10) und TH-U auf iOS (s. Abb. unten auf dem iPad) findet man in dem schon erwähnten TH-U Test.

ipad

Die Handhabung der iOS-App ist erfreulicherweise sehr an die der Desktop-Version angelehnt.

RockGuy Sustain

sustain

Der Prozessor "RockGuy Sustain" entspricht von der Funktionalität dem Rockman Sustainor, von dem es vier Untermodelle (100, 100A, 200, 200Double IC) in insgesamt ca. 20 etwas unterschiedlichen Versionen gab. Da es bei TH-U zum RockGuy keine dedizierte Anleitung gibt hier an dieser Stelle einige ausführlichere Erklärungen.

Es gibt die vier Bearbeitungssektionen Kompressor, Gate, Distortion/Filter und Ausgangssektion.Über den Power-Schalter kann man den gesammten Prozessor auf Bypass schalten - was sich beim Original über einen angeschlossenen Fußschalter durchführen ließ. 

Beim Kompressor lässt sich sich das Gain im Bereich -10 bis +8 dB einstellen und es gibt einen Schalter für die die Gain-Reduction, bzw. Sustain-Länge. Über drei virtuelle Indikator-LEDs wird die Kompressoraktivität angezeigt, wie beim Original.

Das High-Frequency-Gate lässt sich über einen Schalter aktivieren und die Triggerschwelle wird über einen Regler eingestellt. Auch hier gibt es eine Indikator-LED die anzeigt wann das Gate aktiv ist.

Es gibt vier Distortion/Filter-Betriebsarten:

  • DIST für starkes Overdrive mit deutlicher Anhebung der Mitten,
  • EDGE mit nicht ganz so starkem Overdrive und weniger angehobene Mitten und geringerem Sustain,
  • CLN mit einem Clean Sound mit Sustain und EQ ähnlich DIST und EDGE sowie
  • CLN2 einem zweiten Clean Sound der etwas heller ist.

Dazu gibt es drei Optionsschalter. Mit BOOST (beim Original GAIN BOOST) lässt sich der Eingangspegel der Distortion-Stufe in Stellung DIST und EDGE erhöhen. Über die Option AUTO (eigentlich AUTO CLEAN) kann man im EDGE-Modus den Pegel aufholen lassen wenn der Gitarren-Pegel abgeschwächt ist. Ist GAIN BOOST ebenfalls an so werden dann die Mitten etwas betont. SEC steht für SEMI CLEAN und zerrt den Clean Sound im CLN-Modus leicht an und erhöht das Sustain etwas. Mit dem Regler TREB TRIM lassen sich im Modus DIST und EDGE die Höhen leicht anheben oder absenken.

Über den Taster PHASE (im Original PHASE NOTCHER) versuchte man Multi-Speaker-Cabinets über Notch-Filter zu simulieren. Also wichtig wenn man den Sustainor direkt ins Pult - ohne Amp-Nutzung - einspeist. Zwei der Notch-Filter sind in der Frequenz variabel und lassen sich über den Regler FREQ einstellen (800 Hz ... 3 kHz und 2 ... 7 kHz).

In der Ausgangssektion gibt es noch ein Treble-Booster bei 4 kHz mit bis zu 20 dB Gain sowie einen Ausgangspegelregler im Bereich -5 bis +10 dB Gain. Das Original hat noch einen Fußschaltereingang, um beim Spielen von Rhythmus-Akkorden den Pegel um einen bestimmten, einstellbaren Wert zu mindern. Auf diese Funktion hat man bei der Simulation eben verzichtet.

RockGuy Chorus/Delay

chorus delay

Einer der ersten Geräte die nach dem Sustainor folgten war das Modul "Chorus/Delay". Delay deshalb weil die Zeiten sehr kurz waren. Es ist also kein Echo.

Es gibt eine Eingangssektion mit wählbarem Input-Gain-Pegel und einer Headroom-Anzeige mit vier virtuellen LEDs. Mit dem Schalter MODE SELECT wählt man an ob die Chorus-Sektion (links) oder die Delay-Sektion (rechts) aktiviert wird. Man muss sich für ein der beiden Effekte entscheiden.

Die Modulationsgeschwindigkeit des Chorus lässt sich mit dem virtuellen Schieberegler SWEEP SPEED einstellen (0,25 bis 1 Sekunde). Über den Taster NORM/LONG lässt sich eine leichte Verzögerung aktivieren, so dass der Gitarren-Sound gedoppelt wird.

In der Delay-Sektion lässt sich die Verzögerungszeit in zwei Bereichen von 20 bis maximal 200 Millisekunden einstellen.  Weiter kann man das Feedback-Pegel und den Pegel des verzögerten Signals mit DELAY VOL einstellen.

Auf der rechten Seite gibt es wieder den Schalter POWER für die By-Pass-Funktion sowie zwei Schalter, und zwar links einen für den Stereo-Modus im Chorus-Betrieb und rechts einen für die Stereo-Basisbreite im Delay-Betrieb. Über eine virtuelle LED über den Schaltern wird angezeigt welche der beiden Schalter aktiv ist.

Der Schalter für den Chorus-Betrieb regelt wie das Direktsignal und Effektsignal auf die beiden Stereokanäle Links/Rechts verteilt wird. WIDE bedeutet hier direktes Signal ganz links und Effekt ganz rechts mit gleichem Pegel. Bei NORMAL ist das Panorama von Direkt und Effekt nicht bei 100 Prozent sondern etwas niedriger (ca. 75 Prozent) und bei Stellung EQUAL ist auf beiden Kanälen je zur Hälfte Direkt und Effektsignal (Mono-Betrieb) und bei SUBTLE ist das Effektsignal um 50 Prozent (-6 dB) abgeschwächt (auch Mono-Betrieb - also linker und rechter Kanal identisch).

Im Delay-Modus stellt man mit dem Schalter die Stereobasisbreite ein. Oben ist die größte Stereo-Basisbreite und die Schalterstellung unten ist Mono (linker gleich rechter Kanal). 

Effekte und Prozessoren

fx

Im Lieferumfang des RockGuy sind auch noch folgende fünf Effekte enthalten: SDriveOn Overdrive, AmpTrem Tremolo, D-Delay, D-Reverb und CHR-2 Chrorus. Diese sind auch im TH-U Pro enthalten aber wenn man RockGuy ohne sonstige TH-U Libraries einsetzen möchte, dann hat man eben diese Effekte auch noch an Bord.

par eq

Darüber hinaus ist auch noch der vierband TH-U "Parametric EQ" (s. Abb. oben) und der "VCA Comp" Kompressor (s. Abb. unten) im Lieferumfang enthalten - auch ein Bestandteil des TH-U Pro Lieferumfangs.

vca comp

Praxis

Bei Simulationen stellt sich immer die Frage, wie nah kommt man dem Original. Von der Bedienung und Einstellung hat mal alle sinnvollen Funktionen vom Original übernommen. Leider fehlt eine genaue Beschreibung der Funktionen für diejenigen, die die Rockman-Produkte nicht kennen. Wer aber diesen Artikel hier sorgfältig gelesen hat, der ist mit der Bedienung dann auch vertraut.

Wenn man ein paar Presets abruft, dann kommt sofort der typische Gitarren-Sound der 80er auf, was aber sowohl für die verzerrten Sound in Stellung DIST gilt als auch für die angezerrten Sounds in Stellung EDGE und die beiden Clean-Modes. ZZ TOP und REM lässt grüßen. Eigene Klangvorstellungen lassen sich schnell finden und einstellen. Gerade die verzerrten Sounds haben einen gewissen Alleinstellungsmerkmal - wie ich finde. Der Chorus/Delay ist eine schöne Zugabe, aber hier gibt es ja auch mit den mitgelieferten TH-U CHR-2 und TH-U D-DELAY klangliche Alternativen. 

Jetzt aber zur Frage wie nah ist man mit dem TH-U Sustain am Sustainor Original. Da es ca. 20 verschiedene Versionen des Sustainor gibt und diese auch leicht anders klingen und auch von Seiten der Bauelemente Streuungen gibt, ist diese Frage gar nicht so direkt zu beantworten. Ein A/B-Vergleich mit einem Rockman Sustainor 100 bestätigte, dass man sehr nah dran ist. Hier kommen aber auch noch die Klangeigenschaften des Audio-Interfaces mit ins Spiel und ich würde sagen, dass man in einem Blindvergleich keine Chance hat herauszufinden, ob man einen Original Rockman Sustainor oder den THU RockGuy Sustain gerade hört. Die Simulation ist wirklich sehr gelungen. In unserem direkten Vergleich klingt der TH-U Sustain bei gleichen Einstellungen einen Hauch wärmer (und wie ich finde sogar einen Hauch besser), aber wie gesagt: ob das Interface oder die Bauteiletoleranzen den Unterschied ausmachen lässt sich nicht feststellen. Ich glaube besser kann man eine Simulation des Sustainor nicht mehr hinbekommen.

Fazit

Der Normalpreis des RockGuy für Windows- oder macOS-Rechner liegt bei 49 Euro und ein Bezug ist über den TH-U Shop/Account möglich. Wer TH-U für iOS sein eigen nennt der kann RockGuy für 99 Cent über einen In-App-Kauf erwerben.

Die Simulation ist absolut gelungen und sein Geld wert. Ich bereue den Kauf nicht. Sound-mäßig ist es eine sehr gute Alternative zu den üblichen FX/Amp/Cabinet-Simulationen und bereichert auch ggf. schon vorhandene TH-U Rig Libraries. RockGuy setzt klanglich ganz andere Akzente, da es ein synthetisch/elektronischer Sound ist und eben keine typische Amp/Cabinet-Emulation.

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