Noise Engineering Imitor Versio und Desmodus Versio
Echo- und Halleffekt-Module im Eurorack-Format der Versio-DSP-Plattform
Autor und Fotos: Peter Kaminski
Noise Engineering brachte Ende 2020 das Desmodus Versio (Hall) und dann etwas später auch noch das Imitor Versio (Echo) heraus. Aber eigentlich müssen wir im Zusammenhang mit den Modulen von einer Versio-DSP-Plattform sprechen denn da geht noch mehr.
Versio-Plattform
Die Module sind 10 HP breit und haben eine Höhe von lediglich 39 Millimeter. Das interessante an den Modulen ist, dass sie bis auf Frontplatte und Firmware identisch sind.
Für die Versio-DSP-Modul-Plattform bietet Noise Engineering auch alternative Firmware an. Zurzeit des Tests (März 2021) gab es mit "Ampla Versio" eine Firmware die ein Multimode-VCF (Hoch-, Tief- und Bandpass), ein VCA, ein ADSR-Hüllkurvengenerator mit stufenlos veränderbarer Kurvenform (von logarithmisch über linear zu exponentiell) und ein Chorus-Effekt in einem Modul vereint und das mit Stereo-Ein- und Ausgängen. Weiter gibt es mit dem "Electus Versio" ein Modul für synchroniserten Delays und geclockten Reverb-Effekten.
Als eigenes Hardware-Modul wurde dann im März auch der "Ruina Versio" vorgestellt, ein Stereo-Verzerrer mit Wavefolder-Funktion, Octavizing, Phase Shifting und vieles mehr.
Noise Engineering bietet neben den Panels für Imitor Versio, Desmodus Versio und Ruina Versio auch ein universelles Panel für alternative Firmware an (bezeichnet mit "Versio"). Ein Panel für Ampla Versio oder Electus Versio ist nicht geplant. Geplant und in Arbeit sind aber laut Noise Engineering weitere Firmware-Alternativen.
Die Programmierung erfolgt über eine Micro-USB-Schnittstelle auf der Modulrückseite (s. Abb. oben) und einer Chrome-App. Man muss also den Chrom-Browser für die Programmierung nutzen. Nach dem Verbinden über ein USB-Kabel mit dem Computer muss man das Modul über die beiden Taster auf der Modulrückseite ("BOOT" und "RESET" gleichzeitig drücken und zuerst "RESET" und dann "BOOT" loslassen) in den Programmierstatus versetzen.
Nun verbindet man über Klick auf "Connect" das Modul mit dem PC und kann dann nach entsprechender Auswahl des USB Devices (DFU in FS Mode) und der gewünschten Firmware das Modul programmieren. Windows-Anwender müssen als Zwischenschritt noch den Zadig USB-Treiber installieren. Wie das Ganze vorgeht ist aber auch auf der Web-Site des Herstellers gut beschrieben. Nun aber wieder zurück zu unseren beiden Versio-Modulen im Test.
Desmodus Versio
Das erste Modul der Versio-DSP-Plattform war das Desmodus Versio welches auf der NAMM 2020 vorgestellt wurde. Desmodus ist lateinisch für bestimmte Fledermäuse-Arten (Vampir-Fledermaus z. B.: Desmodus rotundus), wie man auch mit Blick auf die Frontplatte vermuten kann. Der Hintergrund ist der, dass ein Teil des Erlöses des Moduls an eine Organisation zur Erhaltung der Vampir-Fledermäuse geht. Nun aber zurück vom Tierreich zum Reich der Elektronik und Musik.
Desmodus Versio verfügt über ein Stereo-Ein- und Ausgang, wobei sich der Eingang auch monophon beschalten lässt. Alle Parameter die der Anwender einstellen kann, lassen sich auch mit einer Steuerspannung kontrollieren. An dieser Stelle möchten wir einmal auf die einzelnen Parameter eingehen, denn die geben einen guten Einblick in das Konzept des Reverbs, das sich in einigen Punkten von den üblichen Halleffekten absetzt.
Zunächst einmal gibt es drei "Styles", wie Noise Engineering es nennt und zwar ein Modus für einen linearen Hall, der relativ Clean ist und ein Limiting (LIM) in der Reverb-Schleife (Reverb Tank) bietet, um so auch Rückkopplung nutzen zu können. Der zweite Style ist ein Modus der dem linearen Verhalten entspricht, aber kein Begrenzung im Reverb Tank vorsieht und eine leichte Verzerrung aufweißt (DST). Der dritte Style ist ein Shimmer-Modus, bei dem ein Signal, welches um eine Oktave in der Tonhöhe transponiert ist, dem Eingang wieder zugeführt wird. Dann gibt es noch drei Betriebsarten, die bestimmen, wie sich der Halleffekt bei Modulation von Parametern verhält. Blend bedeutet sehr weiche Übergänge, bei LRP werden leichte Änderungen in der Delay-Zeit wahrnehmbar und bei JMP (steht für Jump) werden drastische Änderungen der Delay-Line-Zeiten möglich.
Nun zu den Reglern. Mit "Blend" wird das Verhältnis zwischen Original und Effektsignal eingestellt. Über "Tone" lässt sich ein Filter im Hallpfad nutzen und zwar bei Reglerstellung links ein Tiefpass und nach rechts ein Hochpass. In Mittenstellung gibt es keine Filterwirkung. Mit "Regen" wird der Grad der Rückkopplung des Hallwegs auf den Eingang eingestellt. "Size" ist der Parameter für die Nachhallzeit und mit "Dense" stellt man die Dichte der einzelnen Reflektionen ein. Mit dem Regler "Index" wird die Modulation der Delay-Lines-Zeiten im Hallpfad eingestellt und zwar einmal der Grad der Modulation (in Mittenstellung erfolgt keine Modulation) und über den Reglerbereich auch die Art der Modulation (links Zufallssignal und rechts LFO mit Sinuswellenform). Die Modulationsgeschwindigkeit wird mit dem Regler "Speed" bestimmt.
Über den FSU-Taster kann man das Eingangssignal vom Hallpfad trennen und zudem wird die Rückkopplung auf den Eingang maximiert. Die Folge ist eine Oszillation die bis zum Maximum ansteigt und dann solange vorhanden ist, bis man den Taster loslässt. Die Funktion kann auch mit einem Steuersignal über den FSU-Eingang kontrolliert werden.
Ein guter Startpunkt ist Blend, Tone, Index und Size in Mitte und dann mit Regen und Dense etwas herumspielen und ggf. dann die anderen Regler nutzen. Besonders mit dem Regler Regen muss man sehr sensibel umgehen und erst einmal mit kleinen Werten anfangen, da sonst schnell eine Oszillation herbeigeführt wird.
Imitor Versio
Nun zum zweiten Modul der Versio-DSP-Serie, welches Ende des Jahres 2020 veröffentlicht wurde. Imitor Versio ist ein Delay-Modul mit zwölf Anzapfungen (Taps). Zwischen den Modulen Desmodus Versio und Imitor Versio gibt es vom Konzept und der Bedienung her einige Parallelen. Auch hier stehen Stereo-Ein- und Ausgang bereit und eine monophone Eingangsbelegung ist möglich (nur linken Eingang beschalten). Mit "Blend" kann der Anwender auch wieder das Verhältnis zwischen Originalsignal und Effekt einstellen und "Regen" ist ebenfalls wieder der Anteil der Rückkopplung auf den Eingang.
Mit "Time" wird die Zeit eingestellt bis das Echo beginnt und mit "Spread" die Abstandszeit zwischen den einzelnen Echos. "Skew" gestattet die Einstellung der Abstände der Echos relativ zueinander. In Mittelstellung ist der Abstand der einzelnen Echos gleich. Mit "Angle" lassen sich Stereoeffekte erzeugen in dem die Echos-Anzapfungen entsprechend im Stereobild wandern.
Mit "LFO" lässt sich die Modulation eines Bandpassfilter in der Verzögerungskette aktivieren und zwar in Form eines Zufallssignals (links) oder Dreiecksignals (rechts). Über "Tap" lässt sich die Delay-Zeit manuell (mit dem Taster) oder über ein Steuersignal (über den Eingang) synchronisieren.
Der Schalter LIM/DST/SHM hat im Prinzip die gleiche Funktion wie beim Hall-Modul. Besonders interessant ist der Schalter darunter, mit dem man den Delay-Verlauf einstellen kann. Klassischerweise über die Zeit mit abnehmenden Pegel, das heißt, dass Signal wird immer leiser aber auch gleichbleibendem Pegel oder ansteigendem Pegel bis zum Ende des Delays ist über die mittlere und untere Schalterstellung möglich.
Um mit den Parametern und deren Bedeutung erst einmal klarzukommen, sollte man Blend, Skew, Angle und LFO auf Mittenstellung, Regen maximal auf 9 Uhr-Position, Time auf 0 und Spread dann mal leicht variieren. Dabei aber das Delay-Ende abwarten. Wenn man diese Funktion wahrgenommen hat, sollte man die Einsatzzeit mit Time variieren und dann mit dem Skew-Parameter experimentieren. Wenn man mit den einzelnen Regelfunktionen nicht vertraut ist, kann dies schnell zu unerwünschten Resultaten führen und man dann als Anwender nicht mehr weiß, an welchem Regler man drehen muss, um vom aktuellen Effekt wieder in Richtung des gewünschten Resultats zu kommen. Das Zusammenwirken der einzelnen Regler kann schnell sehr komplex werden.
Praxis
Die Stromaufnahme der beiden Module liegt bei +12 und-12 Volt jeweils bei ca. 70 mA. Die 5-Volt-Versorgungsspannung wird nicht benötigt.
Was man im Zusammenhang mit der Modulation einzelner Parameter auf jeden Fall benötigt sind Abschwächer, wie zum Beispiel den preiswerten, dreifach Abschwächer 3x ATT von ph modular oder den Atenuverter von Befaco für die zugeführten Modulationssignale, um den Grad der Modulation einstellen zu können. Solche Abschwächer sollten man sowieso immer im Rack haben. Die Modulationen von Parametern führen zu sehr interessanten und sehr experimentellen Klängen. Überhaupt muss man sagen, dass beide Module, im positiven Sinne, klanglich sehr experimentell genutzt werden können. Die klangliche Bandbreite und die Ergebnisse gehen über die der klassischen Delays- und Reverb-Algorithmen deutlich hinaus. Die Effekte sind zum Teil ziemlich verrückt aber nicht minder interessant.
Bei beiden Modulen muss man besonders auf die behutsame Einstellung des Regen-Parameters achten, da die Echo/Hall-Effekte sonst schnell zu Dicht klingen und nur noch bei perkussiven Klängen einsetzbar sind oder sich das Ganze sogar anfängt zu oszillieren. Anders herum kann man aber besonders mit kurzen, perkussiven oder pulsartigen Klängen sehr schöne Resultate erzielen. Gerade Passagen mit Einzelinstrumenten lassen sich so beleben. Bei Imitor Versio bietet die Möglichkeit statt eines üblichen Abklingens eine relativ konstanten oder inversen Lautstärkeverlauf zu ermöglichen, ebenfalls interessante Klangresultate. Auch in Verbindung mit Sequenzen ist eine Verwendung der Module sehr zu empfehlen. Mit Imitor Versio wird so aus einfachen Schlägen von ein zwei Drum-Modulen oder einfachen melodischen Sequenzen hochkomplexe Rhythmen.
Es gibt ja Module, da hat man nach ein paar Minuten Erfahrung alles im Griff und es lassen sich auch keine neuen Erkenntnisse mehr gewinnen. Das ist bei den Imitor Versio und Desmodus Versio definitiv nicht der Fall. Da kann man schon mal ein paar Stunden mit Experimentieren verbringen und es wird dabei auch nicht langweilig. Auch das Arbeiten mit Samples oder E-Gitarre hier sicherlich interessant.
Fazit
Der Preis der Module liegt bei ca. 360 Euro. Wer nach neuen Delay- oder Reverb-Klängen Ausschau hält, der kommt an Imitor Versio und Desmodus Versio nicht vorbei. Die Module sind kein klangliches Allerlei sondern spezielle Kost für den Sound-Gourmet und experimentierfreudigen Synthesizer-Enthusiasten und vor allem Sounddesigner. Die angekündigten Firmware-Versionen versprechen auch dauerhaft viel Neues. Schade nur, dass man die Module zum Programmieren der Firmware immer ausbauen muss.
Noise Engineering bietet nach und nach Module auch als Plug-Ins an. Im ersten Bundle ist Desmodus Versio auch enthalten. Über die Plug-Ins werden wir noch getrennt berichten wenn sie auch als VST-Plug-Ins verfügbar sind.