Neumann V 402

Zweikanaliger Mikrofon-Preamp im 19-Zoll-Format

Autor: Markus Thiel | Fotos: Markus Thiel und Archiv

aufmacher

Dass Mikrofonhersteller eigene Preamps fertigen ist im fortgeschrittenen Digitalzeitalter mittlerweile doch eher selten geworden. Umso überraschender, wenn eines der weltweit renommiertesten Unternehmen im Mikrofon-Business aktuell mit einem analogen Vorverstärker im 19-Zoll-Format die internationale Bühne betritt. Doch braucht die Welt eigentlich noch einen weiteren Mic-Preamp? Unter dem Gesichtspunkt, dass man das grundsätzliche Konzept eines solch speziellen Vorverstärkers unter der Maßgabe moderner Anforderungen noch einmal komplett neu denkt und sich dafür dann auch mal anderthalb Jahre Entwicklungszeit gönnt – auf jeden Fall.

Wer nun erwartet, dass Neumann mit dem V 402 einen speziell auf die Bedürfnisse der eigenen Mikrofonlinien zugeschnittenen Preamp liefert irrt zum einen, liegt auf der anderen Seite aber auch gold-richtig. Grundlegende Maxime und Ziel beim Design des vorliegenden Vorverstärkers war das Erreichen absoluter Klangneutralität – sozusagen die reine und nicht färbende Vision einer Verstärkerschaltung. Sollte diese Rechnung aufgehen, dürfte der zweikanalige V 402 zwar bei den heißesten Stammtischdiskussionen unter Tontechnikern zum Thema Klangcharakter der Lieblingshardware außen vor bleiben, dafür aber in eine komplett eigene und weitgehend konkurrenzfreie Liga aufsteigen.

Design

Dem folgend ist es nicht besonders verwunderlich, dass der jüngste Neumann-Zugang anders als von vielen erwartet mit dem bekannten und bis in die 90er-Jahre gebauten (und nach den damals gültigen Konventionen der Rundfunktechnik natürlich mit Transformatoren ausgestatteten) Konsolenmodul V 476 B aus gleichem Hause bis auf das Logo wenig Gemeinsamkeiten aufweist. Der V 402 arbeitet was seinen Signalweg angeht komplett „eisenfrei“ und verfügt mit abbildbaren 10 Hz bis 100 kHz über einen bemerkenswert großrahmigen und ausgesprochen linearen Frequenzbereich.

Die maximal pro Kanal erreichbare Verstärkung liegt zwischen +20 dB und +60 dB was einem für die meisten Anwendungen ausreichenden Regelweg von 40 dB entspricht. Ohne aktivierte Pad-Schaltung (-20 dB) akzeptiert der zweikanalige Preamp in diesem Zusammenhang Eingangssignalstärken bis 8 dBu, welche inklusive Dämpfung in der Praxis dann logischerweise bis auf 28 dBu ansteigen dürfen (Hi-Z +21 dBu) und deckt zudem einen Dynamikbereich von 129 dB ab.

In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass der Amp konzeptionell zwar über keine ausgewiesene Line-Schaltung verfügt, sich per Pad entsprechenden Signalen aber durchaus aufgeschlossen zeigt. Auf der anderen Seite besitzt der V 402 für seine Klasse obligatorisch natürlich über einen schaltbaren und über die Front zugänglichen Hi-Z-Eingang, welcher mit satten 3,3 Megaohm Eingangsimpedanz überdurchschnittlich gut dimensioniert wurde.

Umsetzung und Fertigungsqualität

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Bereits das mit seinen 6,2 kg schwere aus Stahl mit dicker Aluminiumfront gefertigte Gehäuse des Neumann V 402 verrät, dass dieses Gerät für viele Jahre intensiver Studioarbeit konzipiert wurde. Buchsen, Regler und die mit Leuchtring versehenen Schalter für Hi-Z, Pad, Phase, Phantomspeisung und Lowcut erwecken ebenfalls den Eindruck als wären sie für die Ewigkeit gemacht. Diese Philosophie setzt sich im Inneren zudem konsequent fort. Der Kanalaufbau verzichtet zugunsten von zahlreichen Hochleistungs-IC bis in die Eingangsstufe vollständig auf „freie“ Transistoren. Dementsprechend aufgeräumt präsentiert sich das im Groben aus vier räumlich getrennten und nur durch Flachbandkabel verbundenen Platineninseln bestehende Interieur.

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Das automatisch zwischen den Bereichen 100 bis 120 Volt und 220 bis 240 Volt selektierende Netzteil wurde um einen soliden Ringkerntransformator und hochwertige Elkos herumgebaut und hält einen ehrfürchtig vorbildlichen Abstand zum Signalweg, was zusätzliche Abschirmungsmaßnahmen in diesem Punkt komplett unnötig macht. In Grundzügen entlehnt sich das Design für diese explizit Schaltnetzteil-freie Spannungsversorgung aus der Netzteillösung der Reissue des Mikrofonmodells U67 aus gleichem Haus. Die verbauten 50-Kiloohm-Stereo-Potis für die Gain-Regelung des bekannten japanischen High-End-Herstellers Alps runden das Bild zusätzlich ab.

Klang

Es ist schon beeindruckend wie dieser Verstärker in der Praxis komplett verfärbungsfrei über den gesamten Gain-Bereich und ohne wahrnehmbares Grundrauschen, geschweige denn den Anstieg eines solchen operiert. Was man hingegen deutlich hört, ist die Güte und Klangcharakteristik des jeweils angeschlossenen Schallwandlers. Auf Line-Level angehoben wird die Abbildungsleistung eines Mikrofons schonungslos weitergereicht, während der Amp mit höflicher Bescheidenheit komplett in den Hintergrund tritt. Der mit chirurgischer Präzision bei 60 Hz ansetzende integrierte Low-Cut bildet hier ebenfalls keine Ausnahme.

Eine echte Besonderheit stellt zudem der integrierte Kopfhörerverstärker dar, der sich in der Praxis als absolute High-End-Lösung entpuppt und klanglich von einer netten Dreingabe gar nicht weiter entfernt sein könnte. Im Gegenteil trotzte der V 402 im Test auch einer Zweckentfremdung als einiges an Reserven bietender HiFi-Headphone-Amp. Natürlich hätte man sich bei der Integration eines Kopfhörerausgangs in einen Mikrofonvorverstärker noch eine zusätzliche Möglichkeit zur Einspeisung eines AUX-Signals für eventuelle Talkback-Anwendungen wünschen können. Im Sinne des dem V 402 zugrundeliegenden Purismus ist Letzteres aber auch zu verschmerzen.

Interview

Im Interview mit proaudio.de erläutert Produktmanager Sebastian Schmitz noch einige grundlegende Designmerkmale des V 402:

proaudio.de: Was muss ein moderner Mikrofonvorverstärker heute leisten?

Sebastian Schmitz: Die Anforderungen sind heute komplett andere als in den 80ern. Beispielsweise haben wir bei der Entwicklung des V 402 sehr viel Zeit auf das Thema HF beziehungsweise EMV verwendet. Die Anzahl von Dingen die Einstreuungen verursachen können sind über die letzten Jahrzehnte rapide angestiegen. Einiges an Erfahrung konnten wir da bereits mit unseren digitalen Mikrofonen sammeln bei denen wir einen Wandler samt allem was der im hochfrequenten Bereich so absondert in direkter Nähe zu einer ausgesprochen empfindlichen Kondensatorkapsel platzieren mussten.

proaudio.de: Dabei unterstützt wahrscheinlich auch die vermehrte Verwendung von IC-Elementen gegenüber einem klassisch diskreten Aufbau.

Sebastian Schmitz: Ganz klar. Wir haben uns im Vorfeld sehr genau angeschaut was da den meisten Sinn ergibt und das war in vielen Fällen eben nicht automatisch der diskrete Aufbau. Wenn man alle Aspekte berücksichtigt geht es doch darum, das wir ein solides und verlässliches Arbeitsgerät erhalten welches im Ernstfall nicht durch ein vergessenes Handy im Raum eine Aufnahme ruiniert. Neben der klaren Anordnung von Bauteilen und Platinen im Gehäuse haben wir mit einem rückseitigen Ein- und Ausschalter zum Beispiel ebenfalls aus EMV-Gründen auch ganz bewusst darauf verzichtet die Netzspannung noch einmal komplett durchs Gehäuse zu ziehen.

proaudio.de: Auf welche Features wurde im Zuge des Gesamtkonzepts sonst noch Wert gelegt?

Sebastian Schmitz: Im Laufe intensiver Hörtests haben wir beispielsweise auch noch mal die Impedanz des Instrumenteneingangs geändert. Da wir auch hier die gleiche Ehrlichkeit und Knackigkeit gewährleisten wollten, sind wir von anfänglich etwas über ein Mega-Ohm auf ganze 3 MO gegangen. Auf diese Weise lässt sich dann letztlich auch das Signal eines E-Bass-Tonabnehmers schön trocken und präsent übertragen.

Auch beim integrierten Kopfhörerverstärker haben wir einiges an Entwicklung investiert, da auch hier die Ausgangsimpedanz einen immensen Einfluss auf den letztlichen Klang des angeschlossenen Kopfhörers ausübt. Für das beste Ergebnis und einen klaren unteren Mittenbereich – so zwischen 100 und 250 Hz – benötigt man schon einen möglichst kräftigen Verstärker mit einem maximal niederohmigen Ausgang – im Fall des V 402 liegt dieser Wert bei 2O. Auch die Übersprechdämpfung in Kopfhörerausgängen ist heutzutage leider immer noch ein völlig vernachlässigtes Thema, welchem wir uns beim Design ebenfalls entsprechend angenommen haben.

proaudio.de: Standen digitale Elemente wie A/D-Wandler im Laufe der Entwicklung zur Debatte?

Sebastian Schmitz: Natürlich haben wir darüber nachgedacht, uns letztlich bezüglich der HF-Problematik aber auch im Sinne der Halbwertszeit dagegen und für die Umsetzung eines rein analogen Designs entschieden. Aus exakt diesem Grund befindet sich im V 402 auch eine analoge LED-Meteranzeige und kein digitales Display-Element.

Fazit

Mit dem V402 hat Neumann die Idee eines analogen Mikrofonvorverstärkers erfolgreich in das 21. Jahrhundert portiert und mustergültig umgesetzt. Seine farbfreie Neutralität in der Abbildung ist dabei gleichzeitig seine eigentliche Charakterstärke. Mit einem Straßenpreis von knapp 2.600 Euro ist der 19-Zoller in der Anschaffung natürlich alles andere als ein Leichtgewicht, dafür jedoch jeden einzelnen Cent wert und eine Investition für die Zukunft.

www.neumann.com