Neumann U 67
Autor und Fotos: Peter Kaminski | Fotos der U 67-Platinen: Neumann
Seit März 2018 bietet der deutsche Mikrofonhersteller Neumann den Klassiker U 67 in einer Neuauflage wieder an. Wir wollen einmal einen Blick zurück in die Vergangenheit der Tonstudiotechnik wagen, sowie natürlich auch einen Blick auf das neue U 67.
Geschichte und Technik
Eigentlich fing alles mit dem Neumann U 47 an. Telefunken brachte die rauscharme Röhre VF 14 auf den Markt, die eigentlich für den Einsatz in der Hochfrequenztechnik, wie zum Beispiel für Antennenverstärker, entwickelt wurde. Mit dieser Röhre als Basis entwickelte Georg Neumann 1947 das U47 mit der M7-Kapsel, die schon beim CMV 3 zum Einsatz kam. Dieses Mikrofon war in den 50er-Jahren der Standard und daher weit verbreitet. Als die im Neumann-Mikrofon verbaute Röhrenversion VF 14 M von Telefunken Ende der 50er-Jahre abgekündigt wurde, musste man sich etwas Neues überlegen. Gerog Neumann entwickelte ein komplett neues Mikrofon, was zunächst als U 60 in kleiner Stückzahl getestet wurde und ging dann - in Anlehnung an das U 47 - mit der Modellbezeichnung U 67 in Serie. Mit dem Ende der Fertigung des U 47 im Jahre 1965 begann dann auch der Siegeszug des U67 als ebenbürtiger Nachfolger.
Die Großmembran-Mikrofonkapsel die beim U 67 eingesetzt wird ist die Neumann K 67, die auch beim Neumann-Mikrofon U 87 oder TLM 67 zum Einsatz kommt. Es handelt sich dabei um zwei Druckgradientenempfänger, die sich elektrisch auf Kugel-, Niere- und Acht-Richtcharakteristik umschalten lassen. Als Membrane kommt eine goldbedampfte PET-Folie zum Einsatz, was zu der Zeit der Entwicklung des U 67 ein revolutionärer Werkstoff war.
Als Röhre hat man sich für die Pentode EF86 entschlossen, die sich auch in vielen anderen Komponenten wiederfindet, wie zum Beispiel in vielen Gitarrenverstärkern. Zum Glück wird diese Röhre daher bis heute hergestellt. Die Röhren die Neumann einsetzt werden vom selektiert und unterscheiden sich bei der Röhrenheizung geringfügig vom ursprünglichen Typ. Dazu später mehr.
Es kamen einige technische Neuerungen beim U 67 zum Einsatz. Über eine Gegenkopplung mittels spezieller Trafowicklungen hat man die Impulstreue beim U 67 gegenüber Mikrofonen mit Übertragern ohne Gegenkopplung deutlich verbessert sowie die Pre-Emphasis/De-Emphasis-Technik zur Minimierung des Röhrenrauschens. Auch gab es im U 67 eine Lötbrücke im Vorverstärker mit der sich (im geöffneten Zustand) der Übertragungsbereich nach unten hin etwas erweitern lässt. Diese Brücke ist aber standardmäßig vorhanden - also auch beim aktuellen U 67. Neumann gibt für das U 67 aus 2018 im Datenblatt einen Übertragungsbereich von 20 Hz bis 20 kHz an. Man findet bei anderen Unterklagen von Neumann zwar andere Angaben in der Vergangenheit aber die Kurve des Übertragungsbereichs des aktuellen U 67 ist absolut identisch mit dem des ursprünglichen U 67. Man hat hier damals lediglich andere Bewertungskriterien zur Definition des Übertragungsbereichs herangezogen.
Netzteil
Dass U 67 wird über ein externes Netzteil gespeist - also nicht über Phantomspeisung betrieben. Das Netzteil wurde komplett überarbeitet und heutigen Standards angepaßt und zwar sowohl was Sicherheit, als auch Bauteileverfügbarkeit und Qualitätsstandards angeht.
Die Anschlüsse und die Bedienung sind weitgehend identisch, aber gegenüber dem Original versetzt angeordnet. Das Netzteil ist nun weltweit ohne Umschaltung einsetzbar, da es sowohl für 110-Volt- als auch 230 Volt-Betrieb ausgelegt ist. Der Aufbau ist mechanisch genauso robust wie das Original. Es kommen zwar andere Stecker als bei dem Originalnetzteil zum Einsatz, die aber kompatibel zu den Steckern des Originalmikrofons und Netzteil sind. Daher kann ein Netzteil des neuen U 67 auch am Originalmikrofon genutzt werden.
Wenn man einen Blick in das geöffnete Innere des Netzteils wagt, dann sieht man, dass hier modernere Bauteile zum Einsatz kommen, so zum Beispiel der Ringkerntransformator in der Mitte der Platine (s. Abb. unten). Auch sind moderne Halbleiter-Spannungsregler verbaut. Für die Stabilisierung der Heizspannung war beim Originalnetzteil noch eine Zenerdiode im Einsatz.
Es ist auch so, dass der maximale Ausgangsstrom für die Röhrenheizung des NU 67 V größer ist als beim Originalnetzteil. Das ist auch für die im neuen U 67 verbauten Röhren des Typs EF 86 erforderlich denn bei diesen ist der der Röhrenheizungsstrom größer. Das ist auch der Grund warum ältere U 67-Netzteile (Typs NU 67 oder NU 67 A) nicht mit dem neuen U 67-Mikrofon genutzt werden können.
Mikrofon
Nun werfen wir einmal einen Blick auf das Innere des U 67. Das jeweils obere Foto zeigt das neue U 67 und das untere das Originalmikrofon. Man erkennt als erstes, dass unter der Kapsel der Schaumstoff fehlt. Hier hat man beim neuen U 67 auf zusätzliche PTFE-Schläuche gesetzt. Durch das Fehlen des Schaums kann sich hier keine Feuchtigkeit oder Schmutz mehr sammeln. Als zweites fällt einem das neue Leiterplattenmaterial auf. Beim ursprünglichen U 67 wurde in Kunstharz getränktes Hartpapier eingesetzt - was zu der damaligen Zeit der Standard war. Bei der aktuellen Variante wird dagegen FR4-Leiterplattenmaterial bestehend aus Glasfaser und Polystyrol-Kunstharz verwendet. Auf den Haltebügel für die Röhre hat man in der neuen Variante verzichtet, da die Röhre auch so durch die Kontakte im Sockel einen genügend festen Sitz gewährleistet.
Der prinzipielle Aufbau ist identisch aber überall dort wo es modernere Bauelemente gibt, die in Sachen Toleranzen oder Langlebigkeit bessere Werte bieten, hat man eben diese modernere Komponenten eingesetzt. Das sieht man nicht nur am Leiterplattenmaterial, sondern auch sehr gut an den eingesetzten Kondensatoren und Wiederständen (s. Foto unten). Auffällig ist, dass man den Rückkopplungskondensator allerdings in Styroflex-Bauweise belassen hat, um hier die gleichen klanglichen Eigenschaften zu erhalten.
Wichtig ist auch zu wissen, dass man nicht irgendeine EF 86 als Ersatz für das neue U 67 nutzen kann. Die neuen, selektierten EF 86, die auch ein Burn-In-Prozess durchlaufen, die Neumann verbaut und als Ersatz liefert, lassen sich auch in die originalen U 67 verbauen. Die Benutzung erfordert dann aber den Einsatz des neuen Netzteiltyps U 67 V.
Interessant ist noch anzumerken, dass im neuen U 67 nicht der original Übertrager BV12 zum Einsatz kommt, da es ihn so gar nicht mehr gibt, aber er der Übertrager wird nach Originalspezifikationen gefertigt und zwar mit dem gleichen Wicklungsanweisung und sogar vom gleichen Hersteller, wie bei der letzten Auflage des U 67.
Handhabung
Unten am Mikrofon ist der Multipin-Stecker für Anschlusskabel integriert (s. Abb. unten).
Die Bedienung ist wie beim Original. Die Richtcharakteristik lässt sich über einen Schalter einstellen. Einziger Unterschied ist, dass die Symbole für die Richtcharakteristik um 180 Grad gedreht aufgebracht sind.
Weiter gibt es auf der Gegenseite Schalter für 10-dB-Vordämpfung sowie einen Hochpass, der wie beim Original eine Grenzfrequenz von 200 Hz aufweist.
Letzteres war damals auch nicht unbedingt üblich aber das Closed-Mic-Recording wurde zur Zeit des Originals zunehmend angewandt und dafür wollte man auch eine Funktion für die Kompensation des Nahbesprechungseffektes bei gewählter Nierenrichtcharakteristik vorsehen.
Lieferumfang
Geliefert wird das Mikrofon in einem edlen Koffer mit Mikrofon, Netzteil, der Mikrofonspinne, Anschlusskabel sowie ein Netzkabel für das Netzteil. Das mitgelieferte Anschlusskabel für die Verbindung von Netzteil zu Mikrofon hat eine Länge von zehn Metern.
Bei der mitgelieferten handelt es sich um die original elastische Mikrofonaufhängung in Nickelfarbe in klassischer Konstruktion: die Spinne Z 48 (s. Foto oben).
Praxis
Wir hatten die Gelegenheit im Studio von The Marmelade in Hamburg das neue U 67 ausführlich mit einem Original zu vergleichen. Dazu Danke an das Team von The Marmelade.
Bevor wir auf die Details kommen, muss man aber einen solchen Vergleich gleich wieder in Frage stellen. Die Klangunterschiede bei originalen U 67 untereinander sind je nach Zustand und Alter hörbar. Einige U 67 wurden auch modifiziert. Es gibt daher verschiedenste Ursachen für einen Klangunterschied. Besonders die Röhre unterliegt natürlich Alterungserscheinungen und auch andere Bauelemente bis hin zur Membran in der Mikrofonkapsel. Was man aber natürlich haben möchte, wenn man jetzt ein U 67 kauft, ist der Klang des Originals im Neuzustand.
Wie auch immer, wir haben natürlich das aktuelle und ein altes U 67 gegengehört. Übrigens erkennt man alt und neu nicht nur an dem umgekehrten Richtcharakteristik-Symbol (früher hat man die Mikros oft hängend betrieben) sondern auch am Neumann-Logo, was bei den neuen Mikrofonen in Nickelfarbe daherkommt.
Die typische Charakteristik des U 67 ist natürlich sofort hörbar aber eben auch, wie zu erwarten war, hörbare Unterschiede im Detail. Gerade im Bassbereich klang das neue Mikrofon etwas runder. Ich könnte mir Vorstellen, das dass ein typischer Unterschied zu einem U 67 darstellt, das noch nie im Service waren. Eine neue Röhre und eine Überprüfung beim Neumann-Service können hier positives in Sachen Klang bewirken. Ggf. ist dann halt auch ein neues Netzteil U 67 V erforderlich.
Den Klang des U 67 könnte man wie folgt beschreiben: er ist primär eher Mitten-orientiert - ich möchte hier nicht von betont sprechen, denn das führt einen auf die falsche Fährte - und die Höhen werden nicht so stark angehoben wie man das von andere Mikrofone her kennt. Dadurch vermittelt es in den Höhen ein eher weicheres und runderes Klangbild, wobei es im Mix trotzdem einen sehr durchsetzungsfähig Klang produziert der insgesamt die Transparenz in der Aufnahme steigert ohne diese Instrumente zu forcieren. Gerade durch diese Mischung der Klangcharakteristika ist es so beliebt und nicht nur das. Das U 67 hat auch die Klangästhetik in der Tonstudiotechnik mit geprägt und nachhaltig beeinflusst.
Nicht jeder, gerade die jüngeren in unserer Branche, hat bisher die Gelegenheit gehabt einmal ein Neumann U 67 auszuprobieren. Da stellt sich die Frage nach dem Einsatzspektrums des U 67. Eigentlich eine leicht zu beantwortende Frage denn das U 67 ist ein absoluter Allrounder - ein wirkliches Arbeitstier in der Studiowelt, was sich bezogen auf aufzunehmende Instrumente extrem vielseitig einsetzen lässt. Das Spektrum geht von Gesang und Sprachaufnahmen über Einzelinstrumente wie Akustikgitarre, Streichinstrumente wie Cello oder Kontrabass sowie Bläser bis hin zu Overhead-Mikrofonie von Schlagzeug und Perkussionsinstrumenten und auch sehr beliebt das Abnehmen eines Gitarren-Amps mit dem U 67.
Dadurch, dass man heutzutage nun auch zwei Mikrofone wieder im Neuzustand kaufen kann ist auch der Einsatz als Stereopaar denkbar. Mit zwei älteren U 67 würde ich mich das nicht unbedingt trauen.
Fazit
Gefertigt wird das U 67 in Deutschland und zwar weitgehend in Handarbeit. Neumann hat sehr viel Zeit investiert um originale U 67 zu vergleichen und die Fertigungsprozesse nachzubilden. Das neue U 67 ist eine Wiederauflage, bei dem aber die technischen Eigenschaften in Punkte Langlebigkeit und technische Toleranzen etc. verbessert wurden und heutigen Standards angepasst wurden ohne sich bei den klanglichen Eigenschaften vom Original im Neuzustand zu entfernen. Das Einzige was die Verbreitung des Mikrofons in Grenzen halten wird ist wahrscheinlich sein Preis von knapp unter 6.000 Euro.