Native Instruments Guitar Rig 5 Pro
Amp- und Processing-Simulation für E-Gitarren-Recording
Autor und Abbildungen: Peter Kaminski
In unserer Serie über Gitarren-Recording möchten wir zunächst auf eine Software eingehen, die es schon länger gibt, nämlich Guitar Rig Pro 5 von Native Instruments für Windows und Rechner mit MAC OS X. Bereits im Sommer 2011 machte Native Instruments die Version 5 von Guitar Rig Pro verfügbar. Das letzte Update ist von 2016 mit der Version 5.2.2, also auch schon etwas her. Eine neue Version ist in absehbarer Zeit nicht geplant, wie wir auf Rückfrage von Native Instruments erfahren haben. Aber gerade weil die Software schon älter ist, hat der eine oder andere sie vielleicht nicht im Fokus. Funktionell hat sie jedoch einiges zu bieten und daher möchten wir auf diese Software einmal näher eingehen.
Mit dem Guitar Rig 5 Player gibt es auch eine kostenlose Version, die aber lediglich einen Amp und nur wenige Effekte bietet. Zum rein schnuppern und um das Konzept sich einmal anzuschauen ganz nett, aber wir möchten uns hier mit der Pro-Version beschäftigen, die unvergleichlich mehr bietet.
Bedienung
Zur Installation muss man, wie bei Produkten von Native Instruments üblich, die Software Native Access installieren und vorher bei Native Instruments einen User Account anlegen. Die Software-Installation lässt sich dann von Native Access heraus initiieren (s. oben). Nach der Installation steht sowohl eine Stand-Alone-Software bereit als auch ein Plug-Ins und zwar für Windows (nur 64-bit): VST und AAX und für Mac OS X: VST, AU und AAX. Die Plug-Ins sind von der Bedienung der Stand-Alone-Version nahezu identisch. Daher beziehen sich alle Abbildungen in diesem Test auf die Windows Stand-Alone-Version.
Über den Menüpunkt "Audio and MIDI Setting" lassen sich das Treibertyp und Audiointerface einstellen (s. Abb. oben) und die Schnittstellen für Ein- und Ausgänge belegen (s. Abb. unten). Neben den Eingängen für das Gitarrensignal und Audioausgänge (Stereo) sind auch noch zwei Sidechain-Eingänge anwählbar.
Über die Hauptbedienoberfläche lassen sich links unter dem Dialog "Options" (s. Abb. unten) diverse Parameter einstellen, wie die Fenstergröße in drei Größenabstufungen und die Rig Kontrol Hardware-Anbindung und Darstellung in der Software.
Neben der Standarddarstellung gibt es noch eine Live-Darstellung (s. Abb. unten) bei der man auf wichtigste Parameter Direktzugriff, wie schnelle Preset-Umschaltung oder Effekt-Aktivierung.
Diese Parameter lassen sich nicht nur mit der Maus aktivieren, sondern eben auch über einen angeschlossenen Guitar Rig 5 Kontrol verändern. Leider wird der Hardware Controller Guitar Rig 5 Kontrol schon seit einigen Jahren nicht mehr angeboten. Man bekommt ihn ggf. noch über ebay. Sonst bleibt einem eben nur die Bedienung über die Computer-Maus.
Die Software bietet schon eine ganze Reihe von Presets für alle möglichen Einsatzzwecke von Soft, Jazz über Rock, Havy, bis hin zu Ambient Sounds. Dabei werden die Presets strukturiert dargestellt. Alle eigenen Einstellungen lassen sich natürlich auch als Presets abspeichern und wieder laden.
Nun zu den einzelnen Bearbeitungskomponenten. Auf der rechten Seite der Software befindet sich die Darstellung der einzelnen Komponenten im Signalweg. Auf der linken Seite unter dem Dialog Components werden alle verfügbaren Audiokomponenten wie Verstärker, Cabinets, Effektprozessoren und sonstige Werkzeuge dargeboten, die man dann mit der Maus nach rechts in den Signalweg ziehen kann.
Die Anzahl der verfügbaren Components ist dabei so hoch, dass wir diese hier alle gar nicht auflisten möchten. Es gibt ein extra Handbuch, wo auf die einzelnen Komponenten im Detail eingegangen wird. Es handelt sich dabei weitgehend um Simulationen bestehender Produkte wie Amps und Cabinets etc. Leider verschweigt man auch im Handbuch, wahrscheinlich wegen urheberrechtlichen Problemen oder eingetragener Warenzeichen, die Namen und Hersteller der simulierten Produkte. Leider auch Angaben über Röhrentypen etc. Es findet sich im Handbuch nur eine Beschreibung des Klangs und empfohlenen Einsatzgebietes. Nicht immer ist das Original so einfach zu identifizieren wie ein Orange-farbiger Amp mit dazugehörigem Cabinet namens CITRUS (s. Abb. unten).
Es gibt mehrere Cabinets, wie zum Beispiel das "Matched Cabinet" (s. Abb. oben), welches immer automatisch beim Einfügen des Amps in die Signalkette mit eingefügt wird. Ein Cabinet besteht aus dem Lautsprecher sowie Mikrofone, die den Sound wieder aufnehmen. Die Pegel-Balance zwischen den Mikrofonen lässt sich verändern und auch der virtuelle Abstand der Mikrofone zum Lautsprecher. Über eine Auswahlliste lässt sich in ein anders Cabinet des gleichen Cabinet-Typs (im Fall oben das Matched Cabinet) auswählen. Neben dem Matched Cabinet gibt es noch den Cabinet-Typ Control Room sowie Control Room Pro (s. Abb. unten).
Beim Control Room Pro, welches mit der Version 5 von Guitar Rig Pro Einzug gefunden hat, lassen sich bis zu acht Setups betreiben, jeweils mit unterschiedlichem Speaker, Mikrofon, Mikrofonabstand und Raumanteil und Mikrofonposition am Speaker, Pegel sowie Panoramaposition.
In der Kopfzeile rechts im Signalpfad gibt es Regler für die Anpassung der Ein- und Ausgangspegel mit Bargrafen die den Pegel ausgeben, sowie noch eine Gate-Funktion, mit der man Nebengeräusche der Amps etc. in den Spielpausen unterdrücken kann. Weiter kann man das Processing auch komplett deaktivieren und es wird zudem die aktuelle Prozessorlast in Prozent angezeigt. Unter dieser Leiste lassen sich über eine weitere Leiste einige Standardwerkzeuge aktivieren, wie einen praktischen Gitarrentuner oder ein Metronom (s. Abb. unten) aber auch ein Pre- und Post-Tapedeck. Die Tapedecks sind Audiorecorder. Mit dem Pre-Tapedeck wird das unbearbeitete Eingangssignal und mit dem Post-Tapedeck das bearbeitete Signal aufgezeichnet. Dank des Pre-Tapedeck lässt sich so auch im Nachhinein die Bearbeitung des Gitarrensignals noch beliebig verändern.
Weiter gibt es noch eine Master FX-Sektion für die Bearbeitung am Ende der Signalkette. Jede Komponente lässt sich in der Darstellung des Signalpfads auch verkleinern, falls man sehr viele Komponenten verwendet und auch deaktivieren, was heißt, dass die entsprechende Komponente dann temporär aus dem Signalpfad herausgenommen ist.
Es gibt auch noch weitere Werkzeuge, wie zum Beispiel die Split-Komponente (s. dazu Abb. oben), mit der man zwei parallele Signalpfade kreieren kann (Split A/B), die am Ende dann wieder zusammengeführt werden (Split Mix).
Praxis
Soweit der funktionelle Überblick. Die Bedienung ist sehr einfach. Wer diese Zeilen zuvor gelesen hat, der sollte auch in der Lage sein ohne Handbuch Guitar Rig 5 Pro zu bedienen. Die Bedienung und das ganze Konzept ist sehr strukturiert und die Einarbeitungszeit sehr kurz.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage nach dem Sound. Es ist so, dass sowohl sehr konkrete Vorbilder gibt, die als auch Komponenten umgesetzt wurden, aber auch Komponenten, die eher in einer Anlehnung zu einem Klangtyp oder zu einer musikalischen Zeitepoche passen, ohne den Anspruch zu haben, ein konkretes Produkt mit allen Details eins zu eins zu simulieren. Das ist sicherlich auch mit ein Grund, warum man eben nirgendwo konkrete Produkte benannt hat. Es gibt ohne Frage Simulaltions-Software, die Gitarren-Amps konkreter und detaillierter abbildet, aber wenn man das Ziel hat, lediglich den eigenen Sound nach seinen eigenen Vorstellungen zu kreieren, dann geht das Konzept von Guitar Rig 5 Pro sehr gut auf, denn es bietet ja eine Fülle von Komponenten, mit denen sich fast alle eigenen Vorstellungen umsetzen lassen sollte. Bei den Hall-Komponenten kommen wohl Faltungshalls zum Einsatz. Diese stoßen aber schon manchmal klanglich an Grenzen, so dass ich gerne am Ende der Signalkette im Kanalzug in der DAW-Software einen sehr guten, modernen Reverb, wie zum Beispiel von Universal Audio, einsetze, um einen dichteren Klang zu haben.
Was man als sehr positiv herausstellen kann ist die erstaunlich geringe Prozessorlast. Wir haben den Test auf unserer XI-Machines X2 2017 Workstation durchgeführt. Im Stand-Alone-Betrieb war die größte, festzustellende Prozessorlast gerade einmal 13 Prozent. Bei den meisten Setup ist diese lediglich halb so groß oder noch darunter. Daher lässt sich Guitar Rig 5 Pro auch zum Beispiel gut auf nicht mehr ganz aktuellen Laptops einsetzen.
Fazit
Der Preis für Guitar Rig 5 Pro liegt bei ca. 200 Euro und ist direkt über Native Instruments zu beziehen. Auch wenn die Software in die Jahre gekommen ist, so bietet sie eine hohe Funktionalität, klanglich nicht mit dem Anspruch der absoluten detaillierten Nachbildung von Vorbildern aber dafür mit einer sehr großen Palette an verschiedensten Sounds und das verpackt in einer sehr einfach zu benutzenden Software-Oberfläche, die zudem sehr wenig Prozessorleistung beansprucht.