Microtech Gefell CMV 563 - M 7 S
Reinkarnation eines Mikrofonklassikers
Autor und Fotos: Markus Thiel
Es gibt sie, die Klassiker der Mikrofontechnik, ohne deren Entwicklung nicht nur die Geschichte der Aufnahmetechnik, sondern auch unter Umständen die Hörgewohnheit ganzer Generationen einen völlig anderen Weg beschritten hätte. Das CMV 563 – M 7 S gehört als unmittelbarer Nachfahre des in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts unter dem Spitznamen „Neumann Bottle“ weltberühmt gewordenen und nahezu zwei Kilogramm schweren CMV3A und auch neben anderen Röhrenmikrofonen wie dem C12 oder dem U47 definitiv dazu.
Konzept und Technik
Mit letzterem teilt der Klassiker auf Basis der gewachsenen Familienbande sogar das zugrundliegende M7-Kapseldesign. Das CMV im Namen des Modells 563, stand damals, wie auch bei der aktuellen Neuauflage für „Condensator Mikrofon Verstärker“ und tauscht analog zur heute gültigen Herstellerfirmierung das ehemals runde Neumann-Emblem gegen das aktuelle Logo des Vogtländer Unternehmens Microtech Gefell. Bis auf diese technisch unwesentliche Kleinigkeit, erweckt das in Hammerschlag gehaltene Äußere des aus der Vintage Line des Herstellers stammende Mikrofon allerdings insgesamt den Eindruck eines frisch aus der Zeitkapsel geschlüpften Originals – und irgendwie trifft es das auch ganz gut.
Eingebettet in die recht überschaubar puristische Verstärkerschaltung setzt die Wiederauflage auf eine in Richtung Rauscharmut handselektierte EF86 Pentode (unter anderem auch bekannt aus der ‚cleanen‘ Grundbestückung des Vox AC30), welche allerdings der klassischen Schaltung folgend als Triode betrieben wird und somit die ursprünglich eingesetzte und in DDR-Zeiten sehr gängige EC92 ablöst. In der Praxis wird so nicht nur ein besserer Rauschabstand, sondern im Hinblick auf die Vorlage im gleichen Zug auch ein optimierter Dynamikbereich erreicht.
Vom Design her war das von der Kommanditgesellschaft Georg Neumann & Co. entwickelte CMV 563 bereits in seiner Erstauflage als echter Allrounder mit modular austauschbarem Kapselsystem konzipiert. Neben der mitgelieferten und originalgetreu PVC-bespannten ‚M 7 S‘-Kapsel in Nierenausrichtung lassen sich auch historische Kapseln der M-Serie wie die M 8 S (Acht) oder M 9 S (Kugel) sowie die M 55 K verwenden. Mittels beiliegendem G/B-Adapter ist zudem auch der Anschluss der noch älteren Neumann M 7-, M 8- und M 9-Systeme möglich.
Ausführung
Angetrieben wird das Mikrofon von einem neu entwickelten und mit aktuellsten Bauteilen höchster Qualität gefertigten sowie optisch perfekt passenden Netzteil des Typs N 61, welches sich Bereich von 115 bis 230 Volt an 50- und 60-Hz-Netzen betreiben lässt.
Die Verbindung zwischen CMV 563 und Stromversorgung geschieht selbstverständlich stilecht klassisch über einen siebenpoligen Tuchel-Stecker, wohingegen der Signalausgang aus dem Netzteil über eine Standard XLR-Lösung in symmetrischer Ausführung realisiert wurde.
Für die Montage auf einem geeigneten Mikrofonstativ liefert Microtech Gefell eine sowohl formschöne als auch hervorragend gearbeitete Spinnenhalterung mit, mit welcher sich das CMV 563 über das mikrofonseitige Innengewinde felsenfest verschrauben lässt. Eine immer noch überzeugende Lösung die herkömmliche Klemm- oder Konterschrauben-Varianten auch 2020 noch alt aussehen lassen kann.
Praxis
Der optische sowie haptische Wertigkeitsanspruch spiegelt sich aber auch im Klang des Mikrofons wieder. Eine neutrale Abbildungsleistung gehört wie bei den meisten Klassikern nicht zur Paradedisziplin des Probanden, dazu besitzt das CMV 563 - M 7 S einfach viel zu viel Charakter – und das ist auch gut so. Mit seinem soliden Nahbesprechungseffekt und dezenten Lächeln ist man augenblicklich versucht den Klang mittels Inklusion einer viel-Nichts-sagenden Vintage-Sound-Floskel zu beschreiben. Dieses Mikrofon ist alles andere als ein Nischenarbeiter und vom Konzept her eher stolzer Universalist, der von der Instrumental- bis zum Gesangsaufnahme mit einer bemerkenswert flexiblen Performance überzeugt.
Die gewisse Portion Wärme, welche dieser Schallwandler unterschiedlichsten Klangquellen beizusteuern weiß, gehört zu einem der Aushängeschilder dieses Modells. Ein ehrwürdiges Stück Hardware aus einer Zeit wo auditiv empfundene Natürlichkeit bei der Entwicklung noch weitaus mehr galt als beeindruckende Messwerte und lineare Frequenzgänge.
Bedenken sollte man allerdings, dass man sich mit einer exakten Reissue eines über 60 Jahre alten Klassikers auch viele Features aus der Mitte des letzten Jahrhunderts wie einen Dynamikumfang von 99 dB, einen Grenzschalldruckpegel von lediglich 115 dB sowie einen Eigengeräuschpegel von 16 dB-A ins Haus holt. Puristen und Liebhaber klassischer Hardware wird dies vor lauter Aufwallen wild-nostalgischer Gefühle wohl auch nicht weiter stören. Das „neue“ CMV 563 tritt aber auch nicht an, die modernen Arbeitspferde der Studiowelt, mit ihren ganz anderen Ansprüchen, zu entthronen oder gar zu ersetzen.
Fazit
In wie weit es im Verhältnis steht Neuauflage eines historisches Produktes nahezu zum doppelten Preis eines gut erhaltenen Originals anzubieten, sei einmal dahingestellt und muss wohl von jedem Interessenten selber abgewogen werden. Qualitativ gibt es an Klang und Verarbeitung zumindest nicht das Geringste auszusetzen. Mehr noch, aufgrund der über die letzten Jahrzehnte doch stark gestiegenen Bauteilstandards und Beschaffungssituations-unabhängiger konstanter Ausgangsübertrager-Qualität bekommt man mit dem aktuellen CMV 563 M7 S zum Kurs von knapp 5.900 Euro (netto) wahrscheinlich eine der qualitativ besten Varianten dieses gesuchten und zu recht immer noch hoch geschätzten Mikrofons.