Mercuriall Ampbox

neue Simulationsplattform mit alten und neuen Amp-Simulationen und Effekten

Autor: Peter Kaminski

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Den italienischen Software-Hersteller Mercuriall gibt es seit 2015. Wir haben schon vor einiger Zeit die Amp-Simulation-Software bzw. das Plug-In Euphoria getestet und bei proaudio.de vorgestellt. Bei diesem Test geht es nun um die Software "Ampbox".

Es gibt ja bei den Gitarren-Amp-Simulationen zwei Software-Kategorien, nämlich einmal diejenigen, die einzelne Amps simulieren, wie zum Beispiel die von Neural DSP und die Produkte, die eine Vielzahl von Simulationen bieten, wie TH-U von Overloud. Bisher hat Mercuriall auch für jede Simulation eine eigene Software, bzw. Plug-Ins angeboten, auch wenn diese von der Bedienung sehr ähnlich waren. Mit der Ampbox hat sich dies geändert. Zurzeit des Tests wurden vier verschiedene Amp-Simulationen für Ampbox angeboten. Es werden aber weitere folgen, denn die Ampbox ist die Plattform für die nächsten neuen Preamps und weitere neue Funktionen.

Die Ampbox 1.1, die wir hier getestet haben, unterstützt auch die neue Neural Hybrid Engine 2.0, eine verbesserte Version der Simulations-Engine mit dem sogenanntem Power Link, bei dem auch die Effekte durch die Belastung der Endstufe auf die Spannungsversorgung, und somit auch rückwirkend auf den Vorverstärker, berücksichtigt werden. In der Ampbox werden sowohl bestehende als auch neue Preamps/Amps-Simulationen von Mercuriall bereitgestellt. Die einzelnen Preamps/Amps kann man einzeln erwerben und die Ampbox selber ist kostenlos. Man kann sich also die Ausstattung nach seinen persönlichen Bedürfnissen zusammenstellen. 

Voraussetzung und Installation

Das Herunterladen der entsprechenden Ampbox Installationsdateien erfolgt aus dem User Account bei Mercuriall (s. Abb. unten).

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Das Installationsprogramm bietet dann entsprechende Formate für die Einrichtung an.

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Es gibt sowohl eine Stand-Alone-Applikation für WIndows (ab Windows  8) als auch für macOS ab Version 10.13, Plug-In-Formate stehen als VST 2, VST 3 und AAX (ab Pro Tools 2019.12) bereit und für macOS auch noch im Format AU.

Die Voraussetzungen an den Rechner sind minimal. Zu der realen Prozessorlast gehen wir im Praxisabschnitt näher ein. Ampbox unterstützt System-Abtastraten von 44,1, 48, 88,2 und 96 kHz. Das Plug-In-GUI kann auch von OpenGL unterstützt werden (optional aktivierbar). 

Lizenzierung

Nach der Installation ruft man die Stand-Alone-Software oder das Ampbox-Plug-In auf und man muss die User Account Daten eingeben oder man wählt zum Ausprobieren die Nutzung der Demo-Version an (s. Abb. unten).

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Die Aktivierung und Installation erfolgt dann in der Software oder dem Plug-In (s. Abb. unten).

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Schon auf dem System bestehende, bzw. gekaufte Simulationen, wie in unserem Beispiel der Euphoria (s. Abb. oben), werden übernommen und müssen lediglich aktiviert werden. Eine Installation ist von einem Account auf bis zu fünf verschiedenen Rechnern möglich.

Bedienung

Schauen wir uns zunächst einmal die Bedienoberfläche an.

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In der oberen Leiste lassen sich Presets verwalten und die Bildschirmausgabe lässt sich in drei Darstellungsgrößen einstellen. XL ist dabei besonders für 4K-Bildschirme geeignet. Das kann leider nicht jedes Plug-In. Die Fenstergröße lässt sich beim Plug-In über die Maus individuell anpassen.

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Wie bei Euphoria auch, lässt sich auf ein Oversampling für ein präziseres Audioprocessing auswählen und zwar ganz großzügig bis achtfachem Oversampling. Auch ein Tuner ist integriert.

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Audio Ein- und Ausgänge sowie MIDI-Eingänge lassen sich bei der Stand-Alone-Software konfigurieren. Hier lassen sich auch ASIO-Devices, bzw. Treiber anwählen.

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Da immer Stereo-Eingänge selektiert werden, lässt sich über ein Menü noch wählen ob ggf. nur rechter oder linker Kanal als Quellsignal genutzt werden soll (s. Abb. oben).

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Auf der linken Seite kann der Anwender die einzelnen Audio-Prozessoren ein- und ausschalten, sowie zum Editieren aufrufen. Es gibt auch Punkte, bei denen mehrere bereitstehen, die dann über ein Untermenü ausgewählt werden können.

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Nach einem Klick auf den Preset-Namen geht ein Menü auf, in dem die Presets eines selektierten Amp-Typen gelistet werden (s. Abb. oben).

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Unten links stehen noch Regler für Ein- und Ausgangspegel zur Verfügung. Der Pegel wird über Bargraf-Anzeigen ausgegeben. 

Amp und Cabinet Simulation

Nun zu den vier Amp-Simulation, die zum Testzeitpunkt bereitstanden. Die verschiedenen Amps tauchen in der Oberfläche unter "Preamp" auf. Preamp und Poweramp lassen sich getrennt ein- und ausschalten. Die Einstellungen lassen sich über die Preamp-Sektion durchführen. Bei den reinen Preamp-Modellen TUBE PREAMP 530 und ReAxis kommt eine Simulation des Bogner Ecstasy 101B als Amp zum Einsatz.

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Euphoria basiert auf einem Bogner Ecstasy 101B und er wird noch unter der Hybrid Engine 1.5 simuliert. Wir haben Mercuriall Euphoria selbst ja bereits in einem Test ausführlich vorgestellt.

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Der TUBE PREAMP 530 ist eine Simulation des zweikanaligen Röhren-Pre-Amp E530 von Engl. Auch dieser stammt noch von der Simulations Engine 1.5. Das Originalhandbuch dieses tollen Amps gibt es übrigens hier: https://www.engl-amps.com/shop/rackmount/modern-rock-preamp-e530/

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Der ReAxis eine Simulation des MESA Boogie Triaxis (Revision TX5A) im Original mit fünf 12AX7 Röhren bestückt, Tour-gerecht als 19"-Rack-Einheit. Jede Röhrenstufe wird in einem einzelnen Modell simuliert. Auch hier kommt noch die Simulations Engine 1.5 zum Einsatz.  

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Neu seit Oktober 2022 ist der Rectofire für die Ampbox, und ja ihr habt es sicherlich schon erraten, er simuliert den Mesa Boogie Dual Rectifier Blackface (Rev. G), die Offenbarung für Heavy und Metall und zwar mit der Modifikation des Gain-Poti auf 1 Megaohm (Standard 250 Kiloohm), die für mehr Gain und forcierten Mitten sorgt. Eine sehr häufig beschriebene und sehr beliebte, da sehr effiziente Modifikation des Amps.

Hier kommt schon die Simulations Engine 2.0 mit der Rückwirkung des Amps auf den Preamp zum, Einsatz. Der Rectifier ist durchaus nicht unbedingt selbsterklärend, obwohl das Manual der Ampbox schon gute Hinweise gibt, empfiehlt es sich in das Originalhandbuch zu schauen, was man auf der Seite des Originalherstellers findet: https://www.mesaboogie.com/en-US/product-manuals.

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Zur Simulation gehört natürlich auch die Simulation der Lautsprecher und abnehmenden Mikrofone, inklusive der Möglichkeit der Nutzung von Impulsantworten. Man kann das Cabinet in den Modus "2D" schalten und dort Lautsprechertyp, sowie Typ, Pegelverhältnis, Phase und Position von zwei Mikrofonen auswählen. Die hier eingesetzten Impulsantworten kommen von Redwirez.

Als Mikrofone lassen sich dynamische Mikrofone Shure SM57 und Sennheiser MD441 sowie Royer Labs Bändchenmikrofon R121 auswählen.

Es stehen zwei mal vier 4 x 12 Cabinets zur Auswahl bereit und zwar jeweils pur oder equalized:

  • Mesa Boogie mit Celestion V30,
  • Bogner Uberkap 412 mit Celestion G12 T-75,
  • Marshall 1960B mit Celestion Greenback G12M,
  • Marshall 1960B mit JBL K120S.

Wenn auf Modus "IR" geschaltet wird, dann kann man statt Cabinet und Mikrofone eine komplette Impulsantwort laden. Neu ist hierbei, dass einige IRs von Max Morton mitgeliefert werden, aber es lassen sich auch andere laden und nutzen. Darüber hinaus lässt sich über "Reverb IR" auch eine Raum-Impulsantwort importieren.

Effekte und Prozessoren

Jede moderne Simulation bietet intern auch Effekte. So eben auch die Mercuriall Ampbox.

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So werden als Prozessoren ein Gate mit einstellbarem Schwellwert, Anstiegs- und Abfallzeiten sowie Hysterese, ein Neunband-Grafic-EQ sowie ein Wah-Wah-Pedal (Dunlop Crybaby 535Q Simulation), mit einstellbarem Frequenzbereich, Güte, Verstärkung sowie auch veränderbarer Intensitätskurve.

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Ampbox 1.1 bietet gleich drei Overdrive-Effekte und zwar Simulationen des Ibanez "TS808" Tubescremer, des Mesa Boogie "Grid Slammer" sowie des Boss "SD-1 Super Overdrive". Erstes hat noch einen Schalter für Originalsound und eine Low-Drive-Modifikation. Das 808 gab es ja in diversen Varianten mit unterschiedlichen Bauelementen, sowie eben das aktuelle Overdrive Pro TS808 Reissue von Ibanez.

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Als Distortion-Effekte bietet Ampbox 1.1 eine Simulation des Boss MT-2, welches dank der EQ-Sektion im Sound sehr variabel ist sowie dem Boss DS-1 mit einem Tone-Regler und einem der Sound-Charakter, der etwas an britische Amps erinnert.

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Der parametrische Achtband-Equalizer lässt sich grafisch mit der Maus einstellen. Es stehen zwei Shelving- und vier Glockenfilter sowie ein Hoch- und Tiefpassfilter zur Verfügung. Bei allen Filtern lässt sich die Güte einstellen.

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Als weitere Effekte gibt es ein Chorus, eine Delay mit Hoch/Tiefpass-Filter im Effektweg. bei dem man über unterschiedliche Zeitfaktoren auch Stereo-Ping-Pong-Effekte erzielen kann, sowie ein Reverb.

Praxis

Getestet haben wir auf der Xi-Machines X2 Workstation (2017) unter Windows 10 und unter primär auf Nuendo 12 aber auch auf Pyramix 14. Die benötigte Prozessorleistung hält sich in Grenzen. Als Peak wurde in Nuendo bei monophoner Nutzung des Plug-Ins keine 20 % angezeigt. Mit Oversampling x2 verändert sich das auch kaum. Erst ab x4 wird es deutlich mehr und bei x8 steht die Prozessorleistung in einem Projekt dann in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen. Ich würde daher in einem DAW-Projekt die Oversampling-Einstellung x2 empfehlen und wenn man das Stand-Alone-Plug-In auf einem eigenen Rechner nutzt auf x4. Die Nutzung von x8 bringt eigentlich kaum wahrnehmbare Unterschiede.

Da wir auch mal Anfragen haben, mit welchen Gitarren wir hier eigentlich testen hier die Infos dazu: Steinberger GT-PRO Deluxe modifiziert mit Steg EMG 81 und Hals EMG 89XR aktiven Pickups sowie Ibanez Q54 BKF im Originalzustand. Gitarrenkabel fr unsere Tests ist immer das Sommer Cable SC-Spirit XXL 3 Meter.

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Natürlich ist Ampbox noch relativ neu und vieles wird sicherlich noch erweitert werden. So würde ich mir persönlich bei den Aufnahmemikrofonen im Cabinet auch noch das eine oder andere simulierte Kondensatormikrofon wünschen. Bei der Stand-Alone-Version fehlt eine Zuordnung von MIDI CC auf Parameter, um zum Beispiel den Wah-Wah-Pedaleffekt auch mit einem Fußpedal bedienen zu können. In einer DAW-Software-Umgebung kann man sich hier ja mit den internen MIDI CC Assignment-Möglichkeiten behelfen und das Problem lösen. Bei den Effekten ist auch noch Potential. So gibt es kein Flanger und Phaser und das Reverb ist sehr rudimentär. 

Was die Simulationen angeht so muss man sagen, dass diese wirklich sehr gut klingen. Ich kann hier gar nicht alle Simulationen bewerten wie nah sie am Original sind. Dazu müsste man die spezifischen Versionen der Amps zur Verfügung haben. Beim Rectofire hatte ich die Gelegenheit einmal eine  A/B-Vergleich zu machen und der fiel wirklich sehr gut aus. Aber eigentlich das ist gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass der Grundcharakter der simulierten Amps gewährleistet ist und vor allem, dass die Ergebnisse gut klingen. Ein Zuhörer interessiert nicht wie nah eine Simulation an einem Original ist, sondern vereinfacht gesagt: ob der Sound gut klingt oder nicht und die Sounds der vier Amps klingen außerordentlich gut.  Besonders Rock, Havy und Metal Gitarristen werden auf Ihre Kosten kommen. Wer mehr in Richtung auf der Suche nach experimentellen Sound ist, der wird sicherlich eher andere Simulationen bevorzugen. Sehr gut gefallen mir persönlich der Euphoria und der Rectofire, besonders für verzerrte High-Gain-Sounds.

Mercuriall empfiehlt übrigens als Input-Regler-Einstellung 1 ... 2 für Single-Coil-Pickups, 2 ... 4 für Low/Mid-Gain Humbuckers und 5 ... 6 für High-Gain Humbucker-Pickups. Gegenüber Overloud TH-U muss man bei Ampbox ca. 3 dB weniger Gain am Interface einstellen um Übersteuerungen zu vermeiden.

Fazit

Die Preise für Reaxis und Tube Amp U530 liegen jeweils bei ca. 60 US$ und für Euphoria und Dual Rectofire bei jeweils ca. 90 US$. Das ist nicht so preiswert. Man bekommt dafür aber auch Simulationen mir extrem viel Potential und einem absolut überzeugendem Sound. Man darf gespannt sein wie sich die Plattform weiterentwickelt.

https://mercuriall.com