MCI JH-500 – Der fast vergessene Studiostandard im 19"-Modul
Audio-Service aus Hamburg rettet einen echten Kanalzugklassiker
Autor: Markus Thiel | Fotos: Markus Thiel, Peter Kaminski und Archiv
Sie galt als eine der vielseitigsten und klanglich flexibelsten Konsolen ihrer Generation und teilt sich den analogen Technologie-Olymp bis zum heutigen Tag mit geschätzten Klassikern von Neve, Studer und API. Die technologisch bahnbrechenden MCI-Konsolen der JH-500-Serie erblickten im Jahr 1975 das Licht der Welt und avancierten aufgrund ihrer Fortschrittlichkeit und Klangqualität schnell zum internationalen Studiostandard und aufnahmetechnischen Mittelpunkt zahlreicher Top-Produktionen ihrer Zeit.
Neben diesem heutigen Klassiker zeigte sich der privat geführte Hersteller Music Center Incorporated (MCI) noch für einige nachhaltig revolutionäre Errungenschaften der Proaudio-Branche verantwortlich, darunter den ersten kommerziellen 24-Spur-Multitrackrecorder sowie die erste Umsetzung eines Inline-Mixing-Konsolen-Konzepts. Letzteres, ein unter dem Label MCI als JH-400-Serie veröffentlichte System, stammte allerdings primär aus der Feder von David Harrison – dem späteren Gründer von Harrison Consoles, welcher die Produktion seiner Entwicklung wegen Mangel an finanziellen Mitteln kurzerhand an MCI lizenzierte. Als Harrison im Verlauf der Partnerschaft erfuhr, dass Music Center Incorporated bereits auf eigene Faust ein entsprechendes Nachfolgemodell unter der Bezeichnung JH-500 entwickelte, trennten sich der Überlieferung nach schließlich final ihre Wege.
MCI-Gründer Grover "Jeep" Harned begann seine Karriere von einer Geschäftsbasis in Fort Lauderdale, Florida aus, in welcher er sich zunächst um Servicearbeiten rund um Audiogeräte und Stereo-Equipment kümmerte, bevor er sein Angebot nach und nach mit dem Design und der Produktion von Spezialanfertigungen und Eigenentwicklungen wie Mischer, Vorverstärker und anderer Audio-Hardware für die Recording-Branche erweiterte.
Design-Merkmale
Neben Innovationen wie der Integration von VCAs verfügte das JH-500 Konsolen-Design über einen für damalige Verhältnisse luxuriösen maximal möglichen Dynamikumfang von 80 bis 90 dB, welcher konzeptionell bereits mit einem Auge in Richtung des aufkeimenden aber immer noch in den Kinderschuhen befindliche Digitalrecording schielte. Das Inline-Konzept der Konsole war revolutionär. So befanden sich erstmals alle Ein- und Ausgänge eines Kanals auf einem einzigen Modulblade. Wurden zusätzliche Kanäle benötigt, war es mit einem Mal möglich einfach zusätzliche Kanalzüge in die Konsole zu stecken.
Ein weiterer Vorteil des JH-500 Konsolendesigns gegenüber dem Mitbewerberfeld war die effektive Nutzung moderner Operationsverstärker zur Reduktion von Gleichtaktstörsignalen (Common Mode) im Summierungsprozess. Auf diese Weise erreichten die MCI-Konsolen einen deutlich abgesenkten Störabstand mit effektiv bis zu 20 dB niedrigeren Eigenrauschen gegenüber Alternativlösungen.
Ein weiteres Highlight der JH-500-Serie sind die pro Kanal integrierten EQs, welche sorgfältig nach musikalischen statt mathematischen Gesichtspunkten in halben Oktaven abgestimmt wurden. Zudem ermöglicht die schalterbasierte Umsetzung der neben Höhen und Tieftonbereich über zwei unterschiedliche Mittenbandbereiche verfügenden Filtereinheiten knapp 140 Millionen zu jeder Zeit wieder exakt reproduzierbare Einstellungsvarianten. Mid 1 und 2 lassen sich zudem unabhängig sowohl im Cut- als auch im Boost-Modus betreiben. Ein EQ-Bypass steht ebenfalls zur Verfügung.
Die 500er-Serie besaß zudem von Haus aus bereits alle nötigen Vorbereitungen für die unkomplizierte Erweiterung durch ein gegen Aufpreis erhältliches mikroprozessorgesteuertes Automationssystem, welches im Stande war sowohl Fader-Bewegungen als auch Mutes zu speichern. Heute findet man vor allem in Europa nur noch wenige intakte Exemplare des ehemaligen Studiostandards mit seinen wohlklingenden Vorverstärkern. Um so schöner, dass es Leute gibt, die sich um das Wiederaufleben dieser Analogschätzchen kümmern.
Das von Ulrich Schierbecker geführte Unternehmen Audio-Service aus Hamburg ließ jüngst eine komplette 36-kanalige MCI-Konsole, über welche bereits Künstler wie Lou Bega, Joachim Witt, Scatman John, Nena, Lotto King Karl, Bruno Mars, die Hammond Orgel von Ken Hensley (Uriah Heep) und unter Umständen sogar The Eagles ihre Alben eingespielt haben, in neuer Fassung quasi in Einzelteilen wieder auferstehen.
Unter der technischen Leitung von Mitarbeiter Toni Olmos entwickelte der Full-Service-Provider für professionelle Audiotechnik ein kompromissloses Konzept für Überarbeitung und Umbau der JH-500-Kanalzüge in einen speziell gefertigten Rack-fähigen 19-Zoll-Rahmen.
Interview mit dem Inhaber von Audio-Service Ulrich Schierbecker
Foto (von links nach rechts): Eduardo Garcia, Toni Olmos und Ulrich Schierbecker
Wir sprachen mit Ulrich Schierbecker über das Projekt und die letztlich daraus hervorgegangenen Kanalzug und möchten das Interview Euch nicht vorenthalten.
proaudio.de: Woher stammt das ursprüngliche Pult?
Ulrich Schierbecker: Das stand bei einem Bekannten, Eduardo García von German Wahnsinn im Studio, der es in dieser Form wegen eines Studioumzugs nicht mehr weiter betreiben konnte, auf der anderen Seite aber so sehr von Preamp und EQ begeistert war, dass es ihm ein Anliegen war es zu retten. Er selbst hatte das ursprünglich aus den Criteria Studios stammende Pult 1993 von Werner Böhm (Gottlieb Wendehals) erstanden, der es wiederum von den Bayshore Recording Studios von Bill Szymczyk (Produzent der Eagles) gekauft hatte.
Im Zuge der Umsetzung ergaben sich letztlich verschiedene Möglichkeiten. Zum einen hätte man die einzelnen Kanäle natürlich wie es Gang und Gebe ist einfach in ein 19"-Gehäuse nageln und die hinten rausfliegenden Drähte irgendwie herausführen können. An so etwas sind wir allerdings prinzipiell nicht interessiert, also kam für uns wenn überhaupt nur eine ordentliche Variante in Frage. Aus diesem Grund haben wir auch die Busverbindung aus dem Pult sowie alle Übertrager des Originals mit eingebaut. Im Servicefall lässt sich so nach Demontage der Frontplatte das gesamte Modul bequem herausziehen. Das einzige was dem Kanalzug fehlt sind im Prinzip Fader und Auxiliaries, der Rest ist zu 100 Prozent original. Das war uns auch ausgesprochen wichtig. Insgesamt wurde aus dem Ganzen auch ein ziemlich langes Projekt, da wir in diesem Zug natürlich auch jedes einzelne Modul einmal komplett durchrepariert haben.
proaudio.de: Ich war sehr begeistert wie gut und musikalisch der integrierte EQ klingt – das ist wirklich beachtlich.
Ulrich Schierbecker: Und dank der Schalterausführung und dem Verzicht auf Potis ist jede Einstellung jederzeit reproduzierbar.
proaudio.de: Wie viel Bauteile musstet ihr letztlich tauschen?
Ulrich Schierbecker: Natürlich zunächst einmal alle Elkos und schließlich auch die Operationsverstärker. Letztere laufen auf einer relativ hohen Spannung und sind mittlerweile ziemlich rar. Glücklicherweise konnten wir da noch auf eigene NOS-Restbestände im Lager zurückgreifen. Neben Kondensatoren haben wir darüber hinaus natürlich auch komplett neue Netzteile eingebaut, welche wir speziell für den JH-500 angefertigt haben. Zur Ergänzung haben wir dann noch einen zusätzlichen Hi-Z-Eingang spendiert welcher das anliegende Signal ebenfalls über den Mikrofonübertrager führt. Zur besseren Abschirmung wurden zudem noch Mu-Metall-Folien im Trafobereich und an einer kritischen Spule des EQs hinzuaddiert. Durch diese Modifikation ist die 19"-Version letztlich im Nebengeräuschverhalten deutlich leiser als im ursprünglichen Pultgefüge.
proaudio.de: Wie viel Exemplare habt ihr letztlich zusammengebaut?
Ulrich Schierbecker: Ein komplettes Pult, also insgesamt 36 Stück von denen aktuell noch einige (Anmerk. der Red.: Stand Dez. 2019) verfügbar sind.
proaudio.de: Habt ihr ein Projekt in dieser Form schon einmal vorher realisiert?
Ulrich Schierbecker: In dieser Form war das das erste Mal. Wir haben in der Vergangenheit aber schon einiges entwickelt, darunter Wirelessrouter, MADI-Interfaces sowie zahlreiche Modifikationen für Mischpulte beispielsweise von Yamaha. Also insgesamt auch ausgesprochen viele analoge Modifikationen. Aktuell haben wir als Eigenentwicklung noch das Fibre Road System im Programm, welches im Prinzip eine Stagebox mit fernbedienbaren Preamps auf Glasfaserbasis darstellt. Das bis zu 64 Kanäle verwaltende System wird unter anderem in Theatern oder in Ü-Wagen eingesetzt.
Fazit
Lässt sich der Sound eines MCI JH-500 Kanalzugs in einem Satz beschreiben? Meiner Meinung nach nicht wirklich. Man muss diesen warmen und übersteuerungsresistenten Sound welcher mit seinem Charakter bereits legendäre Alben wie AC/DCs Back In Black veredelte einfach erlebt haben. Neben einem offenen und charaktervoll definierten Preamp, welcher auch heute noch mehr als nur konkurrenzfähig ist, überzeugt vor allem der Equalizer mit seiner fein abgestimmten Musikalität. No-Go-Einstellungen sucht man hier vergebens. Hier entscheidet letztlich lediglich der Geschmack und nicht die Technik - oder wie Ulrich es auf den Punkt brachte - eben typisch MCI.
Ein einzelnes Kanalzugmodul der MCI-Konsole im 19“-Rack ist – solange der Vorrat reicht – zum Preis von aktuell 2.780 Euro über Audio-Service in Hamburg erhältlich.