LiquidSonics Lustrous Plates Surround
Autor: Peter Kaminski
Wir habe ja schon das LiquidSonics Cinematic Rooms Professional in einem Test ausgiebig vorgestellt. Im November 2021 stellte Liquid Sonics dann das Lustrous Plate Surround vor, eine Mehrkanalversion des Lustrous Plates, welches noch parallel angeboten wird und für den reinen Mono/Stereo-Einsatz gedacht ist.
Voraussetzungen und Installation
LiquidSonics Lustrous Plate Surround ist ausschließlich für den Einsatz mit 64-Bit-DAWs vorgesehen. Für Windows (ab Windows 7) werden Plug-Ins in den Formaten VST 2.4, VST 3 sowie AAX angeboten. Für macOS (ab 10.9) gibt es auch eine Audio-Unit-Version. Die Installation erfolgt über einen Installer und als Kopierschutz wird iLok (iLok 2 oder 3 USB-Dongle, lokale Speicherung und iLok Cloud) genutzt.
Konzept
Der Name Lustrous Plate Surround ist sicherlich etwas verwirrend und zudem Understatement, denn dieses Plate Reverb von LiquidSonics unterstützt verschiedenste Kanalformate von Mono über Stereo, LCR, Quadro, Surround 5.0/5,1, 7.0/7.1 sowie 3D-Audio 7.0.2/7.1.2, 7.1.4 und 7.1.6. Voraussetzung der genannten Formate ist natürlich, dass auch die eingesetzte DAW-Software diese unterstützen muss. Abtastraten werden übrigens bis zu 96 kHz unterstützt.
Das Plate Reverb arbeitet mit Impulsantworten (Fusion IRs) und ist also kein Algorithmischer-Ansatz. Damit aber trotzdem umfangreiche Veränderungen, bzw. Einstellungen vom Anwender vorgenommen werden können, kommt eine Synthese-Engine zum Einsatz. Ein nicht unüblicher Ansatz.
Hallplatte und Hallfolie
Um alle Parameter des Plug-Ins zu verstehen hier einmal eine kurze Übersicht zum Thema Hallplatte, bzw. Hallfolie. Die erste Hallplatte war die EMT 140, die 1957 auf den Markt kam. Das Prinzip ist relativ einfach. Eine Stahlplatte wird in einen Rahmen eingespannt und über montierte elektrodynamische Wandler wird diese mit dem Eingangssignal zum Schwingen gebracht. Der Schall breitet sich in der Platte, also dem Medium, aus und wird an den Kanten reflektiert. Wenn man die Dicke der Platte vernachlässigt breitet sich der Schall ja bei einer Platte nicht dreidimensional sondern nur zweidimensional aus.
Montierte piezoelektrische Wandler nehmen die Schwingungen auf. Über eine Dämmplatte wird durch Abstandsveränderung die Stahlplatte bedämpft und so die Nachhallzeit beeinflusst. Interessant ist, dass bei diesem Prinzip die Nachhallzeit auch abhängig von der Signalfrequenz ist - tiefere Frequenzen haben eine größere, höhere eine kleinere Nachhallzeit. Daher ist bei einer Simulation ggf. wichtig über Filter Einfluss auf den Frequenzgang des verhallten Signals zu nehmen.
Statt Stahl lassen sich auch Medien bestehend aus anderen Werkstoffen einsetzen. Die Laufzeit im Medium ist Materialabhängig. Eine Weiterentwicklung von EMT war mit dem Produkt EMT 240 statt einer Stahlplatte eine vergoldete Hallfolie (Dicke von ca. 0,02 mm) einzusetzen. Dadurch konnte Gewicht und Größe des Hallgerätes reduziert werden. Die Eigenfrequenzdichte ist gegenüber einer Stahlplatte höher, was zu einer größeren, wahrgenommenen Natürlichkeit des Halls führt.
Bedienung
Das Plug-In teilt sich in drei Bereiche auf. Oben befindet sich die Preset-Anwahl und globale Konfiguration, in der Mitte das Metering für Ein- und Ausgang und unten die Parameter-Sektion, die über Reiter thematisch aufgeteilt ist.
Konfiguration
Im Plug-In-Fenster lässt sich über das Zahnrad-Icon oben rechts das Konfigurationsmenü aufrufen. Die Darstellungsgröße lässt sich hier großzügig einstellen und es gibt auch ein anwählbares dunkles sowie helles Design (s. Abb. oben).
Über das Parameter-Untermenü kann der Anwender auch Parameter sperren, so dass sie sich nicht ändern lassen. Das macht zum Beispiel beim Wet Mix Sinn (s. Abb. oben). In diesem Menü lässt sich auch der Dispersion Bias einstellen. Damit ist die Anordnung der beiden Pickups in der Hallplatte gemeint. Man kann hier ein Focus auf einen Pickup setzen und die Stärke der Pegeldifferenz lässt sich vom Anwender einstellen.
Unter Processing lässt sich unter anderem die Latenzzeit des Plug-Ins bestimmen (s. Abb. oben). Empfohlen wird vom Hersteller eine Latenz von 2048 Samples. Bei Verwendung von 88,2 oder 96 kHz Abtastrate in der DAW lässt sich hier auch noch eine Abtastratenbegrenzung über ein Downsampling aktivieren.
Unter "Surround" hat man auf verschiedene Kanalparameter Zugriff, wie zum Beispiel ob der LFE mit verarbeitet werden soll und man kann hier auch einen von drei verschiedenen Crossfeed-Betriebsarten auswählen und zwar kein Crossfeed, volles Crossfeed über alle Kanäle hinweg oder Stereo-Betrieb, wobei der Reverb dann im Surround/3D-Audio-Betrieb in einzelne, bzw. unabhängige Stereo-Reverbs aufgeteilt wird (L/R, LS/RS ...) sowie einem Monokanal für den Center. Mit Crossfeed meint man hier übrigens dsas Übersprechen von einem Kanal auf andere Reverb-Kanäle.
Presets
Die Anwahl eines Presets erfolgt mit den virtuellen Inkrement/Dekrement-Tasten oder über das Preset-Menü (s. Abb. oben). Hier lassen sich auch Anwender-Presets verwalten. Die Presets sind über Sub-Menüs thematisch, bzw. klanglich geordnet. Mit dem A/B-Schalter kann man zwischen zwei Settings zum Vergleich hin- und herschalten.
Parameter
Unterhalb des Produkt-Logos lässt sich das Plate Reverb Simulations-Modell ändern. Es gibt hier zehn verschiedene Hallplatten mit verschiedenen Klangprofilen, bzw. Werkstoffen von Stahl bis hin zu Platin und es gibt auch ein Modell "Gold" für die Simulation eines Goldfolien-Halls (EMT 240).
Über zwei Parameter werden grundsätzliche Parameter dieser Modelle eingestellt. Mit REVERB TIME DAMPER wird die Dämpfung der Hallplatte eingestellt. Eine größere Dämpfung führt dazu, dass die Hallplatte weniger frei schwingt und beeinflusst so auch die Hallzeit. In einer Hallplatte breitet sich Schall mit unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlich aus. Diesen Effekt beschreibt man mit der sogenannten FREQUENCY DISPERSION, die sich in beim Lustrous Plates Surround Hall-Plug-In in Prozent einstellen lässt.
Der erste Reiter REVERBERATION (s. Abb. oben) bietet Zugang zu den Basis-Parametern des Reverbs an, wie PRE-DELAY und WIDTH (Stereo-Breite) oder den Ausgangspegel, bzw. Effektanteil. Auch eine Modulation lässt sich einstellen, was bei realen Hallplatten natürlich nicht gegeben ist. Also eine Option die erst durch die Simulation möglich geworden ist.
Über EQUALISATION steht noch für den Reverb-Weg ein Vierband-Equalizer bereit und zwar ein Hoch- und Tiefpassfilter (bis 24 dB/Okt. Steilheit) sowie zwei Shelving/Peak-Filter (s. Abb. oben).
Unter Level kann der Anwender den Pegel der einzelnen Kanalgruppen anpassen.
Über den Reiter DELAY lassen sich die Gruppen bis 500 Millisekunden verzögern.
Über den letzten Reiter hat der Anwender dann Zugriff auf die Parameter für das Übersprechen, welches sich Verzögern und im Pegel anpassen lässt. Mit den beiden BLOOM Parametern DIRECT und CROSSFEED lässt sich die Anstiegszeit des Halls beeinflussen und über die EQUALISATION ist auch noch eine Filterung des Übersprechanteils möglich.
Praxis
Die Originale bieten nicht gerade eine üppige Möglichkeit von Einstellungen. Das sieht bei der Simulation schon ganz anders aus. Die Simulation geht hier in vielen Punkten über die Möglichkeiten der Vorbilder hinaus. Trotz der umfangreichen Möglichkeiten ist das Lustrous Plates Surround aber leicht beherrschbar und bei Fragen bietet die 16-Seitige englische Anleitung Antworten.
Getestet haben wir auf einer Windows 10 Workstation mit Nuendo 11.0.40 sowie Pyramix 13.0.7. Die CPU-Last bei Nuendo ist im Stereobetrieb, 48 kHz Abtastrate und der Default-Latenz, war sehr moderat. Bei dem Einsatz in einer Dolby-Atmos-Produktion in einem 7.1.4-Bus macht sich die CPU-Last aber schon relevanter bemerkbar und stieg um bis zu fünf Prozent, ist aber trotzdem noch relativ moderat. Probleme konnten weder unter Nuendo noch unter Pyramix festgestellt werden.
Für die Musikproduktion kann man Lustrous Plates nur empfehlen. Speziell für E-Gitarre, Synthesizer sowie perkussive Instrumente und auch Vocals kann man hier interessant klingende Räume gestalten und das auch bei 3D-Audio-Produktionen. Durch Crossfeed-Einstellungen und die Crossfeed-Modi hat man hier sehr große Gestaltungsmöglichkeiten wie der Klang im 3D-Raum abgebildet werden soll - also diskreter oder diffuser und auch die Modulationsmöglichkeit ist hier ein schönes Gestaltungswerkzeug, was beim Original ja fehlt. Besonders bemerkenswert ist prinzipiell das andere Verhalten von Hallplatten und Folien gegenüber Algorithmen die natürliche Räume simulieren. Dies trifft besonders auf das Frequenzverhalten und auch Impulsverhalten von Hallplatten und Folien zu.
Die Algorithmen des Lustrous Plates Surround sind auch im 3D-Audiobetrieb so, dass man auch bei einem Downmix auf Stereo oder einer Binauralisierung noch ein gut klingenden Hall ohne Phasenartefakte oder ähnliches geboten bekommt. Das können so nicht alle Hall-Konzepte so umsetzen.
Ich finde persönlich das Lustrous Plates Surround eine ideale Ergänzung zum Cinematic Rooms Professional, welches ja auch die Post-Pro und Film als eine primäre Applikation im Fokus hat. So viele 3D-fähige Mitbewerber gibt es zudem auch gar nicht und kein Plug-In bietet soviel verschiedene Hallplatten-Simulationen.
Einzige Einschränkung beim Lustrous Plates von LiquidSonics ist die Begrenzung auf das Kanalformat 7.1.6. Aber die Studios die 9.1.x verwenden sind ja auch in der Unterzahl. Vielleicht aber eine Anregung an den Hersteller mal darüber nachzudenken zumindest 9.1.4 zu implementieren.
Fazit
Der Normalpreis des Lustrous Plates in der Stereoversion liegt bei 199 US$ und die 3D-Audio-Variante Lustrous Plates Surround liegt bei 249 US$. Ein Upgrade von der Stereoversion kostet lediglich 49 US$ - also quasi die Preisdifferenz zwischen Stereo- und Mehrkanalvariante. Für den Musikproduktionsbetrieb sicherlich ein sehr empfehlenswertes Plug-In und zudem auch noch preislich in einem sehr überschaubaren Rahmen. 3D-Audio-Musikproduzenten werden auf jeden Fall Ihre Freude an dem Plug-In haben.