IK Multimedia AmpliTube TONEX
Gitarren-Eco-System
Autor: Peter Kaminski | Fotos: Peter Kaminski u. Archiv
Die Geschichte von IK Multimedia und Gitarren-Soft- und Hardware ist schon lang. Angefangen hat es mit der AmpliTube-Software. Die Bezeichnung AmpliTube ist immer noch auf vielen Produkten von IK Multimedia für E-Gitarre zu finden. Das Eco-System für E-Gitarre hat sich aber gerade 2022 gewaltig entwickelt mit einer großen Vielfalt an Updates und neuen Produkten. Wir möchten hier einen Beitrag veröffentlichen, der keinen klassischen Produkttest darstellt, sondern eine Systemübersicht und Gesamtbewertung. Gerade für Anwender die mit Produkten von IK Multimedia keine Erfahrung haben ist der Überblick über die Funktionalitäten und die Migration der einzelnen Produkte in das gesamte Eco-System AmpliTube nicht ganz einfach. Wir wollen daher mit diesem Beitrag unseren Lesern genau diesen Überblick verschaffen und mit einer Vorstellung und Test der neueren AmpliTube TONEX Produkte verbinden.
Gitarren-Eco-System
Gehen wir dich einmal chronologisch an die Geschichte von IK Multimedia AmpliTube und TONEX heran. Die verschiedenen Produkte werden wir hier im Detail noch erklären. 2009 erschien die erste Software namens "AmpliTube". AmpliTube ist eine Software, welche Pedals und Amps über Dynamic Response Modelling und über Impulsantworten auch Lautsprecher simuliert. Seit 2020 ist die Version 5 verfügbar.
2021 wurden dann vier Bodeneffektgeräte für Verzerrung, Modulation Delay und Hall vorgestellt, die wir hier nur kurz erwähnen möchten und die auch den Namen AmpliTube tragen. Für den einen oder anderen könnten die Pedale vielleicht eine interessante Produktalternative darstellen.
Zunächst zur Software: Im August 2022 tauchte dann erstmalig der Name TONEX mit der AmpliTube TONEX Software auf. Hierbei geht es aber nicht um eine Simuation über Modelling der einzelnen elektronischen Komponenten, sondern um eine Lösung die primär mit Capturing über Impulsantworten Verstärkern, Lautsprecher und auch Pedals simuliert. Seit November 2022 gibt es die TONEX Software auf für iPhone und iPad. Die TONEX-Hard- und Software wurde ständig verbessert und Ende 2024 wurden auch verschiedene Effekte in TONEX integriert und seit März 2025 gibt es den "TONEX Editor", der eine Echtzeit-Einstellung der TONEX Pedale per Software ermöglicht.
Und nun zu den Hardware-Komponenten: Im Februar 2023 wurde mit dem "TONEX" Pedal die erste TONEX-Hardware-Komponente vorgestellt. Im April 2024 folgte das kompakte "TONEX ONE" Pedal. Im Januar 2025 wurde dann "TONEX Cab" vorgestellt, eine aktive FRFR-Gitarren-Box auf Basis der TONEX-Hard- und Software.
AmpliTube
Wir möchten uns hier in diesem Beitrag mehr auf die TONEX-Komponenten fokussieren. Ein kurzer Blick auf die AmpliTube 5 Software verrät aber, dass TONEX auch zum Teil in AmpliTube integriert ist. TONEX Komponenten wie Amps, Boxen oder Effekte, lassen sich auch in der AmpliTube-Software, bzw. im Plug-In nutzen.
ToneNET
Über das sogenannte ToneNET, die Bibliothek von IK Multimedia, hat der Anwender Zugriff auf einzelne Modelle oder auch ganze Collections für AmpliTube und auch TONEX. Der Zugang erfolgt mit dem Usernamen und Passwort des IK Multimedia-Kundenkonto. ToneNET lässt sich auch über einen Internet-Browser aufrufen und man kann dort genauer recherchieren und auch Beispiel-Sounds der Modelle anhören: https://www.tone.net/.
Hier werden neben vielen freien Tone Models für TONEX auch sogenannte Signature und Tone Partner Collections angeboten, die dann aber kostenpflichtig sind.
TONEX-Software
Nun zur TONEX Software. Wir gehen hier auf die Version 1.9 ein, bei der ja wichtige Änderungen erfolgten. So ist die Handhabung und Echtzeit-Kommunikation mit den Hardware-Pedalen in einer extra Editor-Software ausgelagert worden, was die Übersicht und das Handling deutlich vereinfacht, je nach dem, ob man nur mit der Software arbeiten möchte oder ein Hardware-Pedal einsetzt. Mehr dazu im Kapitel über den TONEX-Editor im nächsten Abschnitt.
Die TONEX-Software wird wie AmpliTube und andere IK Multimedia Software-Pakete über den Product Manager von IK Multimedia installiert und auch aktualisiert. Für die Nutzung ist ein Kundenkonto bei IK Multimedia erforderlich. Die TONEX-Software läuft, wie auch die AmpliTube-Software, sowohl als Stand-Alone-Software als auch als Plug-In in den Formaten VST, VST3, AAX und AU (für macOS). Es wird vom Product Manager aus einen internen Installer aufgerufen (s. Abb. oben) mit dem die einzelnen Komponenten dann individuell installiert werden können, so wie man das von Software-Produkten von IK Multimedia gewohnt ist. Beim TONEX lassen sich bis zu fünf Installationen auf verschiedenen Rechnern durchführen.
Mit TONEX CS gibt es eine kostenfrei Version, die aber große funktionelle Einschränkungen hat, wie lediglich 20 Tone Models und keine Möglichkeit zum Erstellen von eigenen Tone Models. Bei der TONEX MAX sind dagegen 1.100 Tone Models enthalten und statt 10 Amps und 5 Pedals sind es bei TONEX MAX 100 Amps und 50 Pedals.
Bei der Stand-Alone-Software lässt sich auch das Audio-Interface und die Ausgänge spezifizieren. Auch ASIO-Treiber lassen sich hier nutzen (s. Abb. oben).
Die Oberfläche der TONEX-Software bietet zwei Sektionen und zwar einmal quasi der Player unter dem Reiter "Home" und über den Reiter "Modeller" lässt sich das Capturing durchführen. Im linken Bereich im Register Home der Benutzeroberfläche werden Suchfunktionen angeboten um nach Tone Modells oder kompletten Presets zu suchen, die dann in der Liste dargestellt und angewählt werden können.
Im oberen Bereich befindet sich der Signalpfad mit dem Amp und dem Cab sowie den Effekten. Über den virtuellen Taster ADVANCED lassen sich die Parameter für den Amp aufrufen, wie Gain und FIlter (s. Abb. oben).
Als Cabinet kann der zu dem Amp zugehörige automatisch ausgewählt werden oder eben individuell ein anderer (s. Abb. oben), wo sich in einem Dialog dann genauere Spezifikationen über Lautsprechertyp, Mikrofone und Mikrofonaufstellung einstellen lassen.
Seit der TONEX-Version 1.8 ist das Angebot von Effekten nochmals deutlich vergrößert worden. Neben Noise Gate, Kompressor und Hall gibt es nun auch noch Delay und verschiedene Modulationseffekte.
Als Modulationseffekte stehen Chorus, Tremolo, Phaser, Flanger und Speaker Rotary zur Verfügung.
Es wird sowohl ein Digital- als auch ein virtuelles Tape Delay angeboten, wobei sich eine Ping-Pong-Funktion als Stereoeffekt hinzuschalten lässt. Auch ein Host-Tempo-Synchronisation ist zuschaltbar.
Beim Reverb gibt es nun mit der neueren Software-Version deutlich mehr Auswahl. Neben vier Hallspiralen gibt es ein Plattenhall sowie ein Raumhall.
Mit dem TONEX CAPTURE Interface lassen sich eigene Tone Models erfassen. Über den Modeler-Dialog wird man dabei Schritt für Schritt durch den Cature-Prozess geführt.
TONEX Mobil
Wie schon erwähnt gibt es die TONEX Software auch auf dem iPad. Hier lassen sich alle Tone Models aufrufen. Es gibt allerdings auch ein paar Einschränkungen. So stehen in der Version 1.2.4 die Effekte Modulation und Echo noch nicht zur Verfügung. Weiter ist es nicht so einfach Presets auf die TONEX Desktop-Software oder die Pedale zu transportieren.
Interessant sind auch die beiden angebotenen Interfaces von IK Multimedia und zwar das iRig USB und das iRig HD X (s. Abb. oben). Das iRig USB bietet bis zu 48 kHz und das iRig HD X bis 96 kHz Abtastrate. Beide Interfaces sind mit USB-C-Schnittstellen ausgestattet. Bei dem iRig HD X ist der Bedienkomfort noch etwas höher. So lässt sich dieses Interface ohne Adapter sowohl an USB-C als auch an einer Apple-Lightning-Schnittstellen anschließen, es besitzt einen integrierten Tuner und erweiterte Routing-Möglichkeiten, bzw. Betriebsarten.
TONEX-Pedal
Kommen wir nun zum TONEX Pedal (176 x 142 x 55 mm, 0,9 kg). Es ist mit einem achtstelligen Segment-Display ausgestattet. Es bietet Drehgeber für Model und Preset sowie weiterer Drehgeber für diverse Parameter und die EQ-Einstellungen. Über Doppelbelegung (Drücken des Parameter-Drehgebers) lassen sich auch die Audiobearbeitungs- und Effekt-Parameter verändern. Es gibt drei Fußtaster, deren Funktion sich in Grenzen auch über den TONEX Editor anpassen lassen. Primär lassen sich damit drei Presets einer Bank auswählen. Es gibt 50 Bänke also insgesamt 150 Preset-Speicher. Das TONEX Pedal bietet für ein Preset die gleichen Funktionen wie die TONEX-Software, also auch die zusätzlichen Modulations und Echo-Effekte sowie die verschiedenen Hallprogramme.
Nicht nur das interne Processing arbeitet mit 24 Bit mit 192 kHz Abtastrate, sondern auch die A/D- und D/A-Wandler. Das TONEX Pedal bietet ein Mono-Eingang und ein Stereoausgang, alles mit 6,3-mm-Klinkenstecker ausgestattet sowie eine MIDI-Schnittstelle mit Ein- und Ausgang, einen externen Controller-Anschluss (Expression Pedal oder Fußschalter) sowie der USB-Anschluss für die optionale Verbindung zu einem Computer für die Editor-Nutzung oder für Firmware-Updates.
TONEX ONE
Das erstaunliche am kompakten TONEX ONE Pedal ist eigentlich, dass von der Audiobearbeitung auch das kann was sein großer Bruder TONEX Pedal leistet. Die wesentlichen Beschränkungen beziehen sich auf die Bedienungsmöglichkeiten und geringere Ausstattung von Schnittstellen sowie das lediglich 20 Presets Im TONEX ONE gespeichert werden können.
TONEX Editor
Seit der Software 1.9 gibt es ja den TONEX Editor der für die Einstellung der beiden Hardware-Pedale TONEX und TONEX ONE bereitsteht. Es gibt in der Software zwei Seiten und zwar einmal die für den Editor und die für die Bibliothek, also die Preset-Verwaltung.
Auf der Editor-Seite sind die Bänke mit jeweils den drei Presets im unteren Bereich dargestellt und anwählbar. Das jeweils selektierte Preset steht zur Editierung bereit.
Im Kopfbereich lassen sich wie bei der TONEX Software Effekte, Amp und Cabs auswählen, bzw. einstellen (s. Abb. oben). Sobald man ein Parameter ändert erfolgt diese Änderung auch in dem angeschlossene Pedal und auch in umgekehrter Richtung werden Änderungen am Pedal in der Software entsrpechend synchronisiert.
Auf der Bibliotheksseite werden links die Presets des selektierten Pedals und rechts lokale Presets, Tone Models oder auch Tone Models aus dem ToneNET gelistet, je nachdem welcher Bereich dort angewählt ist. Durch Drag und Drop kann man nun Änderungen vornehmen und Presets auf in das Pedal laden, bzw. auf dem Pedal editierte Presets lokal in für die TONEX-Software bereitzustellen.
TONEX Cab
Mit dem TONEX Cab gibt es nun auch eine FRFR-Amp/Box. FRFR steht für "Full Range Flat Response". Auf dem TONEX Cab lassen sich Amps- und Cabinet-Kombinationen virtuell über einen einzelnen Amp, bzw. Box wiedergeben. Als Lautsprecher sind ein Custom Celestion 12-Zoll-Gitarren-Lautsprecher sowie ein Lavoce 1-Zoll-Hochleistungstreiber verbaut. Der Verstärker mit 350 Watt RMS, bzw. 700 Watt Peak-Ausgangsleistung bietet einen maximalen Schalldruck von 132 dB SPL. Mit 12,7 kg ist er für diese Leistung auch als sehr kompakt zu bezeichnen. Es gibt auch eine spezielle TONEX Cab Control Software und es lassen sich bis zu acht bis zu acht Presets laden.
Neben dem Eingang für die Gitarre gibt es noch einen Aux-Input, sowie MIDI-Schnittstellen (In/Out) und einen Monoausgang, zum Beispiel das Signal dem FOH oder für einen Recorder bereitzustellen. Der Ausgang lässt sich sowohl Pre- als auch Post-Amp schalten und auch ein Ground-Lift lässt sich aktivieren.
Über Regler auf der Oberseite der Amp/Cabinet-Kombination kann der Anwender Volume, Aux-In-Pegel, Filter, Amp Tone (Mix Mic/Live) einstellen sowie eines der acht Presets über einen Drehgeber anwählen.
Praxis
Das TONEX Gitarren-Universum ist groß und deckt einen großen Applikationsbereich ab vom Studio bis hin zur Live-Show und von der Software über Pedals bis hin zur virtuellen Amp/Cabinet-Kombi. Durch die TONEX Software-Version 1.9 ist vieles aber trotz erhöhter Funktionalität durch den TONEX Editor einfacher und übersichtlicher geworden. Mit dem TONEX Editor erhält man nun für die Pedale ein wirklich praxisgerechtes Werkzeug, wo das Anpassen der Presets Spaß macht. Die TONEX Software ist dann eigentlich denen vorbehalten, die rein ohne Hardware arbeiten. In unserem Teststudio haben wir sowohl die TONEX Software als auch das TONEX Pedal auf einem Pedal Board im Einsatz und für die Studioanwendung hat sich dieses Setup absolut bewährt.
Natürlich hängt bei einer Amp/Cab-Simulatiuon vieles vom Capturing ab aber der Capturing-Algorithmus muss ja auch noch eine Nachbearbeitung machen. Klanglich finde ich TONEX wirklich sehr gut und es kann mit den großen Namen wie Kemper & Co. konkurrieren und durch die vielen verschiedenen Komponenten bietet TONEX sogar zum Teil noch mehr Funktionalität als die Mitbewerber. Man wird durch den Capturing-Vorgang gut durchgeführt die Bearbeitung nach dem Capturing dauert allerdings. Hier muss man etwas Geduld aufbringen.
Die neuen Effekte klingen sehr gut aber können Pedale mit sehr spezifischem Sound natürlich nicht ersetzen. Sie sind mehr als eine Effekt-Basis zu verstehen. Ich habe zum Beispiel noch ein Strymon Big Sky als Reverb mit dem TONEX Pedal im Einsatz. Diese doch zum Teil sehr speziellen Hall-Programme kann man von einem TONEX Pedal natürlich nicht erwarten aber für viele andere Dinge wie Standard-Chorus oder Flanger kommt man gegebenenfalls auch ohne weitere Pedale aus. Der interne Kompressor im TONEX arbeitet sehr solide und ob man noch einen speziellen Kompressor optional einsetzt oder nicht hängt sicherlich stark vom individuellen Klang-Geschmack ab aber wie gesagt: die Basis für übliche Gitarreneffekte ist da und das auch in guter Qualität.
Das Angebot von Tone Models für TONEX ist einfach gigantisch. Da kann von der Quantität kein anderer Hersteller mithalten. Es gibt mit Stand im März 2025 ca. 45.000 Tone Models auf dem ToneNET und es werden ständig mehr. Wenn man in ToneNET nach etwas sucht, so nimmt das durchaus ein paar Sekunden in Anspruch, was aber bei der Menge von Tone Models auch nicht verwunderlich ist. Die Suchzeit ist da auf jeden Fall akzeptabel. Bei dem Angebot muss man sich auch fragen, ob eigenes Capturing überhaupt noch interessant ist. Sicherlich möchte aber der eine oder andere Gitarrist sein Setup auch in virtueller Form einsetzen und dann macht das Capturing auch Sinn.
Fazit
Zunächst einmal zu den Preisen. Die TONEX CS Software ist kostenfrei und die TONEX MAX liegt bei unter 200 Euro. Das TONEX Pedal liegt bei deutlich unter 500 Euro und das kompakte TONEX ONE bei ca. 215 Euro. Es gibt auch spezielle Editions, die im Preis etwas darüber liegen. Das TONEX Capture liegt einzeln bei ca. 300 Euro aber es wird auch ein Bundle mit dem TONEX Pedal für ca. 770 Euro angeboten. Für das TONEX Cab muss der Anwender ca. 950 Euro zahlen. Das iRig HD X kostet übrigens ca. 120 Euro. Die genannten Preise sind ohne Berücksichtigung von Sonderangeboten, die bei IK Multimedia häufiger vorkommen und daher lohnt sich besonders bei den Software-Produkten ein Blick auf die Herstellerseite. Die Preise für die TONEX ToneNET Signature und Tone Partner Collections liegt zwischen 7 und 50 Euro.
Mit dem TONEX Eco-System hat IK Multimedia klanglich absolut überzeugende Produkt für zudem sehr kundenfreundliche Preise im Portfolio. Ich persönlich könnte mir kein anderes alternatives Produkt oder System als die Kombination aus TONEX Software und TONEX Pedal mit dem TONEX Editor im Studioeinsatz vorstellen. Lediglich für den Software-basierenden Einsatz in der DAW kommt noch die eine oder andere spezielle Simulations-Software zum Einsatz. Das meiste wird aber mit TONEX realisiert. Hard- und Software sind einfach zu handhaben und funktionieren im Verbund ideal zusammen.