IK Multimedia ARC Studio
Raumkorrektur-System
Autor und Fotos: Markus Thiel
No room is perfect! Das Thema der Un-Perfektion trifft aber nicht nur auf die individuell behandelte oder unbehandelte Raumakustik der Abhörumgebung zu, sondern auch auf Monitorsysteme sowie die Fehlerquelle Nummer eins: das menschliche Gehör zuzüglich der auf Gewohnheit basierenden neuronalen Interpretation zwischen den Ohren.
Kein Wunder, dass Frequenzweg-Optimierungen via mikrofonierter Einmess-Algorithmen und anschließender Korrektur über ein entsprechendes DAW-Plugin mittlerweile bei vielen Studios und Audioarbeitsplätzen zur Grundausstattung gehören. Einige Monitorhersteller integrieren dedizierte DSP-gestützte Korrektursysteme außerdem immer häufiger direkt in ihre Aktivlösungen. Der italienische Hersteller IK Multimedia geht mit seiner externen Hardware-Variante ARC Studio ganz bewusst einen eigenen Weg.
Hardware
Aufbauend auf der eigenen Raumkorrektur-Software-Lösung ARC (Advanced Room Correction System), die gerade in der vierten Version veröffentlicht wurde, stellt IK Multimedia eine Lautsprecherunabhängige Hardware-Version des eigenen Systems vor. Die integrierte Prozessoreinheit präsentiert sich in einem soliden und eleganten Gehäuse aus Aluminium und Stahl und spartanisch elegantem Bedienpanel bestehend aus einem mittig beleuchteten Schalter zum Wechsel zwischen Aktivierung der Korrektur und True-Bypass (Relais-geschaltet) ergänzt um jeweils eine Power- und eine Signal/Clip-LED. Rückseitig stehen jeweils zwei symmetrische XLR-Buchsenpaare für Eingangs- und Ausgangssignale sowie ein Netzteilanschluss neben einem USB-C-Port zur Verfügung.
Für die Messung liegt dem Paket ein spezielles MEMS-Messmikrofonmodell im Kunststoffgehäuse für ein schnelles Setup bei. Neben dem aktuellsten Modell lassen sich aber auch die älteren Mikrofonversionen des Herstellers wie auch Dritthersteller-Mikrofone mit individuellem Messprotokoll verwenden.
Software
Die ARC-Software-Lösung von IK Multimedia hat sich über die letzten Jahre weltweit einen festen Platz in zahlreichen Studios erarbeitet. Als Plug-in basierte Raumkorrektur hatte aber auch dieses System den Nachteil, dass für eine korrigierte Audiowiedergabe, diese zwingend über die individuell zum Einsatz kommende DAW-Software oder über den Einsatz einer zusätzlichen Software erfolgen musste – zumindest bis jetzt.
Das Software-Paket für macOS- und Windows-Betriebssysteme gliedert sich in zwei Teile: ARC 4 Analysis und ARC 4. Letztere steht einmal als gewohnte Plug-in-Version und einmal als Standalone-Variante in Verbindung mit der via USB-C verbundenen ARC-Studio-Hardware zur Verfügung.
Die Messung
Einmal gestartet, leitet einen die Analyse-Software detailliert und reibungslos durch den Einmessprozess. Dafür stehen zur Vorauswahl verschiedene Programme für unterschiedliche Abhörszenarien parat. Diese reichen vom räumlich begrenzten Projektstudio über Studios mit gewünscht punktuellem oder etwas breiteren Sweetspot bis hin zur Heimkino-Situation. Sind die grundlegenden Einstellungen abgeschlossen lässt sich zwischen einem Messvorgang mit sieben oder 21 Messpunkten wählen. Für den Fall, dass es mal schneller gehen muss, ist ersterer bestimmt ein guter Kompromiss, aber auch die genauere 21-Punkt-Messung ist in weniger als einer halben Stunde über die Bühne. Wichtig bei der in drei Ebenen stattfindenden akustischen Abtastung per Lautsprecher-Sweep ist die Höhenposition des Mikrofons. Die erste Ebene startet mit ihrer Messung ca. 15 cm unterhalb des Ohrs, die zweite exakt auf Ohrhöhe und die dritte 15 cm darüber. Auf diese Weise wird der Kopfbereich umfassend abgedeckt. Die räumlichen Koordinaten für die jeweilige Aufstellung des Mikrofons werden anhand der Monitordarstellung geschätzt, was sich im Test als durchaus praktikabel herausstellte und zu einem mehr als zufriedenstellenden Ergebnis führte. Wer den eigenen Augen nicht traut, kann sich aber mit Zollstock und Klebeband bewaffnet auch mit entsprechend symmetrierten Bodenmarkierungen behelfen. Das endgültige Messprotokoll steht der Korrektursoftware nach Abschluss der Kalibrierung umgehend per entsprechender Auswahl zur Verfügung.
Zusammenspiel ARC 4 und ARC Studio
Für den Wechsel in die Standalone-Version von ARC 4 muss die ARC Studio-Hardware per USB-C mit dem Host-Rechner verbunden werden. Falls bisher nicht geschehen, wäre dies nun auch eine gute Gelegenheit den Monitorausgang des Audio-Interfaces/Monitor-Controllers und den Eingang der aktiven Monitore mit der Box zu verbinden.
Nach Auswahl und Aktivierung des zuvor erstellten Presets in der Grundeinstellung (default) hatte ich zunächst den Eindruck, dass bei der Messung irgendetwas schiefgelaufen sein musste. Der Bassbereich wirkte deutlich überbetont, was sich aber als gewünschte Anhebung in dieser Einstellung herausstellte. Die Target-Auswahl „Flat“ behebt diese natürlich auch händisch in der Kurve rückgängig machbare Modifikation.
Laut Handbuch wurde diese Grundeinstellung vorausgewählt um den aus geschlossenen Räumen gewohnte Bass-Boost-Hörerfahrung zu reproduzieren – in meinem Fall erfüllte es eher den Zweck einer Bassfallen-Undo-Funktion. Abgesehen von Default und Flat stehen aber auch noch andere Target-Presets für unterschiedliche Raumsimulationen zur Verfügung.
Ein weiterer Parameter betrifft den Umgang mit der Phasenkohärenz. Hier lässt sich zwischen den Presets „Natural“ und „Linear“ wählen. Ersteres bewirkt eine optimierte Kohärenz zwischen dem linken und rechten Kanal und damit zusammenhängend eine präzisere Phantommitte. Der Linear-Modus ist etwas spezieller, da er bei der Korrektur den Phasengang zwischen den Kanälen erhält, allerdings auch mit einer Latenz von ca. 40 Millisekunden zu Buche schlägt (Natural-Preset lediglich 1,4 ms). Im direkten Vergleich empfand ich das Ergebnis der Natural-Einstellung insgesamt angenehmer.
Im Edit-Modus lässt sich die Frequenzkurve außerdem über sechs Bänder anpassen sowie eine spezifische Auswahl über den grundsätzlichen Härtegrad der Korrekturumsetzung zwischen Sharp, Default (mittel) und Broad treffen. Darüber hinaus lässt sich der Bereich unterhalb (Low Range) sowie oberhalb von 200 Hz (High Range) bei Bedarf stufenlos aus der Korrektur ausklammern.
Speaker-Simulation
Die Anzahl an unterschiedlichen Lautsprecher-Setups im Studio ist in der Regel durch zwei Dinge hart begrenzt: Platz und finanzielle Mittel. Um eine Produktion dennoch ohne langwierige Fahrt in ein befreundetes Studio auf einem alternativen System anhören zu können, bietet IK Multimedia über ARC 4 die Möglichkeit über ein und dasselbe Lautsprecherpaar weitere bekannte Modelle (inklusive der eigenen Hausmarke) zu emulieren. Neben bekannten Klassikern wie den berühmten „Weißmembranen“ aus den Achtzigern können zur Beurteilung eines Mixdowns für einen Real-World-Test aber auch Frequenzprofile von Mobiltelefon, Bluetooth-Speaker oder einem TV-Set ausgewählt werden. Ich hätte an dieser Stelle natürlich monitorseitig gerne eine ganze Reihe an A/B-Vergleichstest angestellt, konnte mangels entsprechender Probanden aber lediglich mit dem Klangbild meiner eigenen Zweitbesetzung abgleichen, denen das Small-Alu-120-Preset schon ziemlich nahekommt.
Alles im Kasten
Kommen wir zum Star der Veranstaltung: Der ARC Studio-Hardware. Intern wandelt und bearbeitet IK Multimedias handliche Box das Audiosignal mit 96 kHz und 24-Bit bei einer DSP-Auflösung mit 32-Bit Fließkommaberechnung. Der abbildbare Frequenzbereich erstreckt sich von 2 Hz bis hin zu 45 kHz (-2.0 dB) bei einem 120 dB umfassenden Dynamikbereich (A-gewichtet). Die Eingangsimpedanz (symmetrisch) liegt bei 20 kOhm gegenüber einem Ausgangswert von 50 Ohm gepaart mit einem maximalen Output-Level von +17 dBu. Die Kanalübersprechung wird bei 1 kHz mit praktisch vernachlässigbaren -122,5 dB angegeben.
Und all diese Werte sorgen in der Praxis für exakt das, was man von ihnen erwartet. Das, was man hört ist eine klanglich (bis auf die entsprechenden Korrekturwerte) dem Eingangssignal entsprechende Gesamtqualität, welcher man sich immer wieder durch das Schalten in den True-Bypass vergewissern kann.
Last but not least: Sobald man sein ARC-4-Setting über die Store-Funktion auf die Hardware übertragen hat, kann man die USB-C-Verbindung beruhigt kappen. Das englische Sprichwort ‚set and forget‘ hatte wohl noch nie eine schönere Bedeutung als in Verbindung mit IK Multimedias ARC Studio.
Das Ganze wird auch noch zu einem Preis angeboten, der angesichts der gebotenen Leistung samt klanglichem Ergebnis mit (lediglich) 350 Euro Straßenpreis schlicht und einfach eine um Längen zu günstige Frechheit ist. Aber darüber wird sich wohl kaum ein Käufer beschweren.