Harrison 500er Module
32C-Pre+ Vorverstärker, MR3eq Equaliser, Comp Kompressor
Autor: Matthias Fuchs, Fotos: Peter Kaminski, Matthias Fuchs (1)
Harrison Audio zählt zu den großen Klassikern unter den US-amerikanischen Mischpult-Herstellern – und neben API zu denjenigen, die es geschafft haben, sich erfolgreich in das digitale Zeitalter hinüberzuretten. Zu Anfang der 1970er Jahre gegründet, kann das, in der Musikmetropole Nashville angesiedelte Unternehmen auf zahlreiche Innovationen zurückblicken. So gilt Firmengründer Dave Harrison als Erfinder der Inline-Konsole – erstmalig umgesetzt allerdings noch für seinen früheren Arbeitgeber MCI in dessen JH-400 Konsole. Aber auch Harrisons erstes eigenes Produkt mit der schlichten Bezeichnung „32C“ setzte 1975 auf Inline-Technik und bot darüber hinaus innovative Details wie etwa ein, begrenzt speicherbares Routing.
Die Serie 32C wurde für Harrison ein Riesenerfolg und prägte zahllosen Top-Produktionen ihren klanglichen Stempel auf. Dazu zählen Aufnahmen von Paul Simon, AC/DC, Led Zeppelin, Abba, Supertramp und, allen voran, Michael Jacksons legendäre Alben Thriller und Bad. Aber auch spätere Harrison-Produkte, darunter die großformatigen Konsolen der MR-Serie, konnten mehrfach Maßstäbe setzen. Für längere Zeit hauptsächlich der Filmindustrie zugetan, gehört Harrison seit 2023 zu Audiotonix und befindet sich dort mit illustren Namen wie SSL, Calrec oder Slate unter einem Dach.
Kürzlich hat Harrison einige seiner analogen Recording-Klassiker neu aufleben lassen – sowohl in Pult- und Plug-in-Form als auch im Gewand von 500er-Modulen. Letztere standen uns für diesen Test zur Verfügung. Die Module wurden anlässlich der NAMM Show im Januar diesen Jahres erstmalig vorgestellt und sind seitdem erhältlich.
In einer kompakten und hochwertigen OST-4 V2.0 Lunchbox von Heritage Audio erhielten wir ein Doppelpack „32C-Pre+“ Mikrofon-Preamps sowie je einen „MR3eq“ Equalizer und „Comp“ Kompressor.
Gemeinsamkeiten
Sehen wir uns zunächst die augenfälligen Gemeinsamkeiten der Module an. Die drei Harrisons präsentieren sich in schlichtem Schwarz mit unauffälliger, aber sauberer Beschriftung. Sämtliche Regler sind ungerastert und fühlen sich absolut hervorragend an. Die Schalter haben ein leichtes seitliches Spiel, arbeiten aber dennoch sehr präzise. Abgesehen von ein paar mehrfarbigen Pegel-LEDs haben die sehr aufgeräumten Frontpanels nur wenig Aufregendes zu bieten – Understatement pur, wie wir gleich sehen werden.
Die Frontpanels selbst besitzen eine Materialstärke von satten zwei Millimetern. Die weitestgehend in SMD-Technik bestückten Boards sind vergleichsweise einfach aber hochwertig aufgebaut und in China gefertigt. Sie vermitteln bei allen drei Modulen einen aufgeräumten und soliden Eindruck. Der Preamp nutzt einen teildiskreten Aufbau aus hochwertigen Op-Amps und Transistoren. Ein Gehäuse zum Schutz gegen elektromagnetische Einstreuungen existiert nicht. Die Montage im Modulträger vollzog sich bei unseren Testexemplaren rundum problemlos.
32C-Pre+ Mikrofonverstärker
Der 32C-Pre+ entspricht dem Vorverstärker der aktuellen Harrison 32 Console, welche wiederum an den großen Vintage-Klassiker 32C angelehnt ist. Neben dem obligatorischen Mikro-Eingang auf der Rückseite besitzt der 32C-Pre+ auch einen, als Kombibuchse ausgelegten Frontpanel-Input. Er dient wahlweise als weiterer, alternativer Mic-In (Einstellung xlr) oder als Instrumenten-Eingang (HiZ). Das ist sehr praktisch, um mal eben ein alternatives Setup auszuprobieren, ohne dazu die rückseitige Verkabelung ändern zu müssen. Zur weiteren Ausstattung des Mikro-Ins zählen Phasenumkehr, eine 20-dB-Abschwächung sowie die Phantomspeisung, deren Schalter leider ungünstig positioniert ist und eine Fehlbedienung nicht ausschließt.
Im Signalweg befindet sich – entsprechend dem Harrison-Klassiker – ein Jensen-Übertrager, hier ein JT-MB-CPCA mit erstklassigen Leistungsdaten. Die Eingangsverstärkung des Moduls liegt laut Hersteller zwischen +20 und +70 dB. Damit ist also auch genug Dampf für den Betrieb von Vintage-Bändchen-Mikros vorhanden. Eine mehrfarbige LED visualisiert sehr zuverlässig den Eingangspegel.
Höchst interessant – und eine weitere Reminiszenz an das Vintage-Vorbild – sind die beiden, hinter der Verstärkerstufe gelegenen Filter. Es handelt sich um je einen Hoch- und Tiefpass mit einer Steilheit von 12 dB/Oktave und einem Frequenzbereich von 25 Hz bis 3,1 kHz bzw. 160 Hz bis 20 kHz. Somit überlappen sich die Frequenzen derart, dass sich das Signal in weiten Bereichen formen und sogar vollständig ausblenden lässt.
Klanglich weiß der Harrison 32C-Pre+ auf ganzer Linie zu überzeugen. Er behandelt das Eingangssignal sehr zivilisiert und weiß mit neutralem, aber keineswegs leblosem Sound zu überzeugen. Auch bei niedrigen Gain-Settings nimmt man eine Tendenz zu subtiler und ansprechender Schönfärbung wahr. Der Übertrager sorgt für eine unauffällige aber spürbare Abrundung des Signals. Das ordentlich hochpegelige Ausgangssignal bleibt dabei immer sehr sauber. Vocals und Gitarren klingen offen und brilliant, Bässe knurren schön rund und kraftvoll – man erkennt und schätzt den angenehmen Hauch US-amerikanischer Rock-Klassiker. Sehr praktisch und bestens musikalisch nutzbar sind die beiden breit angelegten Filter, die auch ohne nachfolgenden EQ sehr effektive Klanganpassungen ermöglichen.
MR3eq Equaliser
Auch der MR3eq ist an das Schaltungskonzept eines Harrison-Klassikers angelehnt. Er bedient sich allerdings nicht bei der legendären 32C sondern adaptiert den EQ der MR3-Konsole von 1982. Dabei handelt es sich um einen sehr flexiblen Dreiband-EQ mit zuschaltbarem Hochpassfilter. Letzteres entspricht dem im Preamp-Modul. Im Signalweg folgt nun die eigentliche EQ-Sektion: Low- und High-Band bieten jeweils Regelmöglichkeiten für Einsatzfrequenz (800 Hz bis 15 kHz bzw. 40 bis 500 Hz) und Gain (+/- 10 dB). Wählt man hier die Shelving-Charakteristik so beträgt die Filtersteilheit 6 dB/Oktave. Wechselt man die Charakteristik, erhält man ein Glockenfilter zweiter Ordnung mit proportionaler Güte, das heißt, das das Filterband wird mit zunehmendem Gain schmaler wird. Das Mittenband (400 Hz bis 8 kHz) bietet ebenfalls +/-10 dB Gain, allerdings findet sich hier eine stufenlos regelbare Filtergüte.
Diese Konzeption verleiht dem Harrison-EQ eine hohe klangliche Variabilität bei überschaubarer und effizienter Parametrisierung. Breitbandige Einfärbungen sind ebenso möglich wie recht präzise Eingriffe in das Klanggeschehen. Insbesondere das Zusammenspiel aus Hochpassfilter und Tiefenband ermöglicht eine sehr exakte Definition des Low-Ends bei nahezu jedem Programmmaterial.
Der Harrison-EQ färbt sehr angenehm und musikalisch, ohne dabei den Charakter des Programmsignals zu dominieren. Er wirkt vergleichsweise „rund“, aber weniger auffällig als manch typischer-Vintage-EQ. Diese Eigenschaften machen ihn sehr vielseitig einsetzbar.
Der MR3eq funktioniert nicht nur mit nahezu jedem Instrument, er optimiert auch hervorragend Bus- und Summensignale. Als Spezialist für präzise Korrekturen ist der MR3eq nicht ideal. Um dagegen unterschiedlichste Signale für die Aufnahme oder den Mix zu optimieren, eignet sich der MR3eq hervorragend. Leider lässt sich nur das gesamte Modul via Bypass aus dem Signalweg entfernen. Ein Bypass pro Band steht nicht zur Verfügung.
Comp Kompressor
Das Harrison Comp-Modul nimmt, im Gegensatz zu seinen Partnern Preamp und EQ, keine Anleihen an einem Vintage-Klassiker. Es handelt sich um eine vollständige Neuentwicklung auf Basis eines THAT-Corporation 2180 VCA-Chips. Die Ausstattung ist denkbar übersichtlich. Es finden sich Regelmöglichkeiten für den Einsatzschwellwert (Threshold), Kompressionsverhältnis (Ratio), Abfallzeitkonstante (Release) und Aufholverstärkung. Die Anstiegszeit wird programmabhängig geregelt. Vervollständigt wird die effiziente Ausstattung mit einem Bypass-Taster, einer LED-Kette zur Darstellung der Pegelreduktion sowie der, von Preamp und EQ bekannten, farbigen Input-LED. Die Beschriftung des Ratio-Reglers ist mit 1:2 bis 1:10 etwas eigenwillig – definiert sich doch dieser Parameter durch eine umgekehrte Wertedarstellung, also etwa 10:1. Möglicherweise ein Versehen?
Bei vorsichtiger Dosierung mit niedriger Ratio arbeitet der Harrison Comp sehr unauffällig. Er verdichtet das Klangmaterial hörbar aber subtil und beschneidet im Limiter-Betrieb zuverlässig die Pegelspitzen. Die programmabhängige Anstiegszeit passt sich dabei im Rahmen des Möglichen sehr gut an jedes Klangmaterial an. Langt man kräftiger zu, entwickelt der Harrison Comp einen subtilen, aber wahrnehmbaren Charakter mit einem Hauch 70ties-Style.
Fazit
Das Harrison-Trio konnte den Tester rundum überzeugen. Mit seinen drei 500er-Modulen hat der US-amerikanische Traditionshersteller ein weiteres Mal gezeigt, dass er nichts in Sachen Analogaudio verlernt hat. Insbesondere Preamp und EQ gelingt die Gratwanderung zwischen unprätentiösem Studio-Arbeitstier und Boutique-Produkt mit subtilem Vintage-Vibe hervorragend: Klanglich flexibel, ausgestattet mit genügend Präzision sowie dezentem und angenehmen Charakter, bieten sich die Module als effiziente Allrounder für ein hochwertiges Studio-Frontend an. Im Wesentlichen gilt das auch für den Kompressor, der einfach jedes Signal unauffällig zu bändigen weiß und darüber hinaus bei Bedarf durchaus auch Zähne zeigen kann. Die Kritikpunkte beschränken sich auf ein paar wenige Ausstattungsdetails.
Alle Module arbeiten sehr musikalisch und bilden ein stimmiges Paket. Insbesondere Preamp und EQ ergänzen sich perfekt. Sämtliche Module bieten zudem ein hervorragendes Preis-/Leistungsverhältnis. Die Listenpreise liegen bei ca. 860 Euro für das Preamp-Modul sowie je ca. 470 Euro für das EQ- und das Kompressor-Modul. Die Verarbeitung ist rundum hochwertig, die Audioqualität in jeder Hinsicht überzeugend. Somit kann das Harrison-Trio mühelos mit deutlich teureren Geräten mithalten. Wer ein ebenso effizientes wie leistungsfähiges Frontend zu einem sehr attraktiven Preis sucht, sollte sich die drei Harrison-Module unbedingt näher ansehen und anhören.