Focusrite Scarlett 2i2 / 4i4
Vierte Generation von 2.0 USB-Audio-Interfaces für Apple- und Windows-Systeme
Autor: Erol Ergün | Fotos Peter Kaminski u. Erol Ergün (1)
Focusrite ist bekannt für seine mittlerweile in der vierten Generation aufgelegten Serie von kompakten USB-Audiointerface für macOS- und Windows-Systeme. Während wir bereits ausführlich auf die Focusrite Clarett-Serie eingegangen sind, geht es in diesem Test um die vierte Generation der Scarlett-Serie. Hierfür standen uns sowohl das Scarlett 2i2 und 4i4 zur Verfügung. Wir konzentrieren uns hier im Wesentlichen auf die größeren Variante 4i4.
Konzept und Technik
An dem Grundkonzept hat sich nichts geändert: auch die beiden aktuellen Vertreter der Scarlett-Reihe verfügen über ein robustes Metallgehäuse im typischen Focusrite-Metallrot. Beide Modelle nutzen identische Preamps und A/D- sowie D/A-Wandler und unterscheiden sich lediglich in der Anzahl von Anschlüssen und Bedienelementen. Die Abmaße des Scarlett 2i2 betragen 47,5 x 180 x 117 mm und das Gewicht beträgt 600 Gramm und das 4i4-Modell ist mit den Maßen 60 x 180 x 130 mm und einem Gewicht von ca. 800 Gramm etwas mehr größer als das 2i2.
Sowohl das 2i2 als auch das 4i4 unterstützen Abtastraten von 44,1 kHz, 48 kHz, 88,2 kHz, 96 kHz, 176,4 kHz, 192 kHz bei 24-Bit-Auflösung mit einem um 5 dB verbesserten Dynamikumfang von jetzt 116 dB (A-gewichtet) für Mikrofoneingänge und gegenüber der Vorgängerversion mit 111 dB verbesserten Wert von jetzt 120 dB (A-gewichtet) für Line-Ausgänge. Weiter optimiert wurden auch die neu entwickelten Mikrofonvorverstärker mit gegenüber der Vorgängergeneration von 56 dB Gain nun 69 dB Verstärkung bei einem Übertragungsbereich von 20 Hz bis 20 kHz (+/- 0,06 dB). Der von der Vorgängergeneration bereits bekannte Air-Modus wurde einem Update unterzogen und mit effektiverem Enhancer-Effekt für den oberen Mittenbereich versehen.
Neu hinzugekommen sind die Funktionen „Auto Gain“ sowie „Clip Safe“. Während sich erstere für einen optimalen Pegel abhängig vom aktuell anliegendem Audiosignal kalibrieren lässt, sorgt letztere für eine verzerrungsfreie Aufnahme selbst bei hohen Eingangspegeln. Hierbei wird das anliegende Audiosignal durch den integrierten DSP digital überprüft und bei zu hohem Pegel automatisch reduziert.
Anschlüsse und Bedienelemente
Obwohl sich alle relevanten Funktionen des Audiointerfaces mit der Software Focusrite Control virtuell steuern lassen, verfügt das Gerät über fein auflösende und präzise Drehregler für die Pegelkontrolle der beiden Mic/Line-Eingänge, dem Master-Regler mit jeweils integrierter Farb-LED für die Pegelanzeige ohne Skalierung sowie Kopfhörerausgang. Darüber hinaus gibt es sechs Schalter mit LED-Anzeige für Kanalwahl 1/2, 48-Volt-Phantomspeisung, Mic/Line-Status, Auto Gain, Clip Safe und Air-Modus.
Das Scarlett 4i4-Audiointerface verfügt über zwei Eingänge in Form von Kombibuchsen auf der Vorderseite und zwei 6,3-mm-Klinkenbuchsen auf der Rückseite. Ausgangsseitig werden auf der Vorderseite ein Kopfhörerausgang in Form einer 6,3-mm-Stereoklinke sowie vier 6,3 mm-Klinkenbuchsen geboten. Beim Scarlett 2i2 stehen ausschließlich Klinkenbuchsen für die Eingänge auf der Frontseite zur Verfügung.
Rückseitig steht beim 4i4 (s. Abb. unten) ein USB 2.0-Typ-C-Anschluß für den Datenaustausch und ein 5-Volt-Anschluss für die Spannungsversorgung in Form eines USB-Typ-C-Anschlusses für das im Lieferumfang enthaltene externe Netzteil zur Verfügung, falls das Host-System keinen 1,5-A-Strom bereitstellen kann. Einen extra USB-Anschluss für die Spannungsversorgung gibt es übrigens beim 2i2 (s. Abb. oben) ebenso wenig wie ein Netzteil.
Des Weiteren lassen sich beide Modelle mit einem Kensington Diebstahlschutz sichern. Im Gegensatz zum kleinen Bruder 2i2 verfügt das Scarlett 4i4-Audiointerface auch über MIDI In/Out-Anschlüsse in Form von zwei DIN-Buchsen.
Software
Die übersichtlich gestaltete Controller-Software „Focusrite Control 2“ kann für alle Stereo-Ausgänge drei individuelle Submixes (Mix A, B, C) für die Kanäle 1/2, 3/4 sowie Kopfhörer verwalten. Darüber hinaus lassen sich die Pegel der Vorverstärker 1 und 2 sowie weitere Einstellungen bequem am Computer bearbeiten.
Neben der 48-Volt-Phantomspeisung lässt sich auch die Clip-Safe-Funktion und der Instrumenteneingang (Hi-Z) mit einer Imppedanz von einem Megaohm aktivieren. Auch der bereits aus der Clarett-Reihe bekannte Air-Modus zur Anhebung von mittleren Frequenzen ist via Software ein- und ausschaltbar.
Neben der Lite-Version von Ableton Live spendiert Focusrite auch in der aktuellen Generation allen Scarlett-Modellen ein umfassendes Software-Bundle in Form der Hitmaker Expansion. Die Plug-in-Auswahl eignet sich für unterschiedliche DAWs und ist in den Plug-in-Formaten VST, AU (macOS) und AAX nach erfolgter Online-Registrierung auf der Focusrite-Website herunterladbar.
Hier mal ein Überblick über das Bundle: Antares Auto-Tune Access ist die Lite-Variante für Tonhöhenkorrekturen. Mit dem Sonnox VoxDoubler werden Gesangslinien und Gitarrenaufnahmen gedoppelt. Relab LX480 Essential ist eine an Lexikon 480 angelehntes Hallsimulation mit vier Halltypen Plate, Hall, Ambience und Room mit gängigsten Hallräumen für Instrumente und Gesang. Mit Bx console Focusrite SC steht ein Klassiker des Focusrite Channel Strip zur Verfügung. basierend auf der analogen ISA-110 Hardware beinhaltet die Simulation EQ, De-esser, Kompressor, Limiter, Gate und Expander. Das ebenfalls an die Red Serie von Focusrite angelehnte Plug-in Red 2&3 Plug-in Suite verfügt ebenso wie seine analogen Vorbilder über EQ und Kompressor. Mit dem FAST Balancer lassen sich mittels KI-Algorithmen Audiodaten in Hinblick auf Transparenz und Frequenzgang optimieren. Das Softube Marshall Silver Jubilee 2555 erlaubt Gitarristen die Simulation verschiedener Verstärker während Native Instruments Massive als Vorgänger des Synthesizer-Boliden Massive X mit einer Reihe von druckvollen Klängen punktet. Abgerundet wird das Paket durch XLN Audio Addictive Drums 2 Studio Rock und Addictive Keys.
Außerdem spendiert Focusrite registrierten Usern Optionen für vergünstigte Abonnements, in Form von Master Your Music von Landr (60 Tage) für das MP3-Mastering sowie Pro Tools Artists Complete Plugin Bundle (90 Tage), für die in den ersten Monaten keine Nutzungsgebühren anfallen.
Praxis
In unserem Test stand aber die Hardware im Fokus. Der Anschluss erfolgte dank reibungsloser Installation des Treiberpakets auf einem Apple Macbook Air inklusive Firmware-Update schnell und schnörkellos.
Neugierig war ich auf die neuen Funktionen „Auto Gain“ und „Clip Safe“, die insbesondere bei dynamischem Gesang und perkussiven Aufnahmen in unterschiedlichen Abtastraten mit Cubase 13 getestet wurden. Dies funktionierte im Test ohne Komplikationen mittels Knopfdruck auf den frontseitig angebrachten Auto-Gain-Schalter oder via Focusrite Control wie folgt: innerhalb von zehn Sekunden die lauteste und leiseste Stelle des Musikstücks einspielen. Nach erfolgreicher Einstellung leuchtet die Ring-LED grün und rot bei nicht erfolgter Pegel-Kalibrierung. Die Funktion war auch für Dual-Mono- (zwei Gesangslinien) als auch für Stereosignale (Keyboard) einsetzbar. Während die Clip-Safe-Funktion gute Dienste bei Gesangsaufnahmen leistete, kam es bei sehr lauten perkussiven Schlagwerk-Aufnahmen zu leichten Übersteuerungen.
Bei Aufnahmen mit 176,4 und 192 kHz steht die Funktion Clip Safe übrigens nicht zur Verfügung. Hier scheint die integrierte DSP wohl an die Leistungsgrenzen zu stoßen, was jedoch angesichts dieser im Alltag eher selten genutzten Abtastrate zu verschmerzen ist. Alles in Allem überzeugten beide Funktionen für eine pegeloptimierte Aufnahme.
Bei den Latenzen während der MIDI-Eingabe unter Cubase 13 gab es im Vergleich zu der Clarett-Modellreihe mit 6,2 Millisekunden bei 128 Samples keine unangenehmen Überraschungen. Die bei meinem Macbook Air möglichen 4,0 Millisekunden bei 32 Samples erlaubten das präzise Einspielen von Schlagzeugspuren.
Fazit
Focusrite zeigt einmal mehr im Budget-Bereich auf, dass man mit günstigen Audio-Interfaces in Hinblick auf die Audiogüte und Bedienung keine Qualitätseinbußen hinnehmen muss. Vielmehr ist die aktuelle Scarlett-Modellreihe für den mobilen Einsatzzweck optimiert und leistet aufgrund des stabilen und sauber verarbeiteten Metallgehäuses und der präzisen Bedienelemente ohne den Gebrauch externer Netzteile sehr gute Dienste. Wie schon bei der Clarett-Reihe punkten dabei beide Scarlett-Geräte mit einem rauscharmen und präsenten Klangbild und niedrigen Latenzwerten.
Sehr praktisch ist die Möglichkeit, selbst bei dynamischen Pegeln verzerrungsfreie Aufnahmen mittels der Funktionen Clip Safe und Auto Gain bewerkstelligen zu können. Lobenswert ist auch, dass Focusrite seiner Tradition treu bleibt, ausführliche Bedienungsanleitungen lokalisiert verfügbar zu machen, obwohl der Blick in das auch auf Deutsch erhältliche PDF-Dokument aufgrund der übersichtlichen Bedienung nur in seltenen Fällen notwendig werden dürfte.
Die wertige Software-Ausstattung ist hierbei keine bloße Dreingabe, sondern erlaubt insbesondere Einsteigern einen soliden musikalischen Einstieg. Das Scarlett 2i2 ist im autorisierten Fachhandel für ca. 200 Euro, das Scarlet 4i4 für ca. 295 Euro erhältlich.