Eventide Misha

Controller und Sequenzer mit Intervall/Tonreihen-Konzept

Autor und Fotos: Peter Kaminski

front aufmacher

Der Eventide Misha wurde im Mai 2021 angekündigt und im September 2021 dann in der SuperBooth vorgestellt und war dann im Spätsommer verfügbar. Was man vorwegnehmen kann ist, dass es ein sehr spezielles Modul ist, was sich mit dem Wort "Sequenzer" alleine nicht nur ungenügend beschreiben lässt sondern auch das Produkt in die falsche Ecke platziert. Es nimmt auch in der Produktpalette von Eventide ohne Frage eine Sonderstellung ein.

Technik

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Die Breite des Misha liegt bei 28 TE. Die gesamte Elektronik ist auf einer Platine bestückt, so dass die Bautiefe lediglich bei 19 mm liegt. Der gemessene Strom liegt bei +12 Volt bei 75 mA und bei -12 Volt in der Spitze bei 103 mA.

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Ein Update der Firmware ist über den Eventide Device Manager möglich, der für Windows PCs (ab Windows 10) und macOS-Rechnern (ab Version 10.11) zur Verfügung steht. Die Verbindung zwischen Rechner und dem Modul erfolgt via Micro-USB-Buchse (USB 2.0) auf der Modulfront.

Panel

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Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die Frontplatte mit den sehr strukturiert angeordneten Bedienelementen.

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Ganz oben befinden sich die Buchsen, der schon erwähnte Micro-USB-Anschluss, an dem sich auch ein Keyboard anschließen lässt, sowie die Micro-SD-Karte für die Speicherung von Presets und die 3,5-mm-Klinkenbuchsen (s. Abb. oben). Hier fällt auf, dass ganz rechts auch ein Audio-Ausgang geboten wird. Misha ist mit einer internen Tonerzeugung ausgestattet, allerdings ist diese nur für Monitor/Kontrollzwecke gedacht. Aber auch praktisch um ggf. mit dem Audio ein externes Modul manuell zu stimmen. Der Sound der dort angeboten wird lässt sich für sonstige Zwecke auch nicht einsetzen. Weiter wird dort ein Clock-Eingang geboten. Dazu später mehr. Auch ein MIDI-Ein- und Ausgang ist vorhanden.

Es stehen drei Klinkenbuchen-Ausgangs-Paar mit jeweils Trigger/Gate und CV zur Verfügung (1/2/3) und auch drei Eingangspaare (X/Y/Z). Man muss wissen, dass Misha nicht mehrkanalig ausgelegt ist. Das heisst, dass die drei CV-Ausgänge für die Wiedergabe von Akkorden nutzbar ist aber zurzeit des Tests nicht drei individuelle Sequenzen ausgegeben werden können.  

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Neben dem 30 (breit) x 36 (hoch) Millimeter großem Farb-Display befinden sich zwei Druck/Drehgeber (key und scale) sowie zwei Transporttasten für Record/Stop sowie Start/Pause und vier User-Tasten, denen eine besondere Bedeutung zukommt, da sie sehr viele Funktionen ermöglichen.

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Im unteren Bereich des Moduls sind zwei Shift-Tasten verfügbar, um über die vorhandenen Tasten, besonders über die User-Tasten, Zusatzfunktionen aufzurufen. Unter dem Display befindet sich noch ein Undo-Taster. Konzeptionell ganz endscheidend sind die neun farbig leuchtenden Tasten unter dem Display auf die wir später zu sprechen kommen.

Konfiguration

Drückt man die beiden Druck-/Drehgeber gleichzeitig, so kommt man in das umfangreiche Konfigurationsmenü.

Die Displays wurden im eingebauten Zustand Fotografiert und durch die Bildschirmwiederholrate sind hier Artefakte zu sehen, die bei der Betrachtung des Displays im Original vom Bediener so nicht wahrgenommen werden. Man muss dem Display eine sehr gute Note mit sehr guter Ablesbarkeit bescheinigen.

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Im Menü lassen sich (s. Abb. oben, kann man auch noch weiter nach unten scrollen) sehr viele Dinge einstellen, auf die wir hier nur grob eingehen möchten. Die 50-seitige englische Bedienungsanleitung gibt hier näheren Aufschluss. Im Überblick: es lassen sich die Tastenzuordnungen sowie die Ein-und Ausgänge konfigurieren sowie weitere globale Systemparameter. So zum Beispiel bei den CV-Ausgängen auch der Spannungsbereich (-5 ... +5, 0 ... 5, 0 ... 10 Volt) und der Referenzton individuell pro Ausgang. Beim Audioausgang lässt sich lediglich der Ausgangspegel, bzw. eine Verstärkung von 0 bis 40 dB einstellen.

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Auch im Bereich MIDI ist neben den MIDI-Kanälen einiges an Individualisierung geboten (s. Abb. oben). Über Output Velocity lässt sich der ausgegebene Velocity-Wert einstellen: Dazu muss man wissen, dass Misha keine Akzentuierung von Noten gestattet und immer der gleiche, hier eingestellte Velocity-Wert ausgegeben wird.

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Eine Taktung über eine externe Clock ist möglich. Hier lässt sich die interne Clock Rate (in BPM) und die externe Anzahl von Impulsen für eine Viertelnote (1, 4 oder 24 PPQ) einstellen.

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Weitere Parameter lassen sich über den Punkt "System" einstellen, wie der allgemeine  Notenbereich oder der Modus monophon oder polyphon (Ausgabe von Akkorden) was die Ausgänge angeht und ob nach Starten des Moduls das letzte Preset oder ein leeres Preset bereitsteht.

Konzept und Bedienung

Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass Misha einfach nur ein etwas anderer Sequenzer ist. Misha ist eigentlich ein Controller mit Sequenzer-Funktion. Das Bedienkonzept unterscheidet sich von den Pattern-orientierten Sequenzern deutlich. Ein Punkt ist dabei, dass es gar keine Patterns gibt und das ist kein Mangel, sondern ein Teil des Konzeptes. Ebenfalls ein Teil des Konzeptes ist, dass die Tonhöhe der einzelnen Töne einer Sequenz nicht als absolute Tonhöhe, sondern als Intervallgrößen angegeben werden. Man orientiert sich etwas an der Idee der Zwölftonmusik, bei der die zwölf Töne der chromatischen Skala gleichberechtigt sind und auch alle vorkommen. Das lässt sich auch auf andere Skalen übertragen wie Dur, Moll etc. Die entstehende "Sequenz" nennt man dabei Tone Row - also eine Tonreihe.

Beim Misha können in einer solchen Tonreihe alle oder auch nur bestimmte Töne einer vorgegebenen Skala/Mode vorkommen. Die Anzahl der verfügbaren Skalen und Modes ist sehr groß. Auch Skalen außerhalb der chromatischen Tonleitern, zum Beispiel mit Mikro-Intervallen wie eine Tonleiter mit 48 Tönen in einer Okatave oder Skalen mit nicht-temperierten Stimmungen, sind im Angebot. Es lassen sich auch eigene Skalen als User Scales ablegen. Es stehen zwei Bänke mit jeweils 50 User Scales bereit, die mit Werks-Scales vorgeladen sind und sich überschreiben lassen.

Die Erzeugung einer Tone Row erfolgt dabei wie folgt. Man geht in den Aufnahmemodus in dem man die entsprechende Taste drückt. Nun kann man den Ton des ersten Steps eingeben, in dem man die Intervallgröße bezogen auf den Grundton angibt also 0 für den Grundton oder +1 , +2, +3, +4 bzw. -1, -2, -3, -4 für die jeweiligen Halbtonintervalle. Die User-Tasten haben hier die Funktion Halbton- oder Oktave-Intervall.

Dann gibt man das nächste Intervall durch Tastendruck ein, das sich auf den aktuellen Ton und nicht auf den Grundton bezieht. Das macht man solange bis man alle Steps eingegeben hat. Wenn man alle verfügbaren Töne einer Skala genutzt hat geht Misha automatisch in dem Play-Mode. Für eine Skala gibt es auch noch verschiedene Modes. Bei Anwahl einer Major Scale so zum Beispiel die Modes ionisch, dorisch etc. Ich vermeide hier bewusst den Begriff Kirchentonarten, denn sonst müsste man hier weiter ausholen.

Während des Abspielens der Tone Row kann über verschiedenste Funktionen in Echtzeit Einfluss auf das Abspielen nehmen. So lässt sich Abspielrichtung ändern, bzw. auch die Töne aus dem Tone Row-Reportoire in zufälliger Reihenfolge abspielen etc. Auch ein Transponieren oder verschieben innerhalb der Skala und andere Dinge sind möglich, bis hin zur Änderung der Skala und dem Mode. Auch die Gate-Länge lässt sich auf drei Schrittgrößen (short, medium, long) ändern.

Interview

Leon bw

Wir hatten noch die Gelegenheit mit Leon Gruenbaum, Product Developer von Misha zu sprechen. Leon spielt seid früher Jugend Klavier und studierte Musiktheorie am New England Conservatory. Er machte 1985 sein Abschluss in Mathematik an der Harvard Universität.

Mit dem "Samchillian" hat ein Keyboard-Instrument entwickelt, welches auf einer modifizierten Computertastatur basiert, bei dem nicht die absoluten Töne, sondern die Intervalle über Tastendruck festgelegt werden. Das Instrument hat er schon in den achtziger Jahren entwickelt und damit weltweit Konzerte gegeben. Diese Ideen waren auch die Basis für das Misha Eurorack-Modul, wobei heutzutage natürlich andere Möglichkeiten geben sind als in den achtziger Jahren.

proaudio.de: Zunächst einmal zur Entwicklung. Wie kam es dazu sich für die Entwicklung von Misha zu entscheiden? Das Modul unterscheidet sich konzeptionell doch sehr von den anderen Eventide-Produkten.

Leon Gruenbaum: Die Grundlegende Idee von Misha ist, dass statt feste Tonhöhen Tonintervalle über Tastendruck eingegeben, bzw. gespielt werden, wie es schon bei dem von mir entwickelten Keyboard Controller Samchillian der Fall war. Misha bietet gegenüber Samchillian einige Verbesserungen. Besonders erwähnenswert die Möglichkeit eine Sequenz einzugeben und wieder abzuspielen und das intern oder über eine externe Clock synchronisiert. Misha lässt sich über verschiedene Arten spielen, wie über die Frontpanel-Bedienelemente, einem externen MIDI-Controller, einer angeschlossenen PC-Tastatur oder über CV/Gates-Eingänge. 

Joe Waltz von Eventide hatte die Idee dieses Konzept in den Eurorack-Markt einzubringen und hatte ein großartiges Design entworfen. Die Anwender in der Eurorack-Scene sind sehr offen für neue Ideen und Experimente und ich finde es ist ein bemerkenswertes Werkzeug genau in dieser Richtung. Weiter sind viele Eurorack-Anwender keine ausgebildeten Musiker und so ist es hilfreich für diese Anwender ohne großes Training mit Fingersätzen verschiedenste Skalen auszuprobieren. Ich glaube auch, dass die Anwender über Misha etwas mehr über Harmony lernen.

Wie auch immer: es ist richtig, dass es aus verschiedenen Aspekten nicht ein typisches Produkt von Eventide ist. Es ist das zweite Eurorack-Modul von Eventide und Eventide hat bisher keine Musikinstrumente oder MIDI-Controller gebaut aber Eventide hat eine hohe Reputation für Innovationen und das wiederum passt perfekt zu Misha.

proaudio.de: Misha ist ja weniger ein Studio-Werkzeug sondern mehr für den Live-Einsatz gedacht oder?

Leon Gruenbaum: Ich würde nicht direkt sagen, dass es mehr für Live- als für Studioanwendungen geeignet ist. Der Zustand von Misha lässt sich ja jederzeit auch speichern wie auch jede eingespielte Tone Row und kann so später aufgerufen oder für weitere Verwendung auch auf einen Computer übertragen werden. Wir sehen besonders Interesse von Filmmusik-Komponisten, die häufig nach neuen Ideen für Ihre Aufnahmen suchen.

proaudio.de: Welche weiteren Entwicklungsschritte sind bezüglich der Firmware angedacht?

Leon Gruenbaum: Über den Eventide Device Manager ist ein Update der Firmware ja leicht durchzuführen. Es gibt eine ganze Liste von geplanten Erweiterungen für Misha die anstehen. Das nächste Update folgt in Kürze, welches dann auch die Synchronisierung über MIDI Clock bieten wird. Auch der Mehrspurbetrieb sowie eine Swing-Funktion ist angedacht. Im Moment geben die drei CV/Gate-Ausgänge ja drei Einzelnoten eines Akkords aus, aber wir möchten auch eine Funktion bieten, wo drei unabhängige Sequenzen, ggf. mit unterschiedlichem Clock-Multiplikator, parallel ablaufen, um so interessante und komplexe Sequenzen zu produzieren.

Praxis

im rack

Beim Lesen des Beitrags ist sicherlich jedem klar geworden, dass Misha nicht mit klassischen Sequenzern vergleichbar ist. Es ist ein Controller-Modul mit integriertem Sequenzer für experimentierfreudige Musiker und das mehr für das Live-Performing-Segment. Hier kann man durch den Anschluss einer MIDI-Tastatur noch einiges in Echtzeit beeinflussen. Dank der vielen Skalen und den Modes und der Inteval-bezogenen Eingabe kommt man schnell zu interessanten Melodien. Auch der Anschluss einer PC-Tastatur am USB-Port ist ja möglich. Hier kann man sehr viele Funktionen auf Knopfdruck steuern. Ich persönlich finde den Einsatz eines MIDI-Keyboards aber deutlich praktischer in der Handhabung als mit einer PC-Tastatur. In beiden Fällen kann man so übrigens auch Intervalle größer als vier Halbtonschritte (bis zu +/-9) ansprechen, bzw. eingeben.

In den Presets werden sehr viele Parametern gespeichert, also nicht nur die Skala und der Mode sondern auch MIDI Range, Mono/Poly-Mode, Tastenbelegungen, MIDI Prog. Change-Nummer, Chords, Abspiel-Optionen und vieles mehr.

Es gibt auch noch ein paar Anmerkungen zu machen. So würde ich mir ein Reset-Eingang wünschen auch eine Möglichkeit einer manuellen Velocity-Stufung einer Note oder zumindest eine Akzentuierungsmöglichkeit und vielleicht auch eine Swing-Funktion. Auch wäre es hilfreich die Clock Division auf 1/8 und 1/16 stellen zu können. Wer das Modul ganz klassisch als reinen Sequenzer nutzen möchte, der wir gegebenenfalls die Einkanaligkeit monieren aber das steht ja bereits auf der Feature-Liste der nächsten Firmware-Updates. Die Bedienung ist, wenn man etwas in die Tiefe gehen möchte, nicht in allen Punkten selbsterklärend aber das umfangreiche und sehr praxisnahe Handbuch hilft hier schnell weiter.

Der Preis des Misha liegt bei ca. 680 Euro. Interessant ist, dass es in dieser Form nichts Vergleichbares gibt. Experimentierfreudige Musiker die Live performen - sei es auf der Bühne oder im Studio - werden in Misha sicherlich einen interessanten Controller sehen.

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