Dawesome Novum
Virtuelles Instrument mit Granular Synthese
Wir möchten hier das im Juni 2022 vorgestellte virtuelle Instrument "Novum" vorstellen - ein Synthesizer basierend auf Granular-Synthese. Entwickelt wurde es von Peter Vorländer aus Hamburg. Er selbst ist auch als Musiker tätig, trägt aber auch einen Doktortitel der Mathematik und gründete Mitte 2019 seine Firma Dawesome. Sein erster kommerzieller Synthesizer war der Abyss. Schon dieser Synth wartet mit einige Besonderheiten auf, wie die grafische Zusammenstellung eines Sounds, bzw. Klangverlaufs aus einer Palette von vorgegebenen Charakteren. Und natürlich bietet auch Novum, mittlerweile der dritte Synth von Peter Vorländer, im Bereich der Bedienung und Handhabung neben vielem Bekanntem auch Neues. Vertrieben wird Novum, wie auch schon Abyss, über Tracktion.
Voraussetzungen und Installation
Novum ist sowohl als VST3 für macOS (ab Version 10.13, 64 Bit oder Apple Silicon) und Windows (ab Windows 10, 64 Bit) als auch als AU-Plug-In für macOS verfügbar.
Download und Installation erfolgt nach dem Kauf über den Tracktion Download Manager (s. Abb. oben). Nach erfolgreicher Installation muss man im Plug-In noch die Zugangsdaten des Tracktion-User-Accounts eingeben und das Plug-In wird dann für diesen Rechner freigeschaltet. Wichtig ist zu wissen, dass man noch die Novum Basic Content Sound-Bibliothek installieren muss. Nach dem Downloaden muss man den entpackten Ordner in das gewünschte Library-Verzeichnis schieben und dann den Ordner mit der Maus auf die Oberfläche des Novum ziehen und die Sound sind dann installiert.
Konzept
Novum nutzt granulare Synthese. Hier werden aus einem Sample kurze Teile im Millisekunden-Bereich, sogenannte Grains oder machmal auch als Particles bezeichnet, herangezogen. Mehrerer dieser Grains werden hintereinander abgespielt. Mögliche Variablen sind neben der Grain-Länge die Dichte, bzw. Anzahl der Grains. Es ist eine bestimmte Anzahl von Grains erforderlich um einen kontinuierlichen Sound zu bekommen. Es gibt im Detail verschiedene Möglichkeiten mit den Grains umzugehen. Grains lassen sich häufig in der Reihenfolge umkehren oder Ping-Pong-mäßig abspielen. Der große Vorteil von Grains ist, dass eine Veränderung der Abspielgeschwindigkeit nicht die Tonhöhe verändert.
Bei Novum werden nach dem Laden einer neuen Sample-Datei über ein Algorithmus sechs klanglich verschiedene Layer, also Ebenen, generiert. Diese Ebenen lassen sich einzeln in einem Sound-Preset ein- und ausschalten und zum Teil auch über Parameter individuell bearbeiten.
Bedienung
Über das Menü-Icon lassen sich Grundeinstellungen vornehmen und auch Presets, bzw. Patches, wie sie hier genannt werden, laden und speichern (s. Abb. unten).
Die Bedienoberfläche lässt sich zwar auf die Größen "small", "normal" und "big" im Menü einstellen aber mit der Maus kann die Größe der Bedienoberfläche stufenlos eingestellt werden.
Ganz unten wird eine virtuelle Tastatur eingeblendet (s. Abb. oben). Interessant ist dabei, dass die Keyboard-Velocity durch die Größe der Kreise auch angezeigt wird.
Oben im Kopf des Instrumentes lässt sich ein komplett neues Preset anlegen. Veränderungen an einem bestehenden Preset werden erst nach einem SAVE gespeichert und man hat zudem auch die Möglichkeit eines Udo/Redo. Über den Taster PANIC wird die Audioausgabe zurückgesetzt. Über zwei Bargrafen sieht man auch den aktuellen Ausgangspegel.
Oben im Kopf wird der Preset-Name ausgegeben. Über den Stern kann man das Patch zum Favoriten erklären.
Links werden die Patches in einer Liste (s. Abb. oben) zur Auswahl angeboten. Bei einem Klick darauf wird die Patch-Anzeige ausgeklappt und man sieht welche Layers belegt sind und grob auch die Hüllkurven. Über ein Doppelklick wird das Patch geladen.
Oben in der GUI des virtuellen Instruments sieht man das dann größer dargestellt (s. Abb. oben) und es lassen sich die einzelnen Layers auch ein- und ausschalten. Sowohl Hüllkurven als auch Layer-Sample-Belegung lassen sich über zwei Icons sperren. So kann man andere Patches auf das aktuelle ziehen und die Parameter werden übernommen aber Hüllkurven und Samples bleiben ggf. erhalten.
Im unteren Bereich gibt es den Parameterbereich, der in die Sektionen TIMBRE , ENV (Hüllkurven), SYN (Tuning/Filter/Level), FX (Effekte), MOD (Modulation) aufgeteilt ist.
Über TIMBRE lässt sich der grundsätzliche Klang des angewählten Layers verändern. In der Grafik in der Mitte kann man den markmierten Punkt verschieben und ein Grundklang bestimmen und es lässt sich über Parameter die Grain-Länge und Anzahl, bzw. Dichte verändern und es man kann ein Jitter - also ein Zufallssignal - auf verschiedene Parameter wie Position oder Stereo-Panorama legen.
ENV ist für den Hüllkurvenverlauf des selektierten Layers zuständig (s. Abb. oben). Neben der Hüllkurve, die sich auch grafisch mit der Maus verändern, bzw. anpassen lässt, kann der Anwender Start- und die beiden Loop-Punkte einstellen und auch die Abspielrichtung lässt sich verändern.
Nun zu den drei Einstelldialogen, die nicht auf einen selektierten Layer sondern global wirken. Über den Dialog SYN lässt sich einmal ein Tiefpassfilter einstellen und es gibt eine Möglichkeit über DIST (Distortion) Verzerrungen und über SYNTIFY Oberwellen hinzuzufügen. SYNTIFY ist dabei ein additiver Ansatz, während das Filter ja subtraktiv Oberwellen dämpft. Ein in der Wirkung sehr interessanter Parameter. Es gibt auch noch ein COMP-Filter - also ein Kammfilter, welches auch ein Feedback bietet. Weiter lassen sich hier in der Sektion auch Tonhöhen-Parameter sowie Pegel verändern. Gegenüber der ersten Version (die hier noch in der Abb. zu sehen ist) lässt sich auch auf weiteren Parametern wie Pitch und Detune ein Jitter aufmodulieren.
Natürlich darf in einem modernen Synthesizer-Konzept auch Effekte nicht fehlen (s. Abb. oben). Diese lässt sich über ein Icon neben dem "FX" auch komplett aktivieren oder deaktivieren (s. Abb. oben). Mit REVERB, CLOUDS und SHIMMER werden drei Hall-Algorithmen sowie ein Delay, Phaser und ein Chorus-Effekt geboten.
Novum bietet sehr umfangreiche Modulationsmöglichkeiten. Um diese zu nutzen, bzw. einzustellen, wählt man als erstes den gewünschten zu modulierenden Parameter aus (s. zum Beispiel in der Abb. oben den Parameter COMB).
Ganz rechts lassen sich Modulationsquellen einrichten (s. Abb. oben). Über die Kreise kann man den Modulationsgrad einer Modulationsquelle auf den zu modulierenden Parameter festlegen. Über das Plus-Symbol lässt sich eine neue Modulationsquelle anlegen.
Es gibt hier eine ganze Menge von Modulationsquellen von Keyboard-Parametern wie Pressure, Velocity oder Keytracking bis hin zu Modulationsquellen wie Modulationsrad, MIDI-Controller, Hüllkurven, Step-Sequenzer oder Zufallsgenerator.
Im Bereich MOD lassen sich die Parameter einer Modulationsquelle einstellen (s. Abb. oben am Beispiel des ADSR-Hüllkurvengenerators).
Praxis
Wir haben Novum unter Windows auf verschiedensten DAWs getestet (Neundo 12, Pyramix 14, Live 11, Bitwig 4.3) und es gab keine Probleme die wir feststellten. Für das was Novum leistet, denn das Berechnen und Behandeln der vielen Particles ist ohne Frage aufwendig, benötigt er überraschend wenig Prozessorleistung. Da brauchen viele rein Sample-basierende Instrumente deutlich mehr. Den Resourcen-Bedarf würde ich daher in die Kategorie "mittel" einstufen.
Die Bedienung des Novum ist sehr einfach und gelungen. Es gibt Dinge die noch verbessert werden könnten, wie die Auswahl eines Patch über das Menü, aber das ist schon meckern auf hohem Niveau. Was mit besonders gut gefällt ist die unglaubliche Flexibilität im Umfang mit der Modulation von Parametern, bzw. Modulationsquellen. Auch die Möglichkeit die Samples und die Hüllkurven der Layers über die beiden Lock-Icons zu sperren motiviert einen hier mal mit anderen Presets und deren Einstellungen zu experimentieren. Eigene Sample-Dateien lassen sich sehr einfach in Novum laden, in dem man diese einfach mit der Maus auf die Oberfläche zieht. Man kann durch all diese Dinge schnell mal etwas ausprobieren.
Die Möglichkeit sechs Layers parallel zu haben ist ein Garant für sehr dichte Sound-Muster. Grundsätzlich finde ich auch die längeren Sounds interessanter als die kurzen, wie die angebotenen Piano-Patches, die natürlich auch weit weg von dem eines natürlichen Pianos sind und sein sollen. Bei der Wahl eines Werks-Presets muss man ggf. bei benutztem internem Reverb die Hallzeiten reduzieren, da sonst manchmal alles zu sehr verschwimmt und das tonale Spielen bei vielen Patches gar nicht mehr richtig möglich ist. Aber das lässt sich nach Geschmack und den Bedürfnissen ja alles anpassen. Es ist ja immer ein Unterschied ob man so einen granularen Synth alleine als Background-Ambient-Sound laufen lässt und eine Art Klangwolke generiert oder im musikalischem Kontext mit anderen Instrumenten benutzt. Was ich auch klanglich sehr interessant finde sind rhythmische Texturen, die sich auch sehr gut mit Novum erzeugen lassen.
Ich hatte mit Peter dem Entwickler auch Gelegenheit zu sprechen und es wird noch einiges an Optimierungen geben und es werden auch weitere Patch-Packs angeboten. Aber auch schon mit den vorhandenen über 300 Patches ist man sehr gut versorgt und Novum macht ja auch richtig Lust auf Experimente mit verschiedensten Klangeingangsmaterial. Man ist manchmal selber überrascht, was sich so aus den verschiedenen Samples als Endresultat ergibt.
Fazit
Der Preis für Novum beträgt regulär 179 US$. Es steht auf der Web Site von Tracktion auch eine Demoversion zur Verfügung. Novum von Dawesome gehört außer Frage zu den besten virtuellen Synthesizer-Plug-Ins mit granularer Synthese. Die sechs parallelen Layers und die üppigen Modulationsmöglichkeiten bieten gerade für den Bereich Filmmusik und Ambient Sounds klanglich extrem Dichte aber auch dynamische Klänge, wie sie kaum mit einem anderen Synth zu generieren sind. Novum ist ein tolles Instrument, speziell für die, die abseits der üblichen analogen Synths oder Wavetable Sounds nach dichten Pads suchen.