Cranborne Audio Carnaby

500er Dreiband-Harmonic-EQ Modul

Autor: Matthias Fuchs | Fotos: Peter Kaminski, Matthias Fuchs (2)

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Harmonic Equaliser – wie bitte?  Was da auf den ersten Blick (fast) wie ein gewöhnlicher Dreiband-EQ daherkommt, verspricht bei genauerer Betrachtung – und laut Hersteller – den Innovationsschub in Sachen Analogaudio. Aber der Reihe nach: Der noch recht junge Londoner Hersteller Cranborne Audio hat in den fünf Jahren seines Bestehens schon mehrfach für angenehme Überraschungen im Audiomarkt gesorgt. Erklärtes Ziel der vier Briten mit Background beim legendären Pult-Hersteller Soundcraft ist es, nicht nur Tools für maximal hochwertige Signalbearbeitung zu entwickeln, sondern auch bekannte Konzepte um innovative Features zu ergänzen – Stichworte: der „Mojo“-Button ihres gefeierten Camden 500 Preamps sowie 500er-Rackgehäuse mit umfassender DAW-Konnektivität. Und nun also ein Harmonic-EQ ...

Konzept und Technik

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In den späten 1970er Jahren machte ein Gerät mit der spannenden Bezeichnung „Aural Exciter“ Furore. Es wurde seinerzeit als mysteriöse und unfassbar teure Geheimwaffe zur Klangverbesserung und Auffrischung von Bandaufnahmen gehyped. Dabei war das Prinzip recht simpel: Dem Eingangssignal wird ein gewisser Anteil abgezweigt und mittels subtiler Verzerrung um harmonische Obertöne bereichert. Dieses Signal wird dem Original mit niedrigem Pegel und ggf. veränderter Phasenlage zugemischt. Voilá – das Ergebnis wirkt präsenter, durchsetzungsfähiger und subjektiv lauter, obwohl kein nennenswerter Pegelzuwachs zu verzeichnen ist. Das Prinzip polarisierte die damalige Audiowelt und stieß ebenso auf glühende Verehrer wie auf strikte Ablehnung.

Heute gibt es ähnliche Geräte zwar noch immer, aber natürlich sind mangelnde Höhen im 24 Bit/196 kHz-Zeitalter kein großes Thema mehr. Dem entsprechend dürfen sich Obertongeneratoren heute „Saturator“ nennen und allzu cleanen 24/196-Sound mit zusätzlich erzeugten Obertönen – nun ja – verschmutzen. Tools, die zu diesem Zweck analoge Schaltungen im Grenzbereich enthalten oder emulieren, finden sich zahlreich. Es gibt sie gleichermaßen als Hardware und Plug-in. Die Konzeptionen unterscheiden sich im Wesentlichen durch das Angebot unterschiedlicher „Sättigungsprozesse“ bzw. deren Emulation und die Art der „Beimischung“ – sei es auf das gesamte Signal oder nur auf bestimmte Frequenzbereiche.

Als Beispiele seien hier willkürlich der analoge Vertigo Mix Satellite und das Wavesfactory Spectre Plug-in genannt. Zweifellos hat dieses Prinzip noch immer seinen Reiz, denn es besitzt interessante Eigenschaften: So fügt es dem Signal dynamisch eine zuvor nicht enthaltene Komponente hinzu und kann deutliche Klangveränderungen nahezu ohne Pegelzuwachs bewirken. Vermutlich folgten diesem Gedankengang auch die Cranborne-Entwickler bei der Konzeption ihres Harmonic-EQs – ein dreibandiger Equalizer, erweitert um eine variable Obertonanreicherung.

Über die exakte technische Umsetzung schweigt sich der Hersteller (verständlicherweise) aus. Ein Blick in das Innere der 500er-Kassette offenbart reichlich Top-Notch-Analogtechnik, darunter hochwertige Opamps in großer Anzahl sowie mehrere Spannungsteiler. Die EQ-Schaltungen nutzen, ähnlich denen einiger Klassiker, Gyratoren zur platzsparenden Nachbildung von Spulen. Darüber hinaus besitzt der Harmonic-EQ auch ein teilweise digitales Innenleben für die sehr innovative Link-Funktion. Doch dazu später mehr.

Äußerlichkeiten

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Die Kassette des Harmonic-EQ besitzt eine solide Frontplatte und ist mit ordentlich verschraubten Bedienelementen ausgestattet. Die acht Potis sind mit 40 Stufen leicht gerastert und fühlen sich hervorragend an. Auch die beiden Kippschalter geben keinerlei Anlass zur Beschwerde. Das Gehäuse selbst besteht aus dünnem Stahlblech, verziert mit zahlreichen Öffnungen, Ausschnitten und Durchbrüchen.

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Der Gehäusedeckel lässt sich bei der Legacy Edition nach Lockern von vier Imbusschrauben abnehmen – und mit etwas Fummelei auch wieder montieren. Insgesamt macht die Konstruktion einen soliden Eindruck, die Bedienelemente sind mustergültig, allerdings sehr dicht gepackt. Im Geräteinneren befindet sich eine DIP-Schalterleiste, über die sich einige „Utility“-Einstellungen treffen lassen, darunter etwa die Funktionsweise von LEDs und Bypass-Schalter.

Carnaby 500 versus Legacy Edition

Die Standardversion des Carnaby 500 ist mit einer schwarze Frontplatte und mit schwarzen Reglern ausgestattet. Die Beschriftung sorgt hier für ein paar farbliche Akzente.

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Für die auf 250 Exemplare limitierte Legacy-Edition hat sich Cranborne Audio eine alternative Farbgebung ausgedacht, die mit ihren matten Pastellfarben ganz den Geschmack des Testers getroffen hat – eine sehr gelungene Mischung aus Style und Technik-Look, die der schwarzen Farbgebung der Standardversion einiges voraus hat. Die technischen Leistungsmerkmale unterscheiden sich nicht. Unterschiede gibt es nur im Design und im Lieferumfang. Die Standardversion hat zum Beispiel auch keine Metallabdeckung der Platinenoberseite.

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Die Legacy-Edition ist ausschließlich paarweise zu haben und wird in einem schicken, leider fast vollständig aus Kunststoff gefertigten Koffer geliefert. Ein Zertifikat und die knappe Bedienungsanleitung vervollständigen den Lieferumfang der Legacy-Edition.

Funktionen

Was genau macht der Cranborne Audio Carnaby? Kurz gefasst, verstärkt und beschneidet das Gerät bestimmte Frequenzbereiche wie auch ein "normaler" EQ dies tut. Darüber hinaus kann Carnaby diese Frequenzbereiche zusätzlich mit Obertönen anreichern – also wenn man so sagen will: die „Exciter“- oder „Saturator-Natur“ des Carnaby.

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Die In- und Output-Regler dienen dem Gain-Staging und bieten je 20 dB Pegelanhebung bzw. Abschwächung. Eine LED überwacht den Ausgangspegel. Über paarweise angeordnete Regler lassen sich nun die Eck- bzw. Mittenfrequenzen der drei Bänder wählen und deren Pegel um +/- 10 dB in 0,5 dB-Schritten verändern. Dreht man einen der Pegelregler nach rechts, wird der Grundton verstärkt und zudem Harmonische oberhalb der gewählten Frequenz erzeugt. Da die Obertonanreicherung abhängig vom Pegel des Eingangssignals stattfindet, besitzt dieser Prozess eine wahrnehmbare Dynamik. Linksdrehung senkt den Grundton ab und sorgt somit ebenfalls für ein verändertes Pegelverhältnis zwischen Grundton und Harmonischen.

Im Sync-Mode lassen sich mehrere Module linken. Sämtliche Regler werden dann von einem Modul gesteuert. Dazu hat sich der Hersteller eine sehr interessante technische Umsetzung ausgedacht: Die Weitergabe der Daten zwischen den benachbarten Modulen erfolgt auf opto-elektronischem Wege, also mittels LED und Fotodiode. Betreibt man zwei Module waagrecht nebeneinander – wie in unserem Test-Setup – lässt sich der „Optosync“ durch ein Kabel ersetzen. Vervollständigt wird die Funktionalität mit einem Bypass-Schalter. Der Bypass lässt sich via internem DIP-Schalter wahlweise vor oder nach der Output-Stage platzieren.

Praxis

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Das Konzept des Cranborne Audio Carnaby macht zweifellos neugierig. Beim Testbetrieb fiel schnell auf, dass man die Wirkung des Gerätes zunächst unwillkürlich mit der eines gewöhnlichen EQs vergleicht. Tatsächlich finden sich hier auch erwartungsgemäß zahlreiche Parallelen. Grundsätzlich betont oder beschneidet der Carnaby bestimmte Frequenzbereiche und sorgt somit für Ergebnisse, die denen eines EQs sehr nahekommen – Signale werden präsenter, spitzer, bauchiger, flacher usw.

Je genauer man sich auf den Carnaby „einhört“ desto deutlicher werden jedoch die Unterschiede zu einem traditionellen EQ. So arbeitet das Gerät alles andere als linear – reagiert es doch, im Gegensatz zu einem EQ – in hohem Maße auf die Dynamik des Eingangssignals. Gerade bei moderaten Settings scheinen die Parameter deutlich wahrnehmbar zu interagieren und liefern vergleichsweise unvorhersehbare Resultate. Bei kräftiger Bearbeitung zeigen sich die Klangveränderungen dagegen genauer kontrollierbar.

Verschiedene Eingangssignale können dem Gerät höchst unterschiedliche Reaktionen entlocken und zu einem sehr interessanten Eigenleben verhelfen. Mit zunehmender Pegelanhebung geht immer ein gewisser Kompressionseffekt einher. So kann der Carnaby Signale – etwa Vocals – „näher heranholen“ oder breiter wirken lassen. Drums erscheinen bisweilen dichter und dynamischer. Eine deutliche Absenkung des tiefen Frequenzbandes kann ein Signal „öffnen“ und präsenter oder räumlicher erscheinen lassen. Ähnliches lässt sich jedoch auch durch Anhebung bzw. Anreicherung von Mitten bzw. Höhen erzielen.

Grundsätzlich ist eine feine und sehr sorgfältige Justage notwendig, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Die Stereo-Link-Funktion ist dabei eine höchst willkommene Hilfe. Einziger Wermutstropfen: Die digital gescannten Regler erzeugen ein leichtes, aber wahrnehmbares Zipper-Noise. Davon abgesehen ist die Signalqualität in jeder Hinsicht tadellos.

Fazit

Der Preis des normalen Carnaby 500 liegt bei ca. 700 Euro. Die limitierten Legacy Edition im Doppelset mit Koffer kostet ca. 2.000 Euro dürfte aber bei Erscheinen des Artikels wegen der limitierten Stückzahl kaum noch verfügbar sein. Aber wie gesagt: die Unterschiede zur normalen Version beziehen sich nur auf das Design und den Lieferumfang.

Der Cranborne Audio Carnaby ist ein ebenso spezielles wie aufregendes Sound-Bearbeitungsgerät. Für eine simple und exakte Korrektur des Klangbildes ist der Carnaby nicht gedacht. Ebenso wenig handelt es sich um einen klassischen „Schönfärber“ im Sinne eines hochwertigen Vintage-EQs. Der Carnaby versieht Signale breitbandig mit einem sehr interessanten Charakter und nimmt dabei auch grundsätzlich auf die Dynamik Einfluss. Er lädt zum Experimentieren ein und überrascht auf dem Weg zum optimalen Parameter-Setting mit sehr unterschiedlichen Reaktionen auf verschiedenstes Programmmaterial.

Die Bearbeitung von Stems bzw. Subgruppen liegt dem Carnaby sicher am ehesten. Aber auch Einzelsignale bieten ein weites Feld für interessante Klangmanipulationen subtiler bis auffälliger Natur. Lässt man sich auf die Besonderheiten des Gerätes ein, kann man mit dem Carnaby großartige Ergebnisse erzielen, die mit anderen Geräten nicht oder nur ansatzweise machbar sind. Somit ist der Cranborne Audio Carnaby Harmonic EQ ein willkommenes Kreativ-Tool und eine echte Bereicherung für das Recording- und Mix-Studio. Die Legacy-Edition erfreut zudem sogar das Auge.

www.cranborne-audio.com
www.megaaudio.de