Bricasti M7M Stereohall-Prozessor mit M10 Controller
Autor und Fotos: Erol Ergün
Während es eine nahezu unüberschaubare Vielfalt von Plug-Ins zur Erzeugung von Hallräumen gibt, ist die Anzahl von Herstellern hardware-basierter Hallprozessoren recht überschaubar. Das amerikanische Unternehmen Bricasti ist eines davon und steht im Ruf, mit dem Model 7 Stereo Reverb Processor einen der am besten klingenden Hallprozessoren zu produzieren, der sowohl analoge als auch digitale Signale mittels hochwertigem AD/DA-Wandler verarbeiten kann.
Konzept
Das im schlichten Schwarz gehaltene Effektgerät ist in zwei Varianten erhältlich: Bricasti M7 mit Frontdisplay und Bedienelementen und als Bricasti M7M ohne Bedienelemente und Anzeigen. Für beide Versionen ist mit der M10 eine kabelgebundene Fernbedienung für bis zu acht Geräte erhältlich, mit der sich alle Parameter des Hallprozessors bequem am Mischpult bearbeiten lassen.
Der Hallprozessor ist als echter Stereohall im stabilen 19-Zoll-Metallgehäuse ausgelegt. Während viele Halleffektgeräte aus einem Monoeingangssignal ein Stereoausgangssignal berechnen, verfügt der Bricasti M7M mit insgesamt sechs DSPs von Analog Devices über genug Rechenleistung, um anliegende Stereoeingangssignale mit einem natürlich klingenden Hallraum zu versehen. Hierbei wird der Effekt nicht mittels Impulsantwort generiert sondern mit Raumsimulation-Algorithmen erzeugt.
Anschlüsse und Bedienung
Das 1-HE-Gehäuse besteht mit der aus gefrästen Aluminium Frontplatte aus rostfreiem Edelstahl, dass sich mit einem Gewicht von ca. 4,0 kg und einer Tiefe von ca. 28 cm im Rack bemerkbar macht. Zwei Bedienelemente sind frontseitig mittels Aluminium-Drehreglern angebracht: Input-Gain-Regler links, Drehschalter mit roter Power-LED zum Ein- und Ausschalten rechts. Alle Anschlüsse sind rückseitig sauber ausgeführt und fest mit der Rückseite des Effektgerätes verschraubt.
Links außen befindet sich ein dreipoliger IEC-Netzstecker für das interne Netzteil mit aktiver Luftkühlung, dass 120 bis 240 Volt mit 50 oder 60 Hz verarbeiten kann und daher weltweit on Tour wie im Studio die korrekte Stromversorgung sicherstellt. Der verbaute 40mm-Lüfter läuft ständig und verrichtet überraschend leise unauffällig seinen Dienst. Rechts daneben sind jeweils eine Buchse für MIDI In und MIDI Out für den Programm-Datenaustausch untergebracht. Beide analoge Ein- und Ausgänge sowie der AES-Digital-Anschluss lassen sich mittels XLR-Buchsen mit Audio-Setup verbinden. Darüber hinaus sind mittig zwei 9-Pin-D-Sub-Buchsen für die serielle RS 422-Schnittstelle zur Fernsteuerung untergebracht. Erstere dient zum Anschluss der für die Nutzung des Bricasti M7M obligatorischen Fernbedienung M10, letztere zum Steuern von bis zu sieben weiteren Bricasti M7(M)-Effektgeräten.
Der Remote Controller M10 ist aus dem gleichen hochwertigen Materialien wie der Bricasti M7 gefertigt und verfügt über dessen identische, einfarbige LED-Anzeigen. Angesichts der spartanisch anmutenden Pegelmeter mit acht Segmenten und dem zwei 8-Ziffern-Display im fluoreszierenden Rot fühlt man sich in die 80ziger-Jahre zurückversetzt. Alle Informationen über Halltyp und Parameter sind jedoch sowohl bei direktem Tageslicht, als auch im Dunkeln gut ablesbar. Die Fernbedienung wird mit einem zehn Meter langen, seriellen Kabel vom Typ RS FTP02 SF geliefert, kann aber ohne aktive Stromversorgung mit bis zu 30 Meter Kabellänge betrieben werden.
Interview Gerd-Ekken Gerdes
Gerd-Ekken Gerdes ist seit über 35 Jahren als Musiker, Film- und TV-Komponist tätig. Zu seinen Arbeiten gehören zahlreiche Hörspiele, TV-Serien und Filme für die ARD. Der Autor hatte die Gelegenheit, ihn in seinem Tonstudio bei Hamburg zum Thema Hallraum zu befragen.
proaudio.de: Warum bevorzugst Du eigentlich externe Hall-Hardware wo es doch so viele Plug-Ins gibt?
Gerd-Ekken Gerdes: Ich arbeite seit Jahren mit Avid Protools und Apple Logic und habe eine ganze Palette von Plug-Ins, die ich für meine Kompositionen einsetze. Darunter auch ein externes Lexicon 960L für bis zu acht Stereohallräume. Der Grund für den Kauf dieses Hallgerätes war für mich zum einen der Klangqualität und zum anderen die damalige Prozessorleistung meines Pro Tools-Systems. Hochwertige Hallräume für Filme waren damals sehr rechenintensiv und brachten mein Protools-System schnell an seine Leistungsgrenzen.
proaudio.de: Wie hat das Lexicon 960L deine Arbeit verändert?
Gerd-Ekken Gerdes: Zunächst einmal konnte ich die hochwertige Berechnung von Hallräumen auslagern und damit Rechenleistung für andere Plug-Ins nutzen. Außerdem ließ sich das Lexicon einfach mit der Fernbedienung bedienen, wobei ich nur drei unterschiedliche Hallräume nutze und eigentlich nicht viel mit der Programmierung von Effektgeräten am Hut habe. Das Lexicon klang gerade bei langen Hallfahnen um Einiges besser als die bis dato nativen Plug-Ins oder TDM-Plug-Ins. Das änderte sich später etwas mit dem Einbau einer DSP-Karte von Universal Audio.
proaudio.de: Wie kam es dann dazu die beiden Bricasti-Hallgeräten anzuschaffen?
Gerd-Ekken Gerdes: Für ein Musikprojekt brauchte ich einen unauffälligen und sehr langen Reverb. Ich finde, dass durch einen passenden Raum die Musik kompakter werden kann und ansonsten einzelne Instrumente besser miteinander verschmelzen, was für mich mehr einem Bandcharakter entspricht. Ich muss dazu sagen, dass ich kein Techniker bin. Ich versuche stets, den Fokus auf den musikalischen Bereich zu behalten. Ich habe hierfür Plug-Ins ausprobiert und an meinem Lexicon 960L rumgeschraubt. Für mich sind viele Parameter eher verwirrend, statt inspirierend. Auf der Suche nach einem guten Stereohall mit langen Hallfahnen bin ich dann auf Bricasti gestoßen, der mich von der Klangqualität sofort angesprochen hat.
proaudio.de: Wie würdest Du den Unterschied zu Deinen anderen Hallergeräten definieren?
Gerd-Ekken Gerdes: Bricasti klingt einfach natürlich und unauffällig. Erst, wenn man diesen Hall deaktiviert, fällt der Halleffekt auf. Das ist genau die Art von Raum, den ich für viele meiner aktuellen Projekte benötige, denn Ich arbeite in der Regel nur im Stereo-Modus ohne Mehrkanalton. Lexicon und Co. benutze ich natürlich noch immer, aber diese Hallerzeuger haben ihren hörbaren, offensichtlichen Klangcharakter, während Bricasti meine Musik harmonisch ergänzt, ohne dabei eine zusätzliche Klangfärbung einzubringen.
Praxis
Während des Tests viel uns die hohe Abwärme des Gerätes im Betrieb auf, weshalb die Herstellerempfehlung von 2 HE pro Gerät im knappen, englischsprachigem Manual eine sinnvolle Maßnahme darstellt. Die Installation erfolgt erfreulich unspektakulär: Dank der integrierten AES-Schnittstelle mit 24-bit/192 kHz für die digitale Signalverarbeitung ist das Effektgerät schnell mit unserem Pro Tools-Setup verbunden.
Die Verkabelung der 10M Remote gestaltete sich aufgrund des im Lieferumfang enthaltenden massiven RS-422 Kabels etwas komplizierter, weshalb vor Ort einige platzmachende Änderungen im Kabelschacht vom Studio zum 19-Zoll-Schrank vorgenommen werden mussten - willkommen in den 80zigern. Die Vernetzung weiterer Bricasti M7M ist jedoch recht simpel: einfach das mitgelieferte serielle Kabel der rechten 9-Pin-D-Sub-Buchse des Gerätes A an die linke 9-Pin-D-Sub-Buchse weiterer Geräte stecken und beim letzten Gerät die rechte D-Sub-Buchse mit dem ebenfalls mitgelieferten Terminator verbinden.
Im Gegensatz zu anderen Hallgeräten wie dem Lexicon 960L oder Reverb Plug-Ins, wie beispielsweise von Audioease, Waves und Fabfilter, ist die Parameterauswahl des Bricasti M7M recht überschaubar, denn alle sechs verbauten DSPs arbeiten ausschließlich für einen Algorithmus zur Berechnung des Halleffektes. Neben Size, Time, Predelay und Diffusion können Werte für Density, Modulation, High- Low Frequency, Roll Off sowie Early Select bearbeitet werden. Insgesamt stehen 200 Presets zur Verfügung in den Kategorien Halls, Plate, Rooms, Chambers, Ambience, Spaces und Non Linear. Das Durchhören der einzelnen Presets erfolgt erfreulich zügig, Änderungen der Hallgröße und Dichte werden hörbar schnell berechnet.
Die Bedienung der M10-Remote gestaltet sich relativ simpel, wenn man das Konzept erstmal erfasst hat. Aufgrund des Retro-Display-Designs lassen sich alle Einträge nur nacheinander durchführen. Ein in Aluminium gefasstes Endlos-Rad erleichtert hierbei die Eingabe.
Insgesamt stehen pro Gerät 100 Speicherplätze für individuelle Effekt-Presets zur Verfügung, wobei sich immerhin vier als Favoriten auf eigenen Tastern zuordnen lassen. Sollen weitere Einstellungen abgespeichert oder archiviert werden, sind diese mittels MIDI Program Dump auf die eigene DAW übertragbar. Sollen gar eigene Presets an weitere Einheiten übertragen werden, ist dies ebenfalls nur über MIDI Sysex Data Dump möglich, wobei wir hier wieder bei dem eingangs bemerkten Déjà-vu-Erlebnis der 80ziger-Jahre angelangt sind. Zugegeben, nicht Jeder wird täglich neue Hallräume anpassen und exportieren – schließlich stehen ja pro Gerät genug eigene Speicherplätze zur Verfügung. Möchte man jedoch seine Favoriten auf andere M7(M)-Geräte übertragen, ist das serielle MIDI-Handling nicht mehr zeitgemäß, denn nicht Jeder besitzt noch eine serielle MIDI-Verbindung zu seiner DAW. Passend dazu erfolgen Firmware-Updates nicht softwareseitig durch MIDI I/O, sondern ausschließlich via EPROM-Chipaustausch, den technikbegeisterte Künstler oder Toningenieure auch selbst durchführen können.
Fazit
Als erste zunächst einmal zum Preis. Das Bricasti M7M (Model 7 Mainframe Stereo Reverb Processor) liegt bei ca. 3.500 Euro und die Bricasti M10 (Model 10 Remote Console) bei ca. 2.500 Euro.
Die vom Bricasti M7M erzeugten Hallräume überzeugen auf ganzer Linie wenn es um organisch klingenden Hall geht. Räume klingen nie künstlich, entfalten insbesondere bei großen Parameterwerten eine natürliche Dichte und authentische Hallfahne, sind flexibel für eine Vielzahl von Produktionen wie Pop, Rock und Klassik einsetzbar und dabei stets harmonisch unauffällig. Mag der MIDI-System Dump für den Austausch von Preset-Daten nicht mehr zeitgemäß sein – dieses Hallgerät ist offensichtlich nur für einen Zweck konstruiert worden, Ablenkung durch Zeitgeist und flüchtige Trends prallen an diesem Stück Hardware wirkungslos ab.
Drastische Effektkonstruktionen, die sich in den Vordergrund drängen, gehören definitiv nicht zum Repertoire dieses Effektgerätes. Hierfür gibt am Markt eine Vielzahl von anderen Produkten. Wer aber bisher nach einer Referenz für natürliche Hallräume ohne Systemlast für seine DAW suchte, hat diese mit dem Bricasti Model 7 Stereo Reverb Processor V2.0 jetzt gefunden.