Brainworx V2 Plug-Ins mit M/S-Processing
Der deutsche Software-Hersteller Brainworx bietet eíne ganze Reihe von nicht alltäglichen VST-Plug-Ins, die nun in einer überarbeiteten Version bereitstehen, was wir zum Anlass nehmen, diese Werkzeuge einmal näher vorzustellen. Die Plug-Ins lassen sich über den Installer sowohl als 32-Bit VST 2.x und auch optional als VST 3 Plug-In installieren.
Als Kopierschutz dient ein iLok. Die Nativ-Demos laufen aber auch ohne den iLok. Neben den VST Plug-Ins für Windows und Mac gibt es auch Versionen für Avid TDM/Venue sowie RTAS, AS, AU. Eine gekaufte Lizenz beinhaltet alle diese Formate, so dass man mit dem iLok vom Studio die Plug-Ins auch beim Live-Event einsetzen kann.
M/S-Technik
Die meisten Plug-Ins von Brainworx nutzen die Bearbeitung eines M/S-kodierten Stereosignals und daher möchten wir uns zunächst einmal technisch diesem Thema widmen.
M/S bedeutet Mid/Side, also Mittensignal und Seitensignale. Das Mittensignal repräsentiert den Monoanteil eines Stereosignals und korrekt ausgedrückt das Side-Signal, also den Seitenanteil und nicht, wie man häufig liest, den Stereoanteil. Die Technik stammt eigentlich aus der Aufnahmetechnik. Hier kombiniert man ein akustisch nach vorne schauendes Richtmikrofon (Niere oder Superniere) mit einem Mikrofon mit Acht-Richtcharakteristik und bekommt so ein Signal welches die Mitte- und Seitenanteile repräsentiert. Über eine Matrix lässt sich daraus ein Link/Rechts-Stereosignal erzeugen.
Es geht aber auch anders herum in dem man ein L/R-Stereo-Signal in ein M/S-Signal kodiert. Das Mid-Signal wird aus der Addition der beiden L/R-Signale (M = L + R) und das Side-Signal über die Subtraktion (S = L - R) erzeugt. Umgekehrt kann man über Addition und Subtraktion der Mid- und Side-Signal wieder die L/R-Signale gewinnen (L = M + S, R = M - S). Die Ausführung erfolgt einfach über Addierer oder einen Inverter, um eine 180-Grad-Phasenverschiebeung für die Subtraktion zu erreichen. Zur Pegelanpassung erfolgen alle Wandlungen mit einer Dämpfung von -3 dB. Soweit die Theorie.
M/S-Prozessoren
Übliche Prozessoren bearbeiten jeweils den linken und rechten Kanal, meistens in der Form von zwei Einzelkanälen. Die Parameter der beiden Kanäle sind in der Regel dabei gelinkten um ein Stereoprozessing zu gewährleisten. Dabei hat man aber eben gerade nicht Zugriff auf die stereotypischen Parameter.
Ein M/S-Stereo-Prozessor splittet das Signal am Signaleingang in ein Mid- und in ein Side-Signalpfad auf, führt dann z. T. separate Bearbeitung durch und am Ende des Prozessors werden die beiden Mid- und Side-Signale wieder in ein Link/Rechts-Stereosignal zurückgewandelt.
Wenn man sich einmal den linken und rechten Kanal einer Musikaufnahme hintereinander einzeln anhört, wird man gar keine so großen Unterschiede feststellen. Das ist auch ein Grund, warum man die beiden Signale mit gleichen Parametereinstellungen bearbeitet, denn man möchte ja beim Stereobetrieb nicht, dass ein Kanal prinzipiell anders klingt.
Anders beim Abhören des Mid- und Side-Kanals einer Musikaufnahme. Hier stellt man schnell fest, was in den Signalen enthalten ist. So sind z. B. Stimme, Bassdrum etc. fast ausschließlich im Mid-Signal vorhanden und Raum- und Geräuschanteile mehr im Side-Signal. Da die Ortung von Schallwellen erst ab einer bestimmten Grenzfrequenz möglich ist, sind im Side-Signal auch deutlich mehr Frequenzkomponenten im oberen Frequenzspektrum vorhanden. Das kann man nun natürlich dazu nutzen, die Signale des Mid- und Side-Kanal getrennt zu bearbeitet. Damit kann der Anwender auch die primären Signalanteile wie Stimmen, Instrumente, Ambient und Raum etc. in diesen Bearbeitungswegen gezielter verändert, als man es mit einem L/R-Stereoprozessor kann.
Klar ist auch, dass die M/S-Bearbeitungsmethode etwas abstrakter ist als ein L/R-Processing und daher auch etwas mehr Beschäftigung und Erfahrung mit dem Thema erfordert. Wer aber diesen Erfahrungsschatz gewonnen hat, wird ihn kaum mehr missen möchten. Alle erfahrenen und renommierten Mastering-Engineers setzen massiv auf M/S-Processing. Auch wenn man die einzelnen Instrumente und Signalanteile nicht völlig unabhängig im Griff hat, kommt man diesem Wunsch mit Hilfe der M/S-Technik näher.
bx_solo
Nun zu den einzelnen M/S-Processoren von Barinworx. Das bx_solo ist eines der kostenfreie Plug-In von Brainworx und ist besonders geeignet, sich einmal klanglich mit der M/S-Problematik näher vertraut zu machen. Es gestattet die Stereokanäle zu tauschen, einzeln solo zu hören, das L/R-Signal Signal M/S zu kodieren und dann das Mid- und Side-Signale einzeln abzuhören.
Was abfällt ist die Möglichkeit der Veränderung der Basisbreite eines Stereosignals. Dies erreicht man Regelung der M/S-Signalanteile zueinander vor dem MS-Re-Decoding zum L/R-Signal.
bx_shreadspread
Wir möchten nun die Plug-Ins kurz vorstellen. Wir werden nicht auf alle Parameter eingehen sondern eher die Gesamtzusammenhänge erläutern denn wir wollen ja hier keine Bedienungsanleitung ersetzen. Wo wir übrigens beim Thema sind. Auf der Brainworx-Web-Site gibt es neben Demo-Plug-Ins, Bedienungsanleitungen im PDF-Format und noch auch anschauliche Videos, die sowohl Neulinge im Bereich M/S als auch Experten in der Bedienung der Werkzeuge weiterhelfen.
Das bx_shredspread ist ein Plug-In, welches eigentlich für die Bearbeitung von Gitarrensignalen entwickelt wurde. Hier einmal eine Übersicht über die Parameter des Moduls.
Der Solo Pan hat nur dann eine Wirkung, wenn ein Signal ausschließlich auf nur einem der beiden Kanal vorhanden ist. Mit dem Solo Pan gibt man dann an, wohin das Signal im Stereobild gepanned werden soll. Die M/S-Bearbeitungsfunktionen (wie u. a. Spread) werden deaktiviert, wenn der beschriebene Fall gegeben ist. Mit Threshold gibt man einen Level an ab dem Solo Pan erfolgen soll.
Über den Parameter Mono Maker stellt der Anwender ein, ab welcher Frequenz die Signale ausschließlich in den Mid-Signalpfad gelegt werden. Shred ist eine Art Equalizer um den Klang zu formen und Spread beeinflusst die Stereobasisbreite des Signals.
Mit dem Automode werden wiederum Signalanteile unterdrückt, die ggf. Phasenverschoben in dem jeweils anderen Kanal hörbar würden. Besonders beim Einsatz in einer Summe sollte man diesen Mode aktivieren, da hier die Phasenprobleme sofort unangenehm hörbar werden. Das Plug-In hat neben Pegel-Bargraf-Anzeigen auch einen Korrelator-Bargraf, den man immer im Auge behalten sollte, um auch Phasenprobleme zu detektieren, die in der Spur vieleicht nicht hörbar sind aber beim Summieren mit anderen Signalen Probleme bereiten.
Mit dem Plug-In erreicht man, wenn man das Prinzip der Parameter verstanden hat, sehr schnell richtig fette Stereo-Gitarren-Sounds. Aber das Plug-In tut seinen Dienst auch bei anderen Instrumenten. Ausprobieren kann man es z. B. auch bei Rock-Piano oder auch bei Bläsern oder synthetischen Streichern. M/S-Plug-Ins verleiten förmlich zu Experimenten bei dem die eine oder andere positive Überraschung nicht ausgeschlossen ist.
bx_control V2
Der bx_control ist eine M/S-Matrix zum Abhören und ein Stereo-Panorama-Tool in einem. Auf der linken Seite lässt sich anwählen was man Abhören möchte und wie die Matrizierung erfolgen soll (L/R-M/S-Schalter links). Dann gibt es rechts Regler für die Einstellung der Stereo-Balance, sowie des Mid- und Side-Panorama.
Weiter lässt sich die Stereobasisbreite und auch die Mono-Maker-Grenzfrequenz einstellen. Vorsichtig muss man immer mit Stereobasisbreiten über 100 Prozent sein. Man sollte immer beachten, wie die Signale ggf. im Mix wirken und auch das bei längerem Hören. Was nämlich kurzfristig für ein paar Sekunden klanglich erst mal beeindruckt, kann bei einem Vier-Minuten-Song vieleicht eher ermüdend wirken. Also auch mal immer mit anderen Signalen zusammen und nicht nur ein paar Sekunden die Einstellungen kontrollieren. Weniger ist bei M/S manchmal mehr.
Auch bei diesem Werkzeug sind Bargraf-Anzeigen vorhanden, die wichtige Aufschlüsse über Pegel der einzelnen Kanäle (RMS und Peak), sowie Balance und Korrelation geben. Das bx_control V2 Plug-In ist ein typisches Mastering Tool.
bx_XL
Der Loudness War hat ja im vergangenen Jahrzehnt schon merkwürdige Formen angenommen. Ohne Frage ist aber eine komfortable Anpassung der Lautheit im Mastering unabdingbar. Genau für diesen Einsatzzweck ist das bx_XL Plug-In entwickelt worden. Obwohl es nicht die Bezeichnung V2 trägt, ist es einer der neuesten Plug-Ins von Brainworx.
Es handelt sich um ein M/S-Limiter, wobei der Mid-Signalpfad noch in zwei Frequenzbänder aufgeteilt ist. Die Grenzfrequenz ist einstellbar. Auch die Mono-Maker-Funktion findet sich hier in dem Plug-In wieder.
Sowohl Gain und Schwellwert, als auch Ansprechzeiten (Attack/Release), sowie ein Maximizer-Parameter lassen sich in den drei Signalpfaden einstellen - Threshold und Gain sinnvollerweise im Bargraf-Display. Die Einstellung der Masterparameter wirken auf alle drei Pfade zusammen.
Über die I/O-Sektion lassen sich auch die einzelnen Pegel des M- und S-Pfads und der L/R-Kanäle bei Bedarf individuell anpassen. Auch ein Panning von M und S ist hier einstellbar. In der Summe ist noch als Schutz ein Peak-Stop-Limiter integriert.
Das Tool ist relativ einfach zu verstehen und anzuwenden. Wie bei allen Loudness-Prozessoren oder Brickwall Limitern, ist beim Einsatz immer Vorsicht geboten, d. h. Kontrolle ist oberstes Gebot. Die Ergebnisse die sich mit dem bx_XL erzielen lassen, sind außerordentlich.
Was besonders gut funktioniert ist neben einer Anhebung der Lautheit auch eine Anpassung des Raumes vorzunehmen. Das schreit förmlich neben dem Mastering nach einem Einsatz im Post-Pro-Bereich. Weiter klingen die bearbeiteten und in der Lautheit angehobenen Signale nicht so stark dynamikgestaucht, wie man das von einem klassischen Brick Wall L/R-Stereo-Limiter her kennt. Das sollte den Anwender aber nicht dazu animieren, dies auszunutzen um die Lautheit über das gebotene Maß hinaus anzuheben und diesen Effekt dann trotzdem wieder zu provozieren.
Anzumerken ist, dass der bx_XL ordentlich Platz auf dem Screen benötigt, was den Vorteil hat, dass man alles gut ablesen und bedienen kann aber er doch viele andere Funktionalitäten u. U. verdeckt.
bx_dynEQ V2
Wo ein Dynamikwerkzeug ist, darf auch ein Equalizer nicht fehlen. Der bx_dynEQ V2 ist ein pegelabhängiger Equalizer in einer Mono und einer Stereo-Variante. Die Stereo-Variante lässt sich über einen virtuellen Kippschalter auch in den M/S-Betrieb umschalten.
Die einzelnen Signalwege sind zunächst einmal so aufgebaut, wie man das von einem "klassischen" Dynamik-EQ her kennt. Das Ansteuern der Beeinflussung durch den Pegel kann sowohl über das eigene Eingangssignal als auch über dass Signal eines fremden Tracks erfolgen. Weiter lässt sich auch eine inverse Bearbeitung aktivieren. Frequenzkurve des Bearbeitungssignals, des Triggers und die Resultierende sowie die Grenzen des maximal zulässigen Gains, werden in einer Frequenzgrafik, für jeden Signalpfad, dargestellt. Filtertypen und Kurven sind im Signal- und Side-Chain-Weg in großen Grenzen einstellbar.
Neben dem Einsatz als pegelabhängiger Equalizer lässt sich der dynEQ V2 auch als Kompressor, De-Esser und als Bass-Drum-Tuner einsetzen, wie mit dem bx_boom! Plug-In.
Über das normalen Einsatzspektrum eines Dynamik-EQs hinaus, bietet der M/S-Modus wieder ganz neue Möglichkeiten. So sind auch pegelabhängige Beeinflussungen des Raumempfindens, bzw. deren Korrektur nur eine von vielen neuen Möglichkeiten.
bx_digital V2
Der bx_digital V2 ist ein Mastering-Prozessor bei dem verschiedenste Funktionalitäten in einem Plug-In migriert wurden. Auch hier gibt es eine Mono- und eine Stereo-Version. Die Stereo-Version arbeitet als Dual Mono, M/S-Mastering- (L/R-Eingang, M/S-Processing, L/R-Output) und M/S-Recording-Processor (M/S-Input, z. B. von einem Mikrofon, M/S-Bearbeitung und L/R-Ausgang).
Je Bearbeitungskanal steht ein vollparametrischer Fünfband-EQ mit in der Frequenz einstellbarem Hoch/Tiefpass bereit. Weiter gibt es eine De-Esser-Sektion und eine Bass/Treble-Shift Funktionalität. Resultierende Kurven werden für beide Kanäle unten in der Grafik angezeigt. Schon fast überflüssig zu erwähnen, dass Pegel, Balance und Korrelatoranzeigen geboten werden.
Verschiedenste Solo-Funktionalitäten runden das Plug-In ab. Beim Verstellen eines Parameters wird automatisch der entsprechenden Kanal und das gewählte Band auf Solo geschaltet und beim Verändern der Filterfrequenz wird zum genauen Einstellen die Bandbreite des Filters minimiert. Sehr praxisnahe Features.
Das die Sektionen im M/S-Modus die Überschriften Mono- und Stereo-Sektion tragen, trägt nicht gerade dazu bei, den Begriffs-Wirrwarr um das Thema M/S aufzulösen. Mid-/Side-Section wäre wohl angebrachter.
Für diejenigen, die nicht auf spezialisierte Einzelprozessoren setzen, sondern ein Mastering-Tool einsetzen möchten, ist der bx_digital genau das richtige, bietet er doch von allen bx-Plug-Ins etwas.
Praxis
Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Latenz der Plug-Ins gering ausfällt und diese dadurch uneingeschränkt Live-tauglich sind. Als Testrechner setzten wir übrigens wie immer ein SO-APC3 ein. Probleme beim Betrieb mit den Plug-Ins waren keine feststellbar.
Die Brainworx Plug-Ins bieten durch ihre vielseitige M/S-Bearbeitung ganz neue klagliche Gestaltungsmöglichkeiten. Es gab natürlich auch schon früher M/S-Plug-Ins, meist im höheren Preissegment, aber keinen Anbieter, der so eine Vielzahl von M/S-Processoren anbietet, die auch funktionell so vielschichtig sind.
Die Komplexität der Plug-Ins ist sicherlich höher als bei vielen anderen Mastering-Prozessoren aber das ist eben ein Tribut an die auch komplexere Funktionalität. Anwender die noch keine Erfahrung mit M/S-Prozessoren haben, sollten sich die Zeit unbedingt nehmen, die Vorteile kennen zu lernen und dann zu schätzen wissen. Das bedarf zwar einiger Einarbeitungszeit, aber es lohnt sich diese Zeit zu investieren. Durch das Linken der M- und S-Parameter gestatten die Module natürlich auch den Einsatz als klassischen Zweikanal-L/R-Stereoprozessor - das sollte man nicht vergessen.
Wichtig ist immer wieder eine genaue Kontrolle der bearbeiteten Signale, gerade im Gesamtzusammenhang. Die Werkzeuge bieten aber hierfür genügend Funktionalität und Dank der vielfältigen Bargrafanzeigen ist man immer gut über den Signalstatus informiert.
Verwirrend ist die z. T. unterschiedliche implementierung der Shift- und String-Mausclick-Funktionalität, z. B. zum Zurückstellen eines Reglers auf den Default-Wert. Aber das sind nur kleine Anmerkungen, die sicherlich ausgeräumt werden und den äußerst positiven Gesamteindruck nicht schmälern können. Insgesamt ist gerade die Bedienung mit den vielen kleinen praxisnahen Features besonders lobenswert.
Fazit
Die Plug-Ins sind besonders für Mastering-Anwender interessant aber der Recording Engineer wird auch seine Lieblings-Plug-Ins finden. Brainworx bietet auch für diese Anwendergruppen verschiedene Plug-In-Bundles an, die sinnvoll zusammengestellt sind. Nicht vergessen dürfen wir allerdings auch den TV- und Filmton-Bereich, denn hier hat man es fast immer mit Stereosignalen zu tun, die man im Klang und besonders im Raumverhalten auch anpassen möchte. Hier bieten die M/S-Plug-Ins viele interessante Möglichkeiten.
Überhaupt sind die Plug-Ins ein Zeichen in Sachen "Audiomündigkeit". Da gibt es dann immer mehr Prozessoren, die selbstständig alles besser machen (sollen). Bei den Brainworx Plug-Ins hat der anspruchsvolle Toningenieur mit Hang zum klanglichen Detail Möglichkeiten, die man sonst leider häufig vermisst.