Berlin Orchestra von Orchestral Tools
Autor: Peter Kaminski
Wir haben ja bereits die Library Miroire von Orchestral Tools bei uns vorgestellt. Im September 2021 kündigte Orchestral Tools auch die Library "Berlin Orchstra vor. Entstanden ist diese spezielle Library für Berklee Collage of Music. Berklee College of Music fragte ein spezielle Orchester-Bibliothek für die Ausbildung, unter anderem im Bereichen Filmscoring, an. Für Studenten hat Orchestral Tools schon spezielle Produkte im Angebot, die etwas vereinfacht und weniger komplex waren. Berkelee wollte aber eine komplette Orchester-Library als virtuelles Instrument, so dass man beim Komponieren auch in die Details gehen kann und genau das bietet die Sound-Bibliothek Berlin Orchestra.
Voraussetzungen und Installation
Wie bei allen neueren Libraries von Orchestral Tools wird der hauseigene Sine Player (s. Abb. oben) zum Installieren und zum Betrieb der Library genutzt. Den Sine Player haben wir schon ausführlich im Artikel über die Miroire Bibliothek vorgestellt. Daher empfehlen wir unbedingt sich auch diesen Beitrag anzuschauen. Der Sine Player ist für Windows und macOS verfügbar und zwar als Stand-Alone-Software-Version, sowie als Plug-In in den Formaten VST, AAX und auch AU (macOS).
Wie bei vielen anderen Libraries auch, macht der Betrieb erst richtig Sinn, wenn man eine SSD und keine Harddisk als Speichermedium nutzt. Das gilt aber mittlerweile für fast alle größeren Libraries.
Konzept und Umfang
Die Sound-Bibliothek Berlin Orchestra besteht aus Samples der Flaggschiff Bibliotheken der "Berlin" Serie, die sich in den vier Hauptbibliotheken Berlin String, Woodwinds, Brass und Percussion aufteilt und zudem noch einige zusätzliche speziellere Bibliotheken umfasst. Diese Bibliotheken gibt es Komplettpaket, Einzelpakete als auch als Einzelinstrumente zu erwerben. Das Paket "Berlin Orchestra" ist dabei eine kompakte Zusammenfassung der Berlin Series. Gegenüber den Paketen der Berlin Series bietet das Paket Berlin Orchestra eben nicht alle Artikulationen und lediglich eine Mikrofonposition an.
In der Gruppe Strings (s. Abb. oben) gibt es neben Streichinstrumenten auch eine Harfe. Bei den Artikulationen sind es hier sieben pro Instrument (Sustains, Sustains+Legato, Staccato, Spiccato, Pizzicato, Tremolo und Trills), bzw. eines (Sustains) bei der Harfe. Bei der Berlin Series werden hier bis zu 35 Artikulationen geboten.
Bei den Holzblasinstrumenten sind es zwölf Instrumente mit jeweils sechs Artikulationen, bzw. beim Kontrafagott fünf.
Bei den Blechbläsern (s. Abb. oben) gibt es 13 Instrumente mit jeweils fünf bis acht Artikulationen.
Bei der Instrumentengruppe Percussion sind es zehn Instrumente einschließlich Tubular Bells, Glockenspiel, Vibraphone und Xylophone mit einer bis drei Artikulationen. Timpani bietet als Ausnahme zehn verschiedene Artikulationen. Bei der Berlin Series werden bei der Gruppe Percussion bis zu 20 Artikulationen geboten.
Die Reduzierung der Artikulationen und Mikrofonpositionen macht sich drastisch beim Speicherbedarf bemerkbar. So kommen bei der Berlin Series bei allen Paketen zusammen über ein Terabyte (ein halbes Terabyte komprimiert) zusammen. Bei der Berlin Orchestra Library sind es lediglich ca. 90 Gigabyte (40 Gigabyte komprimiert). Damit ist die Library ohne Frage auch ohne externe SSD Laptop-tauglich, wenn der Rechner mit entsprechendem RAM ausgestattet ist. Auf einem System mit Harddisk haben wir die Library erst gar nicht getestet denn das ist prinzipiell nicht mehr zeitgemäß.
Interview
Auch über die Library Berlin Orchestra haben wir Geschäftsführer und Firmengründer Hendrik Schwarzer noch ein Gespräch geführt.
proaudio.de: Was ist das Konzept der Library und woher stammen die Samples?
Hendrik Schwarzer: Die Samples beim Berlin Orchestra stammen alle von den verschiedenen, einzelnen Modulen der Berlin Series, also Strings Woodwinds, Brass, Percussion. Es gibt dabei zu den einzelnen Libraries auch noch Zusätze, wie Special Bows etc. Wir hatten uns zum Beispiel auch dafür entschieden so etwas wie "sul tasto" nicht als Long Notes reinzunehmen, sondern dediziert mit Legato etc. aufzunehmen. Dadurch ist eine unglaublich große Library entstanden, die aus sehr vielen Produkten besteht.
Berlin Orchestral ist eine sehr handliche Version der Berlin Series, die den Hauptfokus auf die Möglichkeiten der Orchestrierung hat. Häufig ist es ja so, das Library zum Beispiel lediglich ein Flöten-Ensemble und eine Solo-Flöte oder ein Horn-Ensemble und ein Solo-Horn bieten. Was wir bei der Berlin Series schon damals von Anfang an gemacht haben ist, dass es mehr ein Toolset gibt, mit dem man umfassende Orchestrierungen umsetzen kann und so theoretisch jedes Horn einzeln schreiben und spielen kann. So dass man ein erstes, zweites, drittes und viertes Horn hat und ein Ensemble. Das war mir sehr wichtig.
Und die Idee von Beerkle war eben genau dies umzusetzen, aber in einer handlichen Form, so dass die Studenten das Ganze auf einem Laptop nutzen können. Es sind aber alle Basis-Artikulationen verfügbar und es wurden bei den Dynamik-Layern keine Abstriche gemacht. Es wird aber nur eine Mikrofonposition genutzt und nicht alle Artikulationen. Die ganzen Artikulationen wurden auch nach den Wünschen von Berklee zusammengestellt. Die haben sich Gedanken gemacht, was Sie für Ihren Kurs benötigen. Die Berlin Orchestra Library ist jetzt in Beerkle der Standard für die Umsetzung von Aufgaben der Studenten im Bereich der Orchestrierung. Es ist speziell maßgeschneidert für das Berklee Kolloquium.
proaudio.de: Sind auch noch neue Samples aufgenommen worden?
Hendrik Schwarzer: Eigentlich ist es nur eine Compilation aus dem was wir schon haben, aber dadurch das die Berlin Series unser Hauptprodukt ist, und da auch sehr viel Liebe reingelegt wird, haben wir für die kompletten Blechbläser noch mal ein lautes Layer aufgenommen. Das war auch der Wunsch einiger Kunden. Diese Aufnahmen sind nun in dieser Library schon enthalten. Diese Aufnahmen werden dann in die anderen Pakete später noch eingebracht.
Die Library ist aber auch auch als Produkt über unseren Store erhältlich und es wir haben hier auch unseren Education-Rabatt deutlich auf 40 Prozent erhöht. Es gibt nun eine sehr enge Zusammenarbeit mit Berklee und da wird auch noch mehr im Bereich Educational Products kommen. Berlin Orchestra ist sozusagen erst einmal die Grundlage dafür.
proaudio.de: Mir ist aufgefallen, dass die Speicherkapazität auf dem Medium sehr kompakt ist.
Hendrik Schwarzer: Ja wir haben die Library mit einer kleineren Section-Größe aufgenommen, mit der Idee dahinter, dass ja sowieso Samples-gelayerd werden. Gerade bei Streichern hat man ja das Problem, wenn man relativ viele Layer übereinander hat, dann hast du ein Pad was als Einzelinstrument zwar groß klingt, aber die Definition verloren geht. Das funktioniert bei Berlin Strings dagegen sehr gut.
proaudio.de: Vielleicht noch etwas zur Aufnahme und Mikrofonierung der Berlin Orchestral Library.
Hendrik Schwarzer: Die einzige virtuelle Mikrofonposition ist ein Mix aus einem Decca Tree und Stützmikrofonen. Bei der Berlin Series wurde alles auch mit dem gleichen Gain Level und die Instrumente auch in ihrer jeweiligen Position im Orchester aufgenommen. Dadurch bleiben die Lautstärkeverhältnisse zueinander auch realistisch. Wenn zum Beispiel die Streicher zu leise oder zu laut sind, dann regelt man dies nicht über den Kanalfader sondern man spielt dann leiser oder lauter ein - zum Beispiel über das Modulationsrad am Keyboard.
Hält man das konsequent durch, dann braucht man auch gar nicht soviel mit EQs zu arbeiten, um gegebenenfalls störenden unteren Mitten rauszufiltern. Der Gesamtklang an sich ist dann schon bei einer solchen Vorgehensweise sehr schlüssig und stimmig. Das ganze Processing sollte dann eigentlich am Ende der Produktion stehen. Die Berlin Series ist deshalb auch so beliebt bei vielen Anwendern, weil sie eben so konsequenz aufgenommen wurde. Der gleichen Gain Level und die Aufnahme an der realen Position im Orchester helfen enorm dabei ein realistischen Gesamtbild zu erzeugen.
proaudio.de: Die Aufnahmen sind dann komplett im Teldex Studio in Berlin aufgenommen?
Hendrik Schwarzer: Ja die meisten Aufnahmen von uns sind im Teldex Studio aufgenommen. Es gibt einige Ausnahmen, wo wir aus künstlerischer Entscheidung an anderen Orten aufgenommen haben, wie zum Beispiel bei Talin was in einer Kirche aufgenommen wurde. Alles um die Berlin Series herum andockt haben wir bei Teldex aber im gleichen Raum aufgenommen. Auch Metropolis ist zum Beispiel im gleiche Gain Level und Raum aufgenommen, wie die Berlin Series. Dadurch kann man sehr modular mit den Libraries arbeiten und diese zusammenstellen. Es sind auch Instrumente innerhalb der Berlin Series einzeln kaufbar. Man kann sich so sein eigenes Template zusammenbauen ohne dass man gleich in die ganze Collection investieren muss.
proaudio.de: Ist der Sine Player eigentlich eine Entwicklung von Euch?
Hendrik Schwarzer: Der Sine Player ist eine Entwicklung von uns und wird auch weiter entwickelt. Er wurde Dezember 2019 eingeführt. Wir haben da einige Design-Entscheidungen anders getroffen als zum Beispiel bei Kontakt, zum Beispiel wie man sich Templates einrichtet und Artikulationen sortiert. Die Artikulation-Liste zum Beispiel sieht erst mal relativ einfach aus ist aber sehr mächtig. Man kann mit Klick und Drag & Drop sehr viel erledigen. Mit einem Mausklick kann man alle Artikulationen auf einzelne Kanäle legen. Weiter lässt sich auch einfach ein Mix aus den verschiedenen Mikrofonpositionen erstellen. Weiter haben wir den Shop und Downloader ja auch im Player integriert. Über den Player lassen sich auch gezielt nur bestimmte Instrumente oder Mikrofonpositionen herunterladen und so kann man schon nach ein paar Minuten die ersten Sachen anspielen.
proaudio: Wie sieht es eigentlich mit der Lizenzierung bei Euch aus? Auf wie vielen Rechnern kann man eine Orchestral Tools Library installieren und nutzen?
Hendrik Schwarzer: Eine Installation ist gleichzeitig auf bis zu drei Rechnern gestattet, bzw. möglich. Bei Mehrbedarf sollte man uns ansprechen.
Praxis und Fazit
Die Berlin Series von Orchestral Tools ist außer Frage für Anwender die ein Orchester virtuell komplett komponieren und spielen wollen sicherlich einer der besten verfügbaren Libraries hierfür - wenn nicht sogar die Beste. Mit der Berlin Orchestra Bibliothek hat man eine schlanke Zusammenfassung der Berlin Series geschaffen, die aber auch zum vollständigen komponieren und spielen taugt, aber eben nicht diesen gigantischen Umfang bietet. Für viele kompositorische Herausforderungen - und nicht nur was die Ausbildunganwendung angeht - ist das allerdings auch völlig ausreichend. Die Berlin Series ist mit ihrer Vielfalt an Einzel-Instrumenten, Artikulationen und Mikrofonpositionen halt schon purer Luxus.
Wie schon bei der Bibliothek Miroire sind die Aufnahmen absolut professionell und von höchster Güte. Es lässt sich im Zusammenhang ein perfektes Orchester spielen mit einer bemerkenswerten hohen Natürlichkeit. Dafür sorgen die Artikulationen und sonstigen Detail-Funktionen des Sine Player.
Berlin Orchestra ist auch weit über den Ausbildungssektor nutzbar. So zum Beispiel ideal für den Filmmusiker, deren Budget Grenzen hat. Der Preis für die Berlin Orchestra Library liegt bei knapp über 1.000 Euro. Das Berlin Series Paket mit den vier Libraries String, Woodwin, Brass und Percussion liegt dagegen bei fast 2.300 Euro. Dazu kommen aber noch die deutlich höheren Anforderungen an die Rechner-Performance und den Speicher. Trotzdem sind ca. 1.000 Euro schon eine Menge Geld für eine Orchester Library.
Die 40 Prozent Education-Rabatt machen es Studenten und Lehrkräften zumindest möglich, diese Library im schulischen, bzw. universitären Bereich, zu einem überschaubaren Preis zu erwerben und einzusetzen.