Baby Audio I Heart NY
New York Style Parallel-Kompressor-Plug-In
Autor: Peter Kaminski
Hinter Baby Audio steckt eine Crew von drei Personen und zwar Caspar Bock Sørenden, der Firmengründer und Jochem de Jong der sich für die Produktentwicklung verantwortlich zeigt, sowie Sil de Graaf der Plug-In-Entwickler. Unschwer zu erkennen, dass da viele europäische Wurzeln im Spiel sind. Caspar kommt aus Dänemark mit deutschen Vorfahren, nun mit Firmensitz in New York und die beiden anderen Mitstreiter sind in den Niederlanden ansässig. Das erste Produkt was man auf den Markt bringt ist ein sehr interessantes Kompressor-Plug-In, welches wir hier einmal im Detail vorstellen möchten.
New York-Kompression
Es gibt beim Produzieren und Mischen bestimmte Herangehensweisen und auch typische Sounds, die durchaus lokal geprägt sind. So haben zum Beispiel Produktionen in London oder Los Angeles einen typischen Sound und Charakter, dessen Ursachen in bestimmte Arbeitsweisen beim Produzieren begründet liegen. Auch in News York ist das so, wo man typischerweise mit sehr viel Kompressor-Techniken arbeitet, um der Mischung einen bestimmten Sound zu verleihen. Eine typische Herangehensweise ist dabei die Parallel-Kompression, die man News York-Kompression oder den New York Compression Trick nennt, weil sie dort eben üblich ist und wahrscheinlich auch dort erfunden wurde.
Bei dem New York Compression Trick wird der Signalweg in zwei Pfade aufgeteilt und zwar in einem mit und einem ohne Kompression. Das heisst, dass die Kompression nicht einfach eingeschliffen wird, sondern auf das unkomprimierte Signal hinzugemischt wird. Bei klassischen Mischpulten oder im DAW-Mischbetrieb macht man das in der Praxis so, dass das zu komprimierende Signal noch über einen Effekt-Send auf einen Bus geroutet wird, in dem eben ein Kompressor mit sehr kurzer Anstiegszeit und mäßiger Abfallzeit eingeschliffen wird und das Ganze auch mit einem EQ verfeinert wird. Der Bus wird dann auf den Master geroutet und so hat man zu dem normalen Kanalzugsignal eine parallele Kompression.
Viel einfacher und übersichtlicher wäre es natürlich, wenn es ein Plug-In geben würde, was genau diese Funktionalität abgebildet, sprich ein unbearbeitetes Signal wird durchgeschliffen und parallel erfolgt eine Kompression und zwar innerhalb des Plug-Ins. Genau dies macht eben das Plug-In "I Heart NY" von Baby Audio. Angewandt wird der NY Compression Trick hauptsächlich bei Drums, Percussion und Basslines.
Installation
Das Plug-In I Heart NY ist für VST, VST3; AU, AAX verfügbar und ist sowohl mit 32- als auch mit 64-Bit-DAWs kompatibel. MacOS kann ab 10.7 und Windows ab Windows 7 genutzt werden. Geliefert wir ein Installer in einer zu entpackenden Archivdatei. Beim Installieren kann man wählen, welche Plug-In-Typen installiert werden sollen.
Bedienung
Auffällig ist bei dem Plug-In, dass die Bedienung durch die wenigen Bedienelemente sehr einfach gestaltet ist. Es gibt drei Regelparameter und einen virtuellen Solo-Taster, mit dem sich ausschließlich das komprimierte Signal abhören lässt. Mit dem Schieberegler stellt der Anwender den Anteil des komprimierten Signalpfades ein, das heißt ist der Regler unten hört man nur das unkomprimierte Signal und ist der Fader oben ausschließlich das komprimierte Signal - also so als würde man die Solo-Funktion aktivieren. Die Parallelkompression ist in diesem Fall also nicht mehr vorhanden und das Plug-In kann so auch als klassischer, eingeschliffener Kompressor genutzt werden. Der Output-Regler regelt das den Ausgangspegel des komprimierten Signals und mit dem Regler Spank werden die Kompressionsparameter, wie Abfallzeit und andere Parameter, angepasst.
Wir haben mit Caspar Bock (s. Foto oben) gesprochen und er verriet uns folgendes über den Algorithmus des I Heart NY Plug-Ins. In dem parallelen Pfad erfolgt, wie bei dem klassischen NY Compression Trick, eine leichte Anhebung mittels Low- und High-Pass-Shelf-Filter. Der Kompressors hat einen analogen Charakter der dem Sound eine Wärme gewisse verleiht. Der Kompressionsfaktor ist relativ hoch mit einer Abfallcharakteristik, die so gestaltet ist, dass noch genügend Transienten durch den Parallelpfad kommen, um so eben den gewünschten Extra Punch zu erzeugen. Der Kompressions-Algorithmus selbst hat noch einen spezielles Low-End-Filter, über den man das eingehende Signal analysiert, um so den Bassanteil im Frequenzspektrum entsprechend einzustellen. Man monatelang OIptimierungen durchgeführt, bis sich das gewünschte Verhalten eingestellt hat.
Caspar sagte uns weiter zum Produktkonzept: "Unser Ansatz ist einfach zu bedienende Produkte zu entwickeln, die automatisch zu einer intuitiven Handhabung führen. Wir möchten die Anwender dazu führen Musik kreativen zu gestalten und nicht mehr unter einem technischen Aspekt zu generieren. Wir lieben es wenn Plug-Ins ihren eigenen Charakter, bzw. Sound haben, so wie man das von Effektpedalen her kennt. Heutzutage ist es so, dass viele Plug-Ins alles funktionell abdecken möchten und sich zudem an möglichst viele Anwender richten. Es werden Regelmöglichkeiten und Parameter geboten, deren Nutzen in der Praxis eher hypothetisch sind. Was man unserer Auffassung aber braucht sind Werkzeuge, die Ihre eigentliche Aufgabe gut erfüllen und dabei einen eigenen Klangcharakter vermitteln und individuellen Charme bieten, anstelle den Anspruch zu haben alle nur mögliche Funktionen abzudecken. In diesem Sinne werden wir im Jahr 2020 drei bis vier Produkte vorstellen."
Praxis
Wir haben das Plug-In in der Version 1.0 in verschiedenen DAW-Applikationen auf einer Xi-Machines X2 Workstation unter dem Betriebssystem Windows 10 getestet und zwar unter Ableton Live 10 und Nuendo 10.2. Auffälligkeiten oder gar Abstürze gab es in dem Testzeitraum nicht.
Die Vorgehensweise bei dem Plug-In ist so, dass man zunächst bei mittlerem Spank-Wert das gewünschte Mischverhältnis zwischen unkomprimiertem Signalpfad und komprimiertem einstellt. Mit dem Spank-Regler wird nun das gewünschte Klangverhalten bestimmt. Hier sollte man besonders auf die Veränderung der Decay-Zeit achten, die man ganz gut wahrnehmen kann. Nun stellt man den Output-Pegel im Plug-In so ein, dass er die gleiche Lautstärke hat, wie die mit ausgeschaltetem, bzw. deaktiviertem Plug-In. Nun kann Original und Bearbeitung gut vergleichen und es lassen sich Feineinstellungen auf Basis des Vergleichs Plug-In eingeschliffen oder deaktiviert vornehmen. Ggf. sollte man nochmal den Ausgangspegel des Kompressionspfades mit dem Output-Pegel anpassen.
Man muss natürlich sagen, dass der NY Compression Trick primär der Klangformung dient um ein Instrument durch die Kompression mehr Punch zu verleihen. Das funktioniert mit dem Plug-In auch sehr gut. Besonders auf Bassdrum und Snare erreicht man hier sehr viel sowie auf Bässen, perkussiven Synthies und so weiter. Hier ist immer wieder eine finale Anpassung im Gesamtmix erforderlich, wenn man ein Instrument zunächst Solo mit dem Plug-In bearbeitet hat. Instrumente lassen sich so gezielt und gut dosierbar in den Vordergrund eines Mix bringen. Das Plug-In dient weniger dazu den Pegel und die Dynamik in den Griff zu bekommen und es ist eher als ein Kreativ-Werkzeug zu verstehen. In diesem Zusammenhang sollte man es durchaus auch mal auf andere Instrumente anwenden, wie zum Beispiel Gitarre um die Attack-Phase herauszuarbeiten oder Ähnliches. Experimentieren lohnt sich und man bekommt so schnell Erfahrung, wo es Sinn macht, dass Plug-In einzusetzen.
Aber das Plug-In lässt sich auch sehr gut dazu verwenden schon verhallte oder mit großem Raumhall versehende Instrumente zu bearbeiten, denn durch die Parallelkompression wird die Hallfahne nicht durch die Kompression abgeschnitten, sondern ist durch den Anteil des unkomprimierten Signals noch gut hörbar. Das funktioniert zum Beispiel super bei Synthi-Stimmen aus dem Eurorack, die schon dort mit Hall oder Echo-Effekten versehen sind. Normale Kompression ist hier gar nicht anwendbar. Mit der Parallel-Kompression kann man das Signal dagegen sehr gut so bearbeiten, dass es deutlich punchiger wird aber der Raum oder Reverb-Effekt eben nicht total verloren geht.
Der Spank Parameter bietet eine gute Möglichkeit, Einfluss auf den Klang der Komprimierung zu nehmen. Natürlich gibt es ggf. Signale, wo man mit einem Kompressor, besonders mit Mehrbändigen-Kompressoren mit mehr individuellen Parametern, natürlich noch mehr Details herausarbeiten kann, aber man muss sich immer die Frage zwischen Aufwand und Wirkung stellen und das I Heart NY Plug-In von Baby Audio bietet hier einen exzellenten Kompromiss, den man auch, ohne die Übersicht zu verlieren, mehrfach in verschiedenen Kanälen einsetzen kann. Ein wichtiger Punkt ist zudem, dass man auch, dank des I Heart NY-Algorithmus, sehr schnell brauchbare Ergebnisse erhält.
Fazit
Der Preis für das Plug-In liegt bei verbraucherfreundlichen 29 US$ und kann direkt von der Hersteller-Web-Seite bezogen werden. Für diejenigen die es erst mal ausprobieren möchten steht auf der Web-Site eine Demo-Version bereit, bei der allerdings alle 30 Sekunden fünf Sekunden lang ein Mute erfolgt. In der Demoversion lassen sich zudem keine Einstellungen abspeichern.
I Heart NY von Baby Audio ist ein wirkungsvolles Parallel-Kompressor-Werkzeug, welches einfach zu handhaben ist und mit dem man klanglich im Mix sehr gute Ergebnisse mit minimalem Aufwand erzielt. Die Einsatzmöglichkeiten gehen über Drums weit hinaus. Die 29 US$ ist das Plug-In auf jeden Fall und man kann es nur weiterempfehlen.