Austrian Audio OC818

Kondensator-Großmembran-Studiomikrofon mit umschaltbarer Richtcharakteristik

Autor und Fotos: Raphael Tschernuth

OC818 close2

2017 wurde die AKG Hauptzentrale in Wien nach 70-jährigem Bestehen vom Mutterkonzern Harman geschlossen. Die Produktionsstätten für Mikrofone und Kopfhörer sollten verlagert werden. Daraufhin schloss sich der Kern des ehemaligen AKG-Teams zusammen und gründete die Firma Austrian Audio. Ziel war es, innovatives Audio-Equipment für Studio- und Live-Anwendungen mit dem Gütesiegel ”Made in Austria” anzubieten. Nach zweijähriger Entwicklungszeit wurden die ersten Mikrofone der Öffentlichkeit präsentiert: Das Großmembran Kondensator-Mikrofon Austrian Audio OC18, sowie das Multi-Pattern-Mikrofon OC818, welches wir hier in diesem Test vorstellen möchten.

Konzept

Während der kleine Bruder OC18 nur eine Richtcharakteristik besitzt (Niere), bietet das OC818 ein wahres Feuerwerk an Funktionen. Ähnlich wie beim Sennheiser MKH 800 Twin werden die Signale der Doppelkapsel getrennt aus dem Mikrofon herrausgeführt. Dadurch lässt sich die Richtcharakteristik fernsteuern beziehungsweise noch in der Mischung beeinflussen. Auch ein Bluetooth-Dongle ist für das OC818 verfügbar und kostenlos erhältliche Apps für iOS und Windows bzw. OSX erweitern das Einsatzgebiet dieses Mikrofons enorm.

OC818 case

Werfen wir zunächst einen Blick auf den Lieferumfang. Seit kurzem ist das OC818 auch als Stereo-Set “Dual Set Plus” verfügbar. Es besteht aus zwei OC818-Mikrofonen, zwei elastischen Halterungen, zwei Mini-XLR auf XLR-Adapterkabeln, zwei arretierbaren Mikrofonklemmen, zwei Pop-Filter und einer verstellbaren Stereoschiene. Alle Bestandteile des Sets befinden sich sicher verpackt in einem Transportkoffer. Der Koffer selbst ist von einer Kartonummantelung geschützt. Beim Verpackungsdesign hat sich Austrian Audio ein besonderes Gimmick einfallen lassen: Zusammengehalten werden die Schachteln aller Mikros und Kopfhörer von rotem Klettband, welches sich praktischerweise als Kabelbinder wiederverwerten lässt.

OC818 open case

Die Verarbeitung der Mikrofone ist hervorragend. Metallverarbeitung und Lackierungen sind sehr hochwertig, der doppelwandige Mikrofonkorb wurde sauber eingesetzt. Alle Bedienungselemente befinden sich auf der Vorderseite des Mikrofons. Die mechanischen Schalter für Richtcharakteristik, Hochpass-Filter und Vordämpfung (Pad) rasten spürbar auf der jeweiligen Position ein. Auf der Rückseite findet sich ein zweiter Ausgang im Mini-XLR Format, der durch eine graue Plastikabdeckung geschützt ist. Alle Anschlusskontakte des Mikrofons sind vergoldet, was die Korrosionsgefahr minimiert und Langlebigkeit verspricht.

OC818 connector detail

Dank des Metallgehäuses macht das OC818 einen äußerst robusten Eindruck, mit einem Gewicht von knapp 360 Gramm stellt es keine außergewöhnlichen Ansprüche an den Mikrofonständer. Dank der relativ kleinen Abmessungen von 157 x 63 x 35 mm lässt es sich unauffällig positionieren und passt im Eifer des Gefechts auch einfach mal in die Hosentasche.

OC818 utilities

An der Qualität des Zubehörs gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. Die wichtigen Teile der Spinne sind aus Metall gefertigt, das OC818 wird von einem Schraubsystem am Schaft gehalten und kann auch kopfüber installiert werden. Die beigefügten Mikrofonklemmen lassen sich praktischerweise per Feststell-Schraube arretieren, der sonst übliche Griff zum Schraubenzieher entfällt. Auch das Adapterkabel Mini-XLR auf XLR macht einen sehr wertigen Eindruck. Die Stereoschiene mit einer Spannweite von 25 cm ist stabil und sehr leicht, da sie aus Aluminium gefertigt wird.

Jedem Mikrofon, egal ob Stereo-Set oder Einzel-Ausführung, liegt übrigens ein persönlich signiertes und datiertes Qualitätszertifikat bei, welches Auskunft darüber gibt, dass vor der Auslieferung alle Messungen und Tests bestanden wurden. Im Falle des OC818 heißt das, dass zunächst jede Mikrofonkapsel einzeln durchgemessen wird und schließlich jedes Mikrofon auch einen ausführlichen rund 15 Minuten dauernden Test im schalltoten Raum bestehen muss. Dieser Hang zur Präzision ist heutzutage leider eine Seltenheit geworden. Nur sehr wenige Hersteller machen sich noch die Mühe jedes einzelne Mikrofon einem Test-Parcours zu unterziehen.

Das Herz des OC818: Die Kapsel

Beim Thema Kapsel-Design hatte man bei Austrian Audio ein Ziel: Man wollte die legendäre CK12 Kapsel wiederauferstehen lassen. Diese wurde in den 1950er Jahren von Konrad Wolf entwickelt und im AKG C12, im ELAM 251 wie auch in der frühen Version des AKG 414 verwendet. Knapp zwei Jahre lang hat das Team um Senior Acoustic Engineer Christoph Frank geforscht, alte Originale unzählige Male zerlegt und wieder neu zusammengesetzt, um dem Geheimnis der CK12 auf die Schliche zu kommen.

Recht früh hat man dabei Industriekeramik als neues Ringmaterial entdeckt. Christoph Frank dazu: “Für die Kapsel benötigt man ein gewisses Gewicht. Es soll ja nicht die Kapsel schwingen, sondern die Membran. Speziell bei der Wiedergabe der tiefen Frequenzen macht es einen enormen Unterschied ob die Kapsel eine gewisse Masse hat. Messing war in dem Punkt schon gut, aber hat den Nachteil, dass es extrem leitend ist. Bei Feuchtigkeit waren daher Kurzschlüsse zwischen vorderer und hinterer Kapsel jederzeit möglich und wenn die Feuchtigkeit in die Kapsel drang, kam es beim Original zu unschönen Störgeräuschen. Heute erreichen wir mit Keramik das gleiche Gewicht wie damals mit Messing und mit nur drei Schrauben eine hohe Reproduzierbarkeit und technische Perfektion.”

Da Austrian Audio den schalltoten Messaraum der Firma AKG übernehmen konnte, hat man  die Möglichkeit ausgiebig zu testen. Immerhin hat das Austrian Audio Team kumuliert mehrere hundert Jahre Erfahrung auf dem Gebiet des Mikrofonbaus. Ein Novum für ein Start-Up. Wie die Mikrofone selbst, wird jede der neuen CKR12 Kapseln in Wien von Hand gebaut.

Technische Daten

Den Frequenzbereich des OC818 gibt Austrian Audio mit 20 Hz bis 20 kHz an, die jeweilige Kurve der einzelnen Richtcharakteristiken finden sich auf den angehängten Messdiagrammen. Am Mikrofon selbst kann man zwischen Acht, Superniere, Niere, Kugel und Fernbedienung (Bluetooth Dongle OCR8) umschalten, per iOS App bzw. in der DAW sind aber bis zu 255 Feinabstufungen und sogar Mischformen möglich.

OC818 switches

Das Low-Cut Filter setzt bei 40 Hz, 80 Hz oder 160 Hz an und lässt sich wie auch die Mikrofonvordämpfung per Dongle fernbedienen. Bei aktiviertem -10 dB Pad wird die Kapselspannung heruntergesetzt, was zu einer geringeren Empfindlichkeit führt. Bereits ohne Pad kann das OC 818 einen enormen Schalldruck von 148 dB SPL standhalten, mit dem -10 dB Pad wird sogar ein Wert von 158 dB SPL erreicht. Auch ein -20 dB Pad steht zur Verfügung, hier wird das Signal einfach um weitere 10 dB am Ausgang abgesenkt.

Die Empfindlichkeit des OC818 wird mittels Polspannung individuell für jedes Mikrofon bzw. jede Kapsel auf exakt -13mV/Pa kalibriert. Alle OC818 liefern daher den gleichen Output. Das Eigenrauschen beträgt nur 9 dB (A), ein hervorragender Wert für ein Großmembran-Mikrofon mit verschiedenen Richtcharakteristiken. Die Impedanz beträgt an beiden Ausgängen 275 Ohm, ein Lastwiderstand größer als ein Kiloohm wird empfohlen. Für Akku-Laufzeiten bei mobilem Einsatz dürfte interessant sein, dass das OC818 weniger als 4 mA benötigt und üblicherweise nur 2,1 mA Strom zieht.

Laut Hersteller ist die Serienstreuung so gering und die eigenen Toleranzen so eng gesteckt, wodurch jedes OC818 mit einem anderen OC818 oder sogar einem OC 18 (Nieren-Variante) ein “Matched Pair” ergibt.

Messungen

Bevor die beiden OC 818 im Studio zum Einsatz kommen, teste ich die Mikros anhand diverser Sine-Sweep Messungen. Hier zeigt sich ein beeindruckendes Bild. Die Empfindlichkeit ist der beiden OC818 ist auf 0,0 dB absolut identisch, es besteht keinerlei Unterschied zwischen den zwei Modellen. Auch die vom Hersteller angegebenen sehr guten Rauschwerte werden in der Praxis von beiden Mikros erreicht. In Bezug auf Matching vergleiche ich jede der vier am Gerät einstellbaren Richtcharakteristiken. Auch hier liefern die beiden OC818 exzellente Ergebnisse, minimale Abweichungen von 0,5 dB zwischen den beiden Mikros in Frequenzbereichen oberhalb von 5 kHz muss man den Messtoleranzen zuschreiben. Die Performance, die das OC818 Stereo-Set in Bezug auf genaues Matching liefert übertrumpft sogar mein Schoeps-Stereo-Set. Erfreulich ist, dass das Matching bei allen Richtcharakteristiken ausgezeichnet ist.

Auch, wenn man die beiden Kapseln eines einzigen Mikros vergleicht, ist das Ergebnis mustergültig. Dies ist sowohl bei Kugel- und Acht-Charakteristik der Fall, bei denen Vorder- und Rückseite einen identischen Frequenzverlauf vorweisen.

Ich hatte die Möglichkeit für diese Messungen ein drittes OC818 hinzuzuziehen, welches zur Markteinführung hergestellt wurde und welches eine um einige tausend Stellen niedrigere Seriennummer aufweist. Auch dieses Modell könnte man ohne Bedenken mit einem der neueren OC818 aus dem vorliegenden Set kombinieren.

Im direkten Vergleich zum AKG 414 XLS fällt auf, dass das OC818 im Bereich zwischen 4 und 6 kHz und zwischen 9 und 12 kHz um bis zu 3 dB mehr Pegel liefert - also frischer ans Werk geht. Dabei ist ihm eine Eigenschaft gemein, die man auch vom C12 bzw. vom U67 kennt - eine leichte Senke im Bereich der S-Laute, zwischen 6 und 9 kHz. Hier tendiert der Frequenzgang zur 0-dB-Kennlinie+

Beim Hochpass-Filter entfernt die erste Stellung nur tiefste Frequenzanteile, ab rund 60 Hz beginnt sich die Kurve leicht zu senken und erreicht bei 25 Hz -4 dB. Die zweite Stellung ist im täglichen Einsatz weitaus praktikabler um den Nahbesprechungseffekt entgegenzusteuern. Ab 160 Hz senkt sich die Kurve sehr leicht und erreicht bei 50 Hz einen Wert von -7,5 dB. In der dritten Stellung senkt sich die Kurve bereits leicht ab 500 Hz und erreicht in der Praxis bei 50 Hz einen Wert von -10 dB.

Studioeinsatz

Im Studio entfaltet das OC818 Allrounder-Qualitäten. Dank der gutmütigen Präsenzanhebung ist das Signal im Handumdrehen “Mix-ready” bei bedachter Mikrofon-Positionierung kann man sich jegliche Form der Nachbearbeitung ersparen.

Im Vergleich zu einem alten AKG C12 Röhrenmikrofon, präsentiert sich der Klassiker noch ein wenig präsenter. Zumindest wenn man das sehr gut erhaltene Verleih Exemplar der Firma Echoschall zum Vergleich heranzieht ist das so, doch die Serienstreuung war anno dazumal ja enorm.

Beiden Mikrofonen ist aber ein sehr edler Klangcharakter eigen, der dem Signal eine Art hochwertige Politur verpasst. Die Verwandtschaft zwischen dem C12 und dem OC818 in puncto Klangästhetik ist offensichtlich. Ganz anders verhält sich im Vergleich etwa ein AKG 414 XLS aus aktueller Produktion, welches klanglich mit dem C12 kaum Gemeinsamkeiten aufweist.

Das OC818 ist durch seine Offenheit für Akustikgitarre und Saiteninstrumente prädestiniert, liefert aber im Gegensatz dazu auch vor der Kick Drum ein druckvolles Signal mit straff akzentuiertem Bass. Dank der 148 bzw. 158 dB SPL bleibt das Signal frei von jeglicher Übersteuerung.

Auch vor dem Ampeg Bassverstärker ist das aufgenommene Signal vollmundig und rund, dank der leichten Höhenanhebung setzt es sich gut im Mix durch. Nicht zuletzt wurde Paul McCartneys Bass zu Abbey Road Zeiten ja oft mit einem C12 abgenommen. Auch an der Ukulele klingt das Signal so wie man es sich wünscht – zart, detailliert und frei von jeglichem Rauschen.

Durch die für ein Großmembranmikrofon vergleichsweise geringe Empfindlichkeit von 13 mV sind die Ansprüche an den Preamp in Bezug auf das Rauschen etwas höher als bei anderen Vertretern dieser Mikrofongattung. In der Praxis musste ich den Vorverstärker allerdings nie jenseits der +40 dB Stellung einstellen. Das sollte heutzutage jeder günstige Vorverstärker leisten können.

Obwohl ich selbst eher ein Anhänger sehr neutraler Schallwandler wie etwa dem MKH 20 und MKH 40 von Sennheiser oder diverser Bändchenmikrofone bin, bin ich vom Klang des Austrian Audio OC818 sehr angetan. Meiner Erfahrung nach schaffen es nur die besten Vertreter unter den Großmembranmikrofonen Helligkeit und Präsenzen mit einer gewissen Weichheit zu verbinden. Das ist eine seltene Qualität, die für mich etwa beim Neumann U47, AKG C12, oder ELAM 251 bezeichnenden ist. Dass das OC818 diese Balance ebenfalls schafft ist besonders unter Berücksichtigung des Preises sehr erstaunlich.

In der Praxis offenbart das OC818 einen sehr musikalischen Charakter der Transienten sehr präzise abbildet aber die Musik in den Vordergrund rückt. Auch als Gesangsmikrofon kann es das OC818 mit den besten seiner Gattung aufnehmen. Es bietet zwar nicht jenes “Mittenfleisch”, wie man es etwa von einem U87 kennt, aber dafür ein rundum ausbalanciertes Klangbild, dass sich sowohl für weibliche und männliche Sänger anbietet. Dabei sind die S-Laute deutlich reduzierter als bei vielen anderen Großmembran-Mikrofonen.

Stereoaufnahmen mit dem OC818

In Bezug auf Stereoaufnahmen bietet das OC818 Dual-Set Möglichkeiten wie kaum ein anderes Mikrofonpaar. Grund dafür sind die getrennten Signale der beiden Kapselseiten, die zusammen mit den drei DAW Plugins PolarDesigner, AmbiCreator und StereoCreator nicht enden wollende Optionen offeriert. Darauf im Detail einzugehen würde den Rahmen dieses Testberichts sprengen und wir werden in einem weiteren Test detailliert darauf eingehen.

Aber auch ohne zusätzliche Apps ist die Stereoabbildung exzellent. Das hervorragende Matching trägt zu einem sehr hohen Realismus bei. Raumaufnahmen im Blumlein-Verfahren bestechen durch Dreidimensionalität und klare Ortung des Signals. Die X/Y-Anordnung gefiel mir im Test besonders an der Rückseite des Studio-Klaviers. Bei einem Shoot-Out setzte sich das OC818 hier gegen viele wohlbekannte Mitstreiter großer Hersteller durch. In Bezug auf M/S ist es möglich, dank der beiden Signale eines OC818 sogar zwei unterschiedliche Side Signale zu verwenden. Statt ein Signal mit entgegengesetzter Phase zu doppeln, erhält man so ein noch lebhafteres Klangbild, bei voller Monokompatibilität.

Fazit

Für einen Preis von knapp unter 1.000 Euro bietet das Austrian Audio einen Funktionsumfang, den kaum ein Mitbewerber erreicht. Doch nicht nur die Fülle an Einsatzmöglichkeiten zeichnet das Mikrofon aus. Allen voran steht der beeindruckende Klang der CKR12-Kapsel, die vielen Klangquellen einen edlen Grundcharakter verleiht. Registriert der Anwender die Mikrofone auf der Austrian Audio Webseite wird übrigens eine kostenlose Garantieverlängerung um zwölf weitere Monate angeboten.

Das Mikrofon ist ein echter Allrounder und bietet sich sowohl für Gesang, Sprache, melodische und perkussive Instrumente wie auch für räumliche Stereo- und Ambient-Aufnahmen an. Die Mikrofone von Austrian Audio werden in Handarbeit in Wien gefertigt und jedes einzelne vor der Auslieferung akribisch im schalltoten Raum geprüft. Auf dem hoch saturierten Mikrofonmarkt ist das schon fast ein Alleinstellungsmerkmal. Die hervorragenden Messergebnisse und das perfekte Matching runden das positive Bild ab.

www.austrian.audio