Austrian Audio OC16

Großmembran-Kondensatormikrofon

Autor: Raphael Tschernuth

Austrian Audio OC16 PA inShockmount

Austrian Audio stellt mit dem OC16 ein neues Großmembran-Kondensatormikrofon vor. Im Gegensatz zu den bereits erhältlichen Modellen OC818 (Multi-Pattern) bzw. OC18 (Niere) sind es aber diesmal nicht technische Innovationen, die das Mikrofon von der Konkurrenz abheben, sondern ein neuer Herstellungsprozess, der die „Wiener Klangtradition“ auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich macht.

Made in Vienna and Asia

Wir erinnern uns, dass Austrian Audio 2017 aus der Traditionsmarke AKG hervorgegangen ist, als diese beschlossen hat, die Wiener Hauptzentrale aufzugeben. Eine Handvoll ehemaliger AKG-Ingenieure hat sich daraufhin zusammengefunden, um fortan neuartige Kopfhörer und Mikrofone in Eigenregie zu entwickeln und diese auch vor Ort in Wien herzustellen.

Mit dem OC16 geht man nun einen neuen Weg. Waren die in Wien gefertigten Mikrofone preislich ohnehin schon sehr attraktiv und sind gemessen am Funktionsumfang richtiggehend Schnäppchen, so ist der neue Spross noch einmal deutlich günstiger zu erstehen.

Austrian Audio OC16 AKG C12

Möglich wird das durch die Herstellung in Asien, wobei zu erwähnen ist, dass die Kapsel als Herzstück des Mikrofons, noch immer in Wien von Hand hergestellt wird. Sie durchläuft dort all jene Prozesse und Messung, wie sie auch die Kapseln für das OC18 durchlaufen müssen. Es handelt sich dabei um die sogenannte CKR6, eine Nieren-Version der CKR12 mit einfacher Membran, welche klanglich der berühmten CK12 nachempfunden wurde.

Bei der Kapsel, als wichtigstem Element der Schallwandlung, geht der Hersteller also keinerlei Kompromisse ein. Auch die Schaltung des Austrian Audio OC16 wurde komplett bei Austrian Audio in Wien entwickelt. Im Grunde baut diese auf jener des OC18 auf, bietet aber im Vergleich zu diesem keinen Pad-Schalter und keine automatische Kalibrierung der Empfindlichkeit. Dies geschieht beim OC18 und OC818 durch die eingebaute Schaltung. Daher ist die Empfindlichkeit bei diesen Modellen immer absolut identisch und zwei Mikrofone aus diesen Serien ergeben stets ein perfekt gematchtes Stereo-Paar.

Für das OC16 lässt Austrian Audio die Elektronik und das Mikrofongehäuse in Asien fertigen. Aus Wien werden dann die Kapseln eingeflogen und vor Ort noch einmal getestet. Im Anschluss wird das Mikrofon zusammengebaut und muss auch in Asien einen Testparcours bestehen. Alle Messdaten werden daraufhin an Austrian Audio in Wien gesendet. Der Hersteller setzt also auch bei seinem günstigsten Modell auf volle Qualitätskontrolle und kann die Daten jedes einzelnen Mikrofons von seinen Servern abrufen. Damit setzt sich Austrian Audio deutlich von anderen Herstellern ab, die in Asien Mikros am Fließband produzieren lassen, die ohne jegliche Messungen in den Verkaufsregalen landen. Der Aufwand der betrieben wird, um klanglich kompromisslos zu bleiben und dabei nichts dem Zufall zu überlassen, ist bemerkenswert.

Technische Daten

Wie bereits erwähnt ist das Austrian Audio OC16 ein Kondensatormikrofon mit Nierencharakteristik. Im Inneren arbeitet die Keramik-Kapsel CKR6 unter welcher Austrian Audio einen Diffusor angebracht hat, mithilfe dessen jegliche Eigenresonanzen des Korbes unterdrückt werden.

Der Übertragungsbereich des OC16 liegt zwischen 20 Hz und 20 kHz und ein Blick auf den Frequenzgang zeigt, dass die Kurve in den Höhen leicht ansteigt. Im Bereich der oft schwierigen S-Laute gibt es allerdings eine Absenkung, die gerade bei Gesangaufnahmen vorteilhaft sein dürfte.

Austrian Audio OC16 Frequenzgraphen OC16 20220420

Die Empfindlichkeit ist mit 11 mV/Pa recht gering für ein Großmembran-Mikrofon, das Eigenrauschen liegt mit 14 dB (A) im mittleren Bereich. Sehr positiv fällt der hohe Grenzschalldruckpegel auf, der, gemessen bei 0,5 % THD, bei 148 dB SPL liegt. Auch ohne Pad wird man das OC16 selbst bei extrem lauten Signalen nicht übersteuern. Das eingebaute Filter arbeitet analog und setzt entweder bei tiefen 40 Hz bzw. bei 160 Hz an. Für mobile Anwender dürfte noch interessant sein, dass die Elektronik für den Betrieb weniger als 2,2 mA benötigt. Das OC16 schont also den Akku bzw. die Batterie und wird im Betrieb längere Laufzeiten ermöglichen als so manches Konkurrenzprodukt.

Verarbeitung und Lieferumfang

Austrian Audio OC16 PA OpenCase

Beim Lieferumfang muss der Anwender kaum Abstriche machen, im Gegenteil: Austrian Audio zeigt sich spendabel und legt dem Mikrofon neben einem robusten und sehr gut verarbeitetem Soft-Case, eine hochwertige, arretierbare Mikrofonklemme, sowie eine einfache aber effektive Mikrofon-Spinne bei.

Austrian Audio OC16 PA mounts

Auch ein Qualitätszertifikat, welches Aufschluss über die Messungen und die bestandene Endkontrolle gibt, ist Teil des Lieferumfangs. Das OC16 selbst ist sehr schlicht in Schwarz gehalten, neben dem Logo, findet sich lediglich das dreistufige Filter auf der Vorderseite. An der Verarbeitung gibt es nichts zu bemängeln.
Erfreulich ist, dass kleine Details, wie etwas vergoldete XLR-Stecker, auch bei den günstigsten Modellen von Austrian Audio Modell zu finden sind.

Unterschiede

Wo liegen nun genau die Unterschiede zu dem Top-Modell OC18? Das Gehäuse des OC18 wird beispielsweise von einem österreichischen Hersteller bezogen, weshalb es rein haptisch in puncto Verarbeitung und Robustheit in einer Liga mit Neumann oder Microtech Gefell spielt. Auch das mehrlagige Gitter ist robuster und gleichzeitig akustisch offener. Der im Mikrofonkorb eingebaute Diffusor ist aus Metall gefertigt und nicht aus Schaumstoff wie beim OC16.

Austrian Audio OC16 PA OC16+OC818 2

In vielerlei Hinsicht sind die Toleranzen beim OC16 etwas größer als bei den Modellen aus Wien. Das fängt beim Gittereinsatz des Mikrofonkorbes an und hört bei der Empfindlichkeit und dem Frequenzgang auf. Jedes OC18 und OC818 wird rund zehn Minuten lang in allen möglichen Positionen und Löschungen im Schalltoten Raum in Wien kontrolliert, bei Empfindlichkeit und Frequenzgang muss ein Mikrofon dem anderen gleichen. Beim OC16 kann es hier - zumindest in der Theorie - größere Unterschiede geben.

Messungen

Um zu sehen, wie sich das in der Praxis auswirkt, habe ich selbst nachgemessen. Zu meinem Erstaunen liefert das OC16 hierbei deutlich bessere Werte, als es das Datenblatt vermuten lassen würde. So messe ich eine etwas erhöhte Empfindlichkeit und ein deutlich geringeres Rauschen. Dieses betrug beim Testmodell nur 9 dB und ist damit deutlich besser als die angegebenen 14 dB SPL (A). Auch die Empfindlichkeit ist mit 13 mV/Pa ein wenig höher als die angegebenen 11 mV/Pa. Nach Rückfrage in Wien stellt sich heraus, dass Austrian Audio bei den technischen Spezifikationen von den maximal zugelassenen Toleranzen ausgeht. Man hat den Anspruch, diese in der Praxis zu unterbieten und unser Testgerät, welches aus

Praxis-Einsatz

Austrian Audio OC16 drums

Wie bereits die Schwestermodelle OC818 und OC18 liefert das OC16 hervorragende Ergebnisse an vielen unterschiedlichen Instrumenten und Klangquellen. Austrian Audio schafft es auch mit seinem neuen Sprössling, einen grundsätzlich sehr offenen Klangcharakter mit seidigem Glanz ohne jegliche Schärfe zu kombinieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei Aufnahmen mit meinem OC818 ein Griff zum EQ in fast nie notwendig ist und das Signal ohne jegliche Nachbearbeitung bereits mix-ready ist. Das trifft auch auf das OC16 zu. Die ansprechenden Präsenzen und präzisen Transienten bilden Instrumente und Stimmen sehr lebendig und realistisch ab. Nichts wirkt angestrengt, kein Frequenzbereich gehypt oder verwaschen.

Auch der Bass ist klar und straff - nicht umsonst haben sich die Beatles oft für das C12 entschieden, wenn es um die Abnahme von Paul McCartneys Bassverstärker ging. Ein Einsatzbereich, den auch das OC16 mit Bravour erfüllt. Da es durch seinen hohen Grenzschalldruck gegen Übersteuerungen so gut wie immun ist, bietet es sich auch für die Kick Drum an. Hier hat in meinem Studio das OC818 in den letzten Jahren das alteingesessene U47Fet abgelöst. Dynamisch und vollmundig ohne jegliche Schwächen transportiert sich hier mit dem OC16 sowohl der Tiefbass als auch der Attack. Für laute Gitarren-Verstärker, Snare-Drums oder Toms ist sich das OC16 ebenfalls nicht zu schade und klanglich eine gute Wahl.

Austrian Audio OC16 amp

Auch an der Akustikgitarre brilliert das OC16 und bildet das aufgenommene Instrument sehr hochwertig ab. Dank seiner hohen Auflösung ist es für Gesang und Sprachaufnahme sowohl weiblicher als auch männlicher Stimmen ebenfalls prädestiniert, so wie das auch beim legendären Vorgänger, dem AKG C12 der Fall war. Im direkten Vergleich mit einem C12 des Berliner Studioverleihs Echoschall zeigt sich, dass das OC16 mehr Gemeinsamkeiten hat als ich für möglich gehalten hätte. Die Empfindlichkeit ist absolut identisch und die Wellenformen der beiden aufgenommenen Spuren gleichen sich wie in Ei dem anderen.

Obwohl der Altersunterschied der beiden Mikros rund 70 Jahre beträgt und ganz unterschiedliche Schaltungen zugrunde liegen ist es manchmal schwer ist im Blindtest zu bestimmen welches von beiden man gerade hört. Bei genauerem Hinhören werden zwar Unterschiede deutlich, auch sind die Transienten durch die Röhrenschaltung beim C12 nochmals abgerundeter, aber die Performance des OC16 gegenüber der sündhaft teuren Legende ist äußerst beeindruckend.

Fazit

Für einen Preis von nur 349 Euro liefert Austrian Audio ein Mikrofon, das sich in klanglicher Hinsicht vor weitaus teureren Mikrofonen nicht verstecken muss. In Sachen Ausstattung, Verarbeitung und Matching muss man im Vergleich zu den Topmodellen OC18 und OC818 kleine Abstriche machen, in klanglicher Hinsicht gehen die Österreicher aber keinerlei Kompromisse ein. In jedem OC16 arbeitet eine Keramikkapsel, die in Wien von Hand gefertigt wurde. Die Tatsache, dass auch im unteren Preisbereich jedes Mikrofon ausgiebig gemessen wird, spricht für den Anspruch des Herstellers. Für preisbewusste Anwender, die mit dem klassischen C12 Sound liebäugeln, ist das OC16 eine uneingeschränkte Empfehlung wert. Durch seine Allrounder-Qualitäten eignet es sich auch hervorragend als erstes Großmembran-Mikrofon für Einsteiger. Gemessen am klanglichen Resultat ist das Preis-Leistungs-Verhältnis des OC16 sensationell.

www.austrian.audio