Arturia Delay Plug-Ins
Autor: Peter Kaminski
Arturia bietet seit Mitte 2019 drei sehr verschiedene und interessante Delay-Plug-Ins an, die wir hier näher vorstellen möchte. Bei den Plug-Ins handelt es sich um zwei auf Basis klassischer, analoger Vorbilder sowie ein Plug-In ohne Vorbild. Alle hier vorgestellten Delay Plug-Ins sind auch in der Arturia FX Collection enthalten.
Installationsvoraussetzungen
Die Plug-Ins werden für Windows, ab Windows 7 oder für macOS ab Version 10.10 beides Mal für OpenGL 2.0 kompatible CPUs angeboten. Es werden folgende Plattform-Formate unterstützt und zwar VST, VST3 in 32 und 64 Bit, AAX und Audio Units.
Konzept
Wie schon bei der V Collection kommen auch bei den Delays sowohl Arturias True Analog Emulation zum Einsatz als auch Physical Modeling. Das Konzept die Vorbilder zu übernehmen aber weitere Funktionalität zu implementieren hat man bei den Delay ebenfalls von der V Collection übernommen.
Oben ist daher das eigentliche Plug-In-Fenster aber man kann unten ein weiteren Dialog ausklappen, der noch weitere Zusatzfunktionen bietet, wie ein Eingangs-Equalizer, Zusatz-Modulationsparameter sowie ein LFO-Einstellbereich (s. Abb. oben).
Jedes Plug-In bietet auch eine Vielzahl von Presets, die man über zwei Arten aufrufen kann und zwar als Liste (s. Abb. oben) in dem man auf das Preset-Listen-Icon klickt oder in Form eines anderen Dialogs (s. Abb. unten) in dem man auf den Preset-Namen klickt.
Die vorhandenen Presets sind natürlich in beiden Fällen identisch.
Delay Tape-201
Kommen wir als erstes zum Delay Tape-201. Hier stand das gute alte Roland Space Echo RE-201 Pate. Im RE-201 werkelte ein Bandgerät mit einer Magnetbandschleife, so wie man es auch vom Watkins Copycat her kennt, nur halt in einem geschlossenen Gehäuse. Es wurde aber keine feste Schleife mit mehreren Umlenkrollen wie beim Copycat eingesetzt sondern eine lose Schleife mit einem Capstan-Antrieb. Das Roland RE-201 besaß drei Auslesetonköpfe und zudem war auch ein Federhall integriert, wie schon beim Vorgänger Roland RE-200.
Das Original hatte neben einem Instrumenten-Eingang auch noch zwei Mikrofoneingänge. Ein Mischer macht ja bei einem Plug-In wenig Sinn und daher gibt es beim Arturia nur einen Eingangsregler. Auch auf die Simulation des Zeigermessinstrumentes für den Eingangspegel und auf die Peak-Anzeige hat man nicht verzichtet (s. Abb. oben). Was es beim Original nicht gab war der Schalter für die Stereo-Betriebsart. L/R ist die Standardbetriebsart und bei Ping-Pong wird wechselnd das Echo mal links mal rechts ausgegeben. Interessant ist die Betriebsart M/S wobei für Mitte und die Seiten unterschiedliche Echo mit unterschiedlichen Echozeiten zum Einsatz kommen.
Wie beim Original gibt es auch einen virtuellen Drehschalter mit dem man einen von zwölf Betriebsarten anwählen kann und zwar einmal ausschließlich die Hallspirale, dann vier reine Delays mit den Köpfen 1, 2, 3 oder 2+3. Welche Köpfe aktiviert sind wird mit drei LEDs signalisiert. Beim Original musste man sich das merken oder ins Handbuch schauen. Weiter gibt wes dann noch sieben Betriebsarten bei denen Hallspirale plus Echo in verschiedenen Kopfvariantenen anwählbar sind.
Das Original war als ein reines Monogerät ausgelegt. Das Arturia Delay Tape-201 ist aber auch, wie schon zuvor beschrieben, Stereo-tauglich. Im Bedarfsfall kann man für jeden Kanal (L/R oder M/S in Abhängigkeit vom angewählten Stereomodus) eine getrennte Kanal-Delay-Zeit einstellen (s. Abb. oben) und es gibt auch einen Parameter für einen Rate-Offset für gemeinsame Delay-Rate-Änderung sowie eine Stereobreiten-Einstellung. Die Regler Intensity, Echo- und Reverb-Amount sowie den Bass- und Treble-Regler habe die gleiche Funktion wie beim Original. Man hat dem Delay Tape-201 aber noch einen Dry/Wet-Regler zusätzlich spendiert.
Damit aber nicht genug. Neben einem Ausgangs-EQ verfügt das Delay Tape-201 auch über einen parametrischen Eingangs EQ mit Hoch- und Tiefpaßfilter. Um die Unzulänglichkeiten der ursprünglichen Technik auch noch mit zu integrieren gibt es die "Noise" Zusatzfunktionen für die Simulation von Störgeräuschen, unter anderem verursacht durch den Antrieb. Mit "Flutter" werden zufällige Änderung der Wiedergabegeschwindigkeit durch Motordrehzahlschwankungen simuliert. Durch den Parameter "Motor Inertia" simuliert man das Drehmoment des virtuellen Motors und somit das Anlauf-, bzw. Änderungsverhalten des Antriebs, was sich bei Verstellen durch den Rate-Regler bemerkbar macht. Man hat hier aber auch wirklich an alles gedacht.
Aber damit nicht genug. Man hat auch einen LFO zur Modulation, der sich, wie übrigens die Delay-Rate selbst auch, mit der Geschwindigkeit der Host-Applikation synchronisieren lässt. Beim Modulation-LFO kann man die Generatorwellenform, die Modulationsgeschwindigkeit sowie den Modulationsgrad sowie das zu modulierende Ziel festlegen. Als Ziele lassen sich außer dem Echo-Modus und den virtuellen Motor-Parametern alle Parameter als Ziel anwählen.
Delay Memory Brigade
Nun zu einem zweiten Delay Plug-In mit Vorbild, nämlich dem Electro Harmonix Deluxe Memory Man, welches 1976 vorgestellt wurde. Es handelt sich um ein Echo das mit sogenannten Eimerkettenspeichern arbeitet und darüber das Audio verzögert. Wie Tape Delays haben die Delays mit den sogenannten BBDs (Bucket Brigade Devices wie Eimerkettenspeicher im Englischen genannt werden) einen eigenen, typischen Klangcharakter. Als erstes kam diese Technik in Fußpedalen zum Einsatz. Der Unterschied ist, dass keine mechanischen Teile mehr eingesetzt werden müssen und das man auch sehr kurze Delays produzieren kann und zwar so kurz, dass man mit dem Deluxe Memory man auch Chorus-Effkte produzieren kann.
Das Original ist wieder ein lediglich für Mono-Bearbeitung ausgelegt, die virtuelle Nachbildung Memory Brigade von Arturia ist dagegen auch wieder Stereo-tauglich. Im Original gibt es lediglich Level, Blend, Feedback und Delay (-Zeit). Beim Arturia Memory Brigade lassen sich beide Delay-Zeiten (L/R) getrennt über zwei Parameter einstellen. Weiter werden auch hier wieder die drei Stereo-Modi L/R, Ping Pong und M/S geboten, auf die wir ja schon beim Delay Tape-201 eingegangen sind.
Mit einem Schalter kann der Anwender zwischen Chrorus und Vibrato umschalten und auch eine Synchronisation mit dem DAW-Tempo ist über den Sync-Schalter möglich. Weiter lässt sich mit dem virtuellen Schalter Deluxe/1100 der Speicher gegenüber dem Original erhöhen. Bei Schalterstellung "Deluxe" entspricht die Speicherlänge dem Original und es lässt sich eine Verzögerungszeit von 40 bis 400 Millisekunden einstellen. Bei Stellung "1100" erhöht sich der Einstellbereich auf 100 bis 1.000 Millisekunden.
Und auch hier gibt es wieder den ausklappbaren Zusatzdialog mit Eingangs-Equalizer und LFO zur Parametermodulation wie beim Delay Tape-201. Da es keinen mechanischen Antrieb gibt, hat man hier statt deren Modulationsparameter einen Envelope Follower vorgesehen, der aus dem Eingangssignal eine Hüllkurve zur Steuerung von Parametern bereitstellt. Das Ziel kann auch wieder frei gewählt werden.
Delay Eternity
Das Arturia Delay Eternity ist vorbildlos und bietet zwei Verzögerungsketten an, die beide Stereophon ausgelegt sind.
Ganz links wird der Stereo Modus (M/S ein oder aus) sowie einer von drei Time Modes angewählt (s. Abb. oben). Damit wird bestimmt wie sich das Plug-In beim Ändern von Verzögerungszeiten verhalten soll. Bei Einstellung "Fade" wird über eine Korrekturfunktion die Tonhöhe auch bei Modulation stabil gehalten, bei "Digital" erfolgt eine Tonhöhenänderung und zwar unmittelbar und bei "Repitch" wird ein Verhalten einer Bandmaschine simuliert. Der Eingangspegel lässt sich hier über einen virtuellen Regler einstellen und über ein Bargrafanzeige kann man den Pegel auch kontrollieren.
Ganz rechts lässt sich über drei Regler (s. Abb. oben) die Stereobreite, den Echo-Pegel sowie das Verhältnis Effekt/Direktsignal einstellen.
Nun zu den beiden Delay-Lines (s. Abb. oben), die beide gleich aufgebaut sind. Es gibt fünf verschiedene Betriebsmodi. Bei "Single" ist nur die linke aktiv, bei "Ping Pong" ebenfalls aber die Ausgabe der Echos erfolgt wechselseitig links/rechts und bei "Pan" erfolgt die Ausgabe von der Mitte nach Außen, so dass die Echos im Stereobild immer mehr nach außen wandern. Bei "Dual" sind beide Delay Lines parallel und bei "Dual Serial" hintereinander, also in Serie, geschaltet. Auch hier gibt es wieder die Möglichkeit der Zeit-Synchronisation zur DAW und die beiden Delay-Rate-Regler "Left" und "Right" lassen sich über den Link-Schalter verbinden oder über den Offset-Regler gemeinsam verändern.
Man hat auch noch einen Bit Crusher integriert, bei dem man die Auflösung und die Abtastrate verändern kann. Der Bit Crusher kann pro Delay Line individuell aktiviert werden. Dazu gibt es noch ein Filter mit drei Filterbetriebsarten 6 dB, SEM und 36 dB und der Filterverlauf lässt sich auf Tiefpass, Hochpass oder Bandpass umschalten. Die Grenzfrequenz und die Filter-Resonanz lassen sich über zwei Regler neben den Filtertasten verändern.
Bei dem ausklappbaren Zusatzdialog steht beim Eternity wieder ein Eingangs-Equalizer und ein Envelope Follower bereit sowie diesmal zwei LFOs, deren Rate sich auch verlinken lassen. Envelope Follower und die beiden LFOs bieten zudem jeweils die Anwahl von zwei Modulationszielen.
Praxis
Das Delay Tape-201 ist eine klanglich sehr gelungene Kopie des Roland Space Echo RE-201, welches ich immer gerne genutzt habe. Die Zusatzfunktionen wie der Stereobetrieb und der Equalizer und besonders der LFO, vereinen das Original mit moderner Produktionstechnik und machen das Plug-In so richtig interessant. Das Delay Tape-201 lässt sich für verschiedenste Arten von Quellen einsetzen von Gesang über Synthis sowie andere Keyboards und auch Gitarre.
Auch das Arturia Memory Brigade geht weit über die Möglichkeiten des Vorbildes hinaus. Es sind somit auch sehr komplexe Echo-Strukturen möglich. Das Memory Brigade Plug-In würde ich persönlich mehr für Synthis und E-Gitarre einsetzen. Der Chorus ist sehr interessant wenn man ihn zusammen mit einem Echo nutzen möchte. Als reinen Chorus-Effekt würde ich ggf. andere Plug-Ins aus praktischen Gründen der Bedienung vorziehen.
Das i-Tüpfelchen ist das Arturia Plug-In Delay Eternity, welches mit seinen zwei Stereo-Delay-Lines die komplexesten Echostrukturen generieren kann. Besonders empfehlenswert zum Beispiel bei Synthi- oder Piano-Staccato-Sequenzen mit mittlerem Tempo, wo diese komplexen Strukturen wie ich finde am besten zur Geltung kommen. Ich nutze das Plug-In sehr gerne mit meinem modularen Eurorack-System.
Fazit
Die einzelnen Delays werden jeweils zum Preis von 99 Euro angeboten und sind auch in der Arturia FX Collection von Arturia mit vielen anderen Plug-Ins zum Preis von 399 Euro (Stand März 2020) enthalten. Als Delay-Bundle werden die Plug-Ins nicht angebunden und daher wird der eine oder andere sicherlich gleich zur FX Collection greifen, bei dem man ja eine ganze Menge von weiteren interessanten Plug-Ins für einen geringen Preisaufschlag gleich noch oben drauf bekommt.
Die drei Plug-Ins haben ja sehr unterschiedliche Konzepte und bieten daher auch sehr unterschiedliche Ergebnisse. Ich habe daher kein Lieblings-Plug-In. Die Wahl hängt sehr vom Anwendungsfall und dem gewünschten Ergebnis ab. Aber das ist gerade das interessante für Tonschaffende die auf einen individuellen Sound Wert legen.