From Moscow with love - Das Microtech Gefell M 900
Ein stylisches Handmikrofon mitbemerkenswerter Geschichte
Das Nierenkondensatormikrofon M 900 (und sein hypernierenförmiger Cousin M 910) ist nicht nur originell gestylt, es kann auch bemerkenswerte historische Wurzeln vorweisen.
Die Mikrofontechnik der Kommanditgesellschaft Georg Neumann & Co. war bereits in den 1950er und 1960er Jahren in Osteuropa sehr gefragt. Daran änderte sich auch nach der Enteignung im Jahr 1972 nichts. Umbenannt in VEB Mikrofontechnik Gefell und unter der neuen Marker "RFT" wurden weiterhin enorme Mengen von Gefell-Produkten in Osteuropa verkauft. Tausende Mikrofone wurden vor allem in die osteuropäischen Länder, die dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) angehörten exportiert. Ein Hauptimporteur war die die ehemalige Sowjetunion. Gefell-Mikrofone, in Russland meist als „Neumann-Gefell-Mikrofone“ bekannt und verbreitet, wurden in allen Bereichen des kulturellen Lebens eingesetzt.
Ein enormer Anstieg der Nachfrage auf dem sowjetischen Markt in den 80er Jahren führte zu einem verstärkten Interesse an einer Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Entwicklung neuer Mikrofonkapseln. Dies mündete in die Entwicklung eines neuen Kondensatormikrofons, des PM 860, dem Vorgänger der M 900 Familie. Das PM 860 wurde in Kooperation zwischen dem Moskauer NIKFI (Forschungsinstitut für Film und Fotografie) und dem RFZ (Rundfunk und Fernsehtechnisches Zentralamt) in Berlin entwickelt. Es ging 1986 in großen Stückzahlen in die Produktion und wurde überwiegend für Live-Übertragungen von der Bühne, sowie für Rundfunk und Film eingesetzt. Das russische Forschungsinstitut für Film und Fotografie, gegründet 1929, ist ein international anerkanntes F&E Zentrum, u.a. im Bereich Akustik. So wurde das NIKFI 1991 mit dem prestigeträchtigen "Technical Achievements Award" der US Motion Pictures Academy (Oscar's) ausgezeichnet.
Das hervorragende NIKFI-Akustiklabor wurde in den 80er Jahren zum Kooperationspartner. Zu den Hauptaktivitäten, damals wie heute, gehören unter anderem die Entwicklung und Produktion von Studiomikrofonen. Gemeinsam mit russischen Spezialisten wurde eine neuartige 24 mm -Keramikkapsel entwickelt und im PM 860 eingesetzt.
Das überwiegend für Live-Übertragungen von der Bühne, sowie für Rundfunk und Film genutzte Solistenmikrofon, im russischen Sprachgebrauch aufgrund seines speziellen Designs auch heute noch gerne als "deutsche Granate" bezeichnet, war von Anbeginn ein Verkaufsschlager. Aufgrund seiner Qualitäten überlebte es den durch die Währungsunion 1990 bedingten Zusammenbruch der OST-Märkte. So fand eine PM 860- Vintage-Edition in den 90er Jahren, eine Vielzahl an Liebhabern auch in der westlichen Hemisphäre. Die technischen Eigenschaften der Sonderauflage entsprachen dabei sowohl dem historischen Mikrofon als auch den aktuellen Normen für Studioqualität.
Hervorstechende Merkmale der Vintage–Edition waren u.a. ein ausgeglichener Frequenzgang des Übertragungsmaßes im Frei- und Diffusfeld sowie die ausgeprägte Nierencharakteristik. Dies ermöglichte eine naturgetreue Aufnahme beliebiger Schallq¬uellen bei guter Selektivität. Gleichzeitig wurde konstruktionsseitig der Einfluss von Störquellen (z.B. Eigenrauschen, Wind- und Körperschall) auf ein Minimum reduziert. Die axiale Einsprechrichtung begünstigte den Einsatz als Solistenmikrofon. Ausgestattet mit einem 3-poligen Kabel-Steckverbinder und 48 V-Phantomspeisung als Stromversorgung gemäß P48 in DIN 45596 und IEC 268-15 war es universell für Bühne, Rundfunk und Film einsetzbar.
Handmikrofon M 900 / M 910 - Die nächste Generation
Das M 900 und das M910 als moderne Nachfolger des legendären PM 860 sind für die Aufnahme von lnstrumental- und Gesangssolisten im professionellen Bereich entwickelt worden. Die beeindruckend klingenden Mikrofone mit einer Keramik-Kapsel sind klar, weich und mit einer verblüffend geringen Farbwiedergabe. Sie eigenen sich bestens für den professionellen Einsatz im Rundfunk, auf der Bühne, sowie für Aufnahmen von Instrumenten und Solisten im Studio. Ihr ausgeglichener Frequenzgang sowohl im Freifeld als auch im Diffusfeld und die entsprechend ausgeprägten Richtcharakteristiken ermöglichen eine sehr saubere, verfärbungsfreie Aufnahme beliebiger Schallquellen bei guter Selektivität.
Für den Einsatz als Solistenmikrofon ist das hierfür im Frequenzgang optimierte M 910 zu bevorzugen. Unterschreitungen des für Kondensatormikrofone empfohlenen Mindestbesprechungsabstandes von 20 bis 30 cm führen infolge des Proximity-Effektes zu einer tiefenbetonten Verfärbung des Klangbildes. Ein im Schutzkorb integrierter akustischer Filter verringert die Popempfindlichkeit.
Die Einsprechrichtungen sind axial, also in Längsrichtung der Mikrofone und begünstigen durch die ergonomische Gestaltung den Einsatz als Solistenmikrofon. Das den Anforderungen der modernen Technik angepasste Wandlerelement ist mit einer goldbeschichteten Kunststoffmembran bestückt. Der neu entwickelte transformatorlose lmpedanzwandler mit symmetrischer Ausgangsstufe gewährleistet die hohe Aussteuerbarkeit und das geringe Eigenrauschen. In Verbindung mit den Vorzügen der Keramik-Mikrofonkapseln wird eine hohe Brillanz der Übertragung der Schallereignisse erreicht.
Die im mittleren Bereich des Verstärkers versenkt angeordneten Schalter ermöglichen jeweils das Zuschalten einer 10 dB-Vordämpfung für sehr hohe Pegel und die Absenkung des Übertragungsmaßes für tiefe Frequenzen zur Kompensation des Proximity-Effekts. Am unteren Ende des Mikrofonverstärkers befindet sich ein3-poliger XLR-Stecker für den Kabelanschluss. Als Stromversorgung dient die 48-Volt-Phantomspeisung, die als P 48 in DIN 45596 und IEC 268-15 international genormt ist
Für mechanische Robustheit und Kompaktheit sind alle Komponenten des MV 200 abstandsfrei auf der Platine oberflächenmontiert (SMD). Der Frequenzgang beträgt 40Hz bis 18KHz. Die Empfindlichkeit beträgt 17mV/Pa. Aufgrund der engeren Richtcharakteristik ist die Hypernierenversion M 910 mit 14mV/Pa etwas unempfindlicher, wobei der aktive transformatorlose Ausgang die Einschränkung der Ausgangsleistung, die durch einen Transformator entstehen würde, aufhebt.