Native Instruments Guitar Rig 6 Pro

Autor: Peter Kaminski

aufmacher

Native Instruments Guitar Rig 5 Pro wurde seit Jahren nicht überarbeitet und viele haben die Software schon abgeschrieben. Doch nun Ende des Jahres wartet Native Instruments mit einer neuen, stark überarbeiteten Version auf.

Den Vorgänger haben wir ausführlich getestet. Hier der Link zum Test:
https://www.proaudio.de/de/tests/21932-native-instruments-guitar-rig-5.html

Zunächst direkt zu einigen Neuerungen. Guitar Rig 6 Pro ist nun auch Bestandteil des NI Komplete 13 Bundles. Weiter ist die Erweiterung "RAMMFIRE" nun direkt in Guitar Rig 6 Pro integriert. Wie sein Vorgänger lässt sich Guitar Rig 6 Pro als Stand-Alone-Software-Applikation als auch als Plug-In installieren.

Es sind ausschließlich 64-Bit-Plug-Ins und zwar als VST, AAX sowie AU (auf macOS) verfügbar. Systemvoraussetzungen sind Windows 10, bzw. macOS ab 10.14. Eine Grafikkarte die OpenGL 2.1 und neuer oder DirectX 9 bzw. 11 unterstützt ist ebenfalls Voraussetzung.

Bedienoberfläche

vergleich

Wenn man die Bedienoberflächen von Guitar Rig 5 Pro und 6 Pro einmal vergleicht (s. Abb. oben links Guitar Rig 5 Pro und rechts 6 Pro) wird man sofort feststellen, dass die grafische Darstellung komplett neu ist und nun deutlich moderner wirkt.

plugin

Wie schon beim Vorgänger unterscheiden sich die Stand-Alone-Version (oben) und die Bedienoberfläche des Plug-In (s. Abb. unten) nur in ganz wenigen Dingen.

kopf

Werfen wir einmal einen Blick auf den Kopf von Guitar Rig 6 Pro. Neu ist hier zum Beispiel, dass sich nun die Größe der Darstellung der Software und des Plug-Ins zwischen 75 und 200 Prozent in neun Stufen einstellen und auch speichern lässt. Neu ist auch, dass man nun auch Stereo-Modus für den Eingang anwählen kann. Das macht auch Sinn um ggf. so ein oder mehrere Effekte von Guitar Rig 6 Pro in der DAW nutzen zu können. Neu ist auch die Auto-Gate-Funktion.

Über die untere Leiste lässt über die Presets/Componets-Schalter der linke Bereich auf Preset-Verwaltung oder Komponenten-Verwaltung umschalten und rechts sind verschiedene Icons um einzelne Komponententypen in der Komponentenliste ein- oder ausblenden zu können, wie  Pre- und Post-Tape Deck, Metronom. Neu ist hier das Master FX nun Global FX heißt, ein Papierkorb-Icon statt dem Kreuz zum Löschen der Componenten-Liste genutzt wird und das es ein zusätzliches Symbol für Macros gibt - dazu später mehr.

Über das Symbol mit den drei Punkten rechts neben dem Produkt-Logo wird ein kleines Submenü aufgerufen. Hierüber lassen sich Setting laden, bzw. importieren und speichern, bzw. exportieren. Weiter ist hier eine umfangreiche Hilfe integriert und es lässt sich hier auch der Einstell-Dialog "Preference" (s. Abb. unten) aufrufen.

preferences

Der Dialog mit den Audio-Interface-Einstellungen in den Einstellungen ist logischerweise der Stand-Alone-Software vorbehalten.

Presets

presets

Werfen wir zunächst ein Blick auf die Preset-Verwaltung. Diese hat sich nicht nur optisch verändert sondern ist auch funktionell modernisiert worden. So kann man nun die Preset-Bibliothek nach verschiedenen Kriterien durchsuchen und durch Mehrfachanwahl auch die Auswahl gezielter einschränken. Kriterien sind hier Input-Quellen, welches normalerweise auf Gitarre steht, Effekttypen wie "Amp & Cabinets" oder "Reverb", klanglichen Charakter, Verstärkertypen, musikalische Genres und auch nach den Künstlern die Presets erstellt haben. Weiter ist noch eine Textsuche und auch eine Farb-Markierungsmöglichkeit vorhanden mit denen man Presets versehen und dann auch danach suchen kann. Über ein Icon lassen sich auch die eigenen User-Presets aufrufen.  

Komponenten

Und auch die Komponentenverwaltung sieht nun deutlich moderner aus. Hier kommen statt relativ kleine Bilder von Komponenten nun farblich gestaltete große Labels zum Einsatz. Auch die Komponentensuche, bzw. Darstellung lässt sich Filtern, in dem man die gewünschten Komponententypen, wie Amplifiers oder Cabinets, auswählt.

components

Auch die einzelnen Komponenten wie TAPEDECK oder METRONOM wurden in der Darstellung modernisiert.

tape metronom

Neu hinzugekommen sind die Komponente PRESET VOLUME sowie MACROS (s. Abb. unten).

macros

Mit der Macros-Komponente lassen sich bis zu acht einzelne Parameter auf einen von 16 Regler zuordnen. Die Darstellung lässt sich umschalten zwischen acht (wie in unserem Beispiel) oder 16 Reglern. Die Zuordnung erfolgt einfach durch Drag-and-Drop der Parameter auf die MACROS-Regler.

Amps

Bei den Amps wurde die Darstellung an das neue Layout angepasst. Aber es gibt auch einige neuen Amps, dazu gleich, und mit "Matched Cabinet Pro" ist auch ein neues Cabinet dazugekommen.

amps

Die drei neuen Amps mit den dazugehörigen Cabinets "Bass Invader" - ein Bassverstärker, "Chicago" mit Anleihen aus den 50er Jahren und "Fire Breather", der sich an britischen Amps orientiert, sind mit einem kleinen Logo versehen und zwar "ICM", was für Intelligent Circuit Modeling steht. Natürlich ist die Zeit nicht stehen geblieben. So hat man die neuen Amps mit einem anderen Simulations-Ansatz entwickelt.

ICM verwendet sogenanntes Machine Learning - also künstliche Intelligenz. Die Technologie wurde ab Ende 2017 entwickelt und 2019 auf der 22. AES International Conference in Birmingham vorgestellt. Wer sich intensiv damit auseinandersetzen möchte, der findet auf der Konferenzseite ein Whitepaper dazu: http://dafx2019.bcu.ac.uk/papers/DAFx2019_paper_42.pdf  

Das Prinzip dahinter ist das eines sogenannten Expertensystems. Dabei wird ein neuronales Netzwerk mit Daten von gemessenen Komponenten gefüttert und diese Daten sind dann Grundlage für die Anwendung auf andere Komponenten - um das einmal so einfach wie möglich auszudrücken. Ich kann ein Lied davon singen, denn meine persönliche Diplomarbeit war auch ein Expertensystem, allerdings für die Leiterplattenentwicklung. Das Grundprinzip von Expertensystemen ist also gar keine so neue Entwicklung aber dank der modernen Rechnerleistung kann man solchen Ansätzen heutzutage viel einfacher umsetzen. Alle neuen Amps und auch Effekte die in Guitar Rig in Zukunft noch folgen, werden ebenfalls alle mit der ICM-Technologie simuliert werden, so Native Instruments.

controlroom

Noch ein Blick auf das Layout des Control Rooms, mit dem die einzelnen virtuellen Mikrofonsignale gemischt werden.

Effekte

fx

Es sind eine ganze Reihe von neuen Effekten zu verzeichnen. Bei den Kompressoren gibt es die Modelle "VC 2 A", "VC 76" und "VC 160" neu (s. Abb. unten), die in Zusammenarbeit mit Softube entwickelt wurden. Auch bei diesen Namen lassen sich Assoziationen zu den Originalen, bzw. Vorbildern erkennen. Mit "Solid Dynamics" und "Solid Bus Comp" (beide hier nicht abgebildet) werden weitere Kompressoren sowie mit "Solid EQ" auch ein neuer Equalizer geboten (s. Abb. unten, letzte Komponente) - die britische Insel lässt grüßen. 

dyn

Neu bei den Verzerrern sind BITE und DIRT. Envelope und LFO Modifiers gab es schon beim Guitar-Rig-Vorgänger, aber diese verfügen nun über Side-Chain-Eingänge.

mod

Auch bei den Modulations-Komponenten gibt es einiges Neues (s. Abb. oben), wie: "Choral" (Chorus), "Flair" (Flanger), "Flanger Chorus", "Freak" (Amplituden Modulation) und "Phasis" (Phaser).

reverbs

Weiter sind vier neue Hall-Effekte hinzugekommen und zwar die Vintage Reverbs RC24 und RC48 (welche Vorbilder aus den Achtzigern mögen das wohl sein?), die ebenfalls in Zusammenarbeit von Softube entwickelt wurden sowie die moderneren Reverbs "Raum" und "REFLEKTOR".

Schon relativ kurz nach dem Veröffentlichen wurde Guitar Rig 6 von Native Instruments im Dezember 2020 ein Update spendiert. Die Guitar Rig Pro Version 6.1 wartet mit einer ganzen Reihe von neuen Artist-Presets auf und auch gleich drei neuen Effekten.

v61

"REPLIKA Shimmer" ist ein Pitchshifting-Hall, "REPLIKA GR" ein moderner Delay-Effekt und mit Mit "DRIVER" wurde der Version 6.1 auch noch ein Distortion-Filter spendiert.

Praxis

Auch wenn die Oberfläche optisch doch deutlich anders aussieht ist der Umstieg von Guitar Rig 5 Pro Anwender auf Guitar Rig 6 Pro doch unproblematisch. Man muss sagen, dass die Bedienoberfläche nicht nur einfach aufgehübscht wurde, sondern auch deutlich mehr an Funktionalität und Bedienkomfort geboten wird.

acbox

Besonders durch die neuen Amps und Effekte ist auch die klangliche Bandbreite deutlich angewachsen. Hier stechen besonders die Reverb-Effekte und Kompressoren hervor. Besonders Gitarristen die mit Klängen experimentieren und über reine Amp-Simulation hinausgehen möchten, wird die Erweiterung im Effektbereich freuen, zumal sie auch klanglich absolut gelungen sind. Wer neben den klassischen Simulationen Gitarren-Sounds für Ambient oder Pad-Sounds sucht, der wird in Guitar Rig 6 Pro auf jeden Fall fündig. Überhaupt die Stärke von Guitar Rig 6 Pro nicht möglichst genau 1:1 Vorbilder exakt zu simulieren, sondern man setzt eher auf Klangvielfalt. Wo wir gerade beim Thema sind: in Guitar Rig 6 Pro sind eine ganze Menge von neuen Presets hinzugekommen.

Wenn man sich die ganzen Features von Guitar Rig 6 anschaut und die Infos des Hersteller liest, dann könnte man meinen, dass man an den schon von Guitar Rig 5 Pro vorhandenen Amps, wie der AC BOX (s. Abb. oben), lediglich die Oberfläche aktualisiert hat. Wenn man rein nur die Amps und dazugehörigen Cabinets von Guitar Rig 5 Pro und Guitar Rig 6 Pro vergleicht, wird man aber auch bei gleichen Einstellungen klangliche Unterschiede feststellen, die je nach Amp kleiner oder größer ausfallen - aber sie sind auf jeden Fall da. Der Grund liegt im Wesentlichen in dem neuen Impulse Response Modeling des neuen Cabinet Pro. Der Algorithmus des eingesetzten Faltungshalls ist neu. Daher klingen auch die meisten Presets etwas anders. Es gibt aber auch einige Presets, wie zum Beispiel Pure Rammfire A, die weitgehend identisch klingen.

Auch im Bereich der Bedienung gibt es kleine Unterschiede, wie zum Beispiel dass statt dem Blend Regler A/B bei der neuen 6er-Version ein Umschalter zwischen A und B vorgesehen ist. Beim neuen Guitar Rig 6 Pro kommt ja das MATCHED CABINET PRO zum Einsatz. Hier fällt auf, dass deutlich mehr Raumanteil bei ähnlicher Einstellung vorhanden ist. Zudem klingen die Amps/Cabinets im direkten Vergleich weniger mittig und weisen spektrale Verschiebungen auf. Ob man sich damit nun den Originalen genähert hat sei dahingestellt und ich finde auch das ist gar nicht so wichtig. Wichtig ist, wie ich finde, dass sie besser klingen und das tun sie meiner Meinung nach.

Man kann Guitar Rig 5 Pro problemlos nach dem Update auf Guitar Rig 6 Pro von der DAW entfernen. Da Rammfire in Guitar Rig 6 Pro integriert ist, kann man auch diese Erweiterung aus dem System deinstallieren. Hat man aber Guitar Rig 5 Pro Presets die man in Songs noch verwenden möchte oder muss, so sollte man Guitar Rig 5 und Rammfire besser im System belassen, um klanglichen Änderungen im abgeschlossenen Mix beim Umstieg auf die Guitar Rig 6 Pro Version zu vermeiden.

midi ctrl

Die Kontrolle über MIDI ist bei Guitar Rig 6 über eine MIDI Learn-Funktion möglich (s. Abb. oben), die über einen Klick mit rechter Maustaste über ein Kontextmenü erreichbar ist. Auch die Macros lassen sich so über MIDI steuern.

Fazit

Guitar Rig 6 Pro kostet knapp unter 200 Euro. Ein Update von der Vorgängerversion auf Guitar Rig 6 Pro liegt bei knapp unter 100 Euro. Das ist das Update auf jeden Fall wert denn Guitar Rig 6 Pro ist ein doch großer Schritt nach vorne, moderner, ergonomischer, mehr Effekte und klanglich ebenfalls.

www.native-instruments.com