Radikal Technologies RT 311

Dual-Swarm-Oszillator Eurorack-Modul

Autor und Fotos: Peter Kaminski

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Es gibt verschiedenste Swarm-Oszillator-Konzepte im Eurorack-Modular-Markt. Auch der deutsche Hersteller Radikal Technologies bietet mit dem RT 311 schon seit einigen Jahren ein Swarm-Oszillator mit einem sehr interessanten Konzept an, welches wir uns einmal näher anschauen möchten.

Konzept und Technik

Der RT 311 ist ein Dual Swarm-Oszillator, wobei beide Oszillatoren verlinkt sind, bestimmte Parameter sich aber unabhängig einstellen lassen. Er bietet besonders interessante dynamische Interpolationsmöglichkeiten. 

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Die Breite des Eurorack-Moduls beträgt 32 TE mit einer Tiefe von 30 Millimeter. Das Modul nimmt bei +12 V ca. 200 mA und bei -12 V ca. 32 mA auf (gemessen an unserem Testmodul). Geliefert wird das Modul in zwei Komponenten und zwar die Frontplatte mit der Leiterplatten mit den ganzen Bedienelementen und eine zweite DSP-Leiterplatte, die auf die erste Platine aufgesteckt wird. Im Gegensatz zu vielen anderen Modulen werden die Platinen nicht über die üblichen zweireihigen Pfostenleisten, sondern über professionelle Steckverbindungen verbunden, die fest sitzen und sich auch im Tour-Betrieb bestimmt nicht lösen werden.

Bedienung

Beide Swarm-Oszillatoren sind sehr ähnlich aufgebaut. Ganz oben links gibt es zwei Regler für die Oktave-Einstellung (OCTAVES) und Stimmung (TUNE) für beide Oszillatoren sowie eine Einstellung der Oktave-Lage (OCTAVES) und der Feinstimmung des zweiten Oszillators. Die Anzahl der Oszillatoren pro Swarm-Oszillator lässt sich über den Parameter DENSITY einstellen. Bis zu sieben Kopien - also acht Einzeloszillatoren - sind möglich. Den Grad der Verstimmung der Swarm-Oszillatoren lässt sich mit dem Parameter SPREAD einstellen. Alle diese Bedienelemente sind als Potentiometer ausgeführt und die Veränderung erfolgt stufenlos.

Mit gleichzeitigem Betätigen der Shift-Taste (mit "MODE/SHIFT" bezeichnet) in der Mitte ganz unten auf der Frontplatte, bekommt der DENSITY-Regler eine andere Funktion. Es lassen sich dann statt identischer Kopien Akkord-Intervalle einstellen.     

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Für jeden Oszillator kann der Anwender die Wellenform und die Time Linearity Modulation einstellen (s. Abb. unten). Die Wellenform lässt sich stufenlos von Sinus über Dreieck, Sägezahn bis hin zu Rechteck einstellen. Mit der TLM verändert man die eingestellt Wellenform. Beim Rechteck entspricht die TLM der Pulsweitenmodulation. Bei den anderen Wellenformen teilt sich die Wellenform in zwei Hälften, die sich über die TKM gegenläufig dehnen oder stauchen lassen. So kann man sehr interessante Wellenformen erzeugen.

An dieser Stelle möchten wir erwähnen, dass die Taste MODE/SHIFT eine Art Rasterfunktion auslöst, wenn man einen Parameter verändert und gleichzeitig die Taste drückt. So lassen sich bei gleichzeitigem Drücken der Taste und Drehen des WAVE-Reglers die Standard-Wellenformen Sinus, Dreieck, Sägezahn und Rechteck aufrufen. Die Taste hat aber auch Funktion bei den meisten anderen Parametern. Das ist besonders bei den Parametern OCTAVE und TUNE von Bedeutung, wo eben dann bei Drücken der MODE/SHIFT-Taste und und gleichzeitigem Drehen des entsprechenden Reglers feste Oktave- oder Halbtonschritte anwählbar sind.

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Eine ganz besondere Bedeutung kommt dem großen Regler in der Mitte mit dem LED-Kranz herum zu. Dazu muss man wissen, dass es möglich ist, acht sogenannte Snapshots abzulegen. Das sind acht Zustände der gesamten Regler. Über den Taster SNAP lassen sich diese auf Positionen ablegen, die mit dem großen Drehregler zuvor festgelegt wurden. Das wird als Programm deklariert. Beim RT 311 gibt es wiederum acht solcher speicherbaren Programme. Dazu aber später mehr. Über die Taste MUTE lassen sich Snapshots auch deaktivieren, oder löschen, je nach angewählter Betriebsart. Auch dazu später mehr.

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Schauen wir uns noch die Ein- und Ausgänge im unteren Modulbereich an. Hier gibt es einen Eingang für V/Okt. Steuerspannung, je einen Eingang für FM-Modulationsgrad von Oszillator 1 auf 2 und 2 auf 1. Die FM lässt sich auch manuell mit den beiden Reglern FM DEPTH1/2 durchführen. Über den Regler SCALES lässt sich auch eine Quantisierung auf eine bestimmte Tonskala aktivieren. Es stehen hier sieben Dur und Molltonarten zur Anwahl bereit.

Interessant ist zu erwähnen, dass man den FM-02-Eingang für den Oszillator 2 auch als V/Okt.-Eingang nutzen kann. Somit lässt sich der RT 311 auch duophon spielen. Die beiden Oszillatoren sind den Ausgangsbuchsen OUT 1 und OUT 2 zugeordnet (bei Mittelstellung des Regler MIX). Mit dem Regler MIX lässt sich auf Ausgang 1 der Oszillator 2 oder umgedreht, je nach Stellung des Reglers, zumischen.

Der RT 311 verfügt intern auch über einen LFO zur Modulation. Dessen Geschwindigkeit lässt sich über den Regler SPEED einstellen oder über den CV-Eingang SPEED auch ändern. Welcher der Snapshots gerade abgespielt werden soll. lässt sich mit dem CV-Eingang POS (Position) kontrolliert, was der manuellen Einstellung des großen Reglers in der Mitte des Moduls entspricht. Mit dem CV-Ausgang Data kann man auch noch eine Spannung an ein anderes Modul ausgeben.

Betriebsarten

Das was wir bisher vorgestellt haben, bezog sich in der Regel auf die Betriebsart "Manual". In dieser Betriebsart kann der Anwender einen Sound erstellen und dann einen Snapshots ablegen. In der Betriebsart "Interpolator" lassen sich die gespeicherten Snapshots eines Programms stufenlos interpoliert abrufen. Das heißt, dass man zwischen den definierten Snapshot stufenlos hin und her blenden kann und das betrifft alle Parameter eines Snapshots.

Wenn man nun von dem Interpolator-Modus in den Manual-Modus zurückkehr, werden die Reglerstellungen auf der Frontplatte wieder aktiv und der Sound klingt so wie eben eingestellt. Daher gibt es für das Editieren von bereits abgelegten Snapshots noch den Edit-Snapshot-Modus. Dazu drückt und hält man den MODE/SHIFT-Taster und wählt den zu bearbeitenden Snapshot mit dem großen Regler in der Mitte an. Die Mode-LED leuchtet nun blau. Nun kann man ihn editieren und über die Taste SNAP wieder speichern, ggf. auch auf einen anderen Platz in der dargestellten Rotation. Mit der Mute-Taste lassen sich Snapshots auch löschen.

Hat man nun ein Programm mit den Snapshots und Automationen etc. erstellt, dann lässt sich dieses mit dem Memory-Modus speichern und ggf. wieder aufrufen. Es gibt acht dieser Plätze. Um in diesen Modus zu wechseln muss man die Taste MEMORY halten und es beginnt eine Animation im LED-Kreis und man kann die Taste loslassen. Die Mode-LED leuchtet in diesem Fall Lila.

Es gibt auch noch eine Betriebsart, in der man wahrscheinlich selten aktiv werden muss und zwar den Konfigurations-Edit-Modus. Dazu muss man die MODE/SHIFT-Taste länger drücken und nach der Animation der Kreis-LEDs loslassen. Die Mode-LED leuchtet nun in Weiß und man kann über den großen Regler Untermenüs anwählen. Die wichtigsten beiden Menüs sind sicherlich einmal für die Einstellung der Grundstimmung (ab Werk ist Referenztonhöhe auf 440 Hz eingestellt) sowie die LED-Helligkeit.

Praxis

Ein Firmware-Update erfolgt normalerweise über das Einspielen einer Audiodatei. Es gibt eine Firmware-Zwischenversion, bei der das Update über einen Programmer erfolgt, was bei unserem Testmodul mit der dort vorhandenen Firmware-Version der Fall war, was aber einwandfrei funktioniert hat. Wir haben den Test nach dem Update mit der Firmware-Version 1.51b durchgeführt. Diese Version unterstützt auch die Integration des Eurorack-Synthesizers Delta CEP A. Es ist übrigens auch möglich komplette Settings über eine Audiodatei zu exportieren und zu importieren.

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Es gibt konzeptbedingt keine direkte Pulsweiten, bzw. TLM-Modulationsmöglichkeit. Diese muss mal über die Snapshots realisieren. Man legt zum Beispiel im Manual-Modus drei Snapshot fest mit minimaler, mit 50 % und mit maximaler Pulsweite. Im Interpolator-Modus lässt sich dann die Pulsweite über den internen LFO oder über eine an POS angelegte Steuerspannung steuern. Das klingt erst mal wie ein Nachteil aber die umfangreichen Möglichkeiten fließende Übergänge zwischen den Snapshots zu machen, gehen über die Funktionalität einer Pulsweitenmodulation weit hinaus. Besonders interessante und komplexe Sounds bekommt man, wenn man auf den POS CV-Eingang ein Hüllkurve eines AD- oder ADSR-Generator setzt. Sehr schöne Klänge bekommt man in diesem Zusammenhang mit ZADAR-Hüllkurven-Generator-Modul mit komplexeren Hüllkurvenformen.

Was ich persönlich als sehr gelungen empfinde ist der Klang von mehreren parallelen Oszillatoren mit den Parametern DESITY und SPREAD. Die erzielten Schwebungen klingen sehr natürlich, so als würde man auch tatsächlich mehrere Oszillatoren parallel betreiben. Die Natürlichkeit geht erst bei sehr vielen Oszillatoren und großem Frequenzabstand verloren, aber es bieten sich hier trotzdem interessante Effekte. Eine Möglichkeit ist auch noch hervorzuheben und zwar die Möglichkeit der gegenseitigen FM-Modulation sowie die Sync-Möglichkeit von Oszillator 1 und 2. Wenn man solche Sound mit der Interpolation überblendet ergeben sich viele Klänge, die sich so mit keinem anderen Eurorack-Oszillator erzeugen lassen. Überhaupt finde ich ist die Interpolationsmöglichkeit das Highlight des Swarm Oscillator RT 311.

Dank den zwei Oszillatoren lassen sich auch sehr schöne Stereo-Sounds erstellen. Der Chord-Modus erspart einem auch gleich das eine oder andere Modul. Anzumerken ist noch, dass auch über die Snapshots ein Blenden von einem in den anderen Akkordtyp möglich ist.  

Auch möchte ich noch auf die Möglichkeit hinweisen, dass man über den Regler DATA VALUE eine Steuerspannung an der Klinkenbuchse DATA ausgeben kann. Das besonders interessante daran ist, dass auch diese Spannung mit interpoliert wird, wenn man bei den Snapshots verschiedene Einstellungen gewählt hat. Das kann man einmal sehr gut für VCF-Parameter wie Resonanz oder Cut-Off-Frequenz nutzen oder zum Beispiel auch um einen LFO in der Geschwindigkeit zu verändern, der dann wiederum über den POS-Eingang die Geschwindigkeit des Interpolationsverlaufs bestimmen kann.

Ein paar Worte noch zum Bedienkonzept. Prinzipiell bin ich kein großer Freund von Statusanzeigen über farblich sich ändernde LEDs. Wenn man in einem Rack weit mehr als 50 verschiedene Modultypen hat, dann gibt es immer wieder mal Situationen, wo man bestimmte Bedienvorgänge die man selten nutzt vergisst. Da wäre manchmal ein kleines Display oder vier einfarbige LEDs die den Status einer Funktion eindeutig anzeigen hilfreich. Beim RT 311 würde ich mir auch mehrere LEDs statt der einen Mode LED wünschen und ggf. ein paar mehr Tasten, so dass man ganz ohne Shift-Taste auskommt, aber an sich ist die Bedienung nach einer Eingewöhnungszeit und nach dem Verstehen des Bedienkonzeptes doch erstaunlicherweise leicht beherrschbar. Zum Glück hat man den Oszillatorparametern eigene Bedienelemente spendiert und so bleibt alles sehr übersichtlich. Bei einigen Reglern, wie zum Beispiel FM DEPTH1 wäre vielleicht auch eine mechanische Rasterung oder ein größer Neutralbereich wünschenswert gewesen, aber das ist schon Meckern auf hohem Niveau.

Fazit

Die unverbindliche Preisempfehlung für das RT 311 beträgt laut Hersteller 598 Euro. Das ist schon ein stolzer Preis aber das Modul bietet auch extrem viel und nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ. Der natürliche Sound des Dual Swarm-Oszillator mit Interpolationsmöglichkeit ist schon etwas Besonderes und klanglich absolut überzeugend.

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