FOH- und Monitor-Mixing beim Eurovision Song Contest 2011

Fotos: Peter Kaminski u. David Heuer (1)

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Alle Pulte die beim diesjährigen ESC für die Beschallung eingesetzt wurden kamen von YAMAHA. So waren insgesamt fünf PM1D, sechs PM5D, drei M7CL und ein DM2000 sowie diverse 01V96 Digitalmischpulte im Einsatz. Yamaha arbeitete hier eng mit Neumann & Müller zusammen. Ein Kernthema dabei war neben einer hohen Soundqualität auch eine hohe Zuverlässigkeit durch Redundanz.

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Bereits im Juni 2010 begann man mit dem Konzeptentwurf  für das FOH-Mixing. Das ganze Setup wurde dann für einen viertägigen Test zunächst bei Neumann & Müller und dann am 19 April 2011 in der Esprit-Arena aufgebaut. Mindestens ein Mitarbeiter von YAMAHA war auch immer vor Ort um ggf. die FOH-Tonleute zu unterstützen.

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Wir sprachen zum Thema FOH mit Oliver Voges von Sound & Concept (www.sound-and-concept.de), der dieses Jahr als FOH Engineer Contest Music in Düsseldorf tätig war. Nach langjähriger Arbeit für diverse Firmen in der er als System, bzw. FOH Engineer Produktionen wie Faith No More, Deftones, David Copperfield, Sarah Brightman, Lionel Richie oder Rock am Ring betreute, steht nun die Arbeit direkt für Künstler und die live Umsetzung ihrer Visionen im Vordergrund. Parallel zu der Arbeit mit Künstlern wie Fettes Brot und Stanfour ist er als Dozent für den Sennheiser Live Mixing Workshop tätig. Einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit bilden TV-Shows wie die ECHO-Verleihung, Bravo Super Show oder The Dome.

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proaudio.de: Wie war denn die Aufteilung der Tätigkeitsbereiche beim FOH-Mixing?

Oliver Voges: Es gab drei Arbeitsbereiche wobei jeder mit einem PM5D sowie einem weiteren als Backup ausgestattet war. Ein Platz war für die Mischung aller Musik-relevanten Dinge zuständig, also alle Mikrofone und Zuspieler, den ich übernommen habe. Weiter gab es den sogenannten Continuity-Mix-Platz, der den Anschluss-Mix zwischen den Künstlerauftritten, durchführte. Den übernahm Michael Gerhards. Hier lief der MAZ-Ton, Außenschaltungen und die Moderation etc. auf. Also eigentlich so wie man es bei allen TV-Shows üblicherweise aufteilt. Auf Wunsch von Jochen Jensen, der Senior –Tonmeister PA des ESC, gab es noch einen dritten Platz der ausschließlich für die Anbindung von Effekten für die Vocals zuständig war. Dies war nötig, weil man den Anspruch hatte, wie bei einer aufwendigen Popmischung alle Effekte individuell nachzubilden, so wie sie auf der Originalaufnahme auch vorhanden war. Diesen Platz übernahm Wibke Jürgens.

proaudio.de: Was setzte man denn als Effekte ein?

Oliver Voges: Es wurden neben Hallräumen und Delays, Verzerrungen, Telefonstimmen, Harmonizer usw. nachgebildet. Als Geräte kamen unter anderem folgende zum Einsatz: Lexicon 480 und 300, PCM 70, TC Electronic M 2000, Eventide H 3000D/SE und es wurden Pultinterne-Effekte eingesetzt. Da das alles sehr viele Inputs in Anspruch nahm musste man den Weg gehen, für die Effekte eben einen eigenen Platz einzurichten, bzw. hat dieses Pult natürlich eng mit dem des Contest Music Platzes zusammengearbeitet. Aux-Sends wurden vom Contest Music Pult geschickt und eine FX-Summe vom Effekt-Pult zurück gesand. Zum Signalaustausch wurden AES/EBU-Karten benutzt.

proaudio.de: Wie sah es denn mit der Redundanz aus?

Oliver Voges: Es war alles absolut redundant. Jeder Platz am FOH, also Music Mix, FX Mix und Continuity Mix war mit einem Main und einem Backup-Pult ausgestattet. Alle Backup-Pulte liefen in einem quasi gespiegelten Modus. Auch das FX-Rack gab es natürlich in doppelter Ausführung.  Jedes der sechs Pulte wurde mit zwei PSUs mit Strom versorgt. Hierbei lief eine PSU über  Feststrom mit extra Absicherungen. Die zweite PSU wurde jeweils über eine USV gepuffert. Die Pulte wurden über Cascade und MIDI-gelinked. MIDI für die Drehgeberübernahme etc. und Snapshots wurden über Cascade ausgetauscht.

proaudio.de: Es gab ja noch mehrere PM1D im Einsatz.

Oliver Voges: Am FOH wurde ein PM1D ausschließlich für Opening und Interval Acts eingesetzt, also z. B. für Stefan Raab mit den Heavytones, Cold Steel und Jan Delay etc. Diesen Platz betreute Dennis Tholema. Das war nötig weil die Eingänge der PM5D-Pulte auf Grund der Havarie-Anforderungen fast komplett belegt waren. Es kamen von den Sennheiser-Empfängern sowohl der AES/EBU-Ausgang über das RockNet Netzwerk von Riedel als auch das analoge Signal als Redundanzsignal. Insgesamt also 96 Inputs nur für Drahtlosmikros und dies für Main- und Backup-Pulte getrennt. Im Normalfall war der ganze Weg vom Mikrofon bis zu den geflogenen Amps digital ohne Wandlung. Die AES/EBU-Ausgänge von den Pulten gingen über das Rocknet wieder an die Verstärker. Zum Glück mussten wir diesen Standardweg auch nie verlassen, da wir nicht einmal auf die Redundanzsysteme zugreifen mussten. Die geschah lediglich zu Testzwecken um die Redundanz zu überprüfen und diese funktionierte einwandfrei. Die Umschaltung zwischen Redundanzpulten und Wegen konnte On-The-Fly vom Platz des Systemingenieurs per Knopfdruck erfolgen. Alle drei Pulte und Wege wurden in diesem Fall auf einmal umgeschaltet – also quasi die Plan-B-Lösung.

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Drei weitere PM1D wurden für das Monitoring genutzt. Zwei für den Contest Monitor Mix auch im gespiegelten Modus.  Ein PM1D sorgte für den Monitor-Sound der Opening und Intervall Acts. Das fünfte PM1D stand im In-Ear -Proberaum allen Künstlern zu Verfügung. Monitor Engineers waren Karim Hubatsch und Ravi Rai, den Proberaum betreute Stefan Tönnis.

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proaudio.de: Gibt es noch etwas zu Deinem Arbeitsablauf auf den Pulten zu sagen?

Oliver Voges: Ja es war eigentlich so wie ich es immer bei Fernsehshows mache. Ich habe viel über mikrofonspezifische Gruppen mit Pre-EQs gearbeitet. Es waren maximal sechs Handmikros oder sechs Headsets oder eine Mischung pro Act erlaubt. Daraufhin habe ich auch meine ganze Szenenstruktur aufgebaut. Auf der linken Seite auf dem ersten Layer hatte ich die sechs Headsets oder Handmikros aufliegen. Alle Inputs waren auf den jeweiligen Mic-Bus mit dem Pre-EQ geroutet. Dann ging es auf den L/R-Bus indem über AES/EBU der Waves MaxxBCL mit RComp, Maxx Bass und einem L2 Ultramaximizer eingeschliffen war. Somit hatte ich zwei Kompressor-Stufen, um aus Live-Vocals und Halb-Playbacks einen finalen Mix zu kreieren. Jedes Inputs Processing wurde auf die zweite Input Layer kopiert um problemlosen Zugriff auf analoge Havarie-Signale zu haben.

proaudio.de: Und die Umschaltung der Snapshots von einem zum nächsten Act machte auch keine Probleme?

Oliver Voges: Nein  überhaupt nicht. Wir hatten immer 45 Sekunden zwischen den Titeln Zeit und das war völlig ausreichend für den Aufruf des nächsten Snaps. Was ich besonders beeindruckend fand war, wie schnell der Bühnenumbau in dieser Zeit ging. Das wurde auch tagelang trainiert.

proaudio.de: Und wie war die Zufriedenheit was den Sound anging?

Oliver Voges: Die Künstler haben sich im Vorbereitungsraum über das In-Ear-Monitoring gehört und das gab denen auch eine gewisse Sicherheit zum Auftritt. Es haben sich sehr viele auch ausgesprochen positiv über den Saal-Sound ausgelassen. d&b hat da auch ganze Arbeit geleistet. Es war aber nach der Systemübergabe noch nicht klar, ob wir die entsprechenden Show-Pegel fahren konnten ohne den Fernsehton zu beeinträchtigen. Die Akustik der Arena war ja  nicht einfach. Das Grundkredo war die Halle so wenig wie möglich anzuregen. Das System klang, obwohl wir auf 18 Meter Array Unterkannte hingen, immer sehr direkt. Im Finale haben wir Pegel im Bereich von 97 dB LEQ 30 für die Musik-Acts gefahren. Die Stimmung am FOH und in der Halle war immer bestens.

proaudio.de: War es nicht sehr schwierig so viele Personen und Technik zusammen zu koordinieren?

Oliver Voges: Also man muss sagen, dass die Zusammenarbeit, insbesondere mit dem NDR, ausgezeichnet und hochprofessionell war. Wir standen im ständigen Kontakt mit dem Ü-Wagen zur Abstimmung, aber obwohl das ganze natürlich primär eine Fernsehshow war, konnte man in der Arena so mischen, wie es für eine Live-Show  mit 35.000 Menschen im Publikum erforderlich ist.

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Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass in einem Proberaum die Künstler einen Soundcheck durchführten. Eine Stunde vor der Hauptprobe auf der Hauptbühne wurden die Künstler in den Rehearsal Room gebracht. Hier wurde dann mit einem seperaten Drahtlos- und In-Ear-Monitoring-Setup aber identischen Kapseln und Headsets geprobt. Es standen maximal 40 Minuten pro Act für den In-Ear-Soundcheck zur Verfügung.

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Es wurden dann maximal sechs In-Ear-Mixe (eben für maximal sechs Künstler) erstellt Auf einem Pult wurden die entsprechenden Einstellungen gespeichert und auf eine Compact-Flash-Karte übertragen. Die Künstler nahmen dann nach dem Soundcheck die Karte mit und gaben Sie auf dem Weg zur Bühne am Monitorplatz ab. Das Setup wurde nun dort geladen und stand dann für den Act bereit. So konnte man Zeit für die Bühnenproben gewinnen, da diese für die ersten Soundchecks nicht genutzt werden mussten. Zudem schaftte das als Nebeneffekt auch mehr Vertrauen bei den Künstlern in den individuellen Monitormix.