Einsatz von Audio-Tracking/Matrix-Systemen bei den Schlossfestspielen Schwerin 2010
Autor: Peter Kaminski
Bei den Schlossfestspiel 2010 in Schwerin stand diesmal die Oper "La forza del destino" von Giuseppe Verdi auf dem Programm. Die Schlossfestspiele sind eine jährliche Veranstaltung, die es seit 1999 gibt. Das Staatstheater selbst liegt unmittelbar neben der Spielstätte der Schloßfestspiele. Insgesamt sind drei Tonschaffende für das Staatstheater beschäftigt, wobei noch eine weitere externe Spielstätte betreut wird.
Das Orchester bei der Veranstaltung war das Hausorchester des Staatstheaters Schwerin. Beim Chor kam noch externe Unterstützung der Singakademie sowie von einem polnischen Chor. Die musikalische Leitung hatte GMD Mathias Foremny und die Inszenierung übernahm Peter Lotschak. Die Premiere fand am 25. Juni 2010 statt und die Aufführungen gingen bis zum 1. August, jeweils Donnerstag bis Sonntag.
In diesem, wie auch in den beiden Jahren zuvor, hat Neumann & Müller die Produktion gemäß den Anforderungen des Staatstheaters Schwerin durchgeführt. Bis zu zehn Solisten sind auf der 49 * 40 Meter großen Bühne gleichzeitig präsent. Eine so großen Fläche fordert auch spezielle Beschallungstechnik und so entschloss man sich zum Einsatz von Matrixmischsystem mit einem Positions-Tracking.
Es wurden zwei Tracking-Systeme zum Vergleich eingesetzt und zwar der TTA Stagetracker FX 16 sowie das TiMax-System von Out Board. Die besondere Herausforderung war, dass beide Systeme gleichzeitig im System eingebunden sind. So konnte auch während des Betriebs eine Umschaltung von dem einen auf das andere System erfolgen. Das erforderte aber die Zonen in beiden Systemen gleich anzulegen. Bei den Aufführungen kamen dann auch beide Systeme zum Einsatz. Wir möchten uns hier einmal besonders mit dem TTA Stagetracker auseinandersetzen, der auch bei der Vorführung eingesetzt wurde, die wir besucht hatten.
TTA Stagetracker FX V4
Audio-Tracking-Systeme arbeiten wie folgt: über eine Sensorik wird der Standort der Audioquelle bestimmt und einer Software übermittelt. An einer Mischmatrix liegen die Quellensignale an und werden auf Basis der Positionsdaten von der Software mittels der Matrix auf bestimmte Laufsprecher geroutet und der Pegel und die Laufzeit entsprechend so angepaßt, dass bei optimaler Einstellung die Audio-Positionswahrnehmung exakt der realen Position entspricht.
Der Stagetracker von dem norwegischen Hersteller TTA besteht aus folgenden Komponenten und zwar den sogenannten Tags, also Sender die am Körper der zu trackenden Person getragen wird, einem Radioeye, sprich eine Antenne die die Signale aufnimmt und über die Erfassung der Laufzeit und Winkel des empfangenen Sendersignals in Position umrechnet.
Es gibt eine Stagetracker-Version mit einem oder mit zwei Radio-Eyes (Stagetracker FXR). Pro Objekt lassen sich bei Bedarf auch zwei Tags einsetzen um die Sicherheit bei der Positionserfassung zu erhöhen. Hier (Foto unten) das Radio-Eye, welches ganz oben auf dem Gerüst gegenüber der Bühne angebracht war.
Eine weitere Komponente ist eine Audiomatrix mit Ein- und Ausgängen zum dynamischen Mischen der Mirofonsignale, sowie noch - je nach Anwendungsfall - eine, bzw. zwei Software-Engines.
Neben der Echtzeit-Tracking-Engine bietet TTA Stagetracker noch eine Szenen-basierte Effect Engine (Panorama, Fades. EQ und Pitch Change). Die Tracking Engine ermöglich übrigens auch das manuelle Positionieren der Objekte.
Stagetracker Screen Schwerin 2010 (116.96 kB)
Beschallung
Für die Beschallung wurden d&b Q1 mit QSub und B2 eingesetzt. Für die Quelllautsprecher auf der Bühne kamen Q7 und einige T10 zum Einsatz. Für eine Surround-Beschallung wurden noch CA 106 eingesetzt. Insgesamt fanden über ein Dutzend D12 Controller von d&b Verwendung.
Die Lautsprecher auf der Bühne sind in den diversen Säulen eingebaut, wie hier auf dem Foto während der Montage zu sehen. Auch hier in einem Block links neben der Mitteltreppe befindet sich ein Lautsprecher.
Hier eine Übersichtszeichnung, die Sie unterhalb des Vorschaubildes als PDF aufrufen können.
Beschallungsplan Schlossfestspiele Schwerin 2010 (109.02 kB)
Orchester-Mikrofonie
Das Orchester befand sich in dem kleinen Gebäude auf der linken Seite der Spielfläche rechts neben dem linken Beleuchtungsturm. Für die Abnahme des Orchester wurden 32 Mikrofone der Modelle AT 4041, AT 4033 und AT 4050 von Audio Technica, sowie zwei DPA 4060 eingesetzt.
Dahtlos-Equipment
Der Aufwand bei der Drahtlostechnik war doch relativ groß. Zum Einsatz kam Technik von Sennheiser und zwar EM 1046 Multi-Empfänger sowie EM 3532-U Doppelempfänger. Die Taschensender wurden mit Sennheiser MKE und DPA 4066 Mikrofonen ausgerüstet. Von der Wireless-Crew wird im Container eine Vormischung der Drahtlosmikrofonkanäle mit zwei 32-Kanal Yamaha LS9 Mischpulten durchgeführt.
Tonregie
Das PM1D mit seinen 96 Inputs, 48 Hilfsbussen und 24 Matrixwege war komplett belegt. Die Ausgänge der Drahtloskanäle wurden als Direct Outs auf die beiden Tracking-Systeme gelegt. Aus der Matrix kommen jeweils 16 Rückwege, die als Kanäle wieder am Pult anliegen. Es ist auch während des Betriebs möglich die Matrix zu überbrücken und die Lautsprecher direkt anzusteuern.
Für Chor und Orchester erfolgt eine statische Verteilung auf verschiedene Lautsprecher mit dem Panning des Pults. Das Orchester geht zum Teil, wie z. B. die Streicher, über die Matrix. Die Blechbläser werden rein statisch gemischt. Die Möglichkeit der vielen Lautsprecher und Ausspielwege des Pults wird beim Orchester dafür genutzt, dem Orchester mehr Tiefe zu geben. Als Effektgeräte,m bzw. Prozessoren in der Regie sind Lexicon 480, Bricasti M7 und Waves IR-L im Einsatz.
Interview
Der Tonmeister des Staatstheaters Schwerin ist John Schröder, der seit vielen Jahren im Live-Musik und Theaterbereich tätig. Für Neumann & Müller war Martin Wurmnest vor Ort aktiv. Er schloss 2000 das Tonmeisterstudium an der UdK Berlin ab und ist als Freiberufler international vor allem im Bereich der Beschallung tätig. Beide Tonmeister teilen sich während der Vorstellung die Arbeit am Pult und am Tracking-System. Für sie ist es das zweite Jahr der Zusammenarbeit. Wir sprachen vor einer der Aufführungen mit beiden Tonmeistern in Schwerin.
Martin Wurmnest (links) und John Schröder (rechts)
proaudio.de: Wie sind denn die Erfahrungen mit dem Einsatz der Trackingsysteme was das Mischen und den Aufwand angeht?
Martin Wurmnest: Was wirklich Zeit kostet sind die verschiedenen Ortungszonen so einzurichten, das sie ähnlich klingen und Übergänge nicht hörbar sind. Wir haben hier 14 Zonen eingerichtet, von denen aber letztendlich nicht alle benutzt wurden, weil der Regisseur noch Veränderungen vornahm.
proaudio.de: Gab es auch Absprachen mit dem Regisseur bezüglich Des Einsatzes der Tracking-Systeme?
John Schröder: Wir gaben die Empfehlung aus, dass nicht so extrem weit vor den Lautsprechern inszeniert wird um die Balance zwischen Direktschall und verstärktem Sound zu halten. Leider können wir ja bis heute den Schall nicht vorverzögern, was wir in diesem Fall ja machen müssten. Mit dem Ergebniss war sehr Regisseur letztendlich sehr zufrieden. Natürlich haben auch die Kollegen hier im Hause mitbekommen, dass diese Aufführung gegenüber den anderen schon ein deutlicher Entwicklungsschritt ist.
proaudio.de: Was gibt es sonst noch für technische Besonderheiten?
Martin Wurmnest: Alle Sänger sind mit doppelten Drahtlossendern und auch doppeltem Tracking Tags von TTA ausgestattet. Beim Stagetracker lassen sich zwei Tags pro Person zuweisen, was die Ortung noch präziser und sicherer macht. Das jeweils stärkere Signal wird dann für die Ortung herangezogen. Die Umschaltung von einem auf den anderen Drahtlossender im Havariefall erfolgt von der Drahtlos-Technik-Crew. Die Chöre werden uns von dort in vier Gruppen angeliefert. Bei den Chören ist ungefähr jeder dritte mit einem Drahtlosmikrofon ausgestattet. Beim Orchester gab es keine Vormischungen. Hier laufen die einzelnen Mikrofone auf das Pult auf. Zuspielungen von Samplern gibt es lediglich zwei, die aber vom Orchestergraben erfolgen, bzw. dort ausgelöst werden.
John Schröder: Eine Herausforderung des Tracking-Systems war auch die große Treppe auf der Spielfläche. Dort ergibt sich ein Höhenunterschied von fast 40 Meter. Weil bei dieser Position die Systeme im Grenzbereich arbeiten, haben wir z. B. beim TTA Stagetracker manuelle Cues eingebaut, in denen bestimmte Personen aus dem Tracking rausgenommen werden und quasi auf der Treppe fixiert werden
proaudio.de: Wo liegen denn die prinzipiellen Unterschiede bei den Tracking-Systemen?
Martin Wurmnest: Die Systeme sind sich schon sehr ähnlich. TTA Stagetracker kommt mit einer Antenne aus während es beim TiMax mehrere Antennen sind. Dafür kann TiMax auch dreidimensional arbeiten, was wir aber nicht genutzt haben. Das TiMax arbeitet mit Zonen und wenn eine Zone von einer Person mit einem Tag betreten wird, dann wird das Signal auf diese Zone geschaltet. Beim Stagetracker ist es mehr ein Überblenden von Punkten. Zonen sind prinzipiell aber auch beim Stagetracker möglich wurden von uns aber nicht genutzt.
proaudio.de: Wie zuverlässig waren denn die Tracking-Systeme?
Martin Wurmnest: Ja es kam schon mal vor, dass eine Position nicht genau erfasst wurde. Man hat aber immer die Möglichkeit manuell einzugreifen und hier dann zu korrigieren. Beim Stagetracker kann man mit der Maus die Position auf dem Bildschirm dann ggf. manuell nachführen oder auch schnell Eingriffe bei Ortungspunkten vornehmen, wenn sich Personen zu sehr im Grenzgebiet aufhalten und ein Hin und Her droht. Wir hatten einmal den Fall, dass aus Krankheitsgründen ein Bariton ausgefallen war und ein extra Bariton engagiert werden musste, der hinter der Bühne sang. Auf der Bühne wurde der kränkelnde Bariton wie gewohnt mit dem Tag ausgestattet und hatte so die Aufgabe, die Position vorzugeben, aus der der Bariton hinter der Bühne erklingen sollte und bewegte lediglich die Lippen. Es war schon erstaunlich wie gut die Wahrnehmung der Position funktioniert hat, auch wenn der mangels Direktschall dann anders klang als die anderen Sänger.
proaudio.de: Ist der Einsatz eines Tracking-System auch für die Veranstaltung im nächsten Jahr vorgesehen?
John Schröder: Im nächsten Jahr werden wir eine andere Spielstätte nutzen und zwar eine Freilichbühne am Schloss bekommen, auch wieder mit besonderen Anforderungen und so hoffe ich, dass wir auch im nächsten Jahr wieder mit einem Tracking-System arbeiten können. Letztendlich nimmt ein Tracking-System mit dem damit verbundenem Automatismus einem auch viel Arbeit während der Aufführung ab. Man hat so die Möglichkeit, sich um das Wesentliche zu kümmern.