Technik Digitalmikrofone mit AES42-Interface
Autor: Peter Kaminski
Fotos u. Abbildungen: Neumann, RME, Schoeps, Sennheiser, Stagetec
Ansätze für Digitalmikrofone gab es schon lange, wie das Ariel Digital Microphone in den 80er Jahren oder dem beyerdynamic MCD 100 aus dem Jahre 1996 oder das Milab DM 1001 B aus dem Jahre 1999. Man setzte bei den umgesetzten Konzepten auf einen analogen Schallwander und einem folgenden, hochauflösenden A/D-Wandler. Es kommen auch zweistufige Wandlerverfahren zum Einsatz, um die Auflösung entsprechend dem Dynamikbereich der Mikrofone zu realisieren.
Digitalmikrofone bei denen schon im Wandler eine Digitalisierung stattfand oder bei dem die Abtastung der Membran auf optischen Wege erfolgte, konnten nie mit brauchbaren Ergebnissen in die Praxis umgesetzt werden - auch wenn es eine ganze Reihe von Patente gab.
Mit der Einführung des Digitalmikrofon-Standard AES-42 im Jahre 2001 wurden aber erst die Weichen in die richtige Richtung gestellt denn über diese Norm wurde sowohl eine Schnittstelle als auch das Datenformat für die Übertragung allgemein festgelegt. Dieser Standard wurde mittlerweile mehrfach überarbeitet und erweitert. Die letzte, aktuelle Version stammt aus dem Jahr 2010.
Interface
Die Schnittstelle ist bidirektional, d. h. es werden die Audiodaten vom Mikrofon an ein Interface geschickt und vom Interface werden Steuerdaten zum Mikrofon gesandt, um u. a. Fernsteuerfunktionen oder Firmware-Updates zu ermöglichen. Weiter wird über das Interface auch eine Spannungsversorgung über eine Digital Phantom Power (DPP) für den Betrieb des Mikrofons bereitgestellt (siehe folgendes Prinzipdiagramm).
Um die Steuerdaten zu übertragen, moduliert man die Versorgungsspannung mit einer Modulationsspannung von zwei Volt. Bei einer Abtastrate von 48 kHz beträgt die Pulsrate des Signals maximal 9600 Bit pro Sekunde. Auf der Mikrofonseite wird der Wechselstromanteil vom Gleichstromanteil getrennt und die seriellen Daten können im Mikrofon ausgewertet werden.
Es sind zwei Betriebsarten für eine Abtastratensynchronisation vorgesehen. Beim sogenannten "Mode 1" läuft der Taktgenerator im Mikrofon frei und daher ist auf der Empfängerseite am Interface ein Abtastratenwandler erforderlich, der die eingehende Abtastrate auf die gewünschte Zielabtastrate wandelt.
Der "Mode 2" ist ein synchrones Verfahren, bei dem die Abtastrate im Mikrofon auf die Wunschabtastrate kontinuierlich geregelt wird. Dem Interface muss dabei als Referenz die Zielabtastrate bereitgestellt werden (Standard hierfür AES11). Das Interface kontrolliert die Abtastrate und regelt einen spannungsgesteuerten Oszillator (VCO) im Mikrofon über eine PLL-Schaltung im Interface nach und stabilisiert, bzw. synchronisiert so die Abtastrate auf den Referenzwert. Die Übermittlung dieser Steuersignale erfolgt über den Remote Control Impuls. Mindestens sechs mal pro Sekunde wird die Steuerinformation dabei zur Regelung übertragen.
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die AES42 spezielle Kabel mit einer Impedanz von 110 Ohm vorsieht. Kürzere Verbindungen lassen sich auch mit Standard Mikrofonkabeln realisieren aber empfehlenswert ist dies nicht. Man sollte grundsätzlich das vorgeschriebene Kabel nutzen, um Problemen aus dem Weg zu gehen. Als Verbinder kommen bei den AES42-Interfaces übrigens dreipolige XLR-Buchsen und Stecker zum Einsatz.
Datenstrom
Das Format des Datenstroms vom Mikrofon zum Interface entspricht weitgehend dem AES3-Standard. Für die Übertragung der Statusinformationen werden hierbei die Aux-Datenfelder genutzt. Vom Mikrofon werden neben Basisdaten wie Hersteller, Mikrofontyp und Seriennummer auch Statusinformationen wie Schalterstellungen, Overload, sowie Batteriestand, Feldstärke und Rauschsperrenstatus bei Drahtlosmikrofone übertragen.
Die Steuerinformationen zum Mikrofon über die Remote Control Impulses gestatten über die sogenannten Direct Commands den Einfluss auf eine Vielzahl von Parametern, wie z. B. Einstellung der Vordämpfung und eines Hochpassfilters, Anwahl der Richtcharakteristik, Limiter- und Mute-Aktivität (ein/aus). Über die Extended Commands sind weitere Steuerinformationen möglich, wie Umschaltung MS/XY, Equalizer-Einstellungen usw.
Interface-Produkte
Das erste AES42-Interface wurde von dem Hersteller Neumann mit dem zweikanaligen DMI-2 vorgestellt.
Das Interface ermöglicht auch den Anschluss eines Computers über eine RS-485-Schnittstelle und über einen Control Bus lassen sich Geräte auch kaskadieren. Üblicherweise schließt man einen PC über USB und einen entsprechenden Konverter an. Das Interface stellt als Ausgang AES3 Digital-Audio-Schnittstellen bereit.
Da aber schnell der Wunsch nach einem Interface mit mehr als zwei Kanälen aufkam, entwickelte RME Audio mit dem DMC-842 ein Interface in 19"-Bauweise mit acht AES42-Schnittstellen.
Neumann brachte 2009 dann ebenfalls mit dem DMI-8 ein achtkanaliges Interface heraus.
Auch diese Interfaces lassen sich alle kaskadieren, um so bis zu 64 Kanäle mit einem System kontrollieren zu können. Mit einem Zusatzmodul ist es auch via Ethernet kontrollierbar.
Seit 2010 bietet Neumann mit dem DMI-2 PORTABLE ein AES-42 optimiert für den mobilen Betrieb an.
Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von weiteren AES42-Schnittstellen, bzw. Geräte mit dieser Schnittstelle. So z. B. eine Eingangskarte für die Stagetec-Mischpulte, die Marian AES42 PCI-Karte und mit dem DAC C462 ein D/A-Wandler mit AES42-Schnittstelle. Auch Recorder, wie der Sound Devices 788T oder der AETA 4MinX, sind mit AES42-Schnittstellen ausgerüstet.
Steuerung
Die Digitalmikrofone lassen sich komfortabel über Software steuern, welche auf an den Interface angeschlossenen PCs läuft. Neumann bietet hier zum Beispiel die RCS-Software an (siehe folgende Abbildung).
Für das DMC 842 von RME gibt es ebenfalls eine ähnliche Bedienoberfläche, die auch die Fernsteuerung der Mikrofone gestattet.
Je nach den im Mikrofon implementierten Funktionalitäten, lassen sich diese über weitere Dialogboxen einstellen, wie z. B. die M/S-Breite bei einem digitalen Richtrohrmikrofon. Das heißt also, dass die Audiobearbeitung im Mikrofon und nicht im RME-Interface erfolgt.
Wenn Limiter/Kompressor im Mikrofon implementiert sind, so lassen sich auch diese in der DMC-Control-Software einstellen.
Auch bei Stagetec-Mischpulten lassen sich die Mikrofonparameter am Pult verändern. Hier in dem Beispiel lässt sich links eine AES42 kontrollieren.
Mikrofone
Das erste Mikrofon mit AES42-Schnittstelle war das D-01 aus der Serie Solution-D mit einem neuen A/D-Wandlerverfahren und auch einem neuen Kapseldesign. Also nicht einfach nur ein digitalisiertes Mikrofon der bestehenden Serie sondern ein neues Mikrofon.
Mit der Serie KM D bietet Neumann auch seine Kleinmikrofone in einer digitalen Variante an. Hierzu gibt es das digitale Speisegerät KM D, auf das verschiedene Kapseln aufgeschraubt werden können, wie die KK 131, KK 133 und KK 183 mit Kugelcharakteristik, KK 143, KK 184 und KK 145 mit Nierencharakteristik, KK 185 Hyperniere und die KK 120 mit einer Acht-Richtcharakteristik.
Mit dem TLM 103 D ist auch ein weiteres digitales Großmembranmikrofon mit Nierenrichtcharakteristik beim Berliner Hersteller Neumann im Angebot.
Auch Sennheiser bietet mit dem MZD 8000 eine digitale Lösung mit AES42-Schnittstelle an. Das Digitalmodul gestattet den Betrieb mit den Kapseln der 8000er-Serie und bietet einen einstufigen 24-Bit-A/D-Wandler.
Auch für den Reportage- oder Filmtonbereich gibt es digitale Mikrofonlösungen, wie das auf dem CMIT 5 basierenden SuperCMIT von Schoeps, welches nicht nur ein digitales AES42-Interface bietet, sondern auch ein neues technisches Verfahren für besonders hohe Richtwirkung und Klangqualität. Weiter bietet Schoeps mit dem CMD 2 auch einen digitalen Mikrofonvorverstärker mit AES42-Ausgang für seine umfangreiche Colette-Serie an. Die Schoeps-Digitalmikrofone arbeiten alle ausschließlich im AES42 Mode 1, also asynchron, und bedürfen also eines Abtastratenwandlers am Eingang des Pultes oder Recorders.
Mit dem KMR 81 D gibt es auch eine digitale Variante des KMR 81 Richtrohrmikrofons.
Man sieht also, es mangelt nicht an verfügbaren Mikrofonen, die einen Anschluss an eine AES42 Digitalmikrofonschnittstelle gestatten.
Vor- und Nachteile
Der Vorteil der Digitalmikrofone liegt einmal in der optimalen Aussteuerung. Da der Wandler im Mikrofon den ganzen Dynamikbereich abbilden kann, ist so eine Übersteuerung des internen Preamps ausgeschlossen. In dem Falle ist lediglich eine Übersteuerung des Schallwandlers durch zu hohen Schalldruck möglich.
Weiter kann man auf Preamps und A/D-Wandler verzichten - also auch eine Frage der Kosten. Dem steht aber gegenüber, dass die klangliche Beeinflussung durch gezielte Verwendung eines bestimmten Mikrofonvorverstärkers entfällt.
Weiter werden durch die digitale Übertragung u. a. Probleme durch Brummschleifen eliminiert und die klangliche Beeinflussung durch die Kabellänge, oder genauer gesagt durch die Kabelkapazität, ist ausgeschlossen.
Weitergehende Quellen
Es gibt zwei empfehlenswerte Quellen, wenn man tiefer in die Materie einsteigen möchte und zwar einmal den Print des AES42 selbst, welcher als PDF über die Web-Site der Audio Engineering Society verfügbar ist (www.aes.org) oder das sehr aufschlussreiche deutsche Whitepaper "Digitale Mikrofone und AES42" auf der Web-SIte von hauptmikrofone.de (www.hauptmikrofon.de).